Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien sind zunehmend fester Bestandteil vieler Arbeitsplätze. Bereits mit der "Computerisierung" in den 1980er Jahren veränderte sich der Arbeitsalltag spürbar; in den 1990er Jahren kamen Internet, Intranet und E-Mail hinzu. Seit einigen Jahren verbreiten sich mobile Geräte wie Handys, Smartphones, Laptops und Tablets; zudem entwickelt sich das Netz zum Web 2.0 weiter, mit sozialen Medien wie Facebook, XING, LinkedIn, Twitter, Instagram oder Wikipedia. Die dynamische technologische Entwicklung zeitigt mit Blick auf die Arbeitsbedingungen vielschichtige und ambivalente Konsequenzen.
Digitalisierte Erwerbsarbeit
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nutzen derzeit branchenübergreifend 55 Prozent aller in Unternehmen tätigen Personen in Deutschland einen Computer mit Internetzugang, und immerhin 18 Prozent sind bereits mit einem tragbaren Gerät mit Internetzugang ausgestattet.
Der Umgang mit Information und Kommunikation ändert sich; so verbringen viele Beschäftigte inzwischen einen großen Teil ihrer Arbeitszeit damit, E-Mails zu bearbeiten sowie im Internet zu recherchieren. Tätigkeiten wie Informations- und Kommunikationsmanagement werden zunehmend wichtiger.
Es entstehen neue Berufe und Branchen, die die Nutzung und Gestaltung des Internets zum Gegenstand haben, beispielsweise Onlinejournalismus, Web Design, Social-Media- oder Community-Management. Gleichzeitig gibt es Prognosen, dass Arbeitsplätze, Berufe und Branchen durch Automatisierung wegfallen werden.
Informationstechnologien liefern außerdem die Grundlage für die räumliche und zeitliche Entgrenzung von Erwerbsarbeit.
Besonders der Einsatz von Web-2.0-Technologien verändert Formen der Zusammenarbeit, Kommunikation und Projektorganisation. Zum einen wenden Beschäftigte selbstorganisiert Tools wie Facebook, Doodle oder Google Docs an, um Abstimmungsprozesse zu erleichtern, zum anderen führen Unternehmen eigene soziale Netzwerke ein, um Projektmanagement und Kommunikationsstrukturen zu verbessern (oft als "Enterprise 2.0" oder "Social Collaboration" bezeichnet). Zudem gewinnen berufs- und karrierebezogene Netzwerke wie XING oder LinkedIn für die öffentliche Darstellung der eigenen Kompetenzen an Bedeutung.
Digitale Plattformen erlauben zudem, kleinteilig skalierbare Zugriffsrechte auf IT-Systeme zu definieren. Dadurch wird es möglich, neben festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diverse weitere Personen (Freelancerinnen, mitarbeitende Kunden, Userinnen) in unterschiedlichen Abstufungen in Unternehmensprozesse einzubinden, Stichwort "Crowdworking/-sourcing".
Mit digitalen Technologien ändern sich also nicht nur die Arbeitsmittel beziehungsweise die Medien, über die kommuniziert wird. Für Menschen, die mit digitalen Technologien arbeiten, sind damit durchaus widersprüchliche Effekte verbunden. Im Folgenden stelle ich Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen digitaler Technologien vor, an denen Chancen für Verbesserungen von Arbeitsbedingungen ebenso wie Probleme und Belastungspotenziale deutlich werden.
Entgrenzung und Vereinbarkeit
In den 1980er Jahren entwickelte sich durch die neuen technischen Möglichkeiten zunächst Telearbeit zu einer attraktiven Option, nicht mehr nur im Büro, sondern auch einzelne Tage von zu Hause aus zu arbeiten.
Dass Heimarbeit so viel weniger realisiert wird, als sie möglich und gewünscht wäre, liegt in den meisten Fällen an den Unternehmensleitungen, die vermutlich befürchten, die Arbeitsleistungen nicht ausreichend kontrollieren zu können. Die Möglichkeiten zum Home Office steigen in der Regel mit der Höhe der Qualifikation und der beruflichen Stellung sowie in den Bereichen, in denen die betrieblichen Arbeitszeiten kaum reguliert sind.
Grundlegendes Motiv von Beschäftigten für Home Office ist vor allem der Wunsch nach mehr zeitlicher Autonomie.
