In der internationalen Debatte hat sich folgende Definition von Ernährungssicherheit durchgesetzt: "Food security exists when all people, at all times, have physical, social and economic access to sufficient, safe and nutritious food which meets their dietary needs and food preferences for an active and healthy life."
Bei der Diskussion um Welthunger und -ernährung ist es wichtig, einige grundsätzliche Unterscheidungen präsent zu haben, die sich hinter der allgemeinen Definition verbergen: Zunächst muss unterschieden werden zwischen Hunger, Unter- oder Mangel- und Fehl- beziehungsweise Überernährung. Hunger bezieht sich auf (das Fehlen von) Nahrungsenergie beziehungsweise Kalorien – meist werden 1800 Kilokalorien pro Person und Tag als Mindestbedarf angenommen. Unter- beziehungsweise Mangelernährung bezieht sich auf die (nicht ausreichende) Versorgung mit Energie, aber auch Eiweiß, Spurenelementen, Vitaminen und anderen lebenswichtigen qualitativen Bestandteilen der Nahrung. Fehlernährung ist die unausgewogene Zusammensetzung von Nahrung, die beispielsweise auch ein Zuviel an Energie enthalten kann und dann mitverantwortlich für Übergewicht ist. Der Ernährungszustand eines Menschen ist aber nicht nur von der Menge und Zusammensetzung der aufgenommenen Nahrung abhängig, sondern auch von der Zubereitung der Speisen, von Hygiene und Krankheitszustand und damit vom Absorptionsvermögen des Körpers. Außerdem ist er auch abhängig von Verbrauch und individuellem Bedarf, der je nach Aktivität und Zustand des Körpers sehr unterschiedlich sein kann.
Die weitere Operationalisierung von Ernährungssicherheit wird meist entlang der vier "Säulen" Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Stabilität diskutiert. Auf die Verschiebung der Gewichtung der Säulen und der Aspekte, auf die sie sich beziehen, wird im Weiteren eingegangen. Es sei aber schon hier darauf hingewiesen, dass sie stärker miteinander verknüpft sind, als es ihre "Versäulung" glauben lässt. So gibt es zwischen Verfügbarkeit und Zugang meist einen engen Zusammenhang. Besonders eng ist er bei Subsistenzlandwirten – sie haben Zugang zu der Nahrung, die sie selber anbauen. Diese Quelle ist meist instabil aufgrund von Witterungsschwankungen, Krankheits- und Schädlingsbefall sowie Schwankungen der Arbeitskapazität beispielsweise aufgrund von Krankheiten, die teilweise wiederum ernährungsbedingt sind.
Falls Verfügbarkeit und Zugang getrennt sind, geschieht der Ausgleich meistens über den Markt. Dabei stellen sich Gleichgewichtspreise ein, die grundsätzlich vom Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage nach Produkten und konkurrierenden Produkten bestimmt werden. Einerseits haben Menschen mit niedrigem Einkommen oft Schwierigkeiten, hohe Nahrungsmittelpreise zu zahlen (Zugangsproblem) und sind dann schnell ernährungsunsicher. Andererseits erzielen Bauern, die Agrarprodukte verkaufen, bei niedrigen Preisen auch nur ein niedriges Einkommen, das ihnen wenig Spielraum für den Einkauf von anderen Nahrungsprodukten (Zugangsproblem) oder für Gesundheitsausgaben (Nutzungsproblem) lässt. Bei hohen Preisen müssen arme Haushalte, die Nahrungsmittel zukaufen, oft auf billige Produkte ausweichen, meist stärkelastige Grundnahrungsmittel wie Maniok oder Kartoffeln (Zugangs- und Nutzungsproblem). Müssen sie auch noch einen höheren Anteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, haben sie weniger Geld für Hygiene oder Gesundheit, was wiederum die Nahrungsnutzung verschlechtert.
Falls die Nahrungsmittelvorräte knapp sind und die Marktlage angespannt ist, führen Ernteschwankungen schnell zu großen Preisschwankungen. Enge, schlecht integrierte Nahrungsmittelmärkte, auf denen nur wenige Prozent der Ernte verkauft werden, führen bei Ernteschwankungen zu wesentlich höheren Preisschwankungen (Stabilitätsproblem) als gut integrierte Märkte, die auf hohen Verkaufsanteilen beruhen. Aber selbst große Agrarmärkte weisen bedeutende Preisschwankungen auf, dies ist ein typisches Merkmal des Sektors. Teilweise werden die "natürlichen" Schwankungen durch politische und externe wirtschaftliche Schocks zusätzlich angeheizt. Während der letzten Nahrungsmittelkrise 2007/08 beispielsweise führte eine Kombination aus leeren Lagern, Biospritproduktion und Export- und Handelsrestriktionen für Nahrungsmittel zu extremen Preisausschlägen auf dem Weltmarkt. Finanzmarktspekulationen und Hortung heizten die Preise zusätzlich an. Diese schlugen stark auf nationale Märkte auch von Entwicklungsländern durch und sorgten für eine kurzfristige massive Ausweitung von Hunger, wirtschaftlichem Stress und politischen Unruhen. Längerfristig haben die hohen Preise dann zu hohen Produktionssteigerungen und Preisverfall geführt, aber auch zu weiteren Unsicherheiten.
