Die repräsentative Demokratie scheint in Gefahr: Populisten sind weltweit auf dem Vormarsch, traditionsreiche Volksparteien erodieren, die Wechselwählerschaft nimmt zu, Bürgerinnen und Bürger verlieren Vertrauen in Parlamente und Regierungen, und vor allem einkommensschwache Schichten bleiben den Wahlurnen fern. Gleichzeitig werden politische Entscheidungen immer häufiger in Expertengremien ausgelagert und Institutionen weiter gestärkt, die nicht vom Volk gewählt werden – etwa Zentralbanken oder die Europäische Kommission.
Im bisweilen alarmistischen Ton werden all jene Phänomene unter dem Schlagwort "Krise" zusammengefasst, Parallelen zur Situation in der Weimarer Republik gezogen. So entsteht der Eindruck, alles hänge irgendwie mit allem zusammen und gefährde die Demokratie insgesamt. Dabei wurde das Ende der Demokratie schon oft beschworen: Die Krisendiagnose sei so alt wie die Demokratie selbst, betont etwa der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel.
Nichtsdestotrotz lassen sich die beschriebenen Phänomene tatsächlich beobachten. Und deshalb ist es notwendig, zu unterscheiden, ob sie die Demokratie als generelles Ordnungsprinzip infrage stellen, oder ob sie nicht vielmehr auf Defizite der Repräsentation hinweisen. So beklagten etwa bis in die jüngste Zeit politische Kommentatoren die dramatisch sinkende Wahlbeteiligung. Die nun gestiegene Wahlbeteiligung wird indes mit genauso viel Sorge kommentiert, profitieren doch vor allem Rechtspopulisten. Hat sich mit ihren Erfolgen also kurzfristig eine Lücke im Parteiensystem geschlossen, da sich mehr Bürgerinnen und Bürger vertreten fühlen? Oder weist die Sehnsucht nach unmittelbarer Umsetzung eines vermeintlichen "Volkswillens" auf verbreitete demokratiefeindliche Tendenzen hin? In jedem Fall müssen sich die etablierten Parteien mit der Frage auseinandersetzen, warum sich so viele Menschen nicht mehr von ihnen repräsentiert sehen.