Die Themen innere Sicherheit, Migration und Terrorismus sind seit rund 15 Jahren im öffentlichen Diskurs konstant präsent. Nach den islamistisch motivierten Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 schien die Welt eine andere geworden zu sein. Nicht nur in Deutschland entfachten die Ereignisse eine Debatte über verschärfte Sicherheitsgesetze und ein restriktives Ausländerrecht. Die Anschläge in Madrid 2004 und in London 2005 befeuerten die Diskussion zusätzlich. Parallel dazu verstärkten sich ab 2006 Fluchtbewegungen aus dem arabischen Raum und Afrika. Der größte Teil der Flüchtlinge gelangte jedoch nicht nach Europa beziehungsweise wurde an dessen Außengrenzen gestoppt.
Darüber hinaus führte die Euro- und Finanzkrise zu einem Anstieg der EU-Binnenmigration, vor allem Deutschland wurde zu einem bevorzugten Zielland. Als sich zum Jahreswechsel 2013/14 die EU-Freizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien ausweitete, kam in Teilen Europas die Sorge vor einem überproportionalen Zuzug aus diesen Ländern auf. Einige befürchteten einen verstärkten "Zustrom" osteuropäischer Arbeitskräfte, wobei häufig unterstellt wurde, dass das eigentliche Ziel der Migration der Erhalt von Sozialleistungen sei.
Seit einigen Jahren nehmen nun die Aktionen, die im Kontext des islamistischen Terrorismus stehen, wieder zu, und mit ihnen intensiviert sich die öffentliche Diskussion über Zuwanderung, Integration und deren sicherheitspolitische Implikationen erneut. In diesem Kontext können auch die Wahlerfolge der AfD in Mecklenburg-Vorpommern und anderen Bundesländern gesehen werden. Um aufzuzeigen, warum das Thema Migration in der öffentlichen Diskussion vielfach als bedrohlich wahrgenommen wird und inwiefern die innere Sicherheit mit der Migrationspolitik verzahnt ist, werde ich im Folgenden zunächst die Ausgangslage hinsichtlich der Zuwanderung nach Deutschland sowie zum Thema islamistischer Terrorismus beschreiben. Danach folgt eine Erläuterung der politischen Dimension von Sicherheit und Migration. Abschließend werde ich die Ereignisse des Spätsommers 2015 in den dargelegten Gesamtkontext einordnen.
Einwanderung
Kurz nach der deutschen Wiedervereinigung stieg die Zuwanderung in die Bundesrepublik auf einen historischen Höchststand. Die Ursachen für den Anstieg waren das Ende des Kalten Krieges, die Jugoslawienkriege sowie der zunehmend eskalierende Konflikt zwischen der Türkei und der kurdischen Untergrundorganisation PKK. Ab Mitte der 1990er Jahre nahmen die Zahlen der jährlich neu Eingewanderten jedoch stark ab und verblieben auf einem niedrigen Niveau.
Diese Werte geben indessen keine Auskunft über die Länge des Aufenthalts der Zugewanderten. Die kommunalen Einwohnermeldeämter nehmen sowohl temporäre als auch dauerhafte Zuwanderungen auf. Allerdings melden sich Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Staaten, die sich nur kurzfristig in Deutschland aufhalten, nicht immer bei den Behörden. Dieser blinde Fleck resultiert aus der innerhalb der EU geltenden Freizügigkeit. Jedoch wird davon ausgegangen, dass sich bei Aufenthalten von mehreren Monaten die europäischen Zuwanderer bei den entsprechenden Stellen melden. Für 2015 machte das Statistische Bundesamt zudem explizit darauf aufmerksam, dass zum einen nicht alle Schutzsuchenden registriert, zum anderen einige mehrfach erfasst wurden.