Insgesamt ist es stets angebracht, Ernährungssicherung zunächst als eine integrierte Herausforderung zu sehen und die "Säulen" nur als gedankliche Krücken.
Wie sich Perspektiven auf Hunger und Ernährung ändern
In einer historischen Perspektive sind permanente Knappheit an Nahrung und große Hungersnöte wesentliche Begleiter der Menschheitsgeschichte. Zumindest seit der Erfindung des Ackerbaus waren lokale Bevölkerungsdichte und -zahl stark von der Verfügbarkeit von lokal produzierter Nahrung abhängig. Kleine Körpergrößen in frühen Stadien der landwirtschaftlichen Entwicklung deuten häufig auf generelle Unterversorgung hin. Vielleicht nicht in durchschnittlichen Jahren, aber während besonders problematischer Perioden dezimierten Fehlernten immer wieder die menschlichen Populationen. Der wesentliche limitierende Faktor war die Verfügbarkeit von Nahrungsenergie. Mangelernährung war sicher ebenfalls ein wichtiges Element, aber da die meisten Menschen Selbstversorger waren, eine gewisse Bandbreite an Nahrungsprodukten anbauten und aus Wald oder Gewässern Wildprodukte holten, waren qualitative Aspekte der Ernährung wahrscheinlich weniger zentral. Sie waren eher für niedrige Lebenserwartung aufgrund von allgemein schlechter körperlicher Verfassung und geringer Widerstandskraft gegenüber Krankheiten verantwortlich. Aus dieser historischen Perspektive, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts einige Gültigkeit hatte, erklärt sich der starke Fokus früherer internationaler Diskussionen zur Ernährungssicherheit auf Hunger und auf Landwirtschaft als wichtigsten Weg zu ihrer Verbesserung.
Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Nahrung durch die Errungenschaften der modernen Agrarwissenschaften (hier ist explizit nicht von den ökologischen Folgen die Rede, dazu unten mehr) und des modernen Transportwesens ist Mangel an Nahrungsverfügbarkeit ein zunehmend seltenes Problem. Nur in Regionen, die nicht gut in nationale und internationale Märkte eingebunden sind, sind Menschen nach wie vor von der lokalen Produktion für den Zugang zu Nahrung abhängig. Zwar leben auch viele Kleinbauern noch hauptsächlich von der Subsistenzproduktion und hängen damit für ihre Ernährungssicherung stark von der Produktion ab. Aber hätten sie ausreichend finanzielle Mittel, könnten die meisten von ihnen den größten Teil des Jahres Nahrung zukaufen. Ihr Problem ist eher der Mangel an Einkommen, das aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte und aus nicht-landwirtschaftlichen Tätigkeiten stammen kann. Die großen Produktions-, Preis- und damit Einkommensschwankungen im Agrarsektor sowie der Mangel an alternativen Einkommensquellen und oft unzureichende Transfersysteme verhindern den besseren Zugang der ländlichen Bevölkerung zu Nahrungsmitteln. Die städtische Bevölkerung ist sogar weitgehend auf den Zugang zu Nahrungsmitteln als Weg zur Ernährungssicherung angewiesen, zusätzlich zu städtischer Landwirtschaft, die in urbanen Regionen von Entwicklungsländern eine gewisse Rolle spielt. Dass nicht Verfügbarkeit, sondern Zugang der Schlüssel für Ernährungssicherung ist, darauf wies insbesondere der Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen in den 1980er Jahren hin. Mittlerweile gilt die Verbesserung des Zugangs, über Einkommensschaffung der Armen und über Sozialtransfers, als Königsweg der Ernährungssicherung. Damit einher geht eine Verschiebung der sektoralen Zuständigkeit für Ernährungssicherheit von der Landwirtschaft zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. Diese Perspektive setzt allerdings stillschweigend voraus, dass die Produktion weiterhin mit dem Verbrauch zumindest Schritt halten kann.
