Wenn man den US-Präsidenten und nicht mehr den Wahlkämpfer Donald Trump durch die Brille der Popkritik betrachtet, dann stellt sich zunächst die Frage nach der Legitimation eines solchen Vorgehens, das natürlich die politische Kritik keineswegs ersetzen will. Schließlich wird hier ein Politiker in Begriffen und Modellen beschrieben, die auf direkte Weise mit Politik gar nichts zu tun haben, sondern allenfalls Spiegelungen und Transportmittel sind: In der populären Kultur bildet sich das politische Leben indirekt ab.
Politik gehört in der Demokratie zur Sphäre des rationalen Diskurses, der sich auf Informationen, Interessen, Texte, Gesetze und Modelle bezieht und in dem alle Dinge ihre Ursachen und ihre Wirkungen haben, einer allgemeinen Verpflichtung zu Logik, Vernunft und Moral folgen und sich, wenn auch mit einigen Anstrengungen hier und dort, am Ende immer erklären lassen. Die Popkultur gehört zur Sphäre der Unterhaltung, der Fiktionen, Träume, Mythen, Affektbilder und Simulationen unter einer Glocke beständiger Fantasie, in der es nicht auf logische Verknüpfungen oder Transparenz der Motive ankommt, sondern auf Gefühle, Bildhaftigkeit, Effekte, und die sich jeglicher Vernunft strukturell entzieht.
In den hoch entwickelten postindustriellen Gesellschaften haben wir weitgehend gelernt, mit einem Leben in diesen zwei Welten zurecht zu kommen. Wir unterscheiden zum Beispiel sehr genau zwischen einem Fernsehkrimi und der Wirklichkeit von Polizei- und Justizarbeit oder einer Arztserie und realer medizinischer Vor- und Fürsorge. Aber seit Langem vermischen sich die beiden Sphären, und das geht weit darüber hinaus, dass jemand den Darsteller einer Krankenhausserie um eine ärztliche Diagnose bittet oder Hooligans das Spiel auf dem grünen Rasen in blutigen Auseinandersetzungen auf der Straße fortsetzen.
Politik wird Pop wird Politik
Von der alltäglichen Kochshow bis hin zur Reality Soap verwischen immer mehr Formate der populären Kultur die Grenze zwischen einer Abbildung der "ersten" Wirklichkeit und der Konstruktion einer "zweiten" Wirklichkeit. Nicht zuletzt Donald Trump selbst hat mit seiner durchaus "realistischen" und bösartigen Castingshow "The Apprentice" lange vor seiner Präsidentschaftskandidatur Maßstäbe gesetzt, indem er den Gewinnern der Show Jobs in seinen Firmen bot.
Umgekehrt werden in der Politik mehr und mehr die populären Medien und die Popkultur als Macht- und Meinungsmittel eingesetzt: In Wahlkämpfen finden Erkenntnisse der Werbepsychologie Verwendung, und PR-Agenturen werden zu bedeutenden Agenten des politischen Lebens; in Talkrunden wird offener und vor größerem Publikum debattiert als im Parlament; Inszenierung wird über Inhalte gestellt, bis hin zu der ständig wiederholten Beteuerung von Wahlverlierern, sie hätten nicht etwa ein falsches Programm angeboten, sondern dieses offenbar nicht richtig "verkauft"; es kommt zu einer Inflation von "Symbolpolitik", die weder Nutzen bringt noch Schaden abwendet, sondern sich für bestimmte Teile der Bevölkerung "gut anfühlen" soll; und Twitter ist zum Leitmedium der politischen Auseinandersetzung geworden, was so viel Beschleunigung wie Trivialisierung der Auseinandersetzung bedeuten mag: In der Twitter-Nachricht spricht weder das Amt noch der Diskurs, sondern immer die Person, und zwischen der privaten und der öffentlichen Erscheinung scheint eine klare Analogie zu bestehen – politische und persönliche Erscheinung sind nicht mehr voneinander getrennt.
