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Zur Privatisierung von Infrastruktur. Staat im Vorteil

Michael Eilfort Benjamin Jursch

/ 14 Minuten zu lesen

Der grundsätzliche Vorrang privater Initiative und privaten Eigentums vor staatlichem Handeln ist ein zentrales Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft und eine Voraussetzung ihres seit Jahrzehnten nicht zu bestreitenden Erfolgs. Ausnahmen bestätigen diese Regel und bedürfen deshalb eher einer Begründung, auch wenn der aktuelle tendenziell wieder nach "mehr Staat" rufende Zeitgeist anderes zu suggerieren scheint.

Privates Eigentum und privatwirtschaftliche, durch Markt und Wettbewerb gesteuerte und kontrollierte unternehmerische Tätigkeit gewährleisten wirtschaftliche Freiheit, ökonomische Effizienz und Anpassung an sich verändernde Marktverhältnisse und damit Wohlstand und soziale Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger. Sofern eine soziale Flankierung des Marktgeschehens erforderlich ist, sollte sie durch die Ausgleichs- und Förderinstrumente der Sozial-, Arbeits- und Strukturpolitik und nicht durch unternehmerische Betätigung des Staates erfolgen. Der Staat hat lediglich die Aufgabe, dem Markt Spielregeln zu setzen – schon deshalb sollte er, um ein altes wie nach wie vor zutreffendes Bild wiederzugeben, nicht als Schiedsrichter gleichzeitig Mitspieler sein. Dazu mag, wo die "unsichtbare Hand" des Marktes ihre normalerweise segensreichen Wirkungen nicht entfalten kann, der Staat klar abgegrenzte öffentliche Güter zur Verfügung stellen. Eine Abkehr von der Liberalisierung durch zunehmende Staatseingriffe in das "offensichtliche und einfache System der natürlichen Freiheit" (Adam Smith) führt zu verschlechterten Wohlfahrtsergebnissen.

Ausgangssituation

In der Bundesrepublik ging Anfang der 1970er Jahre ein fast zwei Jahrzehnte andauernder Boom mit niedriger Arbeitslosigkeit und starken Wachstumsraten zu Ende, der nur von der leichten Rezession des Jahres 1967 unterbrochen wurde. Damals wurde das "Wachstums- und Stabilitätsgesetz" auf den Weg gebracht. In der Wirtschaftskrise der frühen 1970er Jahre, die mit hoher Arbeitslosigkeit und anhaltender Inflation verbunden war, dominierten keynesianische Konzepte, also eine eher interventionistische Wirtschaftspolitik. Diese bestach durch chronische Erfolglosigkeit bei gleichzeitigem drastischen Anstieg von Staatsschulden und Sockelarbeitslosigkeit. Es folgte zu Beginn der 1980er Jahre eine angebotsorientierte und in einigen Bereichen neu auf Privatisierung abhebende Politik, in Großbritannien bereits seit 1979, in den USA seit 1980. Statt durch staatliche Maßnahmen sollte die Wirtschaft nun durch Entlastungen von Unternehmen gefördert werden.

Der "schlanke Staat" wurde einige Jahre zum Leitbild, positiv wirkte sich auch die auf europäischer Ebene vorangetriebene Öffnung durch den Binnenmarkt aus. Während sich in der ehemaligen DDR im Zuge der Wiedervereinigung die Notwendigkeit ergab, die sozialistische Staatswirtschaft in eine von Wettbewerb geprägte, offene Marktwirtschaft überzuleiten, sollten in den "alten" Bundesländern bereits in den 1980er Jahren Privatisierungen die Marktkräfte stärken und den staatlichen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen zurückdrängen. Liberalisierungen der Postdienstleistungen, des Schienenverkehrs und im Telekommunikationssektor waren Ausdruck dieser Entwicklungen. Insbesondere in der Telekommunikationswirtschaft kann die Liberalisierung insgesamt als großer Erfolg gewertet werden, von dem die Verbraucher profitieren.

