In Deutschland leben rund 1,6 Millionen alleinerziehende Mütter und Väter mit minderjährigen Kindern. Während der Anteil von Familien mit Kindern an allen Haushalten in Deutschland insgesamt seit Jahren rückläufig ist, steigt die Zahl der Alleinerziehenden kontinuierlich an. Mittlerweile machen Alleinerziehende ein gutes Fünftel der Familien mit minderjährigen Kindern aus, wobei deutliche regionale Unterschiede und Geschlechterungleichheiten bestehen. Einelternfamilien sind in Ostdeutschland deutlich weiter verbreitet (27 Prozent) als in Westdeutschland (19 Prozent), und Frauen sind bei den Alleinerziehenden mit rund 90 Prozent immer noch stark überrepräsentiert.
vielfältige Familienform
Zunächst bedarf der Begriff "alleinerziehend" einer Klärung. Denn einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2011 zufolge benutzen viele Alleinerziehende diesen Begriff gar nicht.
Alleinerziehend kann also vielfältige Bedeutungen haben, und es zu sein, bringt unterschiedliche Herausforderungen mit sich. Dies hängt insbesondere damit zusammen, an welchem Punkt im Lebensverlauf und durch welches Ereignis eine Person alleinerziehend wird. Während der Tod des Partners oder der Partnerin der Ausnahmefall ist, sind Familientrennungen von ehelichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit rund 80 Prozent die mit Abstand häufigste Ursache für den Beginn einer Alleinerziehendenphase.
Allein dieser Unterschied im Kindesalter stellt Alleinerziehende vor jeweils andere Alltagsherausforderungen: Jüngere Kinder erfordern eine viel höhere Betreuungsintensität, und das Betreuungsangebot für ältere Kinder ist immer noch deutlich besser ausgebaut als das für jüngere. Darüber hinaus besteht ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Alleinerziehenden qua Geburt und solchen durch eine Familientrennung. Besonders Frauen, die in einer vorherigen Partnerschaft die Hauptverantwortung für die Erziehungsarbeit übernahmen, unterbrachen oder reduzierten häufig längerfristig die Erwerbstätigkeit. Dieser Umstand erschwert es weiblichen Alleinerziehenden nach einer Partnerschaftstrennung aufgrund mangelnder Arbeitsmarktintegration oder Berufserfahrung während der Alleinerziehendenphase, einen adäquaten Job als Alleinernährerin zu finden.
"Häufig von Armut betroffen": was heißt das?
Wie erwähnt, haben Alleinerziehende ein deutlich höheres Armutsrisiko im Vergleich zu Paarfamilien. Darüber hinaus ist das Armutsrisiko von Alleinerziehenden über die vergangenen 20 Jahre relativ kontinuierlich gestiegen, und zwar stärker als für die Gesamtbevölkerung.
Gemäß der Definition der Europäischen Union gilt ein Haushalt dann als von Armut bedroht, wenn er über weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten
Wird der Bezug von Leistungen aus der Grundsicherung als weiterer Armutsindikator herangezogen, fällt der Vergleich von Alleinerziehenden und Paarfamilien noch drastischer aus: Alleinerziehende beziehen rund fünfmal so häufig Leistungen aus der Grundsicherung wie Paarfamilien (40 Prozent im Vergleich zu acht Prozent) und verbleiben auch länger im Leistungsbezug.
Vielfältige Ursachen – eine Annäherung
Das materielle und soziale Wohlergehen von Familien hängt nicht nur von der familiären Gemeinschaft, sondern auch von den Arbeitsmarktbedingungen und nicht zuletzt vom Wohlfahrtsstaat ab. In der Armutsforschung werden die Ursachen für das erhöhte Armutsrisiko Alleinerziehender im Zusammenspiel dieser drei Instanzen verortet, die gemeinsam häufig als "Wohlfahrtsdreieck" bezeichnet werden.
Familiäre Gemeinschaft
Grundsätzlich kann die Anwesenheit von Kindern im Haushalt ein Armutsrisiko bedeuten. In Familien mit Kindern müssen zum einen mehr Personen versorgt werden, die nicht ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten können, zum anderen investieren Eltern viel Zeit in die Erziehungsarbeit, was gleichzeitig ihr Erwerbspotenzial schmälert – vor allem solange die Kinder klein sind. Diese Erziehungsarbeit wird nach wie vor hauptsächlich von Frauen geleistet. Das hängt mit fortbestehenden geschlechtsspezifischen Normen zur Verantwortlichkeit für unbezahlte Erziehung oder Pflege von Familienmitgliedern einerseits und für bezahlte Erwerbsarbeit andererseits zusammen. Mittlerweile sind Frauen zwar mehrheitlich erwerbstätig, und immer mehr Paare streben eine egalitäre Aufgabenaufteilung zumindest an. Trotzdem hat die Geburt eines Kindes oft zur Folge, dass Frauen den Großteil der unbezahlten Familienarbeit übernehmen, was langfristige negative Konsequenzen für ihre Erwerbsbiografien hat.
