Am 16. April 1967 erschien in Havanna die erste Ausgabe der Zeitschrift "Tricontinental" als dünnes Sonderheft. Die von der knapp ein Jahr zuvor gegründeten Organisation für Solidarität mit den Völkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas (OSPAAAL) herausgegebene Publikation enthielt nichts weiter als einen Brief an ihr Exekutivkomitee. In diesem als "Botschaft an die Trikontinentale" bekannt gewordenen Schreiben richtete sich Ernesto "Che" Guevara, das wohl prominenteste Gründungsmitglied der OSPAAAL, an die Weltöffentlichkeit.
Breite und umgehende Resonanz fand die "Botschaft" hingegen von lateinamerikanischen Metropolen über nordamerikanische Universitäten bis in die europäischen Großstädte. Die von Guevara formulierte Parole "Schaffen wir zwei, drei … viele Vietnam" stieg umgehend zu einer der ikonischen Losungen der Neuen Linken auf.
Zwei, drei, viele Vietnam
Anfang April 1965, knapp zwei Jahre bevor die "Botschaft an die Trikontinentale" erscheinen sollte, war Guevara unvermittelt aus der Öffentlichkeit verschwunden. Während sein Verbleib für zahlreiche Spekulationen gesorgt hatte, war Guevara im Verborgenen in den Kongo aufgebrochen, um dort eine Revolution nach kubanischem Vorbild voranzutreiben. Ein Vorhaben, das bekanntermaßen in einem Desaster endete. Doch zeitgleich zur Operation im Kongo hatte Guevara mit den Vorbereitungen für einen weiteren Einsatz begonnen. Schon 1964 hatte er seinen argentinischen Landsmann Ciro Bustos darauf angesetzt, in ihrem Herkunftsland potenzielle Kämpfer zu rekrutieren. Weitere Kontakte bestanden zur Gruppe um Juan Pablo Chang in Peru und nach Brasilien. Im Laufe des darauffolgenden Jahres gelang es Tamara Bunke ("Tania"), der Tochter deutsch-jüdischer Exilanten aus Argentinien, die mittlerweile für den kubanischen Geheimdienst tätig war, sich in La Paz niederzulassen. Ausgestattet mit falschen Papieren, die sie als argentinische Ethnologin Laura Gutiérrez Bauer ausgaben, gelang es ihr, Kontakte zu den Kreisen um Präsident René Barrientos aufzubauen. Von dort aus sollte sie die verschiedenen Stränge der Operation zusammenführen.
Der kubanische Staatschef Fidel Castro wiederum hatte die seit Langem bestehenden Beziehungen zu den unterschiedlichen Fraktionen des bolivianischen Kommunismus neu aufleben lassen. Während der von Óscar Zamora geleitete maoistische Partido Comunista Boliviano Marxista Leninista (PCB-ML) sowie der ebenfalls prochinesische Gewerkschaftskreis Moisés Guevaras umgehend ihre Unterstützung für den bewaffneten Kampf signalisierten, reagierte die Parteiführung des unter sowjetischem Einfluss stehenden Partido Comunista Boliviano (PCB) um Mario Monje zurückhaltend.
Im November 1966 reiste Guevara, getarnt als Mitarbeiter der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), nach Bolivien. Bereits im August hatte er über Mittelsmänner von Monje eine Finca und 1500 Hektar Land in einer schroffen Gegend zwischen Andenausläufern und der Chaco-Tiefebene, knapp 250 Kilometer südwestlich von Santa Cruz de la Sierra, aufkaufen lassen. In dem bewaldeten Gelände richtete er dann gemeinsam mit einigen seiner engsten Vertrauten aus Zeiten der Kubanischen Revolution bis zum Ende des Jahres ein Basislager, Waffendepots und eine rudimentäre medizinische Station ein.