Mit den digitalen Technologien sind gleichzeitig die Erwartungen gestiegen, permanent erreichbar zu sein. 27 Prozent der Beschäftigten müssen bereits sehr häufig oder oft außerhalb ihrer Arbeitszeit für Arbeitsbelange erreichbar sein.
Allerdings zeigen Studien auch selbstbewusste Abgrenzungsstrategien von Beschäftigten, mit denen Feierabend- und Urlaubszeiten verteidigt werden. Teilweise wird die Erwerbsarbeitszeit sogar bewusst mithilfe der Technologien neu begrenzt, indem beispielsweise bestimmte Tools, Geräte oder Netzwerke nur zu bestimmten Zeiten genutzt werden.
Digitale und mobile Technologien bergen durchaus das Potenzial, das Verhältnis von Erwerbsarbeit und anderen Lebensbereichen positiv zu verändern.
Arbeitserleichterung und Belastung
Neue Technologien sollen Arbeit reduzieren, können aber auch das Gegenteil bewirken. Internet und Social Media werden von den Beschäftigten grundsätzlich als Arbeitserleichterung wahrgenommen, wenn sie schnelles Finden von Informationen und effektive Kommunikation ermöglichen.
Gleichzeitig ist der Umgang mit digitalen Technologien manchmal aufwändig, sie funktionieren nicht wie erwartet und erfordern zusätzliche Tätigkeiten. Die Menge an zu bearbeitenden Informationen sowie die Dichte und Geschwindigkeit der Kommunikationsvorgänge haben sich deutlich erhöht. Viele Beschäftigte fühlen sich insbesondere durch die Menge an zu bearbeitenden E-Mails überfordert.
Chatfunktionen, Präsenz- und Onlineanzeigen in Softwareanwendungen können zu Arbeitsunterbrechungen und erhöhten Anforderungen an Multitasking führen. Ebenso erhöht die Zunahme an Informations- und Kommunikationswegen die Unübersichtlichkeit. Das Arbeiten in digitalen Räumen und Öffentlichkeiten führt für viele Beschäftigte zu einer dauerhaften Verfügbarkeitserwartung und einem Gefühl des "Getriebenseins".
Digitale Arbeit ist daher auch auf ihre psychischen Belastungen durch Arbeitsverdichtung, Überlastung und Reizüberflutung hin zu untersuchen. Bisher sind die Ergebnisse zu gesundheitlichen Folgen von Internet und Social Media widersprüchlich.
Die für die private Nutzung angeschafften Arbeitsmittel sind meist nicht für eine gesundheitsverträgliche Dauernutzung optimiert. Ebenso sind die Umgebungen beim mobilen Arbeiten nicht ideal gestaltet, Sitzgelegenheiten und Tische in Zügen, Autos, Hotelzimmern entsprechen nicht der Arbeitsstättenverordnung und können auf Dauer zu Schulter- und Rückenproblemen sowie Augenbeschwerden führen. Gleichzeitig wird hier eine massive Regelungslücke deutlich: Weder Arbeitsstättenverordnung noch Bildschirmarbeitsverordnung gelten außerhalb der betrieblichen Arbeitsplätze.
Auch Design, Aufbau und Bedienbarkeit von Plattformen sind nicht immer optimal gestaltet. Unternehmensinterne Software wird meist nicht unter Einbezug der Nutzerinnen und Nutzer gestaltet, Ergonomie und Usability sind bei der Entscheidung für bestimmte Anwendungen kaum Gegenstand; vielmehr orientiert diese sich vor allem an Geschäftsprozessen und nicht an den Erfordernissen der Arbeitsebene. Stattdessen macht die eingesetzte, starre IT teilweise zusätzliche Arbeit und zwingt die Userinnen und User, sich den vorgegebenen Prozessen anzupassen.
Mittlerweile rücken Perspektiven für einen "digitalen Arbeits- und Gesundheitsschutz" zunehmend in die Diskussion. So gibt es gewerkschaftliche Initiativen,
Transparenz und Überwachung
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verbinden mit dem Einsatz digitaler Technologien auch Hoffnungen darauf, eine neue Unternehmensorganisation zu etablieren. Soziale Medien werden diskursiv verknüpft mit Ideen von Offenheit, Partizipation, Teilhabe, Aktivierung, Hierarchielosigkeit und nicht zuletzt Transparenz; diese werden zu Leitbildern von "Enterprise 2.0" beziehungsweise "Social Collaboration".