Solange die Paarbeziehung der Eltern besteht, ist das Armutsrisiko verdeckt, im Falle einer Familientrennung aber tritt es zum Vorschein. Denn die geschlechtsspezifische Verantwortlichkeit für die Erziehung von Kindern bleibt meist auch nach einer Trennung bestehen, sodass die allermeisten Kinder mit der Mutter zusammenleben. Dies gilt insbesondere für kleine Kinder, die eine intensive Betreuung brauchen. Der Großteil der alleinerziehenden Väter hingegen lebt mit jugendlichen Kindern zusammen, die im Alltag schon recht selbstständig sind. Dadurch erleben alleinerziehende Mütter häufig eine stärkere und länger andauernde Doppelbelastung von Erziehungs- und Erwerbsarbeit.
Die Verantwortung beider Elternteile gegenüber den Kindern besteht auch nach einer Familientrennung fort. Grundsätzlich gibt es im Hinblick auf die elterlichen Pflichten gegenüber den Kindern eine Aufteilung in Betreuungs- und Barunterhalt. Lebt das Kind nach der Familientrennung nur bei der Mutter, so leistet diese meist den gesamten Betreuungsunterhalt. Damit ist streng genommen der Vater für den kompletten finanziellen Bedarf des Kindes verantwortlich. Dieser Pflicht kommt allerdings nur etwa jedes zweite unterhaltspflichtige Elternteil nach, wobei lediglich die Hälfte der geleisteten Unterhaltszahlungen dem festgelegten Mindestunterhalt (335 Euro für Kinder bis fünf Jahre, 384 Euro für Kinder von sechs bis elf Jahren und 450 Euro für Kinder von zwölf bis 17 Jahren) entspricht.
Arbeitsmarkt
Grundsätzlich zeigen Alleinerziehende eine hohe Erwerbsorientierung und verfügen mehrheitlich über einen beruflichen Abschluss, was eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Jobsuche ist. Dennoch sind Alleinerziehende deutlich häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als dies bei der gesamten Erwerbsbevölkerung (15- bis 65-Jährige) der Fall ist.
Allerdings strukturieren fortbestehende geschlechtsspezifische Rollenbilder auch den Arbeitsmarkt für Frauen und Männer in unterschiedlicher Weise. Dieses Phänomen wird als "berufliche Geschlechtersegregation" bezeichnet. Sie zeigt sich zum einen darin, dass Frauen und Männer Berufe ausüben, die sich unter anderem in ihren Aufgabenfeldern, Lohnstrukturen, Aufstiegsmöglichkeiten oder Zeitmodellen deutlich unterscheiden. Männlich dominierte Berufe setzen häufig Vollzeiterwerbstätigkeit, zeitliche Flexibilität sowie Überstundenbereitschaft voraus, werden in der Regel aber auch deutlich besser bezahlt. Dagegen sind überwiegend von Frauen ausgeübte Berufe durch einen hohen Teilzeitanteil, geringfügige Beschäftigung, geringere Beschäftigungsstabilität, niedrigere Löhne, dafür aber größere zeitliche Flexibilität gekennzeichnet. Des Weiteren sind Frauen und insbesondere Mütter in höheren Positionen gegenüber Männern weiterhin deutlich unterrepräsentiert, was häufig mit dem Bild der "gläsernen Decke" beschrieben wird. Alleinerziehende Mütter kämpfen damit nicht nur mit der grundsätzlich stärkeren Doppelbelastung, sondern eben auch mit geschlechtsspezifischen Formen der Arbeitsmarktdiskriminierung. Für alleinerziehende Väter dagegen besteht die größte Herausforderung darin, bei der bestehenden Vollzeit- und Überstundennorm für Männer zeitliche Ressourcen für die Familie zu finden.
All diese Nachteile müssen von Alleinerziehenden häufig in Kauf genommen werden, um eine Erwerbstätigkeit mit dem Familienleben zu vereinbaren. Beispielsweise nimmt der Niedriglohnsektor immer weiter zu, was zu einer Entkopplung von Erwerbsbeteiligung und Armutsrisiko führt. Das bedeutet, dass immer mehr Jobs so gering entlohnt werden, dass sie nicht mehr ausreichend vor Armut schützen. Alleinerziehende sind davon besonders stark betroffen, da sie im Niedriglohnsektor überrepräsentiert sind.
