Am 12. Dezember 2015 haben die 196 Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) in Paris ein neues Klimaabkommen verabschiedet, das zu Recht als historischer Erfolg gefeiert wird.
In diesem Beitrag zeigen wir die energiepolitische Bedeutung des Pariser Abkommens auf und ordnen sie in den größeren Kontext der internationalen Klimapolitik und nachhaltiger globaler Entwicklung ein. Wir fassen daher zunächst die wesentlichen Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz zusammen und begründen deren transformativen Anspruch. Wir fokussieren sodann auf die spezifische Relevanz des Energiesektors für die klimapolitischen Zielvorgaben, insbesondere des im Abkommen nun völkerrechtlich verankerten Ziels, die durchschnittliche globale Erwärmung verglichen mit der vorindustriellen Zeit auf deutlich weniger als zwei Grad Celsius – möglichst sogar auf 1,5 Grad – zu begrenzen.
Transformativer Anspruch der Klimapolitik
Spätestens seit das hierzulande als "Weltklimarat" bekannte Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) 2014 seinen 5. Sachstandsbericht vorlegte, gilt international als unbestritten, dass der Klimawandel menschengemacht, empirisch eindeutig nachweisbar und ohne historisches Vorbild ist und dass substanzielle und dauerhafte Emissionsminderungen notwendig sind, um dessen gravierendste Folgen noch abwenden oder zumindest entscheidend mildern zu können.
Das Pariser Klimaabkommen und die damit zusammenhängenden Entscheidungen der 21. Vertragsstaatenkonferenz (COP-21) der UNFCCC können diesem Anspruch, abhängig von ihrer konsequenten Umsetzung, durchaus gerecht werden. Dies kommt am besten in der symbolträchtigen Aufnahme der "1,5 Grad" in den Vertragstext zum Ausdruck, wiewohl klar ist, dass dieses Langfristziel wahrscheinlich kaum mehr zu realisieren sein wird. Dass die Vertragsstaaten sich dennoch nicht mit der im Vorfeld erwarteten Festlegung auf zwei Grad zufrieden gaben, unterstreicht den transformativen Anspruch des Pariser Abkommens. Inwieweit dieser eingelöst werden kann, hängt davon ab, inwieweit andere Entscheidungen des Pariser Klimagipfels umgesetzt werden. Zusammengenommen lassen sich vier wesentliche Ergebnisse festhalten, die das Pariser Abkommen zudem maßgeblich von früheren Vereinbarungen wie insbesondere dem Kyoto-Protokoll von 1997 unterscheiden.
So definiert das Pariser Abkommen erstens einen langfristigen Emissionsminderungspfad und formuliert konkrete Schritte, mittels derer dieser Pfad begangen werden soll. Ausdrücklich wird festgelegt, dass die Kehrtwende in Richtung einer klimaverträglichen Weltwirtschaft schnellstmöglich eingeleitet werden muss, um den Ausstoß und die Absorption der globalen Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts "in Balance" zu bringen.
Zweitens steht das universell gültige und dabei völkerrechtlich bindende Pariser Abkommen durch die erreichte Einigung auf einem starken politischen Fundament und dokumentiert den einvernehmlichen Willen der Staatengemeinschaft, die Weltwirtschaft grundlegend zu transformieren. Nachdem das Kyoto-Protokoll zuvorderst auf die Verpflichtung der Industrieländer zur Emissionsminderung fokussiert war, ist es der erste völkerrechtlich verbindliche Vertrag zum Klimawandel, der den globalen Klimaschutz auf eine umfassende Basis stellt, der alle Staaten einbezieht und zum Handeln verpflichtet. Zudem weist das Pariser Abkommen über die zwischenstaatliche Klimapolitik hinaus, indem es diese für Beiträge nichtstaatlicher und subnationaler Akteure öffnet.
