Menschenrechte sind heute als Grundlage der Arbeit der Vereinten Nationen anerkannt,
Menschenrechtliche Schutzmechanismen im UN-System
Zum Schutz der Menschenrechte sind in den Vereinten Nationen verschiedene Organe berufen: Sowohl die Generalversammlung als auch der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) haben explizite Mandate "zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten".
Eine zentrale Aufgabe des Menschenrechtsrates ist die allgemeine periodische Überprüfung:
Neben der allgemeinen periodischen Überprüfung unterhält der Menschenrechtsrat sogenannte special procedures. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff für unabhängige Expertinnen und Experten, die entweder themenbezogen arbeiten oder die Menschenrechtssituation in einem Land untersuchen. Derzeit gibt es 14 länderbezogene und 41 themenbezogene Mandate, die von insgesamt 77 Sonderberichterstatterinnen und -erstattern ausgefüllt werden.
Neben den chartabasierten Mechanismen, die ihren Rechtsgrund in Resolutionen der Generalversammlung beziehungsweise des Menschenrechtsrates und damit letztlich in der Charta der Vereinten Nationen finden, existieren eine Reihe sogenannter vertragsbasierter Mechanismen. Damit werden die Kontrollmechanismen bezeichnet, die in den verschiedenen Menschenrechtsverträgen der Vereinten Nationen vorgesehen sind, und die im Wesentlichen durch die ebenfalls durch die Verträge eingerichteten Ausschüsse angewandt werden.
UN-Menschenrechtsverträge
Internationale Menschenrechte sind kein monolithischer Block, sondern werden durch eine Vielzahl rechtlicher Instrumente und durch verschiedene Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen geschützt: Neben den Grund- und Menschenrechtskatalogen zahlreicher nationaler Verfassungen existieren verschiedene Menschenrechtsverträge auf regionaler Ebene, wie die Europäische Konvention für Menschenrechte oder die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker. Auch der Europäische Gerichtshof verschreibt sich zunehmend einem umfassenden Menschenrechtsschutz am Maßstab der EU-Grundrechtecharta.
Im Folgenden soll es ausschließlich um Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen gehen, also solche Instrumente, die bereits begrifflich den Schutz der Menschenrechte zum Ziel haben und die im Rahmen der Vereinten Nationen ausgehandelt, dort hinterlegt und im UN-System – genauer durch das Hochkommissariat für Menschenrechte – verwaltet werden. Das schließt eine Reihe von Verträgen aus, die in materiell-rechtlicher Hinsicht hohe Schutzstandards bereithalten und einen beachtlichen Beitrag zum umfassenden Schutz der Menschen leisten, etwa die Antivölkermordkonvention oder die Genfer Flüchtlingskonvention. Die hier gewählte Begrenzung auf Verträge, die durch das Hochkommissariat für Menschenrechte verwaltet werden, beruht darauf, dass diese sämtlich beinahe identische Kontrollmechanismen bereithalten, die durch Ausschüsse wahrgenommen werden. Um deren Funktion soll es vor allem gehen.
Derzeit existieren insgesamt neun Menschenrechtsverträge: Neben den beiden internationalen Pakten über bürgerliche und politische sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ("Zivilpakt" beziehungsweise "Sozialpakt") von 1966
Internationale Menschenrechte werden häufig in drei Generationen oder Dimensionen aufgeteilt: Die erste Dimension der Menschenrechte betrifft klassische Freiheitsrechte, etwa die Meinungs- oder Religionsfreiheit, die Freiheitsbereiche des Einzelnen gegenüber hoheitlichen Eingriffen sichern; die zweite Dimension umfasst wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die primär auf die Bereitstellung einer Leistung abzielen; die dritte Dimension betrifft Kollektivrechte wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Die Verträge lassen sich mit dieser Kategorisierung aber nur bedingt einteilen: Während die beiden Pakte von 1966 klar zwischen bürgerlichen und politischen Rechten – also klassischen Freiheitsrechten – einerseits und wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten andererseits unterscheiden, trifft dies auf die späteren Menschenrechtsverträge wie etwa die Kinderrechtskonvention oder die Behindertenrechtskonvention nicht zu. Die Kinderrechtskonvention sichert beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung – ein klassisches Recht erster Dimension –, aber auch ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit, also ein Recht zweiter Dimension. Zahlreiche ähnliche Beispiele finden sich auch in der Frauenrechtskonvention oder der Behindertenrechtskonvention. Diesen drei Verträgen ist gemein, dass sie bestimmte Personengruppen schützen, die Diskriminierung besonders ausgesetzt sind. Auch die Wanderarbeitnehmerkonvention fällt in diesen Bereich.