In den vergangenen Jahrzehnten lautete der hoffnungsvolle Konsens, dass Popkultur und Politik zwar zunehmend partielle Übereinkünfte träfen – ein Wahlkampf wie eine Werbekampagne, ein Parteitag wie eine Showveranstaltung –, sich aber auch wieder trennen ließen – der als Popstar Gewählte verwandelt sich anschließend in einen vernünftig-moralischen politischen Akteur. Medienwirkung konnte als flüchtiges Bild der wirklichen politischen Arbeit abgetan werden. Das Versprechen des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump war, dass es eine solche Trennung bei ihm nicht gibt. Das Fatale dieser Konstruktion beginnt sich zu zeigen: Seine Anhänger goutierten diese "Ganzheit" als spezielle Form der politischen Ehrlichkeit, tatsächlich aber handelt es sich darum, dass ein Politiker die Fähigkeit verloren hat, seine popkulturelle Maske wieder abzunehmen. Derjenige, der am fundamentalsten auf Donald Trump hereingefallen ist, ist Donald Trump.
Unabhängig von einer politischen oder moralischen Beurteilung seiner Dekrete, seiner Kommunikation oder seiner Personalentscheidungen zeigt sich, dass vieles von dem, was im Wahlkampf noch als Inszenierung, als bewusstes Rollenspiel und provokativer Regelverstoß gelten mochte, nun in eine Form und eine Technik des Regierens übernommen wird. In Trumps Rhetorik geht es weiterhin um Emotion und Affekt zulasten von Fakten und der Regeln von checks and balances, und seine Polemik gegen Vertreter der kritischen Presse überschreitet das Maß an Gereiztheit, das auch eine liberale politische Kultur ihren Protagonisten zubilligt.
So stellt sich Trump selbst außerhalb des demokratischen politischen Diskurses und wählt stattdessen die "alternative Wirklichkeit" der populären Kultur, der Unterhaltung und der fiktionalen Traummaschinen als Schauplatz der Auseinandersetzung über sich und sein Handeln als US-Präsident. Trump als einen Protagonisten der Popkultur zu sehen, hat nichts mit einer psychologischen Ferndiagnose zu tun. Es geht nicht um die Psyche dieses Präsidenten, mögen davon gelegentlich auch reichlich bizarre Signale an die Oberfläche treten, sondern um seine selbst gewählten oder ihm von der Öffentlichkeit zugeschriebenen Rollen, um ein Spiel mit Zeichen und Begriffen jenseits der diskursiven Rationalität. Ein populistischer Politiker macht mit Elementen der populären Kultur Politik.
Darauf antwortet ein nicht unerheblicher Teil dieser Kultur mit einer Politisierung des Pop, denn diese Anwendung hatte und hat ja durchaus Züge einer feindlichen Übernahme. Rockgruppen untersagten Trump die Verwendung ihrer Musik bei seinen Auftritten, "Star Wars"-Fans verwahren sich gegen Chefberater Stephen Bannons aberwitzigen Vergleich seiner Politik mit Darth Vader und der "dunklen Seite der Macht", und sogar die jüngste Oscar-Verleihung wurde auf ihren Gehalt als Anti-Trump-Gestus hin untersucht. Meryl Streep, Robert De Niro, Lady Gaga, Alec Baldwin oder Michael Moore, um nur einige der Prominenten aus dem Showbusiness zu nennen, die sich vehement gegen Trump ausgesprochen haben, können ihrerseits nicht anders, als in einer Mischung aus politischer und popkultureller Sprache zu antworten, als moralische Distanzierung ebenso wie als karnevaleske Karikatur.
Donald Trump, das ist ein allgemeiner Konsens noch vor jeder Parteinahme, hat (nicht nur) die amerikanische Gesellschaft gespalten, und diese Spaltung vollzieht sich nicht allein im Bereich der Interessen und Überzeugungen, sondern auch in dem der Bilder, Performances, Imaginationen. Daher ist es nicht nur legitim, sondern auch dringend erforderlich, die Kritik an ihm auch in diesen Bereich auszudehnen – zumal die Sphäre der Politik mit Blick auf das Phänomen Donald Trump als US-Präsident rat- und sprachlos bleibt. Es ist nicht nur eine Katastrophe in ihrer Erzählung der Welt eingetreten, sondern vielmehr die Katastrophe der Erzählung selbst: Die Möglichkeit, dass ein Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten werden konnte, ist aus diskursiv-rationaler Perspektive nicht vorgesehen gewesen und entlang von Interessen, die durch Vernunft und Moral konditioniert werden, auch nicht zu erklären. Was aber nutzt Ablehnung ohne Verstehen? Es bleibt der Umweg über die Mythologie der populären Kultur.
