Werden wir Zeugen einer digitalen Revolution, die unsere Arbeitswelt schon bald auf den Kopf stellt? Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wie unsere Arbeitswelt von morgen aussehen wird, aber der Wandel ist da. Heute produziert das größte Medienunternehmen der Welt keine eigenen Inhalte (Facebook), der weltweit größte Anbieter von Unterkünften besitzt keine eigenen Immobilien (Airbnb) und das größte Taxiunternehmen der Welt hat keine eigenen Fahrzeuge (Uber).
Es scheint jedoch ratsam, Vorsicht bei der Einschätzung der Geschwindigkeit von Änderungen unseres Lebensalltags walten zu lassen. So warnte bereits in den 1930er Jahren der Ökonom John Maynard Keynes vor "technologischer Arbeitslosigkeit", die sich infolge des beschleunigten technischen Fortschritts weit verbreiten werde.
Allerdings sind die möglichen Folgen der technischen Entwicklungen von heute auch nicht zu unterschätzen, zumal neben der Digitalisierung der demografische Wandel und die Globalisierung weiter an Bedeutung gewinnen werden. Diese Trends interagieren miteinander und verstärken so den fortschreitenden Wandel von Produktionsfaktoren, Berufen und Erwerbsformen. Im Ergebnis entstehen neue Risiken, aber es eröffnen sich auch vielfältige Chancen und Potenziale. Um die positiven und negativen Aspekte der sich wandelnden Arbeitswelt sorgfältig und durchdacht auszugleichen, werden sich Institutionen ebenfalls wandeln müssen.
Die Zukunft ist jetzt
Die digitale Revolution ist in vollem Gange.
Auch die private Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien erreicht in Deutschland inzwischen eine Größenordnung, bei der von einer erheblichen Durchdringung des Alltags gesprochen werden muss. Zwischen 2005 und 2015 ist der Anteil der Computernutzer von 70 auf 83 Prozent gestiegen, während sich der Anteil der privaten Internetnutzer im gleichen Zeitraum von 61 auf 82 Prozent erhöht hat.
Die kommerzielle Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien wird zuletzt häufig mit Phänomenen wie dem "Internet der Dinge", der "Industrie 4.0", der "Sharing Economy" oder auch "Crowdworking" in Verbindung gebracht.
Beständigkeit des Wandels
Die Menschheit sieht sich bereits seit Jahrhunderten mit den Herausforderungen konfrontiert, die der technische Wandel mit sich bringt. Allerdings scheint sich dieser permanente Transformationsprozess aktuell mit vorher nicht bekannter Geschwindigkeit zu vollziehen. So sind in den vergangenen Jahren die Geschäftsmodelle einer Reihe von Industrien erheblich unter Druck geraten. Zum Teil müssen sie sich deshalb neu erfinden. Dazu gehört zum Beispiel die Nachrichten- und Unterhaltungsindustrie, der Angebote wie YouTube, Facebook und Twitter erheblich zusetzen. Das Musikgeschäft hat sich im Zuge neuer Angebote bereits fundamental gewandelt, während aktuell die Autoindustrie durch Carsharing, Uber und ähnliche Dienste zunehmend unter Druck zu geraten scheint.
Trotz wachsender Geschwindigkeit kann der Wandel weiterhin als ein Prozess der "kreativen Zerstörung" bezeichnet werden.
Die Entwicklung der Marktkapitalisierung
Derartige Veränderungen sollten nicht verwundern, denn in einer Marktwirtschaft gibt es immer eine Prämie auf Innovationen, die andere Anbieter wiederum unter Wettbewerbsdruck setzen. Individuen treiben diese Entwicklung an, als Entdecker und Anwender neuer Technologien. Jeder und jede leistet damit einen Beitrag zu den Umwälzungen, die wir beobachten können – unter anderem in der Technologiebranche.
Es zeigt sich außerdem, dass infolge dieser (und anderer) Umwälzungen bezahlte Erwerbsarbeit – entgegen manchen Vorhersagen – nicht weniger wird, sondern ihr Umfang bemerkenswert robust ist. So erreichte die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland im November 2015 nach vorläufigen Berechnungen einen neuen Höchststand seit der Wiedervereinigung mit rund 43,4 Millionen Personen.
Auch international betrachtet bleibt die Befürchtung, dass etwa durch den vermehrten Einsatz von industriellen Robotern Arbeitsplätze in der Industrie verloren gingen, weitgehend unbestätigt. So führt eine neuere Studie beispielsweise gut 15 Prozent der Produktivitätssteigerungen und mehr als 10 Prozent des Wirtschaftswachstums in den untersuchten Volkswirtschaften auf den Einsatz von Robotern zurück, sodass sich insgesamt keine Beschäftigungsverluste feststellen lassen.
