Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte hat in den "entwickelten" westlichen Ländern 2014 einen neuen Höchststand der Nachkriegszeit erreicht. Im Durchschnitt lag sie bei über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Eine schnelle Umkehr dieses Trends ohne umfangreiche Einsparungen erscheint unter den gegebenen sozioökonomischen Umständen in vielen Ländern Europas schwierig. Eine alternde und zum Teil schrumpfende Bevölkerung, niedriges Wirtschaftswachstum, hohe Folgekosten von in der Vergangenheit beschlossenen Politiken und Schwierigkeiten bei der Besteuerung transnationaler Kapitalströme erschweren die Haushaltskonsolidierung und machen ein "Herauswachsen" aus den Schulden ohne Austeritätsmaßnahmen unwahrscheinlich. Diese strukturellen Bedingungen werden durch aktuelle finanzielle Belastungen und Unsicherheiten wie die Krise des Eurowährungsraums, die hohen Flüchtlingszahlen, die Militäreinsätze gegen den internationalen Terrorismus und die hohe Arbeitslosigkeit vor allem in Südeuropa weiter verschärft.
Hohe Staatsschulden und insbesondere hohe Defizite können gerade in einem Umfeld mit niedriger Inflation oder hohen Zinssätzen den Handlungsspielraum einer Regierung einschränken und die politische Agenda bestimmen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Analyse der Entwicklung der Staatsverschuldung Schwedens besonders interessant, da Schweden in den vergangenen 40 Jahren zweimal mit einer ähnlichen Ausgangssituation konfrontiert war und diese erfolgreich gelöst hat: Gegen Ende der 1970er und zu Beginn der 1990er Jahre rutschte der schwedische Staatshaushalt jeweils stark ins Defizit, und das Land sah sich mit zwei gravierenden Wirtschafts- und Schuldenkrisen konfrontiert. Die letzte Krise war jedoch spätestens gegen Ende der 1990er Jahre überwunden, und der schwedische Staat erzielt seitdem fast jedes Jahr Haushaltsüberschüsse und hat den Schuldenstand stark gesenkt.
In diesem Beitrag sollen die Entwicklungen, Lösungsansätze und Folgen der schwedischen finanzpolitischen Geschichte nachgezeichnet und untersucht werden. Dabei leiten folgende Fragen die Analyse: Wie ist es einem entwickelten Industrieland wie Schweden mit einem ausgebauten Sozialstaat und ohne maßgebliche Einnahmen aus natürlichen Ressourcen gelungen, die öffentliche Verschuldung in so großem Umfang zu reduzieren? Was waren die gesellschafts- und sozialpolitischen Folgen der Haushaltskonsolidierung, und wie stellt sich die Politik nach einer überwundenen Schuldenkrise in Zeiten regelmäßiger Überschüsse dar?
Stagflationskrise der 1980er Jahre
In Schweden endete gegen Mitte der 1970er Jahre die goldene Nachkriegsepoche beständiger Prosperität. Die schwedische Politik war mit einer doppelten Krise konfrontiert.
Das staatliche Deficit-Spending im großen Stil führte zu einem stark ansteigenden Finanzierungsbedarf des schwedischen Staates, den er bald nicht mehr im Inland decken konnte – ein Tabubruch und ein Novum, da es bis dahin eine implizite Vorgabe der schwedischen Schuldenpolitik gewesen war, nur inländische Gläubiger zu haben und den schwedischen Finanzmarkt streng zu regulieren und nach außen abzuschotten.
Als Folge der schuldenfinanzierten Antikrisenmaßnahmen wuchs die Auslandsverschuldung jedoch schnell an.
Nachdem sich die Situation Anfang der 1980er Jahre nicht besserte, reagierten die Politikerinnen und Politiker, indem sie den zuvor betriebenen Ausbau des öffentlichen Sektors zu bremsen versuchten. Sie hielten jedoch an der grundsätzlichen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Ausrichtung fest, deren wichtigstes Ziel die Erfüllung des Vollbeschäftigungsversprechens blieb. Letztlich gelang es, den Schuldenstand vor allem aufgrund der starken Inflation und einer auf der Exportindustrie basierenden Wachstumsstrategie zu konsolidieren. Wichtige finanzpolitische Strukturreformen umfassten die Deregulierung der Finanzmärkte und eine Verschiebung der Steuerlast hin zu indirekten Konsumsteuern.