In den vergangenen Jahren gab es eine weitere Verschiebung der Perspektive auf Ernährungssicherheit, die noch in vollem Schwung ist: auf die Nutzung von Nahrung, worunter neben nahrungsbezogenen Aspekten wie Zubereitung und Verteilung innerhalb des Haushaltes – wichtig insbesondere für Frauen, Alte und Kinder – auch Gesundheit, Hygiene, Wasser und ähnliche Faktoren zählen. Im Deutschen mag diese Perspektive sprachlich nicht so stark auffallen, da wir den englischen Begriff food security meistens mit Ernährungs- und nicht mit dem treffenderen Begriff der Nahrungssicherheit übersetzen. Tatsächlich ist die Perspektivverschiebung aber wesentlich, denn es stellt sich heraus, dass es zwar einen groben Zusammenhang zwischen Einkommen und Ernährungszustand sowohl auf der nationalen Ebene als auch auf der Haushaltsebene gibt, dass es aber ganz erhebliche Streubreiten gibt. Ein Haushalt berücksichtigt bei der Nutzung von (erhöhtem) Einkommen ein Bündel von Konsumzielen, von denen Nahrung nur eines ist. Ausgaben für Hygiene wie Toiletten oder bessere Trinkwasserversorgung sind weitere Ziele, die ebenfalls verfolgt werden müssten, um den Ernährungszustand zu verbessern. Dies ist teilweise recht kostspielig, daher ist die "Übersetzung" von Einkommen in Ernährung unter solchen Voraussetzungen geringer. Außerdem müssen sich häufig auch tief verwurzelte, kulturelle Gewohnheiten ändern wie die Speisezusammenstellung und -zubereitungsart oder Hygieneverhalten, was neben Einkommen auch Bildung und Bewusstsein erfordert, die sich eventuell wesentlich langsamer ändern. Schließlich sind Ausgabenpräferenzen eines Haushaltes wesentlich davon abhängig, wer über das Einkommen verfügt. Häufig wird beispielsweise festgestellt, dass sich Einkommen und Bildung bei Frauen stärker auf den Ernährungszustand von Kindern auswirken als bei Männern. Bei der Rolle des Staates ergibt sich aus der Perspektivverschiebung eine Verlagerung von monetären Maßnahmen hin zu Bildung, Aufklärung, Investitionen in Gesundheit, Trinkwasser und Hygiene sowie die stärkere Kontrolle und Verbesserung von Nahrungsmitteln mit wichtigen Spurenelementen und Vitaminen (Fortifikation), die der einzelne Haushalt kaum im Blick hat.
Eine weitere neue Perspektive auf das Thema Welternährung zumindest in Entwicklungsländern gilt der Überernährung. Mit einem Überschuss von Nahrung, insbesondere von früher eher ungewohnten beziehungsweise kostbaren Inhaltsstoffen wie Zucker oder Fetten, bei gleichzeitigem Abbau von körperlicher Arbeit und Bewegung werden menschliche Psyche und Physis, evolutionär auf Mangel getrimmt, nicht einfach fertig. Menschen essen zu viel und ernähren sich falsch, was zur Zunahme von Krankheiten wie Herz- und Kreislauferkrankungen oder Diabetes führt. Dieses Phänomen, das in Industrieländern schon seit einigen Dekaden zu einer großen Herausforderung für das Individuum, aber auch für Gesundheitssysteme und Wirtschaftsleistung geworden ist, greift in den Entwicklungs- und Schwellenländern rasch um sich, weil dort die Übergänge von der Mangel- zur Überschusssituation und von schwerer körperlicher zu anderen Arbeiten sowie privatem Bewegungsmangel sehr schnell stattfinden. Wissen, Kultur und Gewohnheiten ändern sich nicht rechtzeitig. Die politischen Konsequenzen dieser Perspektivverschiebung sind, ähnlich wie bei der Betonung von Fehlernährung, ein vermehrter Bedarf an Bildung und Aufklärung. Allerdings sind die Zielgruppen und damit die im Detail notwendigen Maßnahmen häufig ganz andere, da in den Entwicklungsländern Übergewicht eher ein Phänomen der Ober- und Mittelschichten ist und nicht wie in den Industrieländern vornehmlich der Unterschichten.
Ein letzter Perspektivwechsel auf Ernährungssicherheit deutet sich zurzeit an: das zunehmende Verschmelzen von Ernährungs- und ökologischen Nachhaltigkeitsfragen.
Stand und neuere Trends von Welthunger und Welternährung
Für die vergangenen etwa 30 Jahre liegen deutlich bessere Daten zur Verfügung als für frühere Zeiträume. Es soll aber bereits hier darauf hingewiesen werden, dass die Erstellung von Statistiken von Hunger-, Mangel- und Fehlernährung schwierig ist und die Datenlage viel zu wünschen übrig lässt. Immer wieder kommt es zu wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen über Zahlen, Mess- und Berechnungsmethoden. Als beispielsweise nach der Agrarpreiskrise 2007/08 der Indikator der Welternährungsorganisation FAO für die Anzahl der Hungernden zunächst sprunghaft anstieg und dann, nach einer Änderung der Berechnungsart, wieder fiel, wurde von Manipulation gesprochen. Auch der Vergleich mit Grenzwerten oder internationalen Zielsetzungen macht die Interpretation nicht immer einfacher, da sie häufig willkürlich und ohne die Berücksichtigung von Querbeziehungen gezogen wurden. Wie einfach die unterschiedliche Deutung selbst scheinbar klarer Daten ist, wird auch im Folgenden bei der Präsentation ausgewählter Statistiken zur Lage von Welