Mit courttown, commercetown und coketown ermittelte die Sozialanthropologie "three major types in the history of urbanism",
Im Falle der Residenz- und Regierungsstadt ist hier nicht nur an den Hof und die von ihm abhängigen Personenkreise zu denken, sondern auch an eine von Repräsentationswünschen und -zwängen abgeleitete, eher luxusorientierte und ästhetisch verfeinerte Produktions- und Konsumkultur sowie an eine obrigkeitliche Überformung der Stadtgesellschaft. Dass in Dresden nicht einfach Autos vom Fließband rollen, sondern dass Limousinen, "Luxuskarossen", in einer Gläsernen Manufaktur gefertigt werden, oder dass ein Regierungschef in schon längst postmonarchischen Zeiten altmodisch prädiziert wurde ("König Kurt"), wären demnach pfadabhängige, das heißt auf die residenzstädtische Vergangenheit rekurrierende Ableitungen. Wahr ist aber auch, dass sich gerade in Residenz- und Regierungsstädten gelegentlich der Unmut über "die da oben" schärfer als andernorts artikuliert. Für das – wohlgemerkt – vormoderne London wurde beispielsweise die Gewaltneigung des Pöbels herausgearbeitet; selbst die königliche Familie sei bei öffentlichen Auftritten ausgebuht worden. Die durch die Anwesenheit des Hofes und staatlicher Autorität "aufgenötigte Zurückhaltung des Volkes disponierte es zu heftigen Ausbrüchen", schlussfolgerte Peter Sloterdijk.
Weg zur Residenzstadt
2006 beging Dresden seine 800-Jahr-Feier, mit der an die Ersterwähnung in einer 1206 ausgestellten Urkunde erinnert wurde.
Dresden blieb von dieser Entwicklung noch weitgehend unberührt, seine Stunde sollte erst mit einer weiteren dynastisch bestimmten Entscheidung schlagen, der von den Brüdern Ernst und Albrecht vorgenommenen Leipziger Landesteilung von 1485. In einer historischen Phase, für die noch nicht von einem transpersonalen Staatsverständnis auszugehen ist und in der der Herrschaftsraum gewissermaßen als Familienbesitz galt, entstand so zum einen das Ernestinische Kurfürstentum Sachsen mit dem politischen Zentrum Torgau und dem intellektuellen Mittelpunkt der 1502 gegründeten Universität Wittenberg, zum anderen das Albertinische Herzogtum Sachsen mit der Messe- und Universitätsstadt Leipzig und dem erst jetzt zur Residenzstadt aufsteigenden Dresden.
Während im kurfürstlichen Wittenberg 1517 die Reformation ihren Anfang nahm und die Ernestiner sich schützend vor Luther stellten, wurde im Herzogtum am alten Glauben festgehalten. Erst mehr als 20 Jahre später kam es im Albertinischen Sachsen zum religionspolitischen Kurswechsel; am 6. Juli 1539 wurde in der Dresdner Kreuzkirche offiziell die Einführung der Reformation vollzogen. Zu einer deutlichen Verschiebung der Gewichte zwischen den beiden Teillinien kam es dann 1546/47 im Schmalkaldischen Krieg, dem ersten "teutschen Krieg" vor dem Dreißigjährigen Krieg. Der albertinische Herzog Moritz, obwohl lutherischer Fürst, kämpfte an der Seite des katholischen Kaiserhauses gegen die protestantischen Fürsten, unter ihnen Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen, der gefangen genommen und abgestraft wurde. 1547 musste er auf einen nicht unerheblichen Teil seines Territoriums und die Kurwürde verzichten. Hauptprofiteur waren das Albertinische Sachsen und – nun Kurfürst – Moritz.
Der Aufstieg des Albertinischen Sachsen zu einem der führenden Territorien im Reich schlug auch auf Dresden durch: Die Befestigungsanlagen wurden erweitert und erneuert, 1548 wurde mit dem Um- und Neubau des Schlosses begonnen, das rechtselbische Altendresden, die heutige Neustadt, wurde gegen den Widerstand des Rates eingemeindet, zudem wurde eine Münzstätte eingerichtet. Dieses seit den 1540er Jahren eingeleitete Maßnahmenbündel ließ sowohl eine Prägung Dresdens durch den Hof als auch eine zunehmende Unterordnung der Bürgerstadt erkennen. Zugleich begann mit der Förderung der Hof- und Kirchenmusik und der fürstlichen Sammeltätigkeit in der "Geheimen Verwahrung" des Schlosses die Entwicklung der Residenz zur Kunststadt.
Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) bremste diesen Entwicklungsschub erst einmal. Das Kurfürstentum Sachsen musste infolge des Krieges und damit verbundener Epidemien und Hungersnöte hohe Verluste hinnehmen; die Bevölkerung sank von rund 1,5 Millionen auf unter eine Million Menschen, in Dresden wirkte sich in den 1630er Jahren die Pest verheerend aus. Von den Kriegsereignissen selbst blieb die befestigte Residenzstadt weitgehend verschont, allerdings wurde sie von den Verwerfungen des konfessionellen Zeitalters erreicht: Nach der Niederschlagung der Ständerevolte und als Folge der rigiden Rekatholisierungspolitik des Hauses Habsburg in Böhmen kam es zu einer Auswanderungswelle nach Sachsen. In Dresden ließen sich zwischen 1620 und 1750 schätzungsweise 2.500 böhmische Exulanten nieder. Obwohl konfessionsverwandt, standen sie unter dem "Generalverdacht"
Von dieser konfessionsbedingten Zwangsmigration abzuheben ist die katholische Clusterbildung im lutherischen Dresden, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bemerkenswerte Dimensionen annahm; 1707 sollen rund 4.000 Katholiken in der Stadt gelebt haben. Zeitweise herrschte deshalb ein konfessionell motiviertes Reizklima, das sich 1726 in einem Priestermord und Tumulten entlud und in die konkurrierende Besetzung des Stadtbildes einmündete: Das Zentrum wurde optisch dominiert von dem 1743 vollendeten Neubau der Frauenkirche der evangelischen Bürgerstadt mit der berühmten Kuppel von George Bähr, unweit davon finden wir die 1751 geweihte katholische Hofkirche des italienischen Architekten Gaetano Chiaveri.
Die katholische Präsenz in Dresden war einerseits auf die Kunstpolitik des Hofes zurückzuführen, auf die im 18. Jahrhundert begründete Italianità Dresdens. Gefördert wurde sie aber auch durch die Konversion des sächsischen Kurfürsten zum katholischen Glauben, durch die – und im Mutterland der Reformation wurde das als starke Zumutung empfunden – Hofreligion und das Bekenntnis der Bevölkerung nicht mehr identisch waren.
Barock ohne Aufklärung
Der Konfessionswechsel war die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass August der Starke 1697 zum König von Polen gewählt werden konnte. Die damit begründete sächsisch-polnische Personalunion wurde aufgrund der hohen Transaktionskosten von jeher zwiespältig beurteilt: Sachsen, nun auf der großen europäischen Bühne mitspielend, wurde in den Großen Nordischen Krieg (1700–1721) hineingezogen und vorübergehend von Schweden besetzt. Aus der Ex-post-Perspektive war die Union also eher ein Misserfolg.
Eine ergebnisoffene Betrachtung der Ausgangssituation sollte indes berücksichtigen, dass Sachsen um 1700 zu den durchaus chancenreichen aufstiegsorientierten Schwellenmächten zählte, die nach Rangerhöhung und Prestige strebten und sich neue Wirtschaftsräume erschließen wollten. Im Konkurrenzkampf etwa mit Brandenburg, das 1701 seine Königskrone in Preußen fand, folgte die sächsische Außenpolitik also auch einer systemischen Logik, von der sich wiederum jene höfische Rationalität ableitete, die zur Ausgestaltung beider Residenzen als Repräsentationsbühnen führte. In Warschau wurden mit dem Umbau des Schlosses, Sächsischer Achse und Sächsischem Palais städtebauliche Akzente gesetzt, Dresden wuchs bis 1755 auf über 63.000 Einwohner an und war damit hinter Wien, Berlin und Hamburg die viertgrößte Stadt des Reiches und eine kulturelle Metropole von europäischem Rang.
Auf diese dynamische Entwicklungsphase geht das Bild vom barocken Dresden mit Hof- und Frauenkirche, dem 1709 begonnenen Zwinger, Japanischem Palais und Augustusbrücke zurück, das über die Darstellungen Canalettos dem Bildgedächtnis eingeprägt wurde. Dieser Aus- und Umbau korrespondierte mit einer außerordentlich aufwendigen Hofkultur; die Feste Augusts des Starken lenkten europaweit die Aufmerksamkeit auf Dresden. Neben dieser vergänglichen Festkultur manifestierte sich der Geltungsanspruch des Hofes vor allem in der Kunstpolitik. Das Dresdner Schloss barg die zwischen 1723 und 1729 eingerichtete Wunderkammer, das Grüne Gewölbe; hier präsentierte August der Starke die von seinen Vorgängern und ihm gesammelten Kunstobjekte und Raritäten. Dazu kam die Vorliebe für die große Oper und die systematische Erweiterung der Gemäldegalerie durch den Sohn und Nachfolger August III.