Der Präsident und die Popkultur
Die Beziehungen zwischen Trump und den Fantasien dieser populären Kultur lassen sich auf verschiedene Stränge beziehen. So war Trump vor seiner Kandidatur nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer sondern auch eine bedeutende Medienerscheinung, die nicht nur durch seine bereits erwähnte eigene Castingshow im Bewusstsein der Konsumenten fest verankert war. Es war ihm, selbst wenn man auf guten Geschmack und "vernünftige" Informationen erpicht war, nicht wirklich zu entkommen. Jede seiner Unternehmungen war immer zugleich Werbung in eigener Sache, für die "Marke" Donald Trump. Seine Bücher, die Erfolg, Reichtum und ökonomische Cleverness versprechen, waren und sind Bestseller, und er schaffte es auf das Titelbild des "Playboy". Das sprach offen genug von einem Mann, der alles zu kaufen und verkaufen verstand. Nicht der reaktionäre, populistische, kapitalistisch-anarchistische Politiker ist zum US-Präsidenten gewählt worden, sondern die Medienfigur, die Marke, bei der es längst nicht mehr darauf ankommt, welches Produkt oder welcher Mensch dahintersteckt, sondern darauf, welche Lebenswelt, welche Lust- und Angstzonen, welche Fantasiereiche sie repräsentiert.
Eine Wirkmacht der populären Kultur ist die Selbstinduktion. Erfolg oder die Inszenierung von Erfolg ist das beste aller Argumente. Ist eine Medienfigur erst einmal von einer Klientel "adoptiert", so schaden ihr kaum noch Elemente wie Selbstwiderspruch, offenkundige Lüge, Unkenntnis, Bigotterie, Entgleisung, würdeloses Verhalten, moralische Zwiespältigkeit, Nepotismus, Intrige, und mitunter wird sogar von ihr erwartet, dass sie sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit "daneben benimmt". Natürlich wissen wir sehr genau, dass diese Toleranz gegenüber dem Medienstar auch eine Grenze hat, auch wenn sie nicht unbedingt dort liegt, wo sie die moralische Vernunft ziehen würde, über die man gerade noch als politische Korrektheit, liberales Establishment oder intellektuelle Elite spottet.
Mit seinem veröffentlichten Selbstverständnis knüpfte Trump an spezielle Mythen der (amerikanischen) Populärkultur an. Das beginnt mit dem Mythos vom selfmademan, der es aus eigener Kraft zu Macht und Reichtum bringt und dabei nicht zimperlich sein kann. Dass dieser wie in Orson Welles’ Film "Citizen Kane" von 1941 auch tragische Züge aufweisen kann, macht ihn nur tiefer. Weiter geht es mit Western-Konstruktionen wie dem good bad man, der sich über Gesetz und Gesellschaft erheben muss, um einem höheren Ziel zu genügen, oder dem outlaw, der nach eigenen Gesetzen lebt, auch wenn die Zivilisation mehr Sicherheit verspricht, dem "Viehbaron", der Land und Leute unter seine Herrschaft gebracht hat und seinen Vorstellungen unterwirft, dem Boss, der das Archaische mit dem ökonomisch hoch Entwickelten verbindet, und natürlich dem Rebellen, dem tragischen oder amüsanten Störenfried, der immer wieder gegen ein Establishment aufsteht, wie es einst der "Ur-Amerikaner" (nicht der native american) gegen die Herrschaft Europas und der europäischen Kultur tat. Das setzt sich fort in einem Benehmen, das sich als "Freiheit" herausnimmt und gegen Sitte und Anstand der "feinen Leute" inszeniert ist. Dieser Held des schlechten Geschmacks, der sich mit Gespenstern in europäischen Schlössern nicht aufhält und dessen ökonomische Logik sich über alles "Unpraktische" erhebt, sei es ästhetischer oder ethischer Natur, hat in Comics und Komödien seine Vorbilder. Und da ist immer wieder jener "Mr. Smith", der als wahrer Vertreter des Volkes nach Washington geht, um den dort versammelten korrupten, bürokratischen und/oder unfähigen Politikern beizubringen, was das Volk wirklich will.