Sozialstaat
Die Aufgabe des Sozialstaats besteht darin, Bürgerinnen und Bürger beziehungsweise Haushalte gegen bestimmte Risiken abzusichern, falls dies über die familiäre Gemeinschaft und den Arbeitsmarkt nicht ausreichend gewährleistet werden kann. In Deutschland geschieht dies vorrangig über das Sozialversicherungssystem, das Einkommensverluste bei Arbeitsplatzverlust, Mutterschaft, Krankheit und Pflegebedürftigkeit, bei Unfällen sowie im Alter abfedert. Die (Dienst-)Leistungen in den Bereichen Familien-, Vereinbarkeits- und Sozialpolitik sind auch für Alleinerziehende wichtige Einkommensquellen, um ein Leben unterhalb der Armutsgrenze zu vermeiden. Dem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht zufolge wird das Armutsrisiko von Alleinerziehenden durch Sozialtransfers immerhin um 33 Prozent reduziert.
Im Rahmen der Familienpolitik, die die finanziellen Risiken von Kindern abmildern soll, stehen Alleinerziehenden verschiedene Leistungen zur Verfügung: Speziell für Alleinerziehende besteht ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, falls der unterhaltspflichtige Elternteil dieser Pflicht nicht oder nur teilweise nachkommen kann. Diese Leistung orientiert sich an einem festgelegten Mindestunterhalt, der jedem Kind zusteht. Für Kinder bis zu fünf Jahren beträgt der Unterhaltsvorschuss derzeit 150 Euro pro Monat, für Sechs- bis Elfjährige 201 Euro und für Zwölf- bis 17-Jährige 268 Euro. Der Unterhaltsvorschuss ist eine sogenannte vorrangige Sozialleistung, das heißt, andere Sozialleistungen – beispielsweise nach dem SGB II – können nur dann zusätzlich bezogen werden, wenn der Bedarf des Haushalts durch eigenes Erwerbseinkommen, den Unterhaltsvorschuss und andere vorrangige Leistungen wie Arbeitslosen- oder Elterngeld nicht gedeckt werden kann. Bis vor Kurzem war der Bezug des Vorschusses auf sechs Jahre begrenzt; außerdem galt er nur für Kinder unter zwölf Jahren. Nach starker Kritik wurde die Begrenzung zum Juli 2017 aufgehoben: Der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss gilt nun ohne zeitliche Einschränkungen bis zum 18. Geburtstag des Kindes, sofern "das Kind nicht auf SGB II-Leistungen angewiesen ist oder der alleinerziehende Elternteil im SGB II-Bezug mindestens 600 Euro brutto verdient".
Durch diese Gesetzesänderung werden deutlich mehr Alleinerziehende Unterhaltsvorschuss beantragen können, was sich kurz- und langfristig positiv auf ihre Einkommenssituation auswirken dürfte. Darüber hinaus steht Alleinerziehenden – wie anderen Eltern auch – Kindergeld in Höhe von 192 Euro monatlich pro Kind zu.
Im Bereich der Vereinbarkeitspolitik gab es in den zurückliegenden Jahren mehrere Reformen, die es Eltern erleichtern sollen, Familien- und Erwerbsleben besser miteinander in Einklang zu bringen. Hierfür ist ein ausreichendes Angebot an öffentlich bereitgestellter Kinderbetreuung von besonderer Bedeutung. Während der rechtliche Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab drei Jahren seit Mitte der 1990er Jahre besteht, blieb das Betreuungsangebot für jüngere Kinder vor allem in Westdeutschland lange Zeit weit hinter der Nachfrage zurück. Seit 2013 besteht nun auch für Kinder ab einem Jahr ein solcher Anspruch, woraufhin die Kinderbetreuung massiv ausgebaut wurde. Das Angebot unterscheidet sich regional aber weiterhin stark in seiner Verfügbarkeit und hinsichtlich der Öffnungszeiten, sodass nicht immer (Vollzeit-)Betreuungsplätze für kleine Kinder oder ausreichend Nachmittagsbetreuung für Schulkinder zur Verfügung stehen. Generell wird allen erwerbstätigen Eltern ein bevorzugter Zugang zu Kinderbetreuung eingeräumt.