Insgesamt kam Dresden in der Augusteischen Epoche dem Idealtypus der Fürsten- und Beamtenstadt als Subtyp der Konsumentenstadt ziemlich nahe, in der große Berufsgruppen und die Bevölkerung "in ihren Erwerbschancen vorwiegend direkt oder indirekt von der Kaufkraft des fürstlichen und der anderen Großhaushalte abhängen".
Bereits diese erste Zerstörung prägte das Bild einer vom äußeren Feind versehrten Kunst- und Barockstadt. Diese Wahrnehmung verfestigte sich umso mehr, als es nach 1763, nach dem Krieg und dem Ende der sächsisch-polnischen Union, in Dresden deutlich stiller wurde. Der auftrumpfende Gestus des Hofes war Vergangenheit, das rauschende Fest wich der Betrachtung der Bilder, und die Stadt wurde zum Anziehungspunkt für die Frühromantiker. Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenroder hatten bei der Betrachtung der 1754 für Dresden erworbenen Sixtinischen Madonna ihr Kunsterlebnis, 1798 führten unter anderem die Brüder Schlegel, Caroline Schlegel und Novalis ihre Dresdner Galeriegespräche. Mit der nach 1809 eingeleiteten Stadtentfestigung entledigte sich die Residenz dann zumindest äußerlich der vom Hof auferlegten Fesseln und wurde im Zusammenspiel mit den unbebaut gebliebenen Ufern der Elbe zu einer "gartenähnlichen Stadtlandschaft".
Ambivalente Moderne
Zugleich wurde dieser romantische "Sehnsuchtsort"
Dieses Nebeneinander von Verharren und kritischem Potenzial war nicht untypisch und führte in Dresden wiederholt zu Unruhen: erstmals 1830 – vordergründig durch den konfessionellen Gegensatz von Hof und Bevölkerung ausgelöst – im Umfeld des 300. Confessio Augustana-Jubiläums und unter dem Eindruck der französischen Juli-Revolution. Mit der konstitutionellen Einhegung der Monarchie wurde anschließend die Verfassung vom 4. September 1831 das Kernstück einer tief greifenden Staatsreform.
Ein zweites Mal brach sich das Unruhepotenzial dann in der Revolution von 1848 Bahn, als sich auch Dresdner Bürger am sogenannten Adressensturm beteiligten und die Forderung nach Presse-, Versammlungs- und Redefreiheit stellten. Kulminationspunkt war der im Kontext der Reichsverfassungskampagne zu verortende Dresdner Maiaufstand 1849, dessen prominente Akteure Gottfried Semper und Richard Wagner nach der mit preußischer Hilfe erfolgten Niederschlagung ins Schweizer Exil gingen.
Gleichzeitig und dem Topos von der Fürsten- und Beamtenstadt zum Trotz partizipierte Dresden am Prozess der Industrialisierung. Der Schwerpunkt lag freilich nicht auf der "schmutzigen" Schwerindustrie, sondern – gewissermaßen eine Verlängerung des höfischen Konsums der Vormoderne – auf der Herstellung von Genussmitteln: Dresden wurde zum deutschen Zentrum der Schokoladen- und Zigarettenherstellung und damit auch der kolonialen Kontakte und des Marketings mit dem "Fremden". Auch bei der zweiten Produktgruppe, mit der sich Dresden als Industriestadt profilierte, sind Bezüge zur höfischen Traditionslinie mit der Sammlung des mathematisch-physikalischen Salons gegeben. Gemeint ist die Feinmechanik, die nun in die Produktion von Näh-, Schreib- und Rechenmaschinen einmündete und später eine führende Rolle Dresdens in der optischen Industrie begründen sollte.
All dies wurde von einer rasanten demografischen Entwicklung flankiert: 1831 zählte Dresden 63.865 Einwohner, 1905 waren es deutlich über 500.000, womit es die fünftgrößte Stadt im Kaiserreich war. Die Dichte politischer Institutionen – vom Hof über das Parlament bis hin zur Landesverwaltung – wie auch die im Norden der Stadt massiv ausgebaute Kasernenlandschaft prägten dabei zweifelsohne das politische Klima der Stadt im konservativen Sinn. Aber wie in jeder Großstadt mit industriellem Kern wuchs auch in Dresden die Sozialdemokratie zur Massenbewegung, und 1877 gelang es den Sozialdemokraten, über den innerstädtischen Wahlkreis Altstadt August Bebel in den Reichstag zu bringen. Allerdings war in den 1890er Jahren auch die antisemitische Reformpartei in Dresden so erfolgreich wie kaum irgendwo anders im Reich.