Seit Mitte der 2000er Jahre zeigt sich eine Trendumkehr zu zunehmender staatlicher Einflussnahme. In den vergangenen zehn Jahren ist die Anzahl öffentlicher Einrichtungen und Unternehmen um etwa 25 Prozent gestiegen. Insbesondere Kommunen versuchen, ihre Wirtschaftstätigkeit auszuweiten. Während der Bund an 670 Unternehmen beteiligt ist, gibt es auf Landesebene 1430, auf kommunaler Ebene 13500 Beteiligungen. Es ist zu vermuten, dass sich die zunehmende staatliche Einflussnahme weiter fortsetzen wird. Grund sind die sogenannten Konzessionen, die die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe an Privatunternehmen regeln. Konzessionen wurden und werden in der Regel für eine Dauer von etwa 20 Jahren vergeben. Tausende Nutzungsrechte, die im Rahmen der Privatisierungswelle der 1990er Jahre vergeben wurden, laufen aus und bieten Bund, Ländern und Kommunen neue und offensichtlich gern genutzte Handlungsoptionen.

Irrglaube stetiger Wohlfahrtsmaximierung

Dass die öffentlichen Akteure dabei auf wenig öffentlichen Widerspruch stoßen, hängt mit dem verbreiteten Irrglauben zusammen, dass zunehmende staatliche Umtriebigkeit vielleicht nicht immer zu mehr Effizienz, aber fast immer zu mehr "Gemeinwohl", günstigeren Preisen und mehr wie auch immer gearteter "Gerechtigkeit" führe. Dieser ist nach wie vor verbreitet, obwohl schon Großprojekte wie der Nürburgring, der Berliner Flughafen BER und das Bahnhofsvorhaben "Stuttgart 21" zeigen, dass staatliches Wirtschaften nicht mit effizientem Wirtschaften gleichzusetzen ist.

Der Grund dafür ist nicht zuletzt eine Art strukturelles Politikversagen. Politikerinnen und Politiker verfolgen keinesfalls automatisch gemeinwohlorientierte Ziele. Sie haben ebenso persönliche Machtinteressen – zentrales Berufsziel ist die Wiederwahl – und sehen sich dem Einfluss von Interessengruppen gegenüber. Dazu kommt die stete Versuchung, Lasten beziehungsweise die Rechnung von Entscheidungen und Projekten in die Zukunft zu verschieben. Dies ist in der Politik noch stärker ausgeprägt als in manchen privaten Unternehmen. Das Streben nach langfristiger Wohlfahrtsmaximierung kann dabei leicht in den Hintergrund rücken.

Die Verantwortlichen für Kontrolle und Leitung öffentlicher Unternehmen dürften kaum per se weniger qualifiziert oder schlechteren Willens sein als ihre Kolleginnen und Kollegen in Privatunternehmen. Nichtsdestotrotz besteht die Gefahr, dass staatliches "Unternehmertum" für Politiker im Hinblick auf mögliche Postenvergaben in Aufsicht und Management besonders reizvoll ist. Dies gilt umso mehr, als den entsprechenden Gestaltungschancen – zum Teil auch sachfremder Art im Rahmen des "Klüngels" in und um Parteien – keine persönliche Haftung gegenübersteht.

Wer kontrolliert den Staat?

Die Privatisierungsdebatte ist ein Politikum. Mangelndes Vertrauen in die Privatwirtschaft wird dabei als Hauptargument für Forderungen nach staatlicher Leistungserstellung benannt. Durch die Ausweitung wirtschaftlicher Tätigkeiten des Staates könne umfangreichere Transparenz und Kontrolle "unternehmerischer" Tätigkeiten gewährleistet werden. Oftmals ist jedoch das Gegenteil der Fall. Ursächlich dafür dürften vor allem die Versuchungen zu Quersubventionen sein. Diese sorgen für Wettbewerbsverzerrungen: Bieten öffentliche Unternehmen Produkte in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen an, können Renditen in einem Bereich dazu genutzt werden, Preise in anderen Bereichen zu senken. Die Bürger werden in Unwissenheit über die tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit öffentlicher Unternehmen gehalten, da die Verschiebungen von Gewinnen und Verlusten nicht transparent, mögliche Nachteile staatlicher Leistungserstellung also verdeckt sind.