Finanz- und Wirtschaftskrise der 1990er Jahre
Obwohl die Wirtschafts- und Haushaltsprobleme zunächst gelöst waren und die Staatsschulden ab Mitte der 1980er Jahre nominell wieder sanken, geriet Schweden zu Beginn der 1990er Jahre in eine zweite, noch verheerendere und vielschichtigere Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Antikrisenstrategie der schwedischen Regierung in den 1980er Jahren, die als wesentliche Pfeiler die Kontraktion des öffentlichen Sektors und die Expansion des Exportsektors umfasste, war zunächst erfolgreich. Allerdings war sie langfristig nicht nachhaltig, da grundlegende Probleme fortbestanden und vor allem die hohe Inflation nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte. Zudem führte die Deregulierung und Öffnung des Finanzsektors zu einem starken Anstieg der Kreditvergabe, der Bauaktivitäten und der Häuserpreise, sodass sich eine Spekulationsblase auf dem Kredit- und Immobilienmarkt bildete.
Das Platzen dieser Kreditblase fiel mit der tiefsten und längsten wirtschaftlichen Rezession in Schweden seit den 1930er Jahren zusammen und drohte das gesamte schwedische Finanz- und Bankensystem zusammenbrechen zu lassen. Die Wirtschaftsleistung nahm auf dem Höhepunkt der Krise von 1991 bis 1993 drei Jahre hintereinander ab. Die Arbeitslosenquote verfünffachte sich von etwa zwei Prozent 1990 auf über elf Prozent 1994 und verblieb lange auf einem hohen Niveau.
Die ohnehin dramatische Lage verschärfte sich noch durch eine Währungskrise im Herbst 1992. Schweden hatte die Krone zu diesem Zeitpunkt unilateral an das Europäische Währungssystem und den ECU gekoppelt, und die Zentralbank versuchte mit allen Mitteln, das Regime fester Wechselkurse aufrechtzuerhalten und eine Abwertung der Krone zu verhindern. Durch einen hohen Leitzins und Stützungskäufe der Zentralbank sollte der Kurs der Krone stabilisiert werden.
Das hohe Zinsniveau hatte allerdings negative Auswirkungen auf die Finanz- und Schuldenkrise, da es die Belastungen durch die hohe private und staatliche Verschuldung noch größer werden ließ. Die schwedische Regierung und die Reichsbank stimmten jedoch darin überein, dass die Verteidigung des festen Wechselkurses Priorität hatte, und erhöhten den Leitzins im Kampf gegen Spekulanten und Finanzmärkte immer weiter – bis zum unglaublichen Wert von 500 Prozent für ein Wochenende im September 1992. Dieser Zinsschock stoppte die Spekulationen zunächst, und im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in Europa konnte Schweden die Wechselkursbindung verteidigen. Dieser Erfolg hatte jedoch einen hohen Preis und traf die Wirtschaft, die Bevölkerung und den Staat gleichermaßen.
Die hohen Kosten für die Verteidigung des Wechselkurses sind nur vor dem Hintergrund einer makroökonomischen Grundsatzentscheidung verständlich. Parteiübergreifend war die schwedische Politik seit Anfang der 1980er Jahre davon überzeugt, dass die vormals regelmäßigen, aber inflationstreibenden Abwertungen keine dauerhafte Lösung zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit waren und eingestellt werden mussten. 1982 hatte die Regierung absichtlich eine überhöhte Abwertung der Krone vorgenommen, um der schwedischen Exportindustrie durch eine künstlich unterbewertete Währung einen Wachstumsstimulus zu geben. Gleichzeitig kündigte sie als unmissverständliches Signal nach innen und außen allerdings an, dass dies die letzte Abwertung sein werde und die Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft durch Maßnahmen in den Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt gewährleistet werden müsse.
Letztlich waren die hohen Kosten und Anstrengungen der schwedischen Reichsbank vergebens, und die Wechselkursbindung der Krone bestand nur für ungefähr zehn Jahre. Nachdem es keine politische Mehrheit zur Verabschiedung eines Sparpakets im Reichstag gab und die Zentralbank allein in einer Woche mit Devisentransaktionen in Höhe von 158 Milliarden Kronen intervenierte, was 1992 etwa elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprach, wurde der Wechselkurs im November 1992 freigegeben.
Parteiübergreifende Krisenpakete und erfolgreiche Haushaltskonsolidierung
Die Erhöhung des Leitzinses durch die Zentralbank auf den Extremwert von 500 Prozent im September 1992 und die damit verbundenen sehr hohen Kosten für den schwedischen Staat garantierten nicht nur die Wechselkursbindung der Krone, sondern verschafften der Politik in einer außergewöhnlichen Drucksituation auch eine Atempause und gaben ihr die Chance, die Initiative in der Schuldenkrise zurückzugewinnen. Diese Chance wurde auf dem Höhepunkt der Krise ergriffen. Bürgerliche Regierung und sozialdemokratische Opposition trafen sich an einem sehr dramatischen Wochenende, um Tag und Nacht bis zur Wiedereröffnung der Börsen am nächsten Montag ein umfassendes Krisenpaket zu verhandeln.