Darüber hinaus wurde 2007 das einkommensbezogene Elterngeld eingeführt, das Einkommensverluste nach der Geburt eines Kindes abfedern soll. Es wird für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub gezahlt. Zusätzlich zu den zwölf regulären Monaten können Alleinerziehende die zwei "Vätermonate" auch selbst in Anspruch nehmen. Die Höhe des Elterngeldes hängt vom vorherigen Einkommen ab und beträgt mindestens 300 Euro (zum Beispiel bei vorheriger Erwerbslosigkeit oder Inaktivität) und maximal 1800 Euro in Monat. An der Reform wird jedoch kritisiert, dass vor allem Familien mit mittleren und hohen Einkommen profitieren, während Familien ohne vorheriges Erwerbseinkommen aufgrund der kürzeren Bezugsdauer sogar schlechter gestellt seien als zuvor.
Im Bereich der Sozialpolitik sind insbesondere die Leistungen aus der Grundsicherung von großer Bedeutung für Alleinerziehende. Anspruch besteht entweder im Falle einer Inaktivität, bei Erwerbslosigkeit oder wenn das Erwerbseinkommen sehr niedrig ist. Im Zuge der "Hartz-Reformen" wurde 2005 die Sozialhilfe mit der Arbeitslosenhilfe im neuen Arbeitslosengeld II zusammengelegt. Diese Leistungen sind bedürftigkeitsgeprüft. Die Höhe der Leistungen ist in Regelsätzen für verschiedene Haushaltskonstellationen festgelegt, die immer wieder an die sich verändernden tatsächlichen Lebenshaltungskosten angepasst werden. Neben den Regelsätzen werden auch die Kosten der Unterkunft sowie Heizkosten vom Staat übernommen. Alleinerziehenden wird zusätzlich ein Mehrbedarf zugesprochen, der abhängig von der Anzahl und dem Alter der Kinder ist. Für Alleinerziehende, die keinen Anspruch auf Leistungen aus der Grundsicherung haben, kann Wohngeld eine wichtige Einkommensquelle darstellen. Hier wird Alleinerziehenden ein Einkommensfreibetrag von 600 Euro für jedes Kind unter zwölf Jahren gewährt.
Außerdem gibt es für Alleinerziehende auch steuerliche Entlastungen. Generell wird Eltern ein Kinderfreibetrag gewährt, da das Existenzminimum von Kindern von der Steuer freigestellt wird. Dieser kann allerdings nur alternativ zum Kindergeld in Anspruch genommen werden. Das Finanzamt prüft automatisch, welche Leistung sich für den jeweiligen Haushalt als günstiger herausstellt. Alleinerziehenden wird der gleiche Kinderfreibetrag gewährt wie zwei zusammenlebenden Eltern, wenn der andere Elternteil entweder verstorben oder beschränkt einkommensteuerpflichtig ist (4608 Euro). Zusätzlich gibt es für Alleinerziehende einen steuerlichen Entlastungsbetrag auf die Einkommensteuer, der 2015 bei 1908 Euro für das erste Kind lag und sich bei jedem weiteren Kind um 240 Euro erhöht.
Was kann getan werden?
Trotz vielfältiger Reformen, die einige Verbesserungen mit sich bringen, gibt es weiteren Handlungsbedarf in allen drei Instanzen – Familie, Arbeitsmarkt und Sozialstaat. Im Bereich der familiären Gemeinschaft sollte eine gleichberechtigte Verantwortlichkeit für Erziehungs- und Erwerbsarbeit von Männern und Frauen weiter gestärkt werden. Dem stehen insbesondere das Ehegattensplitting, die kostenlose Mitversicherung von Familienmitgliedern in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie ein unzureichendes Kinderbetreuungsangebot im Weg.
Im Bereich des Arbeitsmarkts sollten insbesondere für sehr junge Alleinerziehende mit geringer oder ohne abgeschlossene Berufsausbildung Qualifizierungs- sowie Weiterbildungsangebote weiter ausgebaut werden, um gerade diese sehr gefährdete Gruppe gezielter zu unterstützen. Gleichzeitig sollten Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen Anreize erhalten, familienfreundliche und zeitlich flexible Arbeitsplätze zu schaffen.
Im Hinblick auf den Sozialstaat besteht folgender Handlungsbedarf: Zu allererst sollten der Zugang zu Informationen über Sozialleistungen und ihre Kombination für Alleinerziehende sowie das Beantragen solcher Leistungen deutlich erleichtert werden.
Darüber hinaus gilt es, die Kinderbetreuung weiter auszubauen, insbesondere die Nachmittagsbetreuung für Schulkinder und die Betreuung zu Randzeiten. Rund ein Viertel der Alleinerziehenden mit Kindern unter drei Jahren wünscht sich für das eigene Kind einen Kita-Ganztagsplatz mit mehr als 35 Stunden in der Woche.