Gesellschaften sind komplexe Gebilde. Sie bestehen nicht aus einheitlichen "Nationen", sondern sind ein Mosaik aus verschiedenen Gruppen und Identitäten, aus Mehrheits- und Minderheitenbevölkerung, das durch historische Wanderungsprozesse und über Generationen hinweg gewachsen ist. Wie "heimatlich" oder "fremd" sich jemand in diesem Mosaik fühlt, hängt maßgeblich davon ab, welche Teilhabechancen er oder sie hat: Im Umgang mit Minderheiten zeige sich die Qualität und Stärke einer Gesellschaft, heißt es gemeinhin.
In Deutschland gibt es vier anerkannte nationale Minderheiten: Die Dänische Minderheit, die Friesische Volksgruppe, das Sorbische Volk und die Minderheit der Sinti und Roma. Der Schutz nationaler Minderheiten ist keine Selbstverständlichkeit; ein entsprechendes Rahmenübereinkommen des Europarates und die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen sind erst seit 1998 in Kraft. Sie garantieren den Angehörigen nationaler Minderheiten zumindest einige grundlegende Rechte, die für ihren Erhalt und ihre politische und soziale Teilhabe unabdingbar sind – etwa das Recht auf eine eigenständige Identität und den Gebrauch der eigenen Sprache.
Auch bei anderen Minderheitengruppen, die in Deutschland zuhause sind, aber nicht unter diesen besonderen Schutz fallen, stellen sich Fragen nach angemessener Teilhabe und letztlich nach Heimat, Identität und Loyalität – was sie für Angehörige der Mehrheitsgesellschaft mitunter "fremd" und verdächtig macht. So werden türkeistämmige Deutsche häufig ebenso pauschal zu "Türken" gemacht, wie (Spät-)Aussiedler aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion als "Russen" oder gar als "fünfte Kolonne Putins" abgestempelt werden. Ausgrenzung führt jedoch erst recht zu Entfremdung – wie nicht zuletzt auch Beispiele Deutscher Minderheiten im Ausland zeigen.