Das Treffen mit Monje zum Jahreswechsel sollte sich als entscheidend für den weiteren Verlauf der Guerilla in Bolivien herausstellen. Guevara hoffte, wie er kurz vor dem Eintreffen Monjes in einer Ansprache gegenüber seinen Guerilleros darlegte, auf eine Versöhnung der beiden großen sozialistischen Blöcke. Indem er, so sein Kalkül, in Bolivien sowohl mit Monje als einem Vertreter der sowjetischen Seite als auch den prochinesischen Fraktionen von Moisés Guevara und Óscar Zamora zusammenarbeite, könne Bolivien eine Beispielwirkung von immenser Bedeutung entfalten und die über das Schisma zwischen der Sowjetunion und China in zwei Blöcke zerfallene sozialistische Welt wieder vereinen. Schon in seiner "Botschaft an die Trikontinentale" hatte er die Differenzen zwischen diesen beiden Mächten als eine der zentralen Problemstellungen bezeichnet und gefordert: "Dies ist die Stunde, unsere Differenzen zurücktreten zu lassen und alles in den Dienst des Kampfes zu stellen."
Anders als gegenüber Monje suggeriert, war Bolivien in diesem Kampf aber nicht nur als Zwischenstation auf dem Weg nach Argentinien vorgesehen. Vielmehr sollte das Andenland, dem Beispiel Vietnams folgend, Ausgangspunkt größerer Ereignisse werden. Denn einmal aufgenommen, würde der Guerillakampf nach Guevaras Einschätzung umgehend kontinentale Dimensionen annehmen und der gesamte Subkontinent zur "Szene von vielen großen Schlachten für die Befreiung der Menschheit" werden.
Das Gespräch mit Monje führte zu keiner Übereinkunft. Denn dieser forderte – nachdem ihm immer deutlicher geworden war, dass es nicht lediglich darum gehen würde, Guevara bei der Passage nach Argentinien zu unterstützen –, dass ihm die politische und militärische Führung der gesamten Operation übertragen werde. Zu einem solchen Zugeständnis war Guevara unter keinen Umständen bereit. Monje kündigte daraufhin die Unterstützung der PCB auf und forderte die von der Partei entsandten Kämpfer unmissverständlich, jedoch erfolglos dazu auf, die Guerilla Guevaras zu verlassen.
Unter der Fahne einer heiligen Sache
Kurz nachdem Monje die Gruppe am Neujahrsmorgen verlassen hatte, brach Guevara mit der Mehrzahl der Männer zu einer ersten Trainingsexpedition auf. Entgegen seinem Vorhaben, nach 15 Tagen wieder zurück im Basislager zu sein, kamen sie deutlich langsamer vorwärts als gedacht und blieben fast sieben Wochen lang in den Wäldern. Noch bevor sie zurück zu ihrer Finca gelangten, war das bolivianische Militär jedoch auf die Vorgänge in der Region aufmerksam geworden. Während Guevaras Abwesenheit hatte Moisés Guevara weitere Rekruten in das Basislager gebracht, von denen zwei nach kurzer Zeit beim Versuch zu desertieren von Armeekräften verhaftet worden waren. In den anschließenden Verhören hatten sie den Militärs Auskunft über die sich formierende Guerilla und ihren ausländischen Kommandanten mit dem Decknamen "Ramón" gegeben.
Anfang April nahm die Armee die zuvor von den Guerilleros übereilt verlassene Finca ein und fand dort neben Verpflegung und Medikamenten auch Unterlagen und diverse Fotos. Ausgehend von diesem Material verstanden es die bolivianischen Offiziellen, in der Öffentlichkeit das Bild einer Castro-kommunistischen und vor allem ausländischen Invasion zu verbreiten. Die Informationspolitik der Regierung richtete sich direkt an die in ärmlichsten Verhältnissen lebenden Bauern der Umgebung und appellierte an ihren Patriotismus – forderte sie sie doch auf, Bolivien gegen diese Invasion zu verteidigen. Die Armee ließ eigens eine Pressekonferenz auf der eingenommenen Finca abhalten, auf der auch das Bild des vermeintlichen Anführers der Gruppe präsentiert wurde, allerdings ohne bekannt zu geben, um wen es sich dabei handelte. Es zeigte Ernesto Guevara, mit Pfeife und ohne Bart.
