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Die Vorbereitungen in der Bundesrepublik Deutschland

Erwin Breßlein

/ 3 Minuten zu lesen

Im Sommer 1973 fanden die X. Weltfestspiele in Ost-Berlin statt. Ein Jugendfestival zwischen politischer Inszenierung, Repression und persönlicher Begegnung. Erwin Breßlein analysiert die Geschichte der Weltfestspiele und die Vorbereitungen für Ost-Berlin.

Den Auftakt für die Festivalvorbereitungen in der Bundesrepublik gab eine Versammlung des von der "Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" und dem "Marxistischen Studentenbund Spartakus" – Jugend- bzw. Studentenorganisation der DKP – beherrschten Arbeitskreis Festival (AKF) a 27. Mai 1972 im Essener Saalbau.

Rund 400 Jugendliche waren den Einladungen des AKF gefolgt, unter ihnen Mitglieder der SJD "Die Falken" und des SHB, der Naturfreunde- und der Gewerkschaftsjugend. Allerdings blieb diese Konstellation nicht erhalten; denn die dem Deutschen Bundesjugendring (DBJR) angehörenden Jugendorganisationen SJD "Die Falken" und die Naturfreunde scherten ebenso wie die Gewerkschaftsjugend aus der sowjetkommunistisch orientierten Linie des AKF aus und gründeten mit anderen am Festival interessierten Jugendorganisationen einen eigenen vorbereitenden Arbeitskreis: die "Koordinierungsgruppe X. Weltfestspiele". Ihr gehören heute 15 demokratische Jugendorganisationen unter der Federführung der SDJ "Die Falken" an: die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend, der Bund Deutscher Pfadfinder, die Deutsche Beamtenbund-Jugend, die Deutsche Esperanto-Jugend, die Deutschen Jungdemokraten, die Deutsche Schreberjugend, die Gewerkschaftsjugend des DGB, die Jugend der DAG, die Jungen Europäischen Föderalisten, die Jungsozialisten in der SPD, die Naturfreundejugend, die Solidaritätsjugend und der Verband Christlicher Pfadfinder.

Diesen Jugendverbänden geht es um eine Zielsetzung, die der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Jugend und Familie, Rudolf Hauck (SPD), im März 1973 in Helmstedt so kennzeichnete: Nur bei einer Teilnahme am Ost-Berliner Festival bestehe die Möglichkeit, den Delegierten aus Osteuropa und der Dritten Welt ein objektives Bild von der bundesrepublikanischen Wirklichkeit zu vermitteln.

In gleicher Absicht erklärten auch der Vorsitzende des DBJR, Walter Haas, und das Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes, Franz Woschick, im Februar 1973, sie nähmen "nicht der Aufmärsche und sportlichen Wettkämpfe" wegen in Ost-Berlin teil, sondern um in den Seminaren und Foren zu diskutieren.

Dem AKF gehören 18 meist prosowjetisch ausgerichtete Organisationen an. Er tagte im Juni 1972 in Dortmund hauptsächlich zur Gründung eines Arbeitsausschusses, in dem SHB, VDS und DAJ durch je einen Vertreter repräsentiert sind. Dirk Krüger vom VDS wurde zum Sprecher des AKF gewählt.

Zwischen beiden Vorbereitungskomitees gab es ständig Kontakte; zu einer Verschmelzung kam es jedoch wegen der ideologischen Gegensätze nicht. Im Januar 1973 erfolgte aufgrund der Einsicht, daß es nur eine schmale gemeinsame Basis zwischen ihnen gibt, die Gründung eines "Initiativausschusses Weltfestspiele", dem drei Vertreter des AKF und vier der Koordinierungsgruppe angehören. Die konträren Positionen der Mitglieder spiegelt auch ein nach mehr als zwei Monaten gemeinsamer Arbeit verkündeter Aufruf relativ unverbindlichen Charakters. So heißt es da: "Wir gehen davon aus, daß die X. Weltfestspiele dazu beitragen, die Bestrebungen der Jugend- und Studentenorganisationen mit unterschiedlichen politischen, philosophischen und religiösen Anschauungen für Solidarität, Frieden und Freundschaft zur Entwicklung der Zusammenarbeit, des Verständnisses und der Freundschaft der Jugend der Welt zu stärken."

Der Korrespondent der "Frankfurter Rundschau", Hans Lerchbacher, vermutet, daß der AKF erst auf einen Wink aus der DDR hin einen solchen tolerierenden Aufruf unterschrieb, in dem er sich u.a. verpflichtete, "die unterschiedlichen Standpunkte gegenseitig zu achten" und "die in der Charta der Vereinten Nationen festgelegten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu verwirklichen".

Ein ziemliches Durcheinander herrschte bei den Jugendorganisationen der CDU bezüglich der Teilnahme in Ost-Berlin. Der RCDS wollte sich ursprünglich bemühen, an den Weltfestspielen teilzunehmen, verzichtet aber jetzt darauf. Genau umgekehrt war die Entwicklung in der Jungen Union. Noch im Januar dieses Jahres warf ihr Bundesvorstandsmitglied, Matthias Wißmann, Jungesozialisten und Jungdemokraten vor, sie zeigten wegen ihrer Vorbereitungen auf Ost-Berlin ein Vorliebe für eine Zusammenarbeit mit kommunistischen Organisationen. Diese Haltung wurde auch von der CDU durch deren Sprecher Willi Weiskirch vertreten. Entsprechend groß war die Überraschung, als der Bundesvorstand der Jungen Union Ende Februar den Beschluß faßte, doch in Ost-Berlin dabei zu sein. Die Folge davon waren erhebliche Unruhen und heftige Kritik in der CDU, zu der indessen der JU-Bundesvorsitzende Echternach meinte: "Wir pflegen unsere Beschlüsse unabhängig von der Partei zu fassen" (Frankfurter Rundschau vom 8.3.1973). Eine Lösung des Ju-Dilemmas sollte dadurch möglich gemacht werden, daß sie ihre Unterschrift nicht unter den gemeinsamen Aufruf des "Initiativausschusses WF" setzte, sich also gleichermaßen von AKF wie von der Koordinierungsgruppe fernhielt, aber direkte Verhandlungen mit Ost-Berlin zwecks Teilnahme aufnahm. Dabei wollte die Junge Union bestimmte Konditionen, wie z.B. die Zulassung eigener Redner, erfüllt sehen. Inzwischen hat aber die Junge Union geäußert, nicht am X. Festival teilzunehmen.

Nach letzten Informationen wird die organisatorisch gemeinsam operierende Delegation der Bundesrepublik Deutschland aus AKF und Koordinierungsgruppe rund 800 Personen stark sein.

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