Islamistischer Terrorismus
Das Phänomen des islamistischen Terrorismus rückte spätestens durch die Ereignisse vom 11. September 2001 verstärkt in das Bewusstsein der westlichen Gesellschaften. Islamistische Selbstmordattentäter entführten vier Passagiermaschinen, um diese an neuralgischen Orten in den USA zum Absturz zu bringen. Zwei Flugzeuge flogen in die Türme des New Yorker World Trade Centers, das dritte stürzte in das US-Verteidigungsministerium in Arlington bei Washington D.C., das vierte zerschellte bei Pittsburgh, Pennsylvania, und erreichte sein unbekanntes Ziel nicht. Das für die Anschläge verantwortliche Netzwerk al-Qaida verübte in der Folge zahlreiche weitere Terrorakte auf der ganzen Welt.
Am 11. März 2004 erreichte der islamistische Terrorismus mit den Anschlägen auf mehrere Vorortzüge in Madrid europäischen Boden. Im Jahr darauf, am 7. Juli, wurden in London drei Bomben in U-Bahnen und eine weitere in einem Doppeldeckerbus gezündet. Der erste islamistisch motivierte Anschlag in Deutschland, der nicht verhindert werden konnte, geschah am 2. März 2011, als ein Einzeltäter am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss.
In Europa ist in der jüngeren Vergangenheit vor allem Frankreich von Terrorakten betroffen: Die Anschläge auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" am 7. Januar 2015, an mehreren Orten in Paris und Saint-Denis am 13. November 2015 sowie in Nizza am 14. Juli 2014 bilden eine traurige Reihe mit zahlreichen Todesopfern. Auch in der Türkei wurden zuletzt mehrere Selbstmordattentate verübt: am 20. Juli 2015 in Suruç, am 10. Oktober 2015 in Ankara, am 12. Januar 2016 in Istanbul und am 20. August 2016 in Gaziantep. Aber auch Dänemark, Belgien und Deutschland wurden zu Zielen von Anschlägen: In Kopenhagen wurden am 14. und 15. Februar 2015 ein Kulturzentrum und eine Synagoge attackiert, in Brüssel sprengten sich am 22. März 2016 am Flughafen und in der Innenstadt drei Terroristen in die Luft, und in Ansbach kam es am 24. Juli 2016 zu einem Selbstmordanschlag.
Charakteristika der Politikfelder innere Sicherheit und Migration
Die derzeitige Flüchtlingssituation in Europa ist eine Herausforderung für verschiedene Politikressorts geworden – vor dem Hintergrund der allgemeinen terroristischen Bedrohung besonders auch für die Sicherheitspolitik. In der öffentlichen Debatte werden vor allem das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit sowie das von Exklusion und Integration neu ausgehandelt. Zum besseren Verständnis der angesprochenen Politikfelder sollen im Folgenden die innere Sicherheit und die Migrationspolitik näher betrachtet werden.
In der Gründungsphase der Bundesrepublik konnte von einem eigenständigen Politikfeld innere Sicherheit noch nicht die Rede sein. Erst mit den umstrittenen Notstandsgesetzen 1968 und deren Umsetzung änderte sich dies. Durch sie wurden die Aufgaben von Militär und Polizei durch den inneren und äußeren Notstand voneinander abgegrenzt. Zudem wurden die Polizeien reorganisiert, das Polizeirecht vereinheitlicht und die Entwicklung von Sicherheitsbehörden auf Bundesebene vorangetrieben. Die Ausformung des Politikfeldes war einerseits geprägt durch die Radikalisierung von Teilen der Außerparlamentarischen Opposition (APO), die in die Gründung der Roten Armee Fraktion (RAF) mündete, und andererseits durch die Kriminalitätsentwicklung im Land. In der Folge institutionalisierte sich ein Sicherheitsverbund und damit das Politikfeld. Eine inhaltliche Erweiterung erfuhr die innere Sicherheit danach durch den europäischen Integrationsprozess und ihre neue Bedeutung im EU-System.