Neben den Verträgen, die bestimmte Personengruppen schützen, gibt es Verträge, die bestimmte Verbote ausgestalten, deren Bruch mit besonders schweren Menschenrechtsverletzungen einhergehen würde: Neben dem Übereinkommen gegen Rassendiskriminierung handelt es sich um die Antifolterkonvention und das Übereinkommen gegen das Verschwindenlassen. Eine dritte Gruppe schließlich, die genealogisch ältesten beiden internationalen Pakte, enthalten in der Zusammenschau einen Katalog universaler Menschenrechte ohne Fokus auf eine bestimmte Personengruppe, der auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufbaut. Zusammen bilden die beiden Pakte mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die sogenannte Internationale Menschenrechtscharta (International Bill of Human Rights), also den Grundbestand internationaler Menschenrechte mit universalem Geltungsanspruch.
Natürlich sind die Rechte der verschiedenen Verträge miteinander verbunden. Manche Verträge sehen dies auch explizit vor, etwa Artikel 4 der Antirassismuskonvention, der zur Umsetzung des Verbots der Rassenideologie verschiedene Pflichten "unter gebührender Berücksichtigung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Grundsätze" auferlegt, also textlich eine Brücke zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte schlägt. Auch das erstmals 1993 klar formulierte Dogma der Unteilbarkeit und Verbundenheit aller Menschenrechte
Vertragsbasierte Mechanismen: Aufgaben der Vertragsausschüsse
Mit Ausnahme des Sozialpaktes ist in sämtlichen Menschenrechtsverträgen ein von unabhängigen Expertinnen und Experten besetztes Gremium vorgesehen, das die Einhaltung der menschenrechtlichen Standards überprüfen soll.
Alle Menschenrechtsverträge sehen verbindliche Staatenberichtsverfahren vor.
Neben den obligatorischen Staatenberichtsverfahren sehen mittlerweile alle Menschenrechtsverträge ein fakultatives Individualbeschwerdeverfahren vor.
Ähnlich verhält es sich auch mit den sogenannten Allgemeinen Bemerkungen oder Allgemeinen Empfehlungen, die alle Ausschüsse in unregelmäßigen Abständen formulieren. Allgemeine Bemerkungen sind gewissermaßen das Destillat der Staatenberichte und Individualbeschwerden: Sie formulieren in abstrakt-genereller Weise Rechtsauffassungen der Ausschüsse zur Rechtsnatur und zur Auslegung einzelner Vertragsbestimmungen und formulieren Empfehlungen zur besseren Umsetzung der Verträge. Den Allgemeinen Bemerkungen kommt – ähnlich wie den Auffassungen in den Individualbeschwerdeverfahren und den Empfehlungen im Staatenberichtsverfahren – keine unmittelbare Rechtswirkung zu. Gleichwohl ergibt sich auch hier eine Berücksichtigungspflicht aus dem völkervertragsrechtlichen Grundsatz, Verträge nach Treu und Glauben zu erfüllen. Einzelne Ausschüsse nehmen ihre Aufgabe mitunter auch als rechtsfortbildende wahr: So formulierte etwa der Sozialausschuss in seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 15 von 2003 ein Recht auf Wasser, das die Mitglieder des Ausschusses aus den in den Artikeln 11 und 12 des Sozialpaktes kodifizierten Rechten auf einen angemessenen Lebensstandard und Gesundheit herleiteten. Diese Allgemeine Bemerkung gab einen wesentlichen Impuls für die Arbeit des Menschenrechtsrates, der in mehreren Resolutionen das Recht auf Wasser aufnahm, bis es schließlich in einer Resolution der Generalversammlung mündete.
Gerade weil die Allgemeinen Bemerkungen auf den Erfahrungen aus Staatenberichts- und Individualbeschwerdeverfahren gründen, kommt ihnen in der Auslegung der Rechte einzelner Verträge erhebliche Bedeutung zu. Das haben auch verschiedene nationale Gerichte in der Anwendung internationaler Menschenrechtsverträge anerkannt. So hat etwa das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: "Die allgemeinen Bemerkungen beschreiben in autorisierter Form die Standards in der Praxis des Sozialausschusses, dienen damit als Interpretationshilfe und prägen so das Verständnis der vertraglichen Rechtsbegriffe durch die Vertragsstaaten mit."
Vertragsausschüsse als Quasi-Gerichte?
Die Vertragsausschüsse nehmen im Wege des Staatenberichtsverfahrens, vor allem aber durch die Möglichkeit der Individualbeschwerde, Kompetenzen wahr, die denen eines Gerichts ähneln.
