Nicht nur die Analyse moderner Industriegesellschaften, sondern auch Fragen nach einer menschenwürdigen, gerechten Gesellschaft sind selten so präzise und vorausschauend behandelt worden wie in "Das Kapital" von Karl Marx. Während Aristoteles einen Begriff des "guten Lebens" unter antiken Bedingungen entwarf, der zu weit von einer technologisch geprägten Gegenwart entfernt ist, sprengte die von Thomas Morus idealisierte "Utopia" jeden Realitätssinn. Hoffnungen auf eine humanere Welt stützten sich fortan auf wissenschaftlich-rationale Fortschrittskonzeptionen, die Francis Bacon mit einer umfassenden Naturbeherrschung assoziierte. Diese Vorstellung von instrumenteller Vernunft hat bis heute nichts an Relevanz verloren: Irdische Ressourcen seien in Mittel umzufunktionieren, aus denen sich eine unbegrenzte Steigerungsspirale menschlichen Wohlergehens speisen soll.
Mittels dieses Fortschrittsimperativs, so proklamierte Georg Simmel, müsse es möglich sein, die "Menschheitstragödie der Konkurrenz"
Nun wird diese zivilisatorische Großbaustelle von zwei Ambivalenzen überschattet, deren erste von Marx prominent und folgenreich vertieft wurde: die soziale Frage. Denn dass ausgerechnet jene Mittel, die einen stetig wachsenden ökonomischen Gabentisch bereiten und die Welt befrieden sollten, tatsächlich in Ausbeutung, Verteilungsungerechtigkeit, Machtkonzentration und Krisen ausarten würden, musste eine harsche Auseinandersetzung mit der dafür ursächlichen Wirtschaftsform entfachen, dem sogenannten Kapitalismus.
Erst später offenbarte sich eine zweite, weitaus existenziellere Nebenwirkung des modernen Wirtschaftens. Mit dem ersten Bericht an den Club of Rome 1972 wurde deutlich, dass sich die zwecks sozialen Fortschritts entfesselte Naturbeherrschung nicht durchhalten lässt und überdies eine ökologische Überlebenskrise heraufbeschwört. Die Reaktionen waren und sind zweigeteilt: Zum einen wird argumentiert, dass der zwar expansive, jedoch aus ökonomischer und sozialer Sicht angeblich bewährte Modernisierungsvorgang fortgesetzt werden könnte, wenn er durch ein nachgebessertes, nunmehr ökologisches Modernisierungsprogramm ersetzt würde. Mittels intelligenter Innovationen könnte das ohne Wirtschaftswachstum nicht zu stabilisierende Konsum- und Mobilitätsparadies von Umweltschäden entkoppelt werden. So ließe sich die soziale Fortschrittslogik retten, nunmehr im Gewand eines "grünen Wachstums" und basierend auf Investitionen in ökologische Effizienz, erneuerbare Energien und geschlossene Stoffkreisläufe.
Die wachstumskritische Gegenposition, unter anderem vertreten durch die Postwachstumsökonomik, verneint diese Möglichkeit. Das wirft ein vollkommen anderes Licht auf Verteilungs- und Gerechtigkeitsbelange.
Gerechtigkeit und ökologie
Wachstumskritische Standpunkte innerhalb des Nachhaltigkeitsdiskurses verweisen zumeist auf die Gesetze der Thermodynamik.
Der verteilungspolitisch verfügbare Wohlstand ist damit nach oben begrenzt, was gleichbedeutend mit der Rückkehr zur überwunden geglaubten Nullsummenlogik ist: Welchen materiellen Spielraum darf ein einzelnes Individuum während seines Lebens ausschöpfen, ohne ökologisch – und damit zugleich sozial – über seine Verhältnisse zu leben? Einen mutmaßlichen Überschuss "gerecht" verteilen zu wollen, der in einer gerechten Welt gar nicht existieren dürfte, weil er auf irreversibler Plünderung beruht und somit zukünftige Lebensperspektiven zerstört, führt sich selbst ad absurdum. Deshalb beschränkt sich ein wachstumskritischer Gerechtigkeitsbegriff nicht auf die typischerweise von links-emanzipatorischer Seite ausschließlich betrachtete horizontale, also interpersonelle Verteilung. Sie adressiert zunächst eine vertikale, also intergenerationale Dimension: Als erstes wäre ein ökologischer Rahmen zu definieren, um im zweiten Schritt einen daraus zu generierenden Wohlstand verteilen zu können.
