Vor einem Jahr erlebte Frankreich den schwersten Terroranschlag seiner Geschichte. Zu dem Angriff auf die Besucher eines Fußball-Länderspiels, eines Rockkonzerts sowie mehrerer Restaurants und Bars in Paris und Saint-Denis am 13. November 2015 bekannte sich der sogenannte Islamische Staat (IS). Bereits am 7. Januar hatten schwer bewaffnete Islamisten die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt angegriffen. Präsident François Hollande erklärte den "Krieg gegen den Terrorismus"; der Notstand wurde verhängt und bis heute nicht wieder aufgehoben. Zwar konnten zahlreiche weitere Attentate vereitelt werden, doch im Sommer 2016 ermordeten Dschihadisten zwei Polizeimitarbeiter und einen katholischen Priester, und am Nationalfeiertag am 14. Juli fuhr ein "IS"-Sympathisant in Nizza einen Lkw in eine feiernde Menge.
Die Anschlagsserie stellt den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem ohnehin geschwächten Land auf eine harte Probe. Die französische Wirtschaft stagniert seit Jahren, und Ansätze für Reformen stoßen auf massiven Widerstand. Die Franzosen sind unzufrieden, und Hollande ist so unbeliebt wie keiner seiner Vorgänger. Wenige Monate vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ist abzusehen, dass der rechtsextreme Front National Rekordwerte erzielen wird.
Eine disziplinierende Wirkung scheint diese Situation nicht zu entfalten: Durch das linke Lager ziehen sich Gräben, und auch die Konservativen ringen um Geschlossenheit. Eine öffentliche Analyse der Missstände im Land, die an die Ideale der Republik rühren, und eine Grundsatzdiskussion über entsprechende Auswege bleiben bislang weitgehend aus. So droht der anstehende Wahlkampf ein weiteres Symptom der tiefen Krise zu werden, in der Frankreich sich befindet.