Information ist ein öffentliches Gut. Und dieses öffentliche Gut ist unverzichtbar für das Funktionieren unserer Demokratien. Unverzichtbar – das klingt stark und ist doch alles andere als übertrieben. Demokratie wird oft vorschnell durch die lapidare Formel definiert: "Ein Mensch, eine Stimme". Aber sie ist mehr als das, und die Formel muss lauten: "Ein informierter Mensch, eine Stimme". Andernfalls ist Demokratie bloße Fassade.
Presse, Radio, Fernsehen und inzwischen auch das Internet – seit ihren Anfängen spielen die Medien eine Schlüsselrolle in unseren Demokratien. Indem sie über anstehende Wahlen, Programme der Kandidaten und anderes mehr informieren, haben sie zunächst Einfluss auf die politische Beteiligung. In den Vereinigten Staaten etwa nahm die Wahlbeteiligung zu, als die ersten Tageszeitungen auf den Plan traten: Dies zeigt eine Studie der Ökonomen Matthew Gentzkow, Jesse Shapiro und Michael Sinkinson, in der sie den Einfluss von Tageszeitungen auf das Wahlverhalten zwischen 1869 und 1928 untersuchten – und damit die Intuitionen eines Alexis de Tocqueville bestätigten.
Für die positive Auswirkung von Zeitungen auf die politische Beteiligung gibt es eine Reihe von Gründen, allen voran ihr Informationsgehalt. Je besser Bürgerinnen und Bürger informiert sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie zur Wahl gehen. Dieser Befund ist durch zahlreiche Arbeiten erhärtet worden.
Fernsehen und politische Beteiligung
Die Wirkung des Fernsehens in Demokratien ist hingegen weniger leicht einzuschätzen. Aus einem ganz einfachen Grund: Durch das Fernsehen wenden sich Zuschauerinnen und Zuschauer von Medien mit höherem Informationsgehalt ab, um dafür mehr Unterhaltung zu konsumieren. Eine Nachrichtensendung der 1950er Jahre bot, wie der Historiker Ted Nielsen festgestellt hat, nicht mehr Text als drei Spalten der Titelseite der "New York Times".
Der negative Einfluss des Fernsehens auf die politische Beteiligung hat sich, wie wir aus den Arbeiten des Politikwissenschaftlers Markus Prior wissen,
Auch der gesellschaftliche Zusammenhalt in diesen Demokratien bleibt davon nicht unberührt. Das "traditionelle" Fernsehen mit seinen wenigen Sendern hatte eine homogenisierende Wirkung. Man saß zu mehreren vor dem Fernseher, im Kreise der Familie und der Freunde, und da alle am Ende die gleichen Sendungen gesehen hatten, konnten sich tags darauf alle darüber austauschen. Die Welt des Kabelfernsehens dagegen ist die vom Soziologen und Politikwissenschaftler Robert D. Putnam beschriebene des bowling alone, eine Welt also, in der regelmäßige Kontakte mit Freunden und Nachbarn unaufhaltsam zurückgehen.
Geschwindigkeit vs. Originalität
Dieser paradoxe Effekt des Fernsehens, eines "Massenmediums", von dem man hätte denken sollen, dass es zur Demokratisierung der Information und damit zu fortschreitender Aufklärung und politischer Beteiligung beiträgt, wiederholt sich im Falle des Internets. Nie zuvor konnte man sich leichter und meist auch noch kostenlos Informationen beschaffen, nie zuvor waren sie so rasch zur Hand wie heute online. Und doch ist mit dem Zugang zum world wide web die politische Beteiligung gesunken, wie jüngere Studien zu Deutschland und Großbritannien zeigen.
Denn auch das Internet hat, wie vor ihm das Fernsehen, die Aufmerksamkeit der Bürger von der Information abgezogen. Zum einen konsumieren sie mehr Unterhaltung, zum anderen werden sie, wenn sie doch Information konsumieren, mit einer beschränkteren Zahl von Sichtweisen konfrontiert. Dieser negative Einfluss des Internets rührt nicht nur von seiner Auswirkung auf unsere Konsumgewohnheiten, sondern zum Teil auch von den Besonderheiten der Informationsproduktion im Netz her. In einer mit dem Institut National de l’Audiovisuel umgesetzten Untersuchung habe ich die Geschwindigkeit der Informationsverbreitung im Netz gemessen.