Die lagerübergreifende Zusammenarbeit dieser informellen großen Koalition war ein bedeutsames Signal an die Finanzmärkte, und alle wichtigen Parteien einigten sich auf umfangreiche Ausgabenkürzungen in praktisch allen Politikfeldern sowie auf selektive Steuererhöhungen auf Tabakwaren und Mineralöl zur schnellen Eindämmung der ausufernden Defizite. In der Sozialpolitik wurden die Lohnersatzraten der Sozialversicherungen in einem ersten Schritt ab 1993 von 90 auf 85 Prozent gesenkt, das Renteneintrittsalter wurde um ein Jahr auf 66 Jahre erhöht und Renten-, Wohngeld- und Kindergeldsteigerungen wurden ausgesetzt. Diese einschneidenden Sparmaßnahmen beruhigten die Finanzmärkte zunächst und stellten eine wichtige Etappe auf dem Weg zur erfolgreichen Haushaltskonsolidierung dar.
Allerdings zeigte sich schnell, dass dieses Sparpaket nicht ausreichen würde, um die Schuldenkrise zu beenden, und dass neben den öffentlichen Defiziten das schwedische Finanzsystem zu einem immer größeren Problem wurde. Fast alle großen Banken und Finanzinstitute des Landes hatten massenhaft faule Kredite in ihren Bilanzen, die nach dem Platzen der Spekulationsblase nicht mehr bedient werden konnten, und waren de facto insolvent. Regierung und Opposition setzten ihre Verhandlungen fort und einigten sich auf ein zweites Krisenpaket und eine staatliche Einlagensicherungsgarantie für die schwedischen Finanzinstitute. Trotzdem wurden fast alle großen schwedischen Banken mit öffentlichem Geld gerettet und dann verstaatlicht. Nach der Abspaltung von Kreditrisiken in sogenannte Bad Banks wurden die Institute rekapitalisiert und das schwedische Finanzsystem durch Zwangsfusionen neu geordnet.
Das zweite Krisenpaket umfasste die Streichung von zwei Feiertagen und eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Dieser wurde im Verlauf der Krise von 4,2 beziehungsweise 13,6 Prozent in mehreren Schritten auf 21 Prozent angehoben. Außerdem wurden Maßnahmen ergriffen, um den Devisenabfluss aus Schweden zu bremsen. Insgesamt summierten sich die beiden Sparpakete auf mehr als 42 Milliarden Kronen bis 1997, wobei 14,2 Milliarden durch Einnahmenerhöhungen und 28,1 Milliarden durch Ausgabenkürzungen erreicht wurden und der Staatshaushalt allein im Jahr 1993 um etwa 20 Milliarden Kronen entlastet wurde.
Nach dem Regierungswechsel 1994 beschloss die sozialdemokratische Regierung weitere Austeritätsmaßnahmen, die im quantitativen Umfang sogar über die ersten Notfallpakete hinausgingen. Unter anderem senkte sie die Lohnersatzraten der Sozialversicherungen auf 80 Prozent weiter ab, und das Rentensystem wurde mit Zustimmung aller relevanten Parteien grundlegend umgestaltet. Die dramatischen Ereignisse der großen Krise in den 1990er Jahren legitimierten eine einschneidende Sparpolitik sowie tief greifende institutionelle Reformen, die helfen sollten, eine derart verheerende Krise in Zukunft zu verhindern. Selbst die Sozialdemokraten waren bereit, Kürzungen in vielen Bereichen des generösen und universellen Wohlfahrtsstaates zu beschließen, um die Grundidee des schwedischen Sozialpolitik- und Gesellschaftsmodells zu retten und es weiterhin finanzieren zu können.
Durch einen beispiellosen nationalen Kraftakt und einschneidende Reformen ist es der schwedischen Politik gelungen, die Banken zu stabilisieren, den Export und damit die Wirtschaft zu beleben und zweistellige Haushaltsdefizite in regelmäßige Überschüsse zu verwandeln. Im Vergleich zu ähnlichen Krisensituationen in anderen Ländern fallen bei der schwedischen Haushaltskonsolidierung insbesondere drei Aspekte auf: die lagerübergreifende Zusammenarbeit von Regierung und Opposition, die hohe Transparenz der Reformmaßnahmen und die Verteilung der Kosten auf möglichst alle Bevölkerungsschichten. So vermied das Land eine Verschleppung der Krise durch politisches Taktieren und verabschiedete umfassende Sparmaßnahmen, ohne das öffentliche soziale Sicherungsnetz stark zu beschädigen.