Drittens untermauert das Pariser Abkommen eine bereits zu beobachtende Trendwende in der Finanzwelt, die begonnen hat, die Zeichen der Zeit im Sinne einer kohlenstoffarmen Entwicklung zu deuten und ihr Investitionsverhalten entsprechend anzupassen. Auch dies ist für öffentliche wie privatwirtschaftliche Akteure des Energiesektors höchst relevant. Unter dem Stichwort "Divestment" haben Investoren aller Art begonnen, ihre Gelder aus fossilen Energieträgern abzuziehen und stattdessen in erneuerbare Energien und Klimaschutz zu investieren. So sind bereits über 500 institutionelle Investoren mit einem Gesamtportfolio von 3,4 Billionen US-Dollar dem Aufruf der globalen Initiative "divest – invest" gefolgt, darunter finanzielle Schwergewichte wie der norwegische Pensionsfonds, die Bank of England und die Bank of America, ebenso Versicherungsriesen wie Axa und der Allianz-Konzern. Diese Entwicklung steht in einem engen Zusammenhang mit den Pariser Klimaverhandlungen. Die Ergebnisse des Gipfels führen nun dazu, dass Klimapolitik in Wirtschaftskreisen zunehmend glaubwürdig wird und die Thesen, wie sie etwa von der Calderón-Kommission in ihrem Bericht "The New Climate Economy" formuliert wurden, keine umweltpolitischen Luftschlösser sein müssen.
Viertens erkennt das Pariser Abkommen an, wie bedeutsam die Anpassung an den Klimawandel ist.
Eine wesentliche Grundlage für diese umfassenden und im Verhandlungsvorlauf nur bedingt zu erwartenden Ergebnisse waren nationale Klimapläne, die sogenannten Intended Nationally Determined Contributions (INDCs). Diese wurden seit Februar 2015 und bis zum Beginn des Pariser Gipfels von insgesamt 161 Vertragsparteien vorgelegt und zur maßgeblichen Grundlage für den Verhandlungsprozess.
Dieses bei der 19. Vertragsstaatenkonferenz 2013 in Warschau vereinbarte Vorgehen hat eine entscheidende Wiederbelebung des Verhandlungsprozesses bewirkt, der über viele Jahre durch eine starre Nord-Süd-Konfrontation und die unterschiedlichen Interpretationen des völkerrechtlichen Prinzips der "gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten" zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gelähmt war.
Klimapolitische Relevanz des Energiesektors
Der Energiepolitik kommt deshalb eine herausragende klimapolitische Bedeutung zu, weil fast drei Viertel aller Treibhausgasemissionen allein aus diesem Sektor kommen.
Dabei gibt es durchaus Anlass zu Optimismus. Laut der UN-Initiative "Sustainable Energy for All" (SE4ALL) ist die Energieintensität, also der Energieeinsatz pro erwirtschaftetem Dollar, zwischen 2010 und 2012 jährlich um 1,7 Prozent gesunken. Weltweit wurde damit 2012 mehr Energie eingespart, als die zweitgrößte Industrienation Japan in einem Jahr verbraucht. Auch im Bereich erneuerbarer Energien gibt es positive Entwicklungen. Die beim UN-Umweltprogramm UNEP angesiedelte Organisation REN21 schätzt, dass 2014 bereits fast 60 Prozent der neu installierten Stromerzeugungsanlagen Strom aus erneuerbaren Quellen generierten. Insgesamt kommen fast 23 Prozent des globalen Stroms aus erneuerbaren Quellen, vom Endenergieverbrauch decken sie rund 19 Prozent.
Gleichzeitig bleibt es eine enorme Herausforderung, den klimapolitisch angestrebten radikalen Strukturwandel innerhalb weniger Jahrzehnte zu verwirklichen. So müsste die Energieeffizienz um 50 Prozent schneller steigen, um die Zielvorgabe der SE4ALL-Initiative zu erreichen. Investitionen in Effizienz sind aber oft kleinteilig und dezentral und benötigen den Handlungswillen vieler Akteure, einschließlich den von Hausbesitzern und Nutzern energieintensiver Haushaltsgeräte wie Kühlschränke oder Klimaanlagen. Dem stehen oft menschliche Verhaltensmuster entgegen, wie das Aufschieben einer wirtschaftlich rationalen, aber aufwändigen Investition wie zum Beispiel der Wärmeisolierung des Eigenheims.