Mit Blick auf die innere Sicherheit lassen sich drei Grundpositionen identifizieren, die in politischen Debatten stets präsent sind. Die erste richtet sich auf den Umbau der Sicherheitsarchitektur mit Zentralisierung der wichtigsten Zuständigkeiten beim Bund. Vertreter der zweiten Grundposition fordern eine engere Verzahnung von innerer und äußerer Sicherheit. Ein aktuelles Beispiel ist die erneute Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr im Innern und gemeinsame Einsatztrainings von Bundeswehr und Polizei. Diesen beiden Positionen steht die dritte Haltung gegenüber, dass die bürgerlichen Freiheitsrechte zu schützen seien. Entsprechend sehen ihre Vertreter die Zentralisierungstendenzen auf Bundesebene kritisch und verweisen auf die Achtung der Grundrechte sowie das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei.
Im Vergleich zur inneren Sicherheit ist die Entstehung und Abgrenzung des Politikfeldes Migrationspolitik schwerer zu fassen. Trotz der Faktenlage, dass spätestens seit den "Gastarbeiter"-Anwerbeabkommen der 1950er/60er Jahre zahlreiche Zuwanderer und Kinder von Zuwanderern in Deutschland leben, hat sich die Bundesrepublik lange nicht als Einwanderungsland verstanden. Migrationspolitik ist zudem ein Querschnittsthema und weist Überschneidungen zu anderen Politikfeldern wie der Entwicklungspolitik auf. Das Politikfeld zielt zum einen auf die bewusste Steuerung von "weltweite(r) Migration über Staatsgrenzen hinweg" ab,
Hier spiegeln sich bereits die Grundpositionen dieses Politikfeldes wider. Sie bewegen sich im Spannungsfeld zwischen den Fragen, wieviel "Fremdes" ein System verträgt und wieviel Gemeinsames es braucht. Die erste Position befürwortet die Steuerung von Zuwanderung, während die zweite eine Begrenzung von Zuwanderung fordert. Da beide Positionen starke Fürsprecher haben, fanden sowohl Steuerung als auch Begrenzung Eingang in das Zuwanderungsgesetz von 2005. Vertreter der dritten Grundposition setzen sich für eine Stärkung des Standortes Deutschlands ein, um in den Wettbewerb um die bestqualifizierten ausländischen Fachkräfte treten zu können. Dies fordert jedoch gewisse Lockerungen der Zuwanderungsvoraussetzungen. Allgemein sind in diesem Politikfeld wirtschaftliche Überlegungen neben Sicherheitsaspekten sehr präsent.
Das Netzwerk der zivilen Akteure eines Politikfeldes lässt sich anhand der Intensität ihrer institutionalisierten Interaktionsbeziehungen in drei Einflussbereiche unterteilen:
Im Zentralraum befinden sich die staatlichen politikfeldspezifischen Behörden, die unmittelbare "Zugriffsrechte" auf die Bevölkerung besitzen und dementsprechend im Rahmen gesetzlicher Grenzen in die Grundrechte eingreifen dürfen. Sie bilden die Exekutive und werden in der Bevölkerung als die eigentlichen Akteure wahrgenommen. Im Bereich der inneren Sicherheit sind dies die Sicherheitsbehörden wie die Polizeien der Länder und des Bundes. In der Migrationspolitik sind beispielsweise die Ausländerämter im Zentralraum anzusiedeln.
Der Zentralraum ist vom politisch-institutionellen Umfeld umgeben. Hierzu gehören all jene Akteure, die die Arbeitsvoraussetzungen für die politikfeldspezifischen Behörden schaffen. Im Gegensatz zur Exekutive haben sie in der Regel keinen unmittelbaren "Zugriff" auf die Bevölkerung. Als Beispiel lassen sich hier die Innenministerien und, sofern vorhanden, die Integrationsministerien anführen.