Und auch viele Beschäftigte empfinden die Möglichkeit, eng vernetzt und in intensivem Austausch zusammenzuarbeiten, als positiv. Transparentes Arbeiten wird als Vorteil wahrgenommen; wer Wissen, Erfahrungen und Erlebnisse mit der Community teilt, bekommt im Gegenzug Wertschätzung, Anerkennung und Zugehörigkeit.
Auch bieten E-Mails und Social-Media-Plattformen neue Möglichkeiten, im Arbeitsumfeld trotz Abwesenheit präsent zu sein.
Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Einzelnen: Teilen und Veröffentlichen etabliert sich zu einer Handlungsnorm, und diese befördert gleichzeitig den "Zwang" zu Preisgabe und Sichtbarkeit in der "Transparenzgesellschaft".
Die positive Konnotation von "Transparenz" und "Sharing" ist nur die eine Seite; auf der Kehrseite stehen Datenschutzfragen, Leistungs- und Verhaltenskontrolle und Überwachung. Mittlerweile ist zwar das Bewusstsein der Beschäftigten dafür geschärft, wie weitreichend Daten aufgezeichnet, gespeichert, weitergegeben und ausgewertet werden (können) – doch hat dies bisher kaum zu Verhaltensänderungen geführt, weil die Annehmlichkeiten überwiegen.
Gleichzeitig sind die Datenerhebungs- und Auswertungsmöglichkeiten im betrieblichen Kontext zurzeit vermutlich noch etwas übersichtlicher und besser regulierbar als außerhalb, zumindest, wenn eigene Tools für die interne Kommunikation genutzt werden und nicht externe Angebote wie "Facebook at Work". Nach wie vor haben Betriebs- und Personalräte starke Mitbestimmungsrechte bei der Einführung von Technologien, die zu Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet sind; und in großen Unternehmen mit etablierten Interessenvertretungen werden die Möglichkeiten der Überwachung des Verhaltens durch Internet- und Social-Media-Nutzung per Betriebs- oder Dienstvereinbarung ausgeschlossen. Über solche Regelungen hinaus finden sich in einigen Unternehmen Beispiele, wie bestimmte Funktionen, die zur Verhaltenskontrolle geeignet sind, auch technisch aus- oder abgeschaltet wurden.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich die verwendeten privaten und beruflichen Tools zukünftig immer mehr vermischen werden und damit eine Regulierung immer schwieriger werden wird. Schon heute nutzen viele Beschäftigte Facebook und Enterprise-2.0-Plattformen parallel, ebenso wie private und berufliche Geräte. Der Umgang mit Daten – persönlich, betrieblich und gesellschaftlich – wird eine der wichtigsten Herausforderungen der nächsten Jahre werden.
Partizipation und Polarisierung
Bereits seit der Anfangsphase des Internets besteht ein Bewusstsein für neue soziale Ungleichheiten zwischen denjenigen, die "online" sind, und denjenigen, die es nicht sind. Der digital divide war und ist vor allem hinsichtlich ungleicher Informationsversorgung sowie der Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Prozessen problematisch. Diese neue Linie sozialer Ungleichheit, die zum Teil entlang "alter" Kategorien sozialer Ungleichheit verläuft, ist für die Digitalisierung der Erwerbsarbeit von hoher Bedeutung. Die genannten Zahlen zur Verbreitung zeigen zwar einerseits, dass digitale Technologien in der Arbeitswelt immer wichtiger werden; sie zeigen aber auch, dass es noch viele Bereiche gibt, in denen Internet, Social Media und mobile Geräte im gesamten Unternehmen oder von Teilen der Beschäftigten nicht genutzt werden.
Große Unterschiede lassen sich hinsichtlich der Branchen ausmachen; aber auch unternehmensintern verlaufen digitale Spaltungen. Entscheidend für den Zugang und die Nutzungsmöglichkeiten sind unter anderem die Art des Arbeitsplatzes und der Tätigkeit (ausgeschlossen von der Nutzung sind oftmals Beschäftigte der Produktion und Auszubildende), die damit verbundenen Handlungsspielräume und Autonomiegrade sowie Arbeitsmenge und Arbeitsdichte (je nachdem, wie eng getaktet, fremdorganisiert, fest terminiert und durchstrukturiert der Arbeitsalltag ist, variieren die Möglichkeiten, digitale Technologien zu nutzen). Dort, wo Nutzungsweisen nicht genau festgelegt sind, sind zudem die Einstellungen der Vorgesetzten, Führungsstile und Kommunikationskulturen entscheidend; ebenso sind die eigene Haltung zu Technik, Internet, Datenschutz und Überwachung sowie die Identifikation mit dem Unternehmen von Bedeutung für die Nutzung.