Was bringt moderne Zivilisationen dazu, sich systematisch über diese ökologische Knappheitsregel hinwegzusetzen, also Substanzverzehr mit Überschüssen zu verwechseln? Drei Erklärungsmuster: Es wird erstens an der sogenannten Green-Growth-Utopie festgehalten, mittels umwelttechnischen Fortschritts einen plünderungsfreien Wohlstand erzeugen zu können. Es werden zweitens fortlaufend neue Armutsphänomene, Gerechtigkeitsdefizite oder Bedürfnisse identifiziert, von denen politischer Handlungsdruck ausgeht. Deren Beseitigung beziehungsweise Befriedigung verspricht jedoch nur dann Wählerstimmen, wenn nicht zugleich anderen Wählergruppen Umverteilungsmaßnahmen zugemutet werden. Also flüchtet sich die Politik in eine Wachstumsstrategie oder Staatsverschuldung – was wiederum nur vorweggenommenes Wachstum bedeutet –, um das andernfalls drohende Nullsummenspiel zu überwinden. Drittens: Fehlleitende Erklärungsmuster zur Entstehung materiellen Wohlstandes blenden dessen plündernden Charakter schlicht aus.
Arbeitswertlehre als Problem
Der Marxismus, vorwiegend seine Weiterentwicklungen, bedient mehr oder weniger alle drei obigen Erklärungsmuster, wobei das letzte eine besondere Rolle spielt. Marx wird regelmäßig zugutegehalten, er habe bereits früh naturzerstörerische Wirkungen kritisiert: "Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter."
Das Dogma der marxistischen Arbeitswertlehre, wonach allein Arbeit Wert erzeugen kann, blendet den Beitrag ökologischer Plünderung zur Wertschöpfung aus. Marx räumt zwar ein: "Arbeit ist also nicht die einzige Quelle der von ihr produzierten Gebrauchswerte, des stofflichen Reichtums. Die Arbeit ist sein Vater, wie William Petty sagt, und die Erde seine Mutter."
Anders als etwa die Vertreter der klassischen Nationalökonomie wie Adam Smith und David Ricardo, auf die sich Marx durchaus bezieht, erkennt er Boden und Kapital nicht als Produktionsfaktoren an. Sehr explizit grenzt er sich zudem von den Physiokraten ab, deren wachstumspessimistische Ausrichtung seinerzeit nicht nur von ihm für rückständig gehalten wurde. Zwar kann Marx zugestimmt werden, wenn er "die Lehre der Physiokraten von der Unproduktivität aller nicht agrikolen Arbeit"
"Durch die Betätigung der Arbeitskraft wird also nicht nur ihr eigner Wert reproduziert, sondern ein überschüssiger Wert produziert. Dieser Mehrwert bildet den Überschuß des Produktenwerts über den Wert der verzehrten Produktbildner, d.h. der Produktionsmittel und der Arbeitskraft."
Dies sei möglich, denn "zugleich erweitern sich die Produktivkräfte",
Auch wenn im "Kapital" die "gerechte" Verteilung nicht definiert ist, lässt sich als Minimalbedingung ableiten, dass zumindest jegliche "Ausbeutung" zu vermeiden wäre. Sie scheint aus marxistischer Sicht damit einherzugehen, dass sich ein bestimmter Personenkreis – die "Kapitalisten" – Überschüsse aneignet, die in keiner reziproken Beziehung zur eigenen Leistung stehen. Außerdem werden andere Personen – die "Arbeiter" – durch diese Entwendung des ihnen zustehenden Arbeitsergebnisses geschädigt. Aber dieses doppelte Kriterium für den Tatbestand einer "Ausbeutung" kann auch durch Konsum erfüllt werden, zumal dieser per definitionem bedingt, dass Verbrauch und Entstehung von Leistungen zwei getrennte Sphären bilden. Mit anderen Worten: Konsumenten verbrauchen, was sie selbst nicht herstellen können oder wollen. Deshalb bedürfen Konsumenten lediglich eines hinreichend hohen Realeinkommens, um sich materielle Leistungen anzueignen, die beliebig weit von jener Ausstattung entfernt sind, die nötig wäre, um die eigene Arbeitskraft zu reproduzieren.