In der Konstruktion solcher Volkshelden gibt es in der populären Kultur eine unverhohlene Sympathie mit dem "Windhund", mit dem Kerl, der wie Jean-Paul Belmondo im gleichnamigen Film von 1979 in den unterschiedlichsten Masken, aber mit gleichbleibendem Charme, seine Opfer um Geld und Kunstgegenstände erleichtert, der wie Danny de Vito in "Das Geld anderer Leute" von 1991 seinem eigenen Boss den schlechtesten aller Gebrauchtwagen zu überhöhtem Preis andrehen kann oder wie Burt Lancaster in "Der Regenmacher" von 1956 mit einem unverschämten Grinsen ganze Städte hinters Licht führt. Es macht offensichtlich sogar Spaß, von so jemandem übers Ohr gehauen zu werden – jedenfalls im Kino. Als zeitgemäße Variation des Volkshelden wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt, nicht obwohl, sondern gerade weil er gegen Vernunft, Moral und Geschmack antrat.
In den Fantasmen der populären Kultur tobt nicht nur ein ewiger Kampf zwischen dem Volk und der Elite, zwischen den Rebellen, outlaws, Störenfrieden und dem Establishment. Es gibt gewiss auch eine mehr oder weniger heimliche Sympathie für das Destruktive. Die Schurkenrollen sind mindestens so faszinierend wie die Helden. Das Weltbild aller Epen in der populären Kultur ist zyklisch und geht von "ewigen" Abläufen von Zerstörung und Wiederkehr aus. Ein "Held" ist da nicht unbedingt einer, der eine Lösung für anstehende Probleme findet, oder einer, der sich mit individuellem Mut einem übermächtigen Gegner stellt, sondern immer auch einer, der dafür sorgt, dass es "nicht so weitergeht wie bisher". Etwas kaputt zu machen, und sei es noch so widersinnig, erscheint dann als angebrachter als eine "langweilige" Kontinuität. In der populären Kultur sind wir auf einen Sensationsdrang konditioniert, und der destruktive Clown, der allen die "ungeschminkte" Wahrheit sagt – sie besteht in aller Regel in dem Hinweis auf Egoismus, Gewalt und Geilheit in aller menschlichen Handlungsweise – ist dabei ebenso populär wie das "kindliche Gemüt", das zwar nie mit der Kompliziertheit der Verhältnisse mithalten kann, aber gerade durch naive Ignoranz das Richtige tut.
Einer der Kerne der populären Mythologie bildet die "Katastrophenfantasie", ein Strafgericht, ein "reinigendes" Unwetter. Ein Präsident der Art von Donald Trump, ein im politischen Diskurs und im diplomatischen Umgang denkbar ungeeigneter, ebenso volkstümlicher wie destruktiver Präsident geistert schon lange durch die Narrative der populären Kultur. So verwandelte 1991 etwa ein rüpeliger amerikanischer Mittelständler in dem Film "King Ralph" den Buckingham Palace in ein kulturelles und politisches Desaster. Auch Trump selbst wurde lange vor seiner Kandidatur mehrfach als komische Katastrophe im Präsidentenamt imaginiert. Am bekanntesten sind wohl jene Folgen der Serie "The Simpsons" aus dem Jahr 2000, in denen Homer Simpson in Trumps seltsame Haarpracht eintaucht, um dort alle Träume und Alpträume des American Way of Life zu sehen, und seine Tochter Lisa Simpson als Trumps Nachfolgerin im Weißen Haus ein finanziell und kulturell ruiniertes Land übernimmt, in dem sogar das Geld für öffentliche Bibliotheken fehlt. Hat die populäre Kultur also Präsident Trump "vorausgeahnt" und damit auch ermöglicht? Den Machern von "The Simpsons" war nach eigenem Bekunden jedenfalls nichts Groteskeres und Unwahrscheinlicheres zur US-Politik eingefallen.