Digitale Teilhabe und Verteilungsfragen
Digitale Kompetenz wird zu einer Schlüsselkompetenz, denn soziale und wirtschaftliche Teilhabe ist künftig ohne digitale Teilhabe kaum mehr denkbar. Deshalb sollte nachdenklich stimmen, dass sich eine Sättigung der privaten IT-Nutzung bei knapp 85 Prozent der Bevölkerung abzeichnet.
Die Umwälzungen erfordern neue Aus- und Weiterbildungskonzepte. Das Ziel muss sein, Arbeitnehmer grundsätzlich in die Lage zu versetzen, sich zügig mit ihren Fähigkeiten und Qualifikationen an veränderte Marktsituationen anpassen zu können.
Darüber hinaus zeichnen sich weitreichende Umwälzungen ab: Denn während in der Vergangenheit das Humankapital der Unternehmen eng an die physische Präsenz der Mitarbeiter gebunden war, könnten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz diese Verbindung herausfordern. Auch wenn dieser Forschungsbereich noch "in den Kinderschuhen" steckt (so wird unter anderem versucht, das Lernverhalten von Kleinkindern mit Robotern nachzubilden), werden schnell Fortschritte erzielt. Dabei kommen zum Beispiel Sensoren und Kameras zum Einsatz, die auch bei modernen Spielkonsolen verwendet werden und so schon Einzug in viele Haushalte und Kinderzimmer gehalten haben. Sie können Personen und Gesten erkennen; dies ermöglicht die Interaktion mit Menschen, die sehr wichtig ist, wenn Roboter etwas lernen sollen.
Die technischen Voraussetzungen für lernfähige Roboter und Maschinen sind also längst in unserem Alltag gegenwärtig. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, wann sie entsprechend eingesetzt werden. Dies hat auch Implikationen für künftige Verteilungsfragen: Denn die Besitzverhältnisse an den Maschinen der Zukunft werden entscheidend für die Aufteilung in Gewinner und Verlierer sein.
Berufe der Zukunft
Rationalisierungsmaßnahmen haben bislang in erster Linie Beschäftigte mit geringer bis mittlerer Qualifikation betroffen.
So schätzt eine vielzitierte Studie, dass rund 47 Prozent aller Beschäftigten in den USA in Berufen arbeiten, die zumindest mittelfristig davon bedroht sind, durch Maschinen, Roboter und Computerprogramme ersetzt zu werden.
Von Rationalisierungsmaßnahmen sind also vor allem Berufe bedroht, in denen Präzision und Routine eine hohe Bedeutung zukommen. Hier sind Maschinen den Menschen überlegen.
Die Übertragung dieser Prognosen auf Deutschland liefert zumindest vordergründig ähnliche Resultate.
Dennoch werden die Veränderungen in der Welt der Berufe erhebliche Implikationen für Bildung und Ausbildung haben. Abgesehen davon, dass die Automatisierungswahrscheinlichkeit für Geringqualifizierte systematisch höher ausfallen dürfte, stellt sich womöglich sogar die Frage, inwieweit sich die Arbeitswelt gänzlich von dem tradierten Konzept der "Berufe" löst. Es könnte durch einen stärkeren Fokus auf einzelne Aufgaben und Tätigkeiten (Tasks) ersetzt werden.
Erwerbsformen der Zukunft
Unsere Arbeitswelt bewegt sich also, sie wird vielschichtiger und informeller. Wie bestimmend das tradierte gesellschaftspolitische Leitbild des "Normalarbeitsverhältnisses" in Zukunft bleiben wird, muss aus heutiger Sicht zwar offen bleiben. Es wird jedoch von vielen Varianten herausgefordert und an Bedeutung deshalb tendenziell weiter verlieren.
Zudem erscheint es plausibel, dass sich daneben ein neuer Typus des "Arbeitnehmerselbstständigen" herausbildet.
Erste Indizien für diese Entwicklungen sind bereits erkennbar. Das Beispiel der Firma Uber zeigt, wie auf einem virtuellen Marktplatz Gelegenheitsfahrer und Fahrgäste zusammengebracht werden und so das Taxigewerbe erheblich unter Druck gesetzt wird.
Dieser Trend geht auch mit einer Verlagerung unternehmerischer Risiken auf Arbeitnehmer in Unternehmen einher. An die Stelle von Handlungsanweisungen treten Zielvereinbarungen, strenge Hierarchien lösen sich auf, und erfolgsabhängige Entlohnungen gewinnen an Bedeutung.