Dass diese Aneignungsform überhandnehmen könnte, war für Marx angesichts der seinerzeit beobachtbaren sozialen Misere und der von ihm prognostizierten Verelendungstendenzen sowie dem unterstellten "tendenziellen Fall der Profitrate" nicht vorherzusehen. Konträr zu diesen Vorhersagen haben technologisch bedingte Erhöhungen der Arbeitsproduktivität immense Spielräume für Lohnsteigerungen eröffnet. Zugleich konnte infolge hinreichenden Wirtschaftswachstums nicht nur politisch destabilisierende Arbeitslosigkeit vermieden werden, es konnten sogar stetig mehr Menschen in den industriellen Arbeitsprozess integriert werden. Warum wird die auf diese Weise herangereifte globale Konsumentenklasse, deren ruinöser Lebensstil inzwischen die ökologische Kapazität mehrerer Planeten verschlingt, aus marxistischer Sicht nicht auch als "ausbeuterisch" bezeichnet?
Prinzipiell rechtfertigt die Arbeitswerttheorie jeden beliebigen Konsumwohlstand als "verdienten" Mehrwert eigener Arbeitsleistungen. Dessen Niveau steigt, wenn sich die Produktivkräfte entfalten, also die physische Wirkung der Arbeitsleistung kraft technischer Innovationen zusehends effektiver wird. Somit werden die Beiträge menschlicher Arbeit schlicht höher bewertet und vergütet, weil rein rechnerisch auf eine Einheit an geleisteter Arbeit ein höherer Output entfällt. Aber dies verdankt sich allein einem erhöhten Technologieeinsatz, der wiederum systematisch auf ökologischer Plünderung beruht. Zudem stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass die von Maschinen geleistete Arbeit denen angerechnet wird, die bestenfalls noch an den Knöpfen drehen. Diesen Bereicherungsmodus damit zu relativieren, dass er auf "komplizierter Arbeit"
Postwachstumsökonomik
Die Postwachstumsökonomik kann als ökologisch orientierte Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften bezeichnet werden.
Neben der Analyse etlicher anderer Expansionsgrenzen gründet die Postwachstumsökonomik darauf, dass prinzipiell jedes Quantum an materiellen Freiheiten, zumal wenn diese sich aus industrieller Fremdversorgung speisen, unweigerlich mit ökologischen Schäden einhergeht. Damit wird vorherrschenden Modernitätskonstruktionen widersprochen, die unterstellen, dass ökonomische Überschüsse durch Wissen, Erfindungsreichtum, organisationale Optimierung, gesteigerte Effizienz, also quasi aus dem materiellen Nichts erschaffen und schließlich verteilt werden könnten. An dieser Fortschrittsprämisse sind der Marxismus, Neoliberalismus, Keynesianismus und Green-Growth-Ansatz orientiert.
Wird diese Prämisse verworfen und der empirische Befund berücksichtigt, dass die Mehrheit der in modernen Konsumgesellschaften lebenden Individuen materiell über ihre Verhältnisse lebt, bleibt als logische Konsequenz nur die Reduktion ökonomischer Ansprüche. Ein solcher Rückbau mag noch so sozialverträglich erfolgen, delegieren lässt er sich – konträr zum technikaffinen Green-Growth-Entwurf, dessen politischer Erfolg auf einem "Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass-Versprechen" beruht – indes an nichts und niemanden. Er kann nur auf individueller Ebene vollzogen werden, ganz gleich ob von einer politischen Instanz durch geeignete Rahmensetzungen "von oben" oktroyiert oder aus einem autonomen Kulturwandel resultierend. Ein wachstumskritischer Ökonomieentwurf kommt deshalb nicht umhin, die notwendige Selbstbegrenzung auf der Ebene individueller Handlungsmuster abzubilden und zu strukturieren. Damit wird keineswegs eine Abstinenz politischer oder makroökonomischer Steuerungsmaßnahmen nahegelegt. Aber diese können nur als Mittel zum Zweck der Umsetzung postwachstumstauglicher Daseinsformen betrachtet werden.
Reduktive Ökonomie
Die Postwachstumsökonomie entspricht einem prägnant verkleinerten Industrie- und Mobilitätssystem, das innerhalb ökologischer Grenzen ohne Wachstum zu stabilisieren wäre. Grob vereinfacht, lässt sie sich als Resultat eines fünfstufigen Programms der Reduktion beziehungsweise Selbstbegrenzung darstellen.