Sieht man allerdings von der mangelnden Bindungswirkung ab, weisen die Ausschüsse in der Tat gerichtsähnliche Qualitäten auf: Nach der dem Project of International Courts and Tribunals zugrunde liegenden Definition sind internationale Gerichte solche Gremien, die als ständige Spruchkörper durch einen internationalen Vertrag eingerichtet sind, als Maßstab ihrer Entscheidungen völkerrechtliche Regeln zugrunde legen, auf der Grundlage von zuvor festgelegten Verfahrensregeln entscheiden und deren Entscheidungen verbindlich sind.
Die Ausschüsse sind grundsätzlich als ständige Gremien durch Vertrag eingerichtet und haben sich Verfahrensregeln gegeben. Allerdings gelangen die Ausschüsse auf der Grundlage schriftlicher Stellungnahmen ohne mündliche Verhandlung und nicht-öffentlich zu ihrer Entscheidungsfindung. Das steht im Widerspruch auch zu internationalen Gerichten, die in der Regel öffentlich, jedenfalls aber nicht nur auf der Grundlage von Schriftsätzen, sondern auch mündlich verhandeln. Der Maßstab der Entscheidungsfindung in den Ausschüssen ist aber ein klar rechtlicher, nämlich der jeweilige Vertrag. Auch die Besetzung der Gerichte durch Expertinnen und Experten, nicht durch Staatenvertreterinnen und -vertreter, spricht für eine Annäherung an richterliche Funktionen, die auch im internationalen Bereich zunehmend mit einem gemeinsamen Ethos der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und juristischen Sorgfalt in der Argumentation verbunden sind.
Welche Rolle spielt also die Bindungswirkung der Entscheidungen für die Einordnung als Quasi-Gericht? Die Antwort fällt ambivalent aus. Zunächst einmal sind nur verbindliche Entscheidungen durchsetzbar, was für eine hohe Bedeutung der Bindungswirkung spräche. Dieses Argument ist allerdings im internationalen Bereich, zumal im internationalen Menschenrechtsschutz, weniger relevant als im nationalen Kontext. Denn die Durchsetzung ist Aufgabe der Exekutive. Oftmals fehlt es aber auf der internationalen Ebene an einem zentralen Exekutivorgan, das im Falle der Nichtbefolgung die Umsetzung eines Urteils tatsächlich erzwingen würde.
Gleichwohl sind die Verfahren der Vertragsausschüsse – anders als der Menschenrechtsrat und die dort stattfindende universelle periodische Überprüfung – als grundsätzlich rechtsförmige Verfahren angelegt. Hierin liegt auch die prinzipielle Unterscheidung zwischen den Staatenberichtsverfahren der Vertragsausschüsse und der universellen periodischen Überprüfung des Menschenrechtsrates.
Reformbemühungen und Ausblick
Das System der Vertragsausschüsse leidet seit geraumer Zeit an Überlastung und Unterfinanzierung. Wiederholt ist versucht worden, es zu reformieren. Bereits im Zuge des ersten Reformvorstoßes zum Ende des vergangenen Jahrhunderts stellte der damalige Sonderberichterstatter Philipp Alston fest, dass das Ausschusssystem nicht nachhaltig sei, da es an Unterfinanzierung leide, den steigenden Zahlen der Individualbeschwerden nicht Herr werde und zugleich eine Vielzahl von Staaten chronisch ihre Berichtspflichten verletzten. Seitdem ist insbesondere der Vorschlag der ehemaligen Hochkommissarin für Menschenrechte Louise Arbour, einen einheitlichen permanenten Vertragsausschuss für alle Verträge zu schaffen, am Widerstand verschiedener regionaler Gruppen gescheitert.
Die Fragmentierung des internationalen Menschenrechtsschutzes könnte also möglicherweise das geringste der bestehenden Probleme des Vertragsausschusssystems sein, zumal die einzelnen Ausschüsse grundsätzlich in einem kooperativen Verhältnis zueinander stehen und auf die Auslegungspraxis der jeweils anderen Ausschüsse durchaus Rücksicht nehmen.
Insbesondere das Scheitern des Vorschlags eines einheitlichen Vertragsausschusses hat gezeigt, dass grundlegende Änderungen des Vertragsausschusssystems der Vereinten Nationen jedenfalls in naher Zukunft nicht zu erwarten sind, zumal dann nicht, wenn damit eine Änderung der Verträge einhergehen würde.
Sollen Menschenrechte nachhaltig im Mehrebenensystem geschützt werden, ist sein Funktionieren unerlässlich. Dazu können die Ausschüsse selbst beitragen, indem sie verstärkt Wert auf kohärente rechtliche Argumentation in den von ihnen zu verantwortenden Auffassungen, Bemerkungen und Empfehlungen legen.