Mit unvollkommener Transparenz geht häufig mangelnde Verantwortlichkeit von Einzelpersonen einher. Dies zeigt sich bei der Haftungsfrage beziehungsweise bei der Frage nach der Wirksamkeit von Rückkopplungs- respektive Sanktionsmechanismen. Während Unternehmenseigentümerinnen und Unternehmenseigentümer in Familienunternehmen mit ihrem Privatvermögen haften und bei Missmanagement in börsennotierten Unternehmen die Aktien – für die Eigentümer direkt spürbar – an Wert verlieren, haften die Verantwortlichen in öffentlichen Unternehmen weder mit ihrem Privatvermögen noch wirken sich unternehmerische Fehlentscheidungen direkt auf das Vermögen der Bürger aus. Stattdessen müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für Misswirtschaft aufkommen – und dies auf eine für die einzelne Bürgerin und den einzelnen Bürger kaum erkennbare Weise. Dabei gehören Verantwortung und Haftung in der Sozialen Marktwirtschaft zusammen. Die jüngste Finanzkrise hat gezeigt, wie wichtig dieser Grundsatz ist. "Wenn die Verantwortlichen nicht für ihre Entscheidungen haften, werden zu hohe Risiken eingegangen und dem Missmanagement Tür und Tor geöffnet", so der Wettbewerbsökonom Justus Haucap. Zudem geht das Haftungsrisiko der Steuerzahler bei öffentlichen Unternehmen nicht mit weitergehenden Privilegien und Einflussnahmemöglichkeiten einher. Es offenbaren sich Steuerungs- und Kontrollprobleme.

Ungleiche Wettbewerbsbedingungen

Wird der Staat unternehmerisch tätig, ist er gleichzeitig Schiedsrichter und Mitspieler. Es ergeben sich mitunter Privilegien öffentlichen Unternehmertums, die mit einer Schlechterstellung für Privatunternehmen und die Bevölkerung einhergehen.

Erstens sind die niedrigeren Kapitalkosten staatlicher Unternehmen problematisch. Die Insolvenzfähigkeit von Bund, Ländern und Kommunen ist per Gesetz ausgeschlossen. Dies ermöglicht öffentlichen Unternehmen einen einfacheren Zugang zum Kapitalmarkt und zu günstigeren Kreditkonditionen. "Letztlich handelt es sich um eine Art Subvention, die aus der Haftung des Steuerzahlers resultiert."

Zweitens ergeben sich, neben kommunalen Bonitätsvorteilen, ebenso Steuervorteile der öffentlichen Hand bei hoheitlichen Aufgaben. Besonders augenfällig wurde dies bei der Novellierung des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Eine Umsatzsteuerbefreiung besteht demnach nur für "hoheitliche Betriebe", also Betriebe der Daseinsvorsorge. Für "gewerbliche Betriebe" gilt die Umsatzsteuerbefreiung nicht. Die klare Abgrenzung einer hoheitlichen Tätigkeit gestaltet sich aber mitunter schwierig. Mit der Gesetzesnovelle und dem Paragraf 2b UStG soll die interkommunale Kooperation umsatzsteuerfrei gestaltet werden. Das Ziel der Förderung interkommunaler Zweckverbände führt zu Wettbewerbsnachteilen privater Unternehmen. Über die interkommunale Kooperation wird der Bereich hoheitlicher Tätigkeiten ausgedehnt: Der Staat regelt, dass staatliche Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben. Kosteneffektiv wirtschaftende Privatunternehmen könnten durch den Umsatzsteuernachteil vom Markt gedrängt werden – und sich anschließend vorhalten lassen müssen, "Vater Staat" wirtschafte besser.

Drittens: Ein weiterer Nachteil für Privatunternehmen und in der Folge für die Bürger ergibt sich daraus, dass Eigenbetriebe seit einigen Jahren von der Kartellaufsicht ausgenommen sind. Basierend auf der achten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegen Gebühren öffentlicher Unternehmen nicht mehr der Aufsicht durch Kartellbehörden. Entsprechend kommentierte Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamtes, 2016: "Es ist bedauerlich, dass sich der Gesetzgeber 2013 entschlossen hat, die kartellrechtliche Aufsicht über Wassergebühren auszuschließen. Die daraus resultierende Zweiteilung der Aufsicht macht ökonomisch keinen Sinn. Gerade für den Verbraucher macht es keinen Unterschied, ob er zu hohe Preise oder zu hohe Gebühren für sein Trinkwasser zahlt."