Welche Konsequenzen hat das für die Information der Bürger in unseren Demokratien? Die Geschwindigkeit der Informationsverbreitung könnte den Zugang aller zu diesen Informationen verbessern. Stattdessen sinkt mit ihr der Anreiz für Medien, Originalinformationen zu produzieren. Denn Medien, die solche Informationen bieten, haben in Online-Leserzahlen gemessen nur einen sehr geringen Vorteil gegenüber denen, die das nicht tun. Zudem gelingt es ihnen immer weniger, aus Leserzahlen auch Profit zu schlagen, während die Produktion von Primärinformationen eine "Investition" in Journalistinnen und Journalisten voraussetzt und damit extrem hohe Kosten verursacht. Dies erklärt, weshalb in den vergangenen zehn Jahren die durchschnittliche Größe von Politik- und Nachrichtenredaktionen extrem zurückgegangen ist, in den USA wie fast überall in Europa.
In Deutschland wurden allein 2013 über 1000 Stellen für Journalisten abgebaut. In Frankreich sieht es ähnlich aus. Seit 2010 sinkt auch hier die Zahl der Journalisten um etwa 1000 pro Jahr. Gewiss ist dieser Schwund nicht mit dem zu vergleichen, der in den USA zu beobachten ist, wo in den zurückliegenden sieben Jahren etwa 11000 Journalisten ihren Arbeitsplatz verloren haben. Aber es ist gleichwohl höchst beunruhigend, dass es in fast allen entwickelten Ländern immer weniger Journalisten, dafür aber immer mehr Kommunikations- und PR-Beauftragte gibt.
besonderer Wirtschaftszweig
Man wird die demokratische Funktion der Medien nicht verstehen können, wenn man sich nicht für ihre wirtschaftliche Situation und vor allem dafür interessiert, welche Anreize sie haben (oder eben nicht haben), unabhängige und hochwertige Information zu produzieren. Ich habe oben den positiven Einfluss hervorgehoben, den der Markteintritt der ersten Zeitungen auf die politische Beteiligung in den USA hatte. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass die Beteiligung mit jeder zusätzlichen Zeitung weiter zunimmt. Das ist jedoch nicht der Fall. Weshalb? Weil Medien aufgrund ihrer Produktionsstruktur einen unbegrenzten Wettbewerb, eine immer größere Zahl von Medienakteuren, nicht verkraften können.
Medien sind ein Wirtschaftszweig, in dem hohe Fixkosten vergleichsweise geringen variablen Kosten gegenüberstehen – das Internet hat dieses Übergewicht der Fixkosten noch gesteigert, weil die Vertriebskosten im Netz gegen Null gehen. Anders gesagt, Medien zeichnen sich durch das aus, was man Skaleneffekte nennt: Die Produktionskosten steigen mit der Qualität, nicht mit der Marktgröße. Während in den meisten Industrien bei rückläufigen Absätzen die Lösung darin besteht, Kosten zu senken,
Wie sich der Wettbewerb in den Medien auswirkt, bemisst sich daran, inwiefern durch ihn Anreize zur Informationsproduktion geschaffen werden. Jenseits einer bestimmten Schwelle kann eine wachsende Zahl von Medien auch zu sinkender Quantität und Qualität der produzierten Informationen führen. Dies ist dann der Fall, wenn die Heterogenität der Informationspräferenzen im Vergleich zu den Skaleneffekten relativ schwach ist, sodass die destruktiven Effekte des Wettbewerbs (zum Beispiel Auflösung von Redaktionen und steigende Produktionskosten) seine positiven Effekte (zum Beispiel bessere Befriedigung einer heterogenen Nachfrage und diversifizierten Leserschaft) überwiegen.
Heterogenität der Informationspräferenzen? Weniger technisch gesprochen heißt das: Wenn alle Konsumenten in einem gegebenen Markt genau die gleichen Informationsvorlieben haben (oder die gleichen politischen Präferenzen) und bereit sind, den gleichen Preis für eine Zeitung zu zahlen (also homogene Präferenzen haben), dann wird der Markteintritt einer neuen Zeitung keine neuen Leserinnen und Leser erschließen. Die Leser, die es bereits gibt, werden sich auf beide Zeitungen (die alte und die neue) aufteilen. Jede einzelne Zeitung wird folglich einen schwächeren Absatz hinnehmen müssen. Sind dagegen bestimmte Konsumenten bereit, einen sehr hohen Preis für eine Qualitätszeitung zu zahlen, während andere einem billigeren Blatt den Vorzug geben, oder wollen bestimmte Konsumenten ein linksgerichtetes, andere ein rechtsgerichtetes Blatt lesen, so haben sie heterogene Präferenzen. Also werden mit der Einführung einer Qualitätszeitung in einen Markt, der bis dahin ausschließlich von einer billigen Zeitung bedient wurde, neue Leser auftauchen. Damit wird jede der beiden Zeitungen stärkeren Absatz finden und die Nachfrage besser befriedigt werden.