Am 13. April erhielt Guevara über Radio die Nachricht, die USA würden Militärberater nach Bolivien entsenden. Ganz im Sinne der drei Tage darauf erscheinenden "Botschaft an die Trikontinentale" vermerkte er daraufhin in seinem Tagebuch: "Vielleicht erleben wir gerade das erste Kapitel eines neuen Vietnam."
Der siegesgewisse Ton der "Botschaft an die Trikontinentale" täuschte jedoch darüber hinweg, dass sich Guevaras Guerilla zunehmend in eine ausweglose Lage manövriert hatte. Sowohl Juan Pablo Chang und Tamara Bunke als auch Ciro Bustos und der Franzose Régis Debray saßen aufgrund des unerwarteten Eingreifens der Armee bei der Guerilla fest. Sie alle waren zu Beginn des Jahres auf die Finca gekommen und sollten, so der ursprüngliche Plan, mit Nachrichten oder Koordinierungsaufträgen an ihre angestammten Einsatzorte zurückkehren. Die nun eingerichtete militärische Sperrzone machte eine Rückkehr jedoch äußerst riskant. Während Chang und Bunke, deren Tarnung durch die auf der Finca gefundenen Fotos aller Wahrscheinlichkeit nach aufgedeckt worden war, entschieden, bei der Guerilla zu bleiben und damit die Verbindung nach La Paz und Peru unwiederbringlich gekappt war, wurden Bustos und Debray bei dem Versuch, den Belagerungsring zu verlassen, verhaftet. Damit war der letzte Kontaktweg zur kubanischen Führung ebenfalls abgebrochen. Guevara hatte seinerseits zur Unterstützung des Fluchtversuchs seine Guerilla in zwei Kolonnen aufgeteilt. In den folgenden Monaten sollte es ihm nicht mehr gelingen, die ohne Kommunikationsmittel voneinander abgeschnittenen Gruppen nochmals zu vereinen.
Guevara beunruhigte aber vor allem eines: Entgegen seiner Hoffnung hatte sich keiner der örtlichen Bauern seiner revolutionären Kampftruppe angeschlossen. Dabei war er stets von einer organischen Verbindung zwischen der ländlichen Bevölkerung und der Guerilla ausgegangen, sowie davon, dass es auf Grundlage der gemeinsamen Sprache, Sitten und Religion sowie der immer gleichen Formen der Ausbeutung ein starkes übereinstimmendes Klassenbewusstsein unter der gesamten lateinamerikanischen Bevölkerung geben würde. Dieses Bewusstsein werde zwangsläufig eine Solidarität "‚international-amerikanischen‘ Typs" hervorbringen, so seine Annahme.
Bisweilen ist darüber spekuliert worden, warum Guevara zu diesem Zeitpunkt, als eine Flucht noch realistisch schien, nicht in Erwägung zog, den Einsatz abzubrechen. Einerseits ging er trotz der Rückschläge lange davon aus, die Operation würde sich noch seinen Hypothesen entsprechend entwickeln. Im Juli 1967 hatte der in Argentinien regierende General Juan Carlos Onganía aus Sorge vor einem Übergreifen des Konflikts die Grenze zu Bolivien abriegeln lassen. Für Guevara war dies ein deutliches Zeichen dafür, dass die vorhergesagte Internationalisierung des Kampfes tatsächlich eintrat. Euphorisch vermerkte er in seinem Tagebuch: "Die Legende der Guerilla nimmt kontinentale Dimensionen an."
Die Endgültigkeit jener von Guevara nachgerade zur apokalyptischen Entscheidungsschlacht zwischen den antagonistischen Kräften der Welt erhobenen Auseinandersetzung hatte er bereits in der "Botschaft an die Trikontinentale" – wenn auch unbewusst – antizipiert. Sein Aufruf an die "Völker der Welt" endete mit dem posthum als Zeichen einer Todessehnsucht gedeuteten Satz: "An jedem beliebigen Ort, wo uns der Tod überraschen könnte, sei er willkommen, wenn unser Kriegsruf gut aufgenommen würde und eine andere Hand nach unseren Waffen greifen würde und andere Menschen bereit wären, die Totenlieder mit Maschinengewehrgeknatter und neuen Kriegs- und Siegesrufen anzustimmen."