Im Ergebnis generiert die Erwerbsgesellschaft der Zukunft damit größere Risiken für den Einzelnen.
Neue Anforderungen an Institutionen
Im Bereich der Wettbewerbspolitik gilt es zu verhindern, dass einige wenige große Konzerne das Internet kontrollieren und damit die Macht über die digitale Welt von morgen quasi monopolisieren. Google und Facebook besitzen bereits heute eine erhebliche Marktmacht. Dabei lohnt sich jedoch ein genauerer Blick, um vorschnelle Urteile zu vermeiden. Denn monopolistische Strukturen sind vor allem dann kritisch zu bewerten, wenn die Hürden für Markteintritte von Wettbewerbern hoch sind. Ein Markt ist dann nicht "bestreitbar",
Der Wandel zur Wissens- und Informationsgesellschaft zieht jedoch noch weitere fundamentale Herausforderungen für die Wettbewerbspolitik nach sich. Denn "Information" hat Eigenschaften eines öffentlichen Gutes. Dazu zählt die Nicht-Rivalität im Konsum wie auch prinzipiell die Nicht-Ausschließbarkeit der Nutzung. Als Folge zeichnet sich eine Veränderung des Wirtschaftsproblems ab: Die Frage einer effizienten Nutzung von knappen Ressourcen wandelt sich zumindest in Teilbereichen zur Frage einer effektiven Verwaltung des Überflusses.
Klar ist, dass sich auch neue Fragen der Datensicherheit stellen. So wird argumentiert, dass die enorme Menge an gespeicherten Daten (Big Data) das wirklich innovative Gut der digitalen Revolution darstellt – mit einem erheblichen Anteil von sehr persönlichen Daten.
Schließlich werden sich auch die institutionellen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts und des Sozialstaats erheblich wandeln und weiterentwickeln müssen. Dabei sind durchaus Parallelen zur Industriellen Revolution vorhanden, die unter anderem die Gewerkschaftsbewegung hervorrief.
Die großen Herausforderungen für Arbeitsmarkt und Sozialstaat scheinen inzwischen auch von politischen Entscheidungsträgern erkannt worden zu sein.
Wie können innovative Lösungen aussehen, um die soziale Absicherung zukunftsfest machen? Eine Herausforderung besteht sicherlich darin, Sozialversicherungsansprüche und betriebliche Versorgungsregeln von einer langjährigen Beschäftigung im selben Unternehmen zu entkoppeln und auch länderübergreifend transportabel zu machen.
Darüber hinaus scheint es unvermeidlich, dass sich wichtige gesellschaftliche Gruppen angesichts der enormen Veränderungen der Lebens- und Arbeitswelt neu positionieren müssen. So lässt sich beispielhaft für die Gewerkschaften skizzieren, wie diese den Wandel aktiv begleiten und gestalten können.
Fazit und offene Fragen
Die Erwerbsgesellschaft der Zukunft bietet neben neuen Risiken und einer größeren Unübersichtlichkeit auch neue Chancen und vielfältige Potenziale. Um diese bestmöglich zu nutzen, müssen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik umdenken. Auch wenn kein "Ende der Arbeit" in Sicht ist, so deutet sich ein erheblicher Wandel von Produktionsfaktoren, Berufen und Erwerbsformen an. Es gilt, diesen Wandel zu begleiten und geeignete Institutionen in Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen. Gerade weil es sich um einen Prozess handelt, ist es (noch) möglich, die Rahmenbedingungen zu gestalten. Darüber hinaus muss Bildung zum Topthema gemacht werden, um der Bevölkerung digitale Teilhabe als Voraussetzung zur wirtschaftlichen und sozialen Integration zu ermöglichen.
An dieser Stelle müssen naturgemäß eine Reihe von Fragen unbeantwortet bleiben – nicht zuletzt, da sich weitere Entwicklungen erst noch offenbaren werden. Dennoch stellt dieser Beitrag insgesamt ein Plädoyer dar, der Zukunft der Arbeit mit Zuversicht zu begegnen. Auch in der Vergangenheit sind permanent neue Märkte und neue Jobs entstanden, die etwaige Verluste durch den technischen Fortschritt auffangen oder sogar überkompensieren konnten. Zentral muss sein, bei dem neuerlichen Übergang, diesmal in die digitale Arbeitswelt, das Verhältnis von Gewinnern und Verlierern genau im Blick zu behalten.