Suffizienz: Reduktionspotenziale auf der Nachfrageseite zu erschließen, ist nicht mit Verzicht gleichzusetzen. Das Suffizienzprinzip konfrontiert konsumtive Selbstverwirklichungsexzesse mit einer schlichten Frage: Von welchen Energiesklaven und Komfortkrücken ließen sich überbordende Lebensweisen und die Gesellschaft als Ganzes zum eigenen Nutzen befreien? Welcher Wohlstandsschrott, der längst das Leben verstopft, obendrein Zeit, Geld, Raum sowie ökologische Ressourcen beansprucht, ließe sich schrittweise ausmustern? Dafür liefert eine "zeitökonomische Theorie der Suffizienz" Beweggründe jenseits moralischer Appelle.
Subsistenz: Konsumenten könnten sich die Kompetenz (wieder) aneignen, manche Bedürfnisse aus eigener Kraft jenseits einer Inanspruchnahme kommerzieller Märkte zu befriedigen. Würde die Industrieproduktion prägnant reduziert, könnte das dann ebenfalls verringerte Quantum an noch erforderlicher Lohnarbeitszeit dergestalt umverteilt werden, dass eine Vollbeschäftigung mit 20 Stunden Wochenarbeitszeit einherginge. Damit würden Zeitressourcen zur Eigenversorgung freigestellt. Gemeinschaftsgärten, Tauschringe, Netzwerke der Nachbarschaftshilfe, Verschenkmärkte, Einrichtungen zur Gemeinschaftsnutzung von Geräten und Werkzeugen würden nicht nur zu einer graduellen De-Globalisierung, sondern zu einem geringeren Bedarf an Technik, Kapital, Transportwegen und überdies zu mehr Autonomie verhelfen. Wenn Produkte länger genutzt, eigenständig instandgehalten, repariert, gepflegt und im Bedarfsfall möglichst gebraucht erworben werden, sinkt die Abhängigkeit von industrieller Versorgung. Ähnliches bewirkt die gemeinschaftliche Nutzung von Gebrauchsgegenständen. Eine verdoppelte Nutzungsdauer oder verdoppelte Anzahl von Nutzern desselben Gegenstandes senkt den Bedarf an materieller Produktion und an Einkommen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Regionalökonomie: Viele der Konsumbedarfe, die weder durch Suffizienz noch durch Subsistenz reduziert werden können, lassen sich auf regionalen Märkten, basierend auf stark verkürzten Wertschöpfungsketten, befriedigen. Komplementäre, parallel zum Euro einzuführende Regionalwährungen könnten Kaufkraft an die Region binden und damit von globalisierten Transaktionen abkoppeln. So würden die Effizienzvorteile einer geldbasierten Arbeitsteilung zwar weiterhin genutzt, aber innerhalb eines kleinräumigen, ökologieverträglicheren und krisenresistenteren Rahmens. Insbesondere in der Nahrungsmittelproduktion, Gemeinschaftsnutzung und Nutzungsdauerverlängerung könnten regionalökonomisch agierende Unternehmen dort tätig werden, wo die Potenziale der Subsistenz enden.
Umbau der restlichen Industrie: Der verbleibende Bedarf an überregionaler industrieller Wertschöpfung würde sich auf die Optimierung bereits vorhandener Objekte konzentrieren, nämlich durch Aufarbeitung, Renovation, Konversion, Sanierung und Nutzungsintensivierung, um Versorgungsleistungen so produktionslos wie möglich zu erbringen. Hierzu tragen auch Märkte für gebrauchte und reparierte Güter sowie kommerzielle Sharing- und Verleihsysteme bei. Die Neuproduktion materieller Güter beschränkte sich darauf, einen konstanten Bestand an materiellen Gütern zu erhalten, also nur zu ersetzen, was durch sinnvolle Nutzungsdauerverlängerung nicht mehr erhalten werden kann. Zudem würde sich die Herstellung von Produkten und technischen Geräten an einem reparablen und sowohl physisch als auch ästhetisch langlebigen Design orientieren.
Institutionelle Maßnahmen: Zu den nötigen Rahmenbedingungen zählen Boden-, Geld- und Finanzmarktreformen, wobei die vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac geforderte Finanztransaktions- sowie eine Vermögensteuer hervorzuheben sind.