Bereits Ende August 1967 hatte die 8. Division der bolivianischen Armee die Nachhut Guevaras in einen Hinterhalt gelockt. Während die zu diesem Zeitpunkt noch aus acht Personen bestehende Gruppe den Fluss Masicurí überquerte, hatten die Soldaten das Feuer eröffnet und die Mehrzahl von ihnen getötet. Unter den Toten fand sich auch Tamara Bunke, deren Leiche Tage später aus dem Fluss geborgen wurde. Zwei der drei Überlebenden wurden anschließend durch die Soldaten exekutiert.
Knapp einen Monat darauf gaben Anwohner dem Militär Hinweise auf Aktivitäten mutmaßlicher Guerilleros in der Gegend um das Dorf La Higuera. Am 8. Oktober gelang es der von Gary Prado Salmón kommandierten Einheit der Armee, die Gruppe um Guevara in einer nahegelegenen Schlucht zu stellen. Die Mehrzahl der Kämpfer wurde in dem folgenden Gefecht getötet und Guevara, der zuvor verwundet worden war, von Sargento Bernardino Huanca festgenommen. Gemeinsam mit dem bolivianischen Guerillero Simón Cuba ("Willy") wurde er nach La Higuera verbracht und dort von Armeeangehörigen sowie dem CIA-Agenten Félix Rodríguez verhört. Guevara selbst ging, so legt es der Bericht Rodríguez’ nahe, davon aus, dass die Militärs ihn am Leben lassen würden.
Gekreuzigter Gott
Das Militär brachte Guevaras Leichnam noch am selben Tag nach Vallegrande, wo er von den Nonnen des örtlichen Krankenhauses gewaschen wurde. Ein Arzt injizierte ihm, um den Verwesungsprozess zu verlangsamen, Formaldehyd und öffnete ihm die Augen. Am Tag darauf wurde der Leichnam in einem rudimentären Waschhaus des Hospitals auf einem Betonbecken aufgebahrt und angereisten Pressevertretern als Beweis für den Tod des weltweit berühmtesten Guerillakommandanten vorgeführt. Die Militärs hofften wohl, durch die Präsentation des Gefallenen und die anschließende anonyme Bestattung Guevaras, einer posthumen Heroisierung vorbeugen zu können. Doch die tags darauf weltweit auf den Titelseiten der Tageszeitungen publizierten Fotos Guevaras erzielten einen Effekt, der gegensätzlicher zur eigentlichen Intention der Zurschaustellung nicht hätte sein können. Die Bilder des Leichnams, dessen entrückten und gleichsam lebendigen Blick ein sanftes Lächeln zu umspielen schien, wiesen in ihrer Bildsprache, wie zeitgenössische Beobachter alsbald bemerkten, eine frappierende Ähnlichkeit zu Darstellungen eines anderen, deutlich älteren, aber nicht minder bedeutenden Propheten der Menschheitsbefreiung auf: Jesus Christus.
Die ästhetische Amalgamierung Jesu Christi und Ernesto Guevaras, die weit mehr über ihre Interpreten aussagt als über die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vorhandene Absicht der Fotografen, reicht jedoch über rein äußerliche Ähnlichkeit hinaus. Vielmehr verweist sie auf ideengeschichtliche Analogien, deren Kern ebenfalls in der "Botschaft an die Trikontinentale" aufscheint: eine christlich imprägnierte Eschatologie. Unmissverständlich deutlich wird dies, wenn Guevara von der "heiligen Sache der Erlösung der Menschheit" schreibt. Guevara, der sich hier gewissermaßen als Schüler Carl Schmitts und dessen "Politischer Theologie" erweist, unterteilte die Welt gedanklich in zwei antagonistische Blöcke, die in einer alles entscheidenden Auseinandersetzung um die endgültige Vollendung der Geschichte ringen würden. Während er von seinen Apologeten zu einem christusgleichen Propheten der Liebe verklärt wird – hiervon zeugt insbesondere der häufige Bezug auf seinen Ausspruch: "Ich wage zu behaupten (…), dass der wahre Revolutionär von großen Gefühlen der Liebe geleitet wird"
Die religiöse Imprägnierung seines Denkens tritt sinnbildlich in einer Episode zutage, die er in seinem Tagebuch aus der Sierra Maestra schildert. Den Guerilleros um Fidel Castro war im Januar 1957 der abtrünnige Mitkämpfer Eutimio Guerra in die Hände gefallen, der die Rebellen an das kubanische Militär verraten hatte. Die daraufhin angeordnete Hinrichtung Guerras, aller Wahrscheinlichkeit nach die erste von ihm selbst ausgeführte, schildert Guevara in seinen Aufzeichnungen in den Metaphern biblischer Parabeln: In jenem Moment, schreibt er, als Eutimio hingerichtet wurde, "brach ein schwerer Sturm los, und der Himmel verdunkelte sich. Inmitten einer Sintflut, die hereinbrach, als Blitze über den Himmel zuckten und Donner hallte, wurde Eutimio Guerras Leben gerade in dem Augenblick ein Ende gesetzt, als einer dieser Blitzstrahlen aufleuchtete und ihm sofort ein Donnerschlag folgte – und nicht einmal die Kameraden, die in seiner Nähe standen, hörten den Schuß."