Demgegenüber besaß die Stadt sehr wohl ein liberales Bürgertum, das sich in Weltoffenheit übte und Dresden beispielsweise zu einem Zentrum der deutschen Esperanto-Bewegung werden ließ. Internationales Renommee brachte auch die Internationale Hygiene-Ausstellung 1911 in Form einer "kleinen Weltausstellung". Vor dem Ersten Weltkrieg bündelten sich überdies in Dresden-Hellerau, der ersten deutschen Gartenstadt, Alternativbewegungen der Lebensreform. Auch die Reformpädagogik hatte dort ihren Ort, wie Dresden überhaupt aufgrund der hohen Dichte und Qualität seiner Bildungseinrichtungen den Ruf des schoolroom of Europe hatte. Seit 1828 gab es in der Stadt zudem eine das technologische Wissen vermittelnde Bildungsanstalt, die spätere Technische Hochschule beziehungsweise Universität.
Zugleich wurde das internationale Ansehen der Kunst- und Kulturstadt flankiert von einem Zuzug von Ausländern (Amerikaner, Briten, Russen), die in eigenen Stadtvierteln mit eigenen Kirchen und Zeitungen allerdings nur partiell integriert waren. Diese Gruppen verschwanden im nationalen Furor des Sommers 1914 jedoch nahezu vollständig. In der Weimarer Republik kehrte dieser kosmopolitische Bestandteil der Kultur, der in Dresden eine vergleichsweise ungewöhnliche Qualität entwickelt hatte, nicht zurück. Dresden in der Moderne war folglich eine Stadt der Ambivalenzen, in der sich einerseits im Juni 1905 die expressionistische Künstlergruppe "Brücke" gründete und in der andererseits die bauliche Gestaltung auf alten Glanz rekurrierte. Dieses Signum der Stadt zeigte sich etwa im Wirken des Architekten Hans Erlwein, der mit dem 1913 fertiggestellten "Italienischen Dörfchen" an den Topos vom "Elbflorenz" anknüpfte und der sich ausdrücklich an der Barocktradition Dresdens orientierte. Mit dieser wurde allerdings freizügig umgegangen: Die vom Barockbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann nach 1727 gebaute Augustusbrücke wurde 1907 abgebrochen und als ein den Anforderungen des modernen Straßen- und Schiffsverkehrs genügendes Imitat neu gebaut.
Diese Ambivalenzen setzten sich in der Weimarer Republik fort, die auch in Dresden 1918 mit Revolution, königlicher Abdankung und sozialdemokratischer Dominanz begann. Gleichzeitig konstatierten Zeitgenossen wie der Journalist Edgar Hahnewald, Kühnheiten würden in der Dresdner Luft nicht gedeihen, Letztere habe eher konservierende Wirkung. Dieser Gegensatz sollte sich im Herbst des Jahres 1923 zeigen, nachdem der sächsische SPD-Ministerpräsident Erich Zeigner die Kommunisten in die Regierung aufgenommen hatte. Die schon in der Revolution 1918 offenbar gewordene Angst vor einem "Sowjet-Sachsen" veranlasste den Reichspräsidenten Friedrich Ebert und den Reichskanzler Gustav Stresemann zur Reichsexekution, dem Einmarsch der Reichswehr in Sachsen. Im einstigen "roten Königreich" ging die Zustimmung zu den Sozialdemokraten spürbar zurück, die Weimarer Republik endete auch in Dresden mit dem zunehmenden Einfluss antidemokratischer Kräfte: Bei den Kommunalwahlen im November 1932 lag die NSDAP gleichauf mit der SPD. Dresden war dabei zwar nicht das organisatorische Zentrum der sächsischen Nationalsozialisten, ihre Machtübernahme im März 1933 zeigte sich hier aber in eigener Qualität.
Im Jubel und im Schweigen der Dresdner Bevölkerung ging auch ihre Unschuld verloren: am 8. März 1933 mit einer der ersten Bücherverbrennungen im Deutschen Reich, mit der ersten Ausstellung "Entarteter Kunst" ab Ende September 1933 im Dresdner Rathaus oder am 9. November 1938 mit der brennenden Semper-Synagoge. Mit der Entrechtung und Enteignung bürgerlicher Mäzenaten wie der jüdischen Bankiersfamilie Arnhold gab man zudem zentrale Elemente der stadtbürgerlichen Prägung und des eigenen Selbstverständnisses als bürgerliche Kulturstadt auf. Die zumeist gewaltsame nationalsozialistische Diktaturdurchsetzung, sie hatte auch in Dresden willige oder fanatische Helfer, die die Entrechtung ideologisch stigmatisierter Menschen guthießen, umsetzten – oder eben wegsahen; die dichte Beschreibung des Dresdner Alltags im Nationalsozialismus in den Tagebüchern Victor Klemperers ist hierfür ein bedrückendes Zeugnis.