Die Missbrauchsaufsicht für Gebühren beschränkt sich fortan auf eine formalrechtliche Prüfung. Sie verzichtet auf Preisvergleiche mit ähnlichen Angeboten in anderen Städten und Kommunen. Die Beurteilung der Zulässigkeit der erhobenen Gebühren durch die kommunale Rechtsaufsicht richtet sich lediglich nach dem Kostenkriterium und vernachlässigt das Effizienzkriterium. Hohe Kosten, als Ausdruck einer ineffizienten Produktion, werden von den Aufsichtsbehörden nicht hinterfragt. So haben staatliche Unternehmen die Möglichkeit und einen Anreiz, höhere Gebühren zu verlangen.

"Öffentliche Daseinsvorsorge": Überstrapaziertes Argument

Die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Privatisierungen stellt sich insbesondere im Bereich der Infrastruktur. Gesellschaftliche Debatten und Bürgerinitiativen gegen Privatisierungsbestrebungen sind Ausdruck einer wirtschaftspolitisch relevanten Fragestellung mit Konfliktpotenzial, die häufig von Schubladendenken begleitet wird – sei es im Hinblick auf stete Effizienzvorteile der Privatwirtschaft oder eine ausschließliche Gemeinwohlorientierung öffentlicher Unternehmen. Insofern stellt sich die Frage, wann staatliches Wirtschaften tatsächlich legitimiert ist und wann der Staat sich bei Infrastrukturvorhaben zurückhalten sollte.

Die grundsätzliche Erkenntnis der Vorteile privatwirtschaftlicher Leistungserstellung gilt ebenso für die Infrastruktur, hier aber sicher mit mehr Fragezeichen und etwas stichhaltigerer Begründung für die eine oder andere Ausnahme. Häufig wird argumentiert, dass der Staat wirtschaftlich tätig werden dürfe, wenn ein öffentliches Interesse an der Tätigkeit besteht. Gleichzeitig sollte eine öffentliche Institution die entsprechende Aufgabe besser übernehmen können als eine private. Ausdruck dieser Idee ist die öffentliche Daseinsvorsorge. Sie ist über das Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz verankert. Mitunter werden Existenzsicherung und Grundversorgung synonym verwendet. Gemeint ist die Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen. Dabei ist die Notwendigkeit der Versorgung durch den Staat entscheidend. Hierbei wird die Problematik des Begriffes der öffentlichen Daseinsvorsorge deutlich: Der Staat ist in der Verantwortung, bestimmte Leistungen bereitzustellen; zugleich ist offen, welche Leistungen in welchem Umfang erbracht werden sollen.

Das Argument der öffentlichen Daseinsvorsorge ist in manchen Bereichen nachvollziehbar, in anderen Bereichen aber wird es offensichtlich überstrapaziert. Während man die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser als öffentliche Daseinsvorsorge betrachten könnte – eine Privatisierung aber gleichwohl nicht nur denkbar, sondern in großen Teilen auch erfolgreich vollzogen wurde –, zählt Baden-Württemberg etwa auch die Staatsbrauerei Rothaus dazu. Hessen sorgt sich mit dem Staatsweingut Kloster Eberbach um die Daseinsvorsorge beim Weinkonsum, und Nordrhein-Westfalen mit dem Landgestüt Warendorf um die equestrische Grundausstattung der Bevölkerung. Brauereien, Weingüter und Gestüte dürften bei ehrlicher Betrachtung aber für die Grundversorgung durch den Staat irrelevant sein. Sie sind kein Ausdruck der öffentlichen Daseinsvorsorge in Form einer Existenzsicherung. Von einer "Verbetriebswirtschaftlichung" der öffentlichen Daseinsvorsorge durch die Übernahme ehemals staatlicher Aufgaben durch die Privatwirtschaft kann insofern keine Rede sein, als viele Teilbereiche der staatlichen Einflussnahme nicht zur Daseinsvorsorge gehören. Der Staat überschreitet hier mit seinem Engagement die Grenzen seines Verantwortungsbereiches.

Ungerechtfertigte PauschalKritik

Oft wird nicht nur das Argument der öffentlichen Daseinsvorsorge überstrapaziert, sondern privatwirtschaftliche Tätigkeit in Bereichen der Daseinsvorsorge, etwa bei der Wasserversorgung, grundsätzlich ausgeschlossen – was ein Fehler ist. Wasser ist ein Wirtschaftsgut. Der Handel mit Flaschenwasser zeigt dies deutlich. Gleichwohl argumentieren Privatisierungskritiker, Wasser sei ein Allgemeingut und keine Handelsware.