Doch allein auf saubere Energieerzeugung zu setzen wird nicht reichen, denn auch hier lauern Fallstricke. Die sogenannte Bioenergie zum Beispiel, die auf der Verbrennung von Biomasse basiert und vom Prinzip her emissionsneutral ist, ist nicht per se klimafreundlich.
Auch andere Technologien im Bereich der Energieerzeugung sind problematisch. Die Nuklearenergie zum Beispiel erlebt im Zuge des Klimaschutzes eine globale Renaissance. Die damit verbundenen Risiken bezüglich Endlagerung, Unfallgefahr und Proliferation sind hinlänglich bekannt. Ebenso ist die zunehmend diskutierte Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS, carbon capture and storage) aus konventionellen Kraftwerken zu hinterfragen, da sie zumindest derzeit technologisch noch nicht ausgereift und extrem teuer ist. Wirklich sichere Lagerstätten für CO2 sind rar, und in vielen Fällen wehrt sich die lokale Bevölkerung gegen die riskante Lagerung des Gases unter ihren Wohnorten. Dennoch setzen 101 von 116 der IPCC-Szenarien, in denen ein Einhalten der noch als handhabbar eingeschätzten Grenze von zwei Grad Celsius Erwärmung als wahrscheinlich gilt, CCS in Verbindung mit Bioenergie (BECCS) voraus.
Es zeichnet sich ab, dass die BECCS-Technologie infolge der Pariser Beschlüsse politisch an Bedeutung gewinnen wird. Durch den Anbau von Biomasse, die Verbrennung und anschließende Speicherung des enthaltenen Kohlenstoffs soll der Atmosphäre netto Kohlendioxid entzogen werden. Ob dies in der erforderlichen Größenordnung überhaupt möglich ist, bleibt fraglich. Sich klimapolitisch darauf zu verlassen, ist mindestens riskant und allenfalls bedingt mit dem im Umweltvölkerrecht verankerten Vorsorgeprinzip vereinbar. Hinzu treten Zielkonflikte, wie sie sich insbesondere aus dem Wasserbedarf der Biomasseproduktion ergeben und die weitreichende Konsequenzen für die globale Ernährungssicherung haben könnten.
Auch vermeintlich unkritische erneuerbare Energien wie Wind- und Solarkraft bergen spezifische Herausforderungen, wie zum Beispiel den Bedarf nach knappen Lithium-Ressourcen für Energiespeichertechnologien oder nach Seltenen Erden für die Herstellung von Solarpaneelen.
Im Sinne gemeinsamer, aber unterschiedlicher Verantwortlichkeiten für den globalen Klimaschutz muss also jedes Land seinen eigenen Technologiemix finden und die damit unweigerlich einhergehenden Zielkonflikte sinnvoll bearbeiten. Der deutsche Atomausstieg zum Beispiel erschwert das Erreichen der Klimaziele insofern, als dass abgeschaltete Atommeiler zum Teil durch besonders klimaschädliche Stromerzeugung aus Braunkohle ersetzt werden. In der Summe müssen sich die nationalen Minderungsanstrengungen dabei dem global noch verfügbaren Kohlenstoffbudget unterordnen, jedenfalls wenn die Zielvorgaben des Pariser Klimaabkommens ernst genommen werden.
Energiepolitische Implikationen
Aus klimapolitischer Sicht besteht die große Herausforderung also darin, alle Unterzeichner des Pariser Abkommens anzuhalten und, wenn nötig, darin zu unterstützen, die im Rahmen ihrer INDCs gemachten Absichtserklärungen nicht nur in die Tat umzusetzen, sondern ihre Zusagen sukzessive weiter zu erhöhen (ratcheting up). Nach derzeitigem Stand würden die nationalen Klimapläne bei vollständiger Umsetzung zusammengenommen zu einer durchschnittlichen globalen Erwärmung von wahrscheinlich mindestens 2,7 Grad führen.
So ist nicht zuletzt im Energiesektor mit erheblichen Beharrungskräften und dem Widerstand handlungsmächtiger Vetospieler zu rechnen.