Anknüpfend an die oben dargestellte Verteilungslogik hätte jede Person ein Anrecht auf dasselbe jährliche Emissionskontingent, das allerdings interpersonal und zeitlich übertragbar sein könnte. Veränderte Unternehmensformen wie Genossenschaften, Non-Profit-Organisationen oder Konzepte des solidarischen Wirtschaftens könnten Gewinnerwartungen dämpfen. Subventionen – vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr, Industrie, Bauen und Energie – müssten gestrichen werden, um sowohl die hierdurch beförderten ökologischen Schäden als auch die öffentliche Verschuldung zu reduzieren. Maßnahmen, die Arbeitszeitverkürzungen erleichtern, sind unabdingbar.
Dringend nötig wären zudem ein Bodenversiegelungsmoratorium und Rückbauprogramme für Industrieareale, Autobahnen, Parkplätze und Flughäfen, um diese zu entsiegeln und zu renaturieren. Ansonsten könnten auf stillgelegten Autobahnen und Flughäfen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien errichtet werden, um die katastrophalen Landschaftsverbräuche dieser Technologien zu reduzieren. Weiterhin sind Vorkehrungen gegen geplante Obsoleszenz unerlässlich. Eine drastische Reform des Bildungssystems müsste zum Ziel haben, handwerkliche Kompetenzen zu vermitteln, nicht nur um durch Eigenproduktion und vor allem Instandhaltungs- sowie Reparaturmaßnahmen den Bedarf an Neuproduktion senken zu können, sondern um geldunabhängiger zu werden.
Schluss
Die von Marx seinerzeit opulent ausgeführte Gegenwartsanalyse nebst daran anknüpfender Zukunftsvision dürfte den Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung – zumindest aus wachstumskritischer Sicht – kaum genügen. Dennoch: Auch heute vermittelt "Das Kapital" einen scharfsinnigen Blick auf die Funktionsweise industrieller Versorgungssysteme. Die seitdem erfolgten Auslegungen und Weiterentwicklungen haben nicht unbeträchtlich zu ideologischen Überzeichnungen und Vereinnahmungen beigetragen.
Würde ein wiederauferstandener Marx versuchen, sein damaliges Werk so zu überarbeiten, das es dem Spannungsfeld zwischen Wirtschaftswachstum und ökologischen Reproduktionsbedingungen gerecht würde, müsste er sich von etlichen konstitutiven Elementen seiner Theorie verabschieden, sodass vom ursprünglichen Charakter nicht allzu viel übrig bliebe. Er würde unter anderem ein völlig anderes Verhältnis zu Fortschritts- und Gerechtigkeitsfragen entwickeln, sich von der Arbeitswertlehre distanzieren und einen weitaus umfassenderen Ausbeutungsbegriff zugrunde legen. Die Darstellung einer plünderungsfreien Lebensweise würde angesichts der mittlerweile enorm gestiegenen Wirkmächtigkeit des Konsums erfordern, die Nachfrageseite gebührend in die Analyse einzubeziehen, was im "Kapital" nicht annähernd der Fall ist.
Insoweit langsam durchsickert, dass industrieller Wohlstand ökologisch nicht zu entkoppeln ist, verschränken sich Verteilungsfragen unweigerlich mit materiellen Obergrenzen. Zugleich rücken damit Verantwortungszuweisungen in den Blick, die bei Marx vollkommen fehlen. Die Postwachstumsökonomik verwirft nicht nur die modernistische Hoffnung, dass es nur hinreichend entwickelter Produktivkräfte bedarf, um materielle Freiheiten stetig steigern und gerecht verteilen zu können. Sie berücksichtigt überdies, dass kollektive Institutionen – zumindest unter demokratischen Bedingungen – prinzipiell nicht befähigt sind, die überlebenswichtig gewordene Selbstbegrenzung durchzusetzen. Statt schicksalsergeben auf einen politisch oder revolutionär herbeigeführten Systemwandel zu warten, begründet sie, warum eine reduktive Transformation zunächst autonom und dezentral zu entwickelnde postwachstumstaugliche Lebensführungen und Unternehmensmodelle voraussetzt, die als – materielle und damit bewährte – Blaupausen für ein Leben ohne Wachstum tauglich sind. Aber wäre das für den Begründer des dialektischen Materialismus nach allem, was wir während der vergangenen 150 Jahre lernen mussten, so abwegig?