Dies kann kaum so stehenbleiben – auch wenn Sorgen und Kritik berücksichtigt sowie Offenheit, Transparenz und staatliche Kontrolle als Grundvoraussetzung privater Leistungserstellung in der Wasserwirtschaft gewährleistet werden müssen. Häufig sprechen gerade Preisvorteile privater Unternehmen für das Streben nach Privatisierungen, so etwa im Energiebereich: Es ist eine "eher romantische Vorstellung, dass das Stadtwerk vor Ort irgendwie netter ist". Bestätigt wird dies durch eine Studie der Monopolkommission von 2011. Sie zeigt, dass das jeweilige Stadtwerk nur in 109 von 7323 Postleitzahlbezirken der preiswerteste Anbieter war. Pauschale Kritik, privates Unternehmertum führe stets zu höheren Preisen, ist falsch. Weit verbreitete Kritik an angeblich ausbeuterischen Privatisierungsbestrebungen widerspricht der Realität.

Ein Beispiel für derartige Fehleinschätzungen liefert die Wasserversorgung in Berlin. 1999 wurden Anteile des städtischen Wasserversorgungsunternehmens privatisiert. Durch Einmalzahlungen infolge der Teilprivatisierung erhoffte der Berliner Senat sich zunehmenden finanziellen Spielraum. Dabei sollten Einmalzahlungen nicht das Hauptmotiv für Privatisierungen sein. Wichtiger als temporäre fiskalische Entlastungen sind die dauerhaften Auswirkungen. "Primär geht es bei der Privatisierung um mehr Wirtschaftsfreiheit, um mehr Effizienz und deren dauerhafte Bedeutung für wirtschaftlichen Wohlstand und den Spielraum für die soziale Sicherung der Bürger." Der in der Folgezeit der Teilprivatisierung ansteigende Wasserpreis sorgte dafür, dass die Berliner Wasserbetriebe 2013 vollständig rekommunalisiert wurden. In der gesellschaftlichen Debatte setzte sich die Ansicht durch, dass Wasser nicht dem Gewinnstreben privater Investoren ausgesetzt werden dürfe. Die Wasserpreise stiegen jedoch nicht durch die Privatisierung an sich, sondern durch staatliche Garantierenditen, ohne die eine private Übernahme und der vom Berliner Senat gewünschte kurzfristige Mittelzufluss nicht realistisch gewesen wäre: Schließlich wurden die Berliner Wasserbetriebe nie mehrheitlich privatisiert, 50,1 Prozent der Anteile blieben bei der Stadt. Entsprechend begrenzt waren die Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeiten privater Anleger. Um die mangelnden Interventionsmöglichkeiten auszugleichen, mussten also Renditezusagen Privatanleger anlocken. Erwirtschafteten die Berliner Wasserbetriebe nicht genug Gewinne, um die Garantiezinsen der Investoren zu begleichen, litten die Endverbraucher unter gestiegenen Preisen. Das gestand auch Klaus Wowereit, Berlins damaliger Regierender Bürgermeister im Februar 2011 ein: "Aber leider ist in der Tat durch das Bestreben, einen hohen Kaufpreis zu erzielen, eine Gewinnerwartung nicht nur artikuliert worden, sondern sie ist zementiert worden. Und das war der Preis für den Preis, den man bekommen hat."

Die Ausgestaltung der Privatisierung ist nicht nur bei der Wasserversorgung entscheidend. Die Charakteristika der Sektoren müssen dabei berücksichtigt werden. Bei der Wasserversorgung handelt es sich um einen sehr speziellen netzgebundenen Sektor, bei dem – im Gegensatz zu anderen Netzen – Privatisierungsansätze im Sinne einer Liberalisierung "im Markt" ausscheiden. Das gemeinsame Nutzen eines Netzes durch unterschiedliche Wasserversorger wäre genauso wenig zielführend wie der Aufbau neuer, parallel verlaufender Netze durch neue Wettbewerber. Vielmehr ist bei der Wasserversorgung ein Wettbewerb "um den Markt" relevant. Wartung, Service, Förderung und Bereitstellung von Wasser könnten beispielsweise im Paket und für einen bestimmten Zeitraum im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens an Dritte delegiert werden. Prinzipiell könnten in einem solchen Modell auch Investitionsentscheidungen an Privatunternehmen delegiert werden, wobei dann allerdings die Frage der Länge des Ausschreibungszeitraums eine besondere Bedeutung erhielte. Das Eigentum an der netzgebundenen Infrastruktur würde dem Staat richtigerweise erhalten bleiben.