Auch auf nationaler Ebene ist mit erheblichen Widerständen zu rechnen, zumal die Verflechtung von Politik und Wirtschaft Konfliktpotenziale bis auf die lokale Ebene birgt. So hat in Deutschland etwa der wirtschaftliche Niedergang des Energieriesen RWE, dessen größter Einzelaktionär ein Verband von Kommunen ist, drastische Auswirkungen auf kommunale Haushalte – speziell im Ruhrgebiet.
Generell findet die deutsche "Energiewende" im Ausland viel Beachtung und war ein wichtiger Pfeiler der Vorreiterrolle, die Deutschland im Pariser Verhandlungsprozess für sich beanspruchen konnte. Deutschland hat vor diesem Hintergrund die Chance und die Verantwortung, die in Paris geschmiedete "Allianz der Ehrgeizigen" weiter aktiv zu unterstützen und anzutreiben. Das kann glaubhaft nur gelingen, wenn die heimische Energiewende samt Kohleausstieg konsequent umgesetzt wird. Im Rahmen der EU ist die Bundesrepublik dann ideal positioniert, ambitionierte Maßnahmen zur kohärenten Verknüpfung von Energie- und Klimapolitik voranzubringen und etwa auf die Einführung eines angemessenen Kohlenstoffpreises zu drängen.
Globale Klimapolitik ist bei alledem längst über klassisches Regierungshandeln hinaus gewachsen. Gerade an der Schnittstelle zur Energiepolitik ist die Relevanz nicht nur der großen Energiekonzerne, sondern auch weiterer nichtstaatlicher und subnationaler Akteure offensichtlich.
Fazit
Für sich genommen garantiert das Pariser Klimaabkommen noch keinen Umbau des globalen Energiesystems, denn die Zusagen der Mitgliedstaaten müssen erst in nationale Energiepolitik übersetzt werden. Dennoch bietet es fortan einen zentralen, international verbindlichen Bezugspunkt, der zu einem Katalysator für entsprechende nationale Bemühungen werden kann. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine zielführende Verknüpfung von Klima- und Energiepolitik ist nun, dass die in Paris gemachten Zusagen hinsichtlich der Finanzierung und des Technologietransfers eingehalten werden – speziell gegenüber den energiehungrigen Entwicklungs- und Schwellenländern. Nur so kann gewährleistet werden, dass das Pariser Abkommen weltweit umgesetzt und auf nationaler und lokaler Ebene wirksam werden kann. Ohne angemessene Investitionen und entsprechende technische Unterstützung wird der in Paris gewonnene Schwung speziell in Entwicklungsländern rasch wieder verloren gehen.
Das Pariser Abkommen ist bei alledem nur ein Baustein im globalen Gefüge. Klimapolitik wird längst nicht mehr nur im Rahmen der UNFCCC gemacht, auch Foren wie die G7 haben das Thema aufgegriffen.
Dies ist offenkundig bei den Zielen, die explizit den Zugang zu nachhaltiger moderner Energie (SDG 7) oder die Bekämpfung des Klimawandels (SDG 13) zum Gegenstand haben. Die entsprechenden Unterziele fokussieren unter anderem auf den Anteil erneuerbarer Energien am globalen Energiemix, die weltweite Steigerung der Energieeffizienz, die internationale Forschungskooperation bezüglich sauberer Technologien und die Integration von Klimaschutzmaßnahmen in nationale Politiken, Strategien und Planungsprozesse. Es betrifft aber zumindest indirekt auch die Umsetzung der übrigen Nachhaltigkeitsziele: eingedenk des sogenannten Wasser-Energie-Land-Nexus
Wenn das Pariser Abkommen weltweit einem grundlegenden energiepolitischen Strukturwandel zum Durchbruch verhilft, dann kann es, zumal in Wechselwirkung mit den einschlägigen UN-Nachhaltigkeitszielen, tatsächlich das Ende des fossilen Zeitalters besiegeln und die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Sinne einer nachhaltigen globalen Entwicklung vorantreiben.