Den äußersten Bereich des Netzwerks bildet das korrespondierende politische Umfeld. Die hierzu zählenden Akteure versuchen im Sinne ihrer Interessen Einfluss auf das politisch-institutionelle Umfeld auszuüben. Zu ihnen zählen etwa Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisation wie zum Beispiel Migrantenselbstorganisationen.
Für das Politikfeld innere Sicherheit ist das Bundesministerium des Innern (BMI) der dominante Akteur. Dies ist darin begründet, dass es Kontrolle über die meisten anderen Akteure ausübt und dadurch Macht auf sich konzentriert. Bei der inneren Sicherheit handelt es sich um ein homogenes Politikfeld, in dem die staatlichen Akteure im Rahmen einer vertikal orientierten Integration zusammenarbeiten. Die Geschlossenheit des Akteursnetzwerks behindert dabei den Zugang anderer Akteure. So nehmen Verbände, Vereine oder sonstige Interessenvertretungen weniger Einfluss auf die politischen Inhalte als in anderen Politikfeldern. Gleichzeitig differenziert sich die innere Sicherheit in den Bereich private Sicherheitswirtschaft aus, wenn zum Beispiel staatliche Sicherheitsaufgaben privatisiert werden. Des Weiteren werden Adressaten von sicherheitspolitischen Maßnahmen kaum in die Prozesse des Politikfeldes einbezogen, sondern bleiben Gegenstand von Kommunikation.
Im Gegensatz dazu zeichnet sich das Politikfeld Migrationspolitik durch eine stärkere Heterogenität aus. Hierdurch entsteht ein höherer Koordinierungsbedarf zwischen den Akteuren, da diese in Form der diagonalen Integration über alle Ebenen des Mehrebenensystems miteinander verflochten sind. Infolgedessen ist ein einzelner zentraler Akteur nicht identifizierbar. Der Zugang des Politikfeldes ist verhältnismäßig offen, wobei die Partizipation an den politischen Prozessen auf ausgewählte Akteure beschränkt ist.
Verflechtungen
Neben den politikfeldinternen Prozessen und Strukturen nehmen auch die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Politikfeldern sowie die Vernetzung im föderal organisierten Mehrebenensystem Einfluss auf die jeweiligen Prozesse und Programme.
Bei Politikfeldern sind Verflechtungen in der Polity-Dimension vorhanden, wenn Akteure in verschiedenen Politikfeldern vertreten sind. Dies trifft auf die Verzahnung der Politikfelder innere Sicherheit und Migrationspolitik zu: So befinden sich im Zentralraum beider Politikfelder die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt (BKA), die Länderpolizeien sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Darüber hinaus sind die behördenübergreifenden Plattformen Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASiM) und Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) beiden Politikfeldern zuzuordnen. Dem politisch-institutionellen Umfeld beider Politikfelder gehören unter anderem das BMI, die Innenministerkonferenz (IMK), Innensenate und Innenministerien der Länder, aber auch Bundestag, Landtage und Bundesrat mit entsprechenden Ausschüssen an. Parteien und Medien zählen in beiden Politikfeldern zum korrespondierenden politischen Umfeld.
Dementsprechend überlappen sich auch die beiden Policy-Communities und beeinflussen die politikfeldinternen Prozesse. Von einer Verflechtung in der Policy-Dimension wird gesprochen, wenn funktionale Abhängigkeiten zwischen den Politikfeldern bestehen. Liegen diese vor, haben Maßnahmen des einen Politikfelds auch Effekte auf das andere, sowohl mittelbar als auch unmittelbar. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2002 zum Beispiel, auch bekannt als "Sicherheitspaket II", hatte als Maßnahmenpaket der Sicherheitspolitik erhebliche Konsequenzen für die Migrationspolitik, da es auch Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vornahm. So wurde die informationelle Sonderbehandlung von Ausländern ausgeweitet, die Einreise und der Familiennachzug erschwert und die Ausweisung und Abschiebung erleichtert, um sich besser gegen gewaltbereite Extremisten aus dem Ausland schützen zu können. Das Zuwanderungsgesetz von 2005 setzte die Linie des Sicherheitspaketes fort. Dies zeigte sich vor allem im neu geschaffenen Aufenthaltsgesetz (Artikel 1), das unter anderem die Abschiebung erleichtert. Gleiches gilt für die 2015/16 beschlossenen Asylpakete I und II.