Und schließlich ist die Art, wie eine (neue) Technik genutzt wird, auch immer die Möglichkeit, sich auf eine bestimmte Weise zu inszenieren – als innovativ, zukunftsgewandt, kritisch, flexibel. Nutzungsweisen – und auch die Nicht-Nutzung – hängen an der Frage, wie sich die einzelnen Beschäftigten selbst positionieren und darstellen wollen und müssen. Jüngeren und Technikaffinen wird dabei oft per se die Kompetenz und die Offenheit zugeschrieben, digitale Technologien zu nutzen.
Es lassen sich somit gegensätzliche Entwicklungen beobachten: Zum einen erhöhen digitale Technologien Partizipation und Teilhabe, auch über Hierarchien und Abteilungsgrenzen hinweg, sowie die Möglichkeiten, sich einzumischen und gehört zu werden. Ein Teil der Beschäftigten arbeitet enger und intensiver zusammen. Zum anderen existieren weiterhin viele Bereiche der Arbeitswelt, in denen keine digitalen Medien zum Einsatz kommen, und Beschäftigtengruppen, die nicht in E-Mail-Verteiler und Social-Media-Plattformen eingebunden sind und die folglich von wichtigen Informationsflüssen "abgehängt" werden. Digitale Technologien verschärfen so Ungleichheit und befördern eine Polarisierung der Beschäftigten.
Digitalisierung ist nicht die alleinige Ursache
Die beschriebenen Phänomene sind alles andere als allein technikinduziert. Seit vielen Jahren wandelt sich die Arbeitswelt, ausgelöst durch Globalisierung und Internationalisierung von Märkten, verschärften ökonomischen Wettbewerb und politische Deregulierung.
Die Entgrenzung von Arbeitsorten und -zeiten, eine zunehmende Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen, Anforderungen an Flexibilität und das Einbringen der ganzen Persönlichkeit in den Arbeitsprozess, die Zunahme von Arbeitsmenge und Arbeitsdichte, Zeit- und Leistungsdruck, permanente Reorganisationsprozesse, neue Steuerungsmodelle und Führungskonzepte – all dies sind Prozesse, die die Arbeitsbedingungen auch jenseits der Digitalisierung seit Jahren grundlegend verändern.
Vielmehr kann die Digitalisierung als materielle Seite des sozialen Wandlungsprozesses der Erwerbsarbeit betrachtet werden. Technologien sind Ausdruck gegenwärtiger gesellschaftlicher Verhältnisse, sie bündeln die gültigen Leitbilder und Diskurse und materialisieren Vorstellungen von der Art und Weise, wie wir arbeiten wollen beziehungsweise sollen. Im Umgang mit ihnen spiegeln sich Arbeitsbedingungen, Unternehmenskulturen, Führungsstile, Arbeitszeitregelungen, Kommunikationsweisen und die Anforderungen einer gewandelten Arbeitswelt. Die digitalen Technologien intensivieren und dynamisieren aber diese Entwicklungen; sie verschärfen Anforderungen an Selbstdisziplin, Optimierung des Alltags, Grenzmanagement, an den Umgang mit Wandel und Unsicherheiten, "Sharing", Selbstdarstellung sowie eigenverantwortliches Gesundheitsmanagement; sie sind Trainingsmöglichkeit für und fördern die Einübung von neuen Arbeitsweisen.
Unter dem Stichwort "Digitalisierung" verhandeln Politik, Unternehmen, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften zurzeit die (Neu-)Gestaltung der Arbeitswelt. Dabei geht es um deutlich mehr als nur um Fragen der Technikgestaltung. Ob die Vorteile oder die Probleme digitaler Technologien überwiegen werden, darüber werden gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen, Verhandlungen in den Betrieben und Unternehmen sowie die Fähigkeiten der Einzelnen, individuelle Nutzungs- und Abgrenzungsweisen zu entwickeln, entscheiden.