Mythos und Selbstgewissheit
Der Zweite Weltkrieg blieb lange fern. Erstmals kam er im Oktober 1944 nach Dresden, vor allem aber am 13. Februar 1945.
Das alte Dresden ging vor allem im Stadtkern verloren, "Großflächenenttrümmerung"
In den 1990er Jahren sollte – die Kontrastierung mit der später in Leipzig "wiederaufgebauten" modernen Fassade der Paulinerkirche bietet sich an – die detailgetreue Rekonstruktion der Frauenkirche dann zum Symbol eines neuen Dresden werden, das wesentliche Momente seiner Identität aus seiner Vergangenheit bezieht und in Verbindung mit der Flusslandschaft der Elbe als "schöne Stadt" wahrgenommen wird. Dies gilt nicht nur für stadtethnologische Umfragen und Reiseblogs, sondern das ist auch die dezidierte Auffassung vieler Einwohner: "Die Dresdner fragen einen gar nicht, ob einem die Stadt gefällt. Sie sagen es einem", hielt Umberto Eco fest.
Diese Selbstgewissheit, die eigensinnig sogar den Weltkulturerbetitel für entbehrlich hielt, der nach dem Bau der Waldschlößchenbrücke mitten hinein in die "Kulturlandschaft Dresdner Elbtal" 2009 aberkannt wurde, verdeckt leicht, dass auch das Dresden der jüngeren Geschichte eine von Ungleichzeitigkeiten geprägte Stadt ist. Die in Uwe Tellkamps Dresden-Roman "Der Turm" für "Musennester" diagnostizierte "süße Krankheit Gestern"
Zu den erwähnten Ungleichzeitigkeiten Dresdens gehört auch, dass der Mythos der Barockstadt und ein ausgeprägtes Heimweh nach der Vergangenheit nicht nur Zugänge zur Moderne, etwa in der Architektur, behindern, sondern zugleich die Modernität hinter der Kulisse von "Elbflorenz" verdecken. Dass die Stadt einer der wichtigsten Elektrotechnik- und Mikroelektronikstandorte der DDR war, ist jedenfalls dem auf Oberflächenphänomene fokussierten Dresden-Touristen kaum bekannt, obwohl der darin aufscheinende Zusammenhang von Industrieentwicklung und Wissenschaftsstandort nach 1990 zu einem wichtigen Transformationsfaktor wurde und in den Slogan vom "Silicon Saxony" einmündete.
Die wirtschaftliche Entwicklung, der Wissenschaftsstandort mit der 2012 in den Kreis der Exzellenzuniversitäten aufgenommen Technischen Universität, die ihrem Namen zum Trotz eine Volluniversität mit geistes- und kulturwissenschaftlichen Fakultäten ist, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die renommierten Kunstsammlungen und die um diese gruppierte Museumslandschaft – das alles brachte Dresden in den zurückliegenden 25 Jahren zugleich ein Mehr an Internationalität, das in einer Stadt mit einem geringen Ausländeranteil von 4,7 Prozent (Berlin: etwa 13,4 Prozent, München: rund 23,4 Prozent) freilich eher ein den Wissenschafts- und Kultursektor betreffendes "Höhenkamm-Phänomen" ist, das noch längst nicht veralltäglicht ist.
Ob diese mangelnde Veralltäglichung einer der Gründe dafür ist, dass die Pegida-Bewegung sich ausgerechnet in Dresden formierte, sei dahingestellt. Unzweifelhaft ist allerdings der harte Kontrast zwischen der Wahrnehmung Dresdens als der "schönen Stadt" der Künste und der Wissenschaften einerseits und den Pegida-Demonstrationen ausgerechnet auf den symbolträchtigsten Plätzen der Kunst- und Kulturstadt andererseits, dem ein besonderes Provokationspotenzial innewohnt. Aus der Außenperspektive erweckt das den Eindruck, Dresden habe, wie es jüngst in einem Zeitungsbeitrag hieß, die "Schlüssel seiner Stadt" einer fremdenfeindlichen Bewegung "ausgehändigt".
So gesehen wird die Antwort auf die Frage, die dem in Dresden geborenen Autor Peter Richter bei seinem Umzug nach Hamburg gestellt wurde – ob es denn in Dresden "immer noch so schön sei und wie die Menschen das alles da verkraftet hätten"