Eine Verzahnung der Politics-Dimension ist gegeben, wenn Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse in den Politikfeldern nicht unabhängig voneinander ablaufen. Je relevanter ein Politikfeld ist, desto weniger Rücksicht müssen Akteure dieses Politikfelds auf andere Politikfelder nehmen und desto leichter werden ihre Entscheidungen von anderen als gesetzt akzeptiert. Prinzipiell werden die Diskussionen und Entscheidungen in der Migrationspolitik durch die Ziele beziehungsweise Strategien der inneren Sicherheit maßgeblich mitbestimmt. Dies liegt jedoch nicht nur an der allgemeinen Bedeutung der Sicherheitspolitik für die Legitimität des Staates, sondern gleichfalls am großen Problemdruck, der aus den Wanderungsbewegungen entspringt.
Spannungen
Im Feld der inneren Sicherheit besteht ein grundsätzlicher Konflikt zwischen individueller Freiheit und kollektiver Sicherheit. Insbesondere durch die Anschläge vom 11. September 2001 und deren Folgeereignisse wurde das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit verschärft und formte sich aus als Entgegensetzung von Terrorismusbekämpfung und Menschenrechten. Dies wird etwa in Diskussionen zum Abschiebeschutz und den "sicheren Herkunftsländern" deutlich. Die terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) versucht seit geraumer Zeit, die Migrationssituation auszunutzen, um eigene Leute als Flüchtlinge getarnt in europäische Staaten einzuschleusen – was teilweise auch gelingt, wie vor allem die Anschläge in Paris im November 2015 gezeigt haben. Hierdurch verschränkt sich in der öffentlichen Wahrnehmung Terrorismus mit Zuwanderung.
Zugleich setzte seit 2001 in der Migrations- und Integrationsdebatte ein auf den Islam fokussierter Religionsdiskurs ein, der diese bis heute dominiert. Im Rahmen dessen wird der Islam teilweise als Integrationshemmnis oder gar -hindernis gesehen; auch von mangelnder Integrationsbereitschaft ist die Rede. Integrationsprobleme werden somit auf die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft oder Ethnie reduziert.
Die Konflikte beider Politikfelder wirken generell wechselseitig aufeinander ein. Fühlt sich die Mehrheitsgesellschaft durch "Fremdes" bedroht, führt dies zu einem Streben nach mehr Sicherheit, für dessen Einlösung freiwillig Freiheiten aufgegeben werden. Zugleich werden jedoch auch spezifische Freiheitsbeschränkungen für die vermeintlichen Bedrohungsurheber gefordert. Somit wirkt auf Letztere eine doppelte Freiheitsbeschränkung ein. Dies wird auch im Hinblick auf die Regelungen des Sicherheitspaketes II und des Zuwanderungsgesetzes deutlich. Während bei Ersterem prinzipiell die gesamte Wohnbevölkerung Deutschlands, mit Ausnahme der ausländerrechtlichen Anteile und dem Vereinsrecht, von den Maßnahmen betroffen ist, bezieht sich das Letztere nur auf Zuwanderer.
Dies gilt nicht nur für die deutsche Politik, sondern für ganz Europa. So wird auf europäischer Ebene über die Speicherung europäischer Fluggastdaten und eine Verschärfung des Waffenrechts verhandelt – auch dies ist eine Sache der Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit. Ein Beispiel für die potenzielle Einschränkung von Minderheiten ist die Diskussion um ein Burka-Verbot, die nicht nur in Deutschland, sondern unter anderem auch in Frankreich, Estland, Spanien, Österreich und den Niederlanden geführt wird beziehungsweise wurde. Auch wenn das Verbot in einen sicherheitspolitischen Kontext gesetzt wird, steht dahinter vorrangig die Frage der Integration von Muslimen in die Mehrheitsgesellschaft.