Auch die Figur des fall guy ist in der populären Mythologie fest verankert: der Prügelknabe, der sich wie Donald Duck oder Bugs Bunny aus einer Mischung aus Kränkung und Sadismus alltäglich ins Schlammassel führt, ohne wie einst Stan Laurel und Oliver Hardy bitter dafür bestraft zu werden. Diese Figur hat die Authentizität und die Unschuld des spielenden Kindes, das sein Spielzeug auseinandernimmt, und begeistert, indem sie Frechheiten und Beleidigungen gerne auch unter der Gürtellinie aus einem Gestus der Selbstermächtigung von sich gibt: Es muss gar nicht "wahr", es muss nur "verboten" sein oder incorrect. Kurzum: Das Verdrängte will ans Licht.
Ein Wesen aller Helden der populären Kultur ist ihre besondere Form der Zeichenhaftigkeit. Nichts an ihnen scheint ohne Bedeutung, aber ebenso wenig ist das Zeichen eindeutig. Wenn Captain America in den Comics und in den Filmen in die Farben der US-Flagge gewandet ist, dann ist das einerseits sein Bekenntnis zur Nation und zu ihren Werten, denn schließlich entstand die Figur als Propagandabild im Kampf gegen den deutschen Faschismus. Andererseits bedeutet es zugleich sein Leiden an diesem Land, seine Identifikations- und Integrationsschmerzen. Auch Donald Trump inszeniert seinen Körper zeichenhaft, als wären zum Beispiel seine Haare nicht etwa natürlicher Teil dieses Körpers, sondern im Gegenteil Zeichen einer übergeordneten Identität.
Popkultur begleitet nicht nur die Modernisierungsschübe, sondern lagert in sich auch tief reaktionäre Bilder ein, zum Beispiel von "Männlichkeit". Das Männliche, so wird mitunter suggeriert, werde durch zu viel "Emanzipation" unterdrückt und müsse dringend und zunächst in symbolischen Spielen rekonstruiert werden. So entsteht als manchmal verkleidetes Ideal der Mann, an dem die angebliche Verweichlichung durch Liberalismus, Feminismus und politische Korrektheit vorübergegangen ist, der sich freilich als ihr Opfer auch eines Rechts zur Gegenwehr und zum Rückschlag gewahr ist. Der körperbetonte Actionfilm hat eine beständige Berührung mit solchen Fantasmen, und im Superhelden-Film kommt dieses Ideal des "kämpfenden Körpers" zum Teil wenigstens in den Status der Selbstreflexion oder gar der Selbstironie. Als Wahlkämpfer hat Trump immer wieder Gesten des kämpfenden (männlichen) Körpers gezeigt, mit imaginären Waffen auf seine Kritiker "geschossen", phallische Signale gesendet – in seiner überlangen Krawatte mitunter mit parodistischer Überdeutlichkeit, was Cartoonisten und Kabarettisten rasch aufnahmen.
Ein weiterer Grundkonflikt, den die populäre Kultur mehr oder weniger mythisch, mehr oder weniger komisch bearbeitet, ist der zwischen dem Provinziellen und dem Urbanen, wobei sich das Provinzielle stets für die Verachtung rächt, die das Urbane ihm entgegen bringt – über Donald Trump, den Ungebildeten, Unwissenden, hat das sogenannte Establishment lange gelacht, sodass er noch volkstümlicher wirkte. Natürlich weiß niemand so genau, wo das Provinzielle endet und das Urbane beginnt, aber gerade diese Offenheit macht es so leicht, sich mit dem Konflikt zu identifizieren, der nahezu immer mit dem Sieg des Provinziellen, des "Heimatlichen" und "Volkstümlichen" endet. Damit verbunden ist ein entschiedener Antiintellektualismus und Antimodernismus, der sich mit den unterschiedlichsten Vorurteilen und Fantasmen verbinden lässt. Dabei ist der Genuss durchaus ambivalent; selbst in einer klassischen deutschen Sendung mit "Volksmusik" feiert sich der umfassende Sieg des Provinziellen und wird zugleich der "Provinztrottel" der Lächerlichkeit preisgegeben. Der "Held" nicht nur dieser Inszenierung ist einer, der sich über die Grenzen bewegt hat, und der als Provinzler die Stadt erobert oder als urbaner Charakter auf dem Land seelisch zu genesen imstande ist.
Zwar sind die hier skizzierten Stränge erst einmal nichts weiter als Fährten. Aber je genauer man hinsieht, desto deutlicher wird, dass das Band zwischen Trump und seinen Anhängern, Wählern und Bewunderern viel weniger von politischer Überzeugung und sozialem Interesse als von popkulturellen Memen, Zeichen und Narrativen gebildet wird. In der Sphäre der populären Kultur war eine Figur wie Donald Trump auf der Höhe von Macht und Reichtum stets vorhanden, hier als messianische Erwartung, dort als sarkastischer Bruch mit dem guten Geschmack und der systemischen Logik, vor allem aber als ambivalente Figur zwischen Faszination und Abscheu. Hier ist Trump als US-Präsident nicht der Bruch mit der grammatischen und stilistischen Verpflichtung der Erzählung, sondern die zugleich magische und karnevalistische Verbindung von vorgeformten Elementen: eine verborgene Wahrheit über Macht, Sexualität und Reichtum, die in verschiedenen Fragmenten immer wieder an die Oberfläche drängt.
Mit den Augen der Popkritik betrachtet, ist nun die Frage nicht nur, ob ein Politiker sich Formen und Inhalte der Popkultur auf so ungenierte Weise zu Eigen machen darf, sondern auch, was daraus an neuen Bildern und Erzählungen entsteht. Denn so, wie ein populistischer Politiker sich der Kritik durch den demokratischen, rationalen und moralischen Diskurs entziehen kann, indem er sich die Aura des Popstars und das Image des medialen Fantasmas gibt, handelt er sich, wenn eine entsprechende kritische Kultur entwickelt ist, dafür nun eine andere Form der Kritik ein, die ein anderes Bedeutungsfeld, eine andere Semiotik betrifft. Dass man über seine Sprache, seine Krawatten, seine Selbstinszenierung etwa im Trump Tower, seine Slogans, die Sprache seiner Tweets, ja sogar seine Hände und ihre Haltung spekuliert, hat Donald Trump selbst provoziert.
Nun wird also dieser populistische Politiker mit den Augen der Popkritik gesehen, und das Ergebnis liegt sehr nahe an dem, was man "vernichtend" nennt. Es ist zu befürchten, dass eine weitere Fluchtbewegung erfolgt, und der "Trumpismus", zur realen Politik geworden, eben die populäre Kultur, aus der er entstanden ist, selbst attackieren muss.
Rote Linie
Zugleich drängt sich die keineswegs nur kulturpessimistische Frage auf, was diese Art der Vermischung von Pop und Politik für die Demokratie bedeutet. Passen sich System, Idee und Semantik der Demokratie hier einem allgemeinen Dispositiv an? Oder haben wir es mit einem grundsätzlichen Wandel von Politik zu tun? Wird die Demokratie von der Konstruktion der Wirklichkeit der populären Medien gleichsam gefressen?
Etwas jedenfalls geschieht mit der Demokratie, und es ist nichts Gutes. Doch nicht ein US-Präsident Donald Trump, gegen dessen autokratische Attacken sich das demokratische System durchaus zur Wehr setzen kann, ist das Problem, sondern das, was ihn ermöglicht hat und von ihm bleiben wird. Denn selbst wenn Trump sich wider Erwarten über Nacht doch noch in einen vernünftigen, "berechenbaren", diskursiv erleuchteten Politiker verwandeln würde, wäre die große Erzählung der Politik als diskursives, rationales System unheilbar erkrankt.