Paradigmenwechsel in der Fiskal- und Wirtschaftspolitik
In der Fiskal- und Wirtschaftspolitik kam es im Zuge der Krise in den 1990er Jahren nicht nur zu kurzfristigen und notgedrungenen Rettungs- und Antikrisenmaßnahmen, sondern auch zu einer grundsätzlichen und langfristigen Neuausrichtung. Diese paradigmatischen Verschiebungen führten dazu, dass ehemals für das schwedische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell konstitutive Merkmale aufgegeben wurden.
Bis zur großen Krise in den 1990er Jahren war es das oberste makroökonomische Ziel jeder schwedischen Regierung gewesen, die Arbeitslosigkeit möglichst gering zu halten. Die Entwicklung anderer ökonomischer Kerngrößen wie Staatsverschuldung oder Inflationsrate waren zweitrangig. Im Zuge der Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung kam es zu einer Änderung der Prioritäten. Das Vollbeschäftigungsziel wurde der Geldwertstabilität und einem Inflationsziel von zwei Prozent untergeordnet, und langfristig solide Staatsfinanzen rückten ins Zentrum der Fiskalpolitik.
Innerhalb weniger Jahre verkehrten sich die Zielsetzungen und Maximen der schwedischen Fiskalpolitik von einem Extrem ins andere, und die schwedische Politik vollzog eine tief greifende und konsequente monetaristische Wende. Während in den 1970er und 1980er Jahren keynesianische Ideen dominierten und die schwedische Politik einen großen Spielraum für finanzielle Stimuli hatte, wurde ihr in den 1990er und 2000er Jahren die Hände gebunden und ein enges finanzpolitisches Korsett aus strikten Regeln und Vorgaben angelegt, das nur in Ausnahme- und Notsituationen Haushaltsdefizite erlaubt.
Etablierung eines strikten finanzpolitischen Regelwerks
Zur Gewährleistung der veränderten makroökonomischen und fiskalpolitischen Zielsetzungen und zur langfristigen Sicherung der hart erkämpften Konsolidierungserfolge wurde ein enges institutionelles Regelwerk geknüpft, das die Freiheitsgrade der Politik einschränkt, und diverse richtungsweisende Reformen verabschiedet. Schweden ist im Zuge der Krise der Europäischen Union beigetreten, hat seine Zentralbank politisch unabhängig gemacht und das Rentensystem grundlegend reformiert, wobei die finanzielle Ausgeglichenheit und Tragfähigkeit des Rentensystems Vorrang vor der Höhe der Rentenzahlungen haben. Außerdem wurden in einem langen Reformprozess von 1992 bis 2000 als Reaktion auf die Krise grundlegende Strukturreformen der Haushaltsgesetzgebung und des institutionellen fiskalpolitischen Rahmens vorgenommen.
Die wichtigsten Reformen des haushaltspolitischen Regelwerks waren die Einführung eines Überschussziels in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts über den Konjunkturzyklus, eine rigide mehrjährige Ausgabendeckelung im Staatshaushalt, ein Verschuldungsverbot für Provinzen und Kommunen sowie die Gründung eines unabhängigen fiskalpolitischen Expertenrates, der die Regierung berät und auf die Einhaltung der Haushaltsdisziplin achten soll.
Der Ausgangspunkt für die Einführung eines solch strengen und kompromisslosen Haushaltsrechts war die Auffassung der schwedischen Politik, dass kaum vorhandene finanzpolitische Regularien wesentlich zur Eskalation der Schuldenkrise beigetragen hatten. Anders als in Deutschland (erst "Goldene Regel" der Finanzpolitik, dann Schuldenbremse)
Nach der Krise: Regelmäßige Haushaltsüberschüsse und anhaltende Sparpolitik
Das strikte Haushaltsregime hat in Schweden bis heute Bestand, obwohl die Schuldenkrise lange überwunden ist und die Staatsverschuldung seit vielen Jahren sinkt. Selbst die schwere globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2009, von der auch Schweden mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um fünf Prozent stark betroffen war, hat zu keiner fiskalpolitischen Kursänderung geführt. Der schwedische Staat nimmt praktisch jedes Jahr mehr Geld ein, als er ausgibt, und steht im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern finanziell sehr gut da. Er müsste seine öffentlichen Ausgaben nicht permanent weiter kürzen, sondern könnte seinen zurückgewonnenen finanziellen Spielraum für politische Maßnahmen zur stärkeren Gestaltung der Gesellschaft nutzen, etwa durch höhere Staatsausgaben, stärkere öffentliche Investitionen in die Infrastruktur und das Bildungssystem oder eine Ausweitung der Sozialpolitik.
Nennenswerte Ausgabensteigerungen, die den strukturellen Überschuss gefährdeten, wurden jedoch nicht beschlossen. Stattdessen zieht sich der Staat immer weiter aus Wirtschaft und Gesellschaft zurück, hält das Sparregime auch Jahre nach der Krise aufrecht und verwendet die Überschüsse für den Schuldenabbau und wiederholte Steuersenkungen. Diese ohne finanzpolitische Notwendigkeit scheinbar paradoxe Sparpolitik hat über die vergangenen beiden Dekaden eine schleichende Liberalisierung und Privatisierung insbesondere in den Dienstleistungssektoren des schwedischen Wohlfahrtsstaates bewirkt.
Die sozioökonomischen Folgen des staatlichen Rückzugs markieren eine Risikoverlagerung vom Staat und der Solidargemeinschaft auf den Markt und das Individuum. Kinderbetreuung, schulische Bildung, gesundheitliche Absicherung oder das Rentenniveau hängen in Schweden immer stärker von persönlichem Einkommen, individueller Vorsorge und dem Bildungsgrad der Schwedinnen und Schweden ab. Der Staat garantiert nicht mehr ein gleichermaßen hohes Niveau sozialer Sicherung für alle Bürgerinnen und Bürger und akzeptiert eine bleibende Sockelarbeitslosigkeit und Dualisierungstendenzen auf dem Arbeitsmarkt.
Während sich die Finanzsituation des schwedischen Staates jedes Jahr verbessert, sinken die öffentlichen Renten, die Arbeitslosenquote verbleibt auf einem hohen Niveau und die Einkommensungleichheit steigt schneller als in den meisten europäischen Ländern. Haushaltsdisziplin und der Fortbestand der Budgetüberschüsse scheinen in Schweden Vorrang vor gesellschaftspolitischer Gestaltung und Umverteilung zu haben.
Schwedens Staatsfinanzen heute
Heute befindet sich der schwedische Staat in einem ambivalenten Zustand. Einerseits sind die Steuersätze, die Staatsquote und die soziale Sicherung im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch. Andererseits sind sie im vergangenen Jahrzehnt aber auch besonders schnell und stark gesunken. Angesichts dieser Entwicklungen ist es fraglich, ob Schweden uneingeschränkt als Vorbild für eine erfolgreiche Haushaltskonsolidierung dienen kann. Zwar ist es zutreffend, dass Schweden die schwere Krise in den 1990er Jahren relativ schnell gemeistert hat, allerdings geht dies einher mit einem Rückgang der gesellschafts- und sozialpolitischen Ambitionen des Staates. Die steuerlichen Entlastungen kommen vor allem den Wohlhabenden zugute.
Dennoch genießt das Überschussregime in beiden politischen Lagern hohe Legitimation. Weder die regierenden Sozialdemokraten noch die bürgerliche Opposition stellen die Sparpolitik ernsthaft infrage. Schweden kann als Paradebeispiel für einen "Konsolidierungsstaat"
Eine Umkehr dieses Entwicklungstrends ist in naher Zukunft, auch vor dem Hintergrund der Schuldenkrisen in weiten Teilen Europas, eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Mögliche Faktoren, die eine Abkehr von der rigiden Haushaltspolitik befördern könnten, sind die offensichtlicher werdenden sozialen Folgen der Einsparungen, die aktuelle Flüchtlingskrise in Europa, von der Schweden stark betroffen ist und die den schwedischen Haushalt zusätzlich belastet, sowie die wachsende Zustimmung der Bevölkerung in Umfragen zu der rechtspopulistischen Partei der Schwedendemokraten. Eines ist jedoch sicher: Ohne erneute politische Anstrengungen wird sich der Konsolidierungsstaat in Schweden allein aufgrund des institutionellen Regelwerks weiter entfalten.
Wie aktuelle Entwicklungen in südlichen Ländern der Eurozone und in Schweden zeigen, können paradoxerweise zu hohe und zu niedrige Staatsschulden den Gestaltungsspielraum demokratischer Politik beschränken. Niedrige Staatsschulden und öffentliche Haushaltsüberschüsse müssen nicht automatisch ein Ende der Austerität bedeuten.