Der heilsgeschichtlichen Erwartung, die gesamte Schöpfung durch einen Guerillakrieg zu erlösen, stellte Guevara auf individueller Ebene sein Konzept des Neuen Menschen zur Seite. Eine Analogie, die in der eschatologischen Hoffnung auf die Vollendung des Einzelnen im christlichen Denken ebenfalls ihre Entsprechung findet. Guevara eiferte einem Ideal nach, das jedes Streben nach Genuss und materiellem Reichtum zugunsten von Opferbereitschaft, Entsagung, Askese und moralischer Überlegenheit ablehnte. An dessen Ende steht, als säkularisierte beziehungsweise subjektivierte Gottesvorstellung, der revolutionäre Guerillero als "höchste Stufe der menschlichen Spezies".
Christus, ich liebe dich (…)
Du hast uns gelehrt, dass der Mensch Gott ist
ein armer, gekreuzigter Gott wie Du.
Und dass der zu deiner Linken in Golgatha
der schlechte Dieb
auch ein Gott ist.
Eben diese Konstellation aufgreifend, wenn auch wohl unbewusst, gedachte das Milieu der Neuen Linken Guevara nach seinem Tod mit der ebenso griffigen wie christlich grundierten Formel: "Che vive!" beziehungsweise "Che lebt!" Die hieran anknüpfende Heroisierung des Guerillakommandanten sparte, wie dies allen Heldenerzählungen gemein ist, all jene Bereiche aus, die das Bild hätten beschädigen können. Und so traten Guevaras maßgebliche Beteiligung an den Erschießungen Oppositioneller im Gefangenenlager La Cabaña auf Kuba oder sein fatalistischer Wille, die gesamte kubanische Bevölkerung während der Kubakrise 1962 in einem atomaren Krieg zu opfern, zugunsten eines Narrativs in den Hintergrund, das ihn als zeitgenössischen Christus inszenierte.
Vor diesem Hintergrund ist es alles andere als zufällig, dass es gerade Rudi Dutschke war – ein Pastorensohn, der für seine öffentlichen Auftritte als Wortführer der Studentenbewegung mehrfach den Hörsaal gegen die Kirchenkanzel eintauschte –, der Guevaras "Botschaft an die Trikontinentale" gemeinsam mit dem Schriftsteller Gaston Salvatore ins Deutsche übertrug und unter dem noch heute emblematischen Titel "Schaffen wir zwei, drei … viele Vietnam" im Sommer 1967 in West-Berlin herausgab. Auch wenn sich Dutschke in seiner Einleitung von der emphatischen Apologie des Hasses distanzierte, die Guevara in seinem Text propagierte, teilte er doch dasselbe eschatologische Grundverständnis von Politik. Dieses verdichtete sich in der ebenso heilsversprechenden wie apokalyptischen Vietnam-Formel, die noch vor dem Tod des lateinamerikanischen Revolutionärs – aber auch weit über das Jahr 1967 hinaus – erhebliche Wirkung entfalten sollte.