Sonderfall Spätsommer 2015
Das Verhältnis von innerer Sicherheit und Migrationspolitik wird den vorherigen Ausführungen folgend weniger als gegensätzlich gedacht, sondern vielmehr als Korrelativ. So dient die Migrationspolitik durch Integration dem präventiven Paradigma, während innere Sicherheit durch die Setzung eines restriktiven Rahmens die Voraussetzungen schafft, damit die Mehrheitsgesellschaft Zuwanderung innerhalb entsprechend definierter Grenzen akzeptiert. Dabei ist die Migrationspolitik in erster Linie jedoch eine Ergänzung der inneren Sicherheit und ihr somit tendenziell untergeordnet.
Die Ausnahme bilden die Ereignisse im Spätsommer 2015: Wenige Tage nachdem sie ihr inzwischen berühmtes "Wir schaffen das!" gesagt hatte, öffnete Bundeskanzlerin Angela Merkel angesichts der sich verschlimmernden Lage für die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge am 5. September die Grenzen und erhob so die Humanität zum Primat. Für kurze Zeit war damit eine Einreise ohne jede Voraussetzung möglich, der bis dahin restriktive Rahmen suspendiert. Gesellschaftlich wurde diese Maßnahme von einer breiten "Willkommenskultur" getragen. Eine Folge war jedoch, dass zwischen der Zahl der vom BAMF registrierten Personen und der Zahl der tatsächlichen Erstanträge auf Asyl eine größere "Lücke" entstand ("EASY-Gap"), auch wenn die Zahl der 2015 in Deutschland angekommenen Asylsuchenden jüngst von ursprünglich angenommenen 1,1 Millionen auf 890.000 korrigiert wurde.
Spätestens mit den Vorkommnissen in Köln zu Silvester stabilisierte sich das ursprüngliche Verhältnis der beiden Politikfelder wieder. Belege hierfür sind unter anderem die personelle Verstärkung der Polizeien, insbesondere bei der Bundespolizei und dem BKA, sowie die Präsenz der Themen Terrorismus und Organisierte Kriminalität im öffentlichen und innerorganisationalen Diskurs. Dabei ist zu beobachten, dass der Erfolg beziehungsweise die Durchsetzungsfähigkeit der Akteure steigt, wenn migrations- und sicherheitspolitische Themen gekoppelt werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Themen Migration und Terrorismus anfangs einzeln in Relation zur inneren Sicherheit standen und in den vergangenen rund 15 Jahren zunehmend miteinander vermischt wurden. Speziell seit 2015 ist die diskursive Verknüpfung von Migration und Terrorismus im europäischen Raum verstärkt wahrnehmbar. Politik und Medien nehmen hier bei der Vermittlung beziehungsweise Konstruktion der Wahrnehmung eine wichtige Rolle ein. So wurde etwa im Juli 2016 ein Amoklauf in einem Münchener Einkaufszentrum von Medienvertretern und einzelnen internationalen Politikern in einen terroristischen und islamistischen Zusammenhang gesetzt. Der IS versuchte dies sogleich propagandistisch für sich zu nutzen. Schon bald stellte sich jedoch heraus, dass es sich um die Tat eines psychisch kranken Schülers handelte, der in München aufgewachsen war und keinerlei Bezug zum Islamismus hatte.
In der Pflicht stehen aber nicht nur Politik und Medien, sondern die Gesellschaft insgesamt: Um den Herausforderungen Zuwanderung und Terrorismus angemessen und verantwortungsvoll begegnen zu können, gilt es, genau hinzuschauen, wenn die Themen Migration und innere Sicherheit vermischt werden.