In einer Untersuchung zur französischen Regionalpresse zwischen 1945 und 2012 habe ich gezeigt, dass mit dem Auftauchen eines neuen Wettbewerbers am Markt die Zahl der Journalisten in den bereits etablierten Zeitungen um bis zu 60 Prozent sinken kann, während die Gesamtzahl der Journalisten (die des neuen Wettbewerbers eingeschlossen) im Wesentlichen unverändert bleibt.
Diese Beobachtungen legen bei aller gebotenen Vorsicht den Schluss nahe, dass die allgemeine Zunahme des Wettbewerbs im Medienbereich (alle Informationsträger eingeschlossen) zu einem Rückgang der politischen Beteiligung geführt hat. Weshalb? Weil der wachsende Wettbewerb eine Auflösung von Redaktionen und damit einen Informationsschwund gezeitigt hat. Weniger gut informiert, hat eine Reihe von Bürgern beschlossen, den Urnen fernzubleiben.
Medienpluralismus in Gefahr
Gleichwohl ist Konzentration nicht die Lösung. Den Wettbewerb im Mediensektor zu fördern, heißt für Ideenvielfalt und Informationsfreiheit einzutreten, ja, es heißt in gewisser Weise der "Wahrheit" ans Licht zu verhelfen. Ein Medium (oder eine Mediengruppe) mit Monopolstellung wäre eine Gefahr für die Demokratie. Das naheliegendste Risiko ist offenbar das eines staatlichen Informationsmonopols. Als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesellschaften ORTF in Frankreich und BBC in Großbritannien noch die einzigen waren, die Fernseh- und Radioprogramme ausstrahlten, zogen sie sich immer wieder, und manchmal zu Recht, den Vorwurf mangelnder Unabhängigkeit gegenüber der Staatsmacht zu. Aber ein privates Monopol wäre nicht minder gefährlich. Zum einen erhöht eine Monopolstellung das Risiko der Medienbeeinflussung: Es ist leichter, eine Zeitung zu korrumpieren als zehn Zeitungen, zumal Wettbewerb dazu motiviert, Informationen früher als andere herauszubringen, also den Scoop der Vetternwirtschaft vorzuziehen. Zum anderen wird niemand ernsthaft behaupten, die Berichterstattung werde im Falle eines Monopols nicht von den Interessen eines Einzelnen beeinflusst – nämlich denen des Eigentümers.
Medienkonzentration stellt also eine Gefahr für den Pluralismus dar. Gerade auf dem deutschen Medienmarkt fällt bei näherer Betrachtung eine besonders starke Konzentration auf. Gewiss erscheint in Deutschland eine beeindruckende Zahl von Tages- und Wochenzeitungen und diversen Magazinen. Aber im Großen und Ganzen haben einige wenige Akteure den Markt unter sich aufgeteilt, und die Axel Springer SE (vormals AG) dominiert den deutschen Zeitungsmarkt seit Jahrzehnten.
Mit dem Verkauf der "Süddeutschen Zeitung" Ende der 2000er Jahre an die Südwestdeutsche Medienholding hat sich die Medienkonzentration in Deutschland noch verschärft. Zwischen 1989 und 2008 ist der Marktanteil der zehn größten Medienhäuser von 54,8 Prozent auf 58,8 Prozent gestiegen.
Sowohl in den USA als auch in Europa und besonders in Deutschland schwächt die wachsende Konzentration im Mediensektor den positiven Einfluss der Medien auf unsere Demokratien. Hinzu kommt der Einbruch der Werbeeinnahmen. Historisch betrachtet hat Werbung die Zeitungen nicht nur erschwinglicher gemacht, sondern auch zu ihrer Demokratisierung beigetragen und damit so etwas wie Objektivität der Information erst ermöglicht.
In der gegenwärtigen Medienkrise kommt schließlich eine massive Veränderung der Aktionärsstruktur hinzu. Einerseits gibt es, wie wir gesehen haben, eine starke Konzentration innerhalb des Mediensektors, andererseits steigen vermehrt medienfremde Anteilseigner ein, die ihre Mittel größtenteils anderen Geschäftsfeldern wie E-Commerce (Jeff Bezos zum Beispiel, der Chef von Amazon, hat die "Washington Post" gekauft) oder Telekommunikation verdanken (Patrick Drahi, der an der Spitze des französischen Mobilfunkanbieters SFR steht, ist zum Beispiel Hauptaktionär der Tageszeitung "Libération" und des Nachrichtenmagazins "L’Express" und demnächst auch Mehrheitseigner des Fernsehsenders BFM-TV sowie des Radiosenders RMC). Darin liegt eine ernste Bedrohung nicht nur der Pressefreiheit, sondern auch des Gedeihens unserer Demokratien.