Public-Private-Partnerships: Alternatives Modell?

Auslöser der aktuellen Debatte um Infrastrukturprivatisierungen waren Diskussionen um eine Privatisierung der Autobahnen und deren neu gegründeter Betreibergesellschaft Ende 2016. Bund und Länder hatten sich Mitte Oktober 2016 geeinigt, eine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft zu gründen, die sich mit Bau, Planung und Betrieb der Autobahnen und einiger Fernstraßen befassen solle. Gleichzeitig einigte man sich darauf, "das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen" im Grundgesetz zu verankern. Den Plänen, Privatunternehmen an der Betreibergesellschaft zu beteiligen, folgte eine öffentliche Diskussion über den Sinn und Unsinn von Privatisierungen. Privatisierungsbefürworter argumentierten, man könne – unter Berücksichtigung der Schuldenbremse – privates Kapital zur Sanierung der teilweise maroden Infrastruktur generieren. Dem wurde entgegnet, Privatisierungsversuche der Betreibergesellschaft würden lediglich der Versicherungs- und Bankenbranche helfen, die infolge der Niedrigzinsen nach alternativen Anlagemöglichkeiten mit sicherer Rendite suche.

Bund und Länder einigten sich schließlich darauf, das Bundeseigentum an der Betreibergesellschaft bei der Grundgesetzänderung festzuschreiben. Es besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit der mittelbaren Privatisierung durch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) beziehungsweise Public-private-Partnerships. Eine Vergabe großer Autobahnabschnitte an solche Partnerschaften entspräche faktisch einer Privatisierung. Auch hier zeigt sich die Relevanz der Ausgestaltung einer möglichen Privatisierung – nicht alles, auf dem das Etikett "Privat(isierung)" steht, ist aus ordnungspolitischer oder marktwirtschaftlicher Sicht zu begrüßen, der konkrete Fall genauer zu betrachten.

Bei ÖPP handelt es sich um Kooperationen von Privatunternehmen und öffentlicher Hand, zum Finanzieren, Erbauen, Instandhalten und Betreiben von Infrastruktur. Grundgedanke ist ein Lebenszyklus-Prinzip mit einer Dauer von etwa 30 Jahren. Ziel sei, dass Privatunternehmen ein Projekt von der Planungsphase über die Bauphase bis zur Betriebs- und Erhaltungsphase steuern. Kommunen, Länder und der Bund sehen die öffentlich-private Zusammenarbeit als eine Möglichkeit an, notwendige Investitionen trotz beschränkter Mittel kurzfristig zu leisten. Mit ÖPP ließe sich außerdem die Schuldenbremse umgehen, wenngleich dies natürlich wesentlich vornehmer beziehungsweise gar nicht formuliert wird. Viele Kommunen können oder dürfen keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Zahlungsverpflichtungen an private Akteure tauchen jedoch nicht als Schulden im Haushalt auf.

Diese mögliche Umgehung der Schuldenbremse sowie die oft nur aus kurzfristiger Sicht stichhaltigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen von ÖPP kritisiert der Bundesrechnungshof. Die Vorteile aus Sicht der privaten Akteure sind langfristig sichere Cashflows, der Staat als absolut sicherer Schuldner und garantierte Renditen. Letztere aber widersprechen den Grundsätzen einer funktionierenden Marktwirtschaft. Risiko und Rendite gehören zusammen. Insofern können – müssen aber nicht! – ÖPP-Projekte durchaus ordnungspolitische Sündenfälle sein.

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ist Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft in Berlin und Honorarprofessor für Politikwissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. E-Mail Link: info@stiftung-marktwirtschaft.de

studiert Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin. E-Mail Link: benjamin.jursch@gmx.de