Demokratie ist kein erreichter Zustand, der sich dadurch auszeichnet, dass er auf jeden Fall moralisch und rational besser ist als alles andere, sondern ein Projekt: Es geht nicht nur darum, die Demokratie zu bewahren, sondern auch darum, sie immer weiter zu entwickeln. Unglücklicherweise scheint es, als habe die "zweite Wirklichkeit", die populäre mediale Wirklichkeit aus Genrefilmen, Werbung, Sport, Mode, Starkult, scripted reality und Trash-Fernsehen alle emotionalen Energien, alle Impulse und Hoffnungen aufgesogen, und von der Demokratie seien demnach nur dürre Äste der Bürokratie, der Alternativlosigkeit, des Intrigenspiels und der Arithmetik der Macht übrig.
Das innere Prinzip der trump’schen Form von Wahlkampf und Politik, das er mit rechtspopulistischen, autokratischen und antidemokratischen Tendenzen gemein hat, besagt: Es gibt etwas wichtigeres, "wahreres" als die demokratische Vernunft und die verrechtlichten demokratischen "Spielregeln". Das kann etwa eine Religion sein, die jeweils eigene "Kultur" oder auch ökonomisches Wachstum. Für den Sonderfall Donald Trump ist es der in der Popkultur gepflegte Mythos des autarken Helden, des selfmademan, des Menschen, vorwiegend in männlicher Variante, der sich auf nichts anderes beruft als auf einen schlichten, aber gewaltsamen Akt der Selbstermächtigung. In der erwähnten psychologischen Ferndiagnose, der wir uns enthalten wollen, kommt dabei der Begriff "Narzissmus" heraus.
Das Problem liegt jedoch nicht in dieser Disposition der Macht, sondern in einer offenbar neuen Form der Legitimation: Erfolgreiche Selbstermächtigung plus Zustimmung im medialen Echoraum scheinen hinreichend für die Legitimation von Macht, die sich dem komplexen Spiel von checks and balances ebenso entzieht wie der moralischen Vernunft als Voraussetzung für den demokratischen Diskurs. Selbstermächtigung, Rollenspiel und Popularität sind die Regel- und Karrierekräfte in der populären Kultur.
Im besten Fall wird unter diesen veränderten Vorzeichen Demokratie "in Kauf genommen", da und dort einfach ignoriert, und schließlich im schlimmsten Fall aktiv bekämpft, insofern als jemand gerade dafür bewundert wird, dass er die "traditionellen" Legitimationen der Macht in einer demokratischen Gesellschaft gerade umgeht oder austrickst. Wo aber verläuft die "rote Linie", deren Überschreiten einen Politiker für den politischen Diskurs der Demokratie und des kritischen Liberalismus "unmöglich" macht? Die populären Medien haben darauf, um noch einmal einen Perspektivwechsel zu wagen, offensichtlich keine Antwort. Mehr noch: Politiker, die Methoden, Stile und Legitimation der Popkultur einzusetzen verstehen, vermögen diese Linie offensichtlich zu verschieben oder aufzulösen. Die Vermischung von Pop und Politik führt zu einem Verfall der politischen und kritischen Kultur.
An die Stelle von Interesse, das durch Vernunft und Moral konditioniert wird, treten immer mehr Imagination und Wahn. Diese generieren Zustimmung zu einer (Anti-)Politik, selbst wenn diese sich wie zum Beispiel bei der Abschaffung der Krankenversicherung oder der ökonomischen Deregulierung gegen die eigenen Lebensinteressen richtet. Aus diesem gemeinsamen Wahnsystem von Regierenden und Regierten ist es wesentlich schwieriger, wieder heraus zu finden, als es zu erzeugen. Daher müssen wir davon ausgehen, dass der "Trumpismus" nun in der Welt ist und nicht verschwinden wird – auch nicht mit dem Ende der Amtszeit Donald Trumps und einem möglichen Finale der öffentlichen Erzählung dazu, die Tragödie und Trivialität miteinander verbindet wie am Ende von "Citizen Kane": ein einsames Verlöschen in einem selbst errichteten Xanadu, verlassen von den einstigen Gefährten, die er auf seinem Weg nach oben korrumpieren oder unterdrücken musste, von der Frau, die er im goldenen Käfig hielt, und selbst von dem Chronisten, der ihn zur Legende hätte machen können.