Neue Perspektiven
In meinem Buch "Rettet die Medien. Wie wir die vierte Gewalt gegen den Kapitalismus verteidigen", habe ich das neuartige Modell eines nicht gewinnorientierten Medienunternehmens vorgeschlagen, das diesen Herausforderungen gewachsen wäre.
Warum aber ist eine Stiftung nicht ausreichend? Wozu braucht es eine alternative Rechtsform? Einmal mehr sind die Lehren aus Deutschland erhellend. Besonders aufschlussreich ist der Fall Bertelsmann, weil er beides, sowohl die Vorzüge der Stiftung als Rechtsform von Medienunternehmen als auch ihre Grenzen, auf drastische Weise veranschaulicht. Der Hauptvorteil von Stiftungen liegt in der Beständigkeit, die durch die unwiderrufliche Vermögensübertragung seitens der Stifter ermöglicht wird. So übertrug der damalige Bertelsmann-Eigentümer Reinhard Mohn 1993 den Großteil seiner Aktien auf die 1977 ins Leben gerufene Bertelsmann Stiftung, die heute Hauptaktionärin des Medienkonzerns ist. Dies verlieh der Unternehmensgruppe, die sich stets geweigert hat, an die Börse zu gehen, jene große und insbesondere über den Erbfall hinaus verbürgte Stabilität, von der dank einer großzügigen Gewinnbeteiligung auch die Belegschaft profitiert. Ganz gleich, welchen Verlockungen künftige Erbengenerationen ausgesetzt sein mögen – die Liquidation der Vermögenswerte ist ausgeschlossen. Der Finanzentwicklung der Gruppe, die von Ratingagenturen bewertet wird und (börsennotierte) Anleihen wie (ebenfalls börsennotierte) "Genussscheine" ausgibt, hat diese Struktur keinen Abbruch getan.
Wo liegen also die Grenzen des Stiftungsmodells? Die Antwort lautet: in der unbeschränkten Macht, mit der eine einzige Familie die Geschicke eines so großen Konzerns lenken kann. Bei den "Genussscheinen" handelt es sich um Papiere, deren Besitzer keine Aktionäre sind und daher auch über kein Stimmrecht verfügen. Die Gesamtheit der Stimmrechte liegt in den Händen der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft, die ihrerseits von der Stiftung kontrolliert wird und auch die Stimmrechte der Familie ausübt. Vorsitzende der Verwaltungsgesellschaft ist Liz Mohn, Witwe von Reinhard Mohn und zugleich stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung sowie Mitglied des Aufsichtsrates, dem auch ihr Sohn Christoph Mohn und ihre Tochter Brigitte Mohn angehören. Seit das Unternehmen 1835 von Carl Bertelsmann gegründet wurde, standen dem Medienkonzern Heinrich Bertelsmann (Carls Sohn), Johannes Mohn (Heinrichs Schwiegersohn) und in der Folge ein Mohn nach dem anderen vor – bis zu Liz Mohn, die 2009 die Führung übernahm. Zweifellos ermöglicht die Rechtsform der Stiftung unternehmerischen Erfolg – aber in der Praxis wird sie allzu häufig dafür genutzt, Macht und Einfluss über Generationen hinweg in den Händen einzelner Familien zu halten.
Über sechs Generationen hinweg war die Familie Bertelsmann/Mohn auf diese Weise alleinige Tonangeberin der Bertelsmann-Gruppe. Über das offenkundige Problem der Konzentration von Macht und Einfluss hinaus wirft das auch die Frage auf, inwiefern die Steuervergünstigungen, die Stiftungen genießen, sachdienlich und angemessen sind. Warum sollte die Konservierung von Macht in den Händen einer kleinen Zahl von Personen, die über ein Entscheidungsmonopol in Verwaltungsräten verfügen, deren Fortbestand qua Satzung festgeschrieben ist, steuerlich auch noch begünstigt werden?
Gewiss, die nicht gewinnorientierte Mediengesellschaft ist nicht die eine und einzige Antwort auf die Krise der Medien. Es müssen andere Lösungsvorschläge auf den Tisch. Aber sie alle sollten klar berücksichtigen, dass es wieder mehr Demokratie in den Medien braucht – und um das zu erreichen, reicht die Rechtsform der Stiftung allein nicht aus. Es ist heute unerlässlicher denn je, dass die Medien zurück in die Hände derjenigen gelangen, die die Informationen produzieren, und derjenigen, die sie konsumieren: in die Hände der Journalisten und der Bürger.
Übersetzung aus dem Französischen: Stefan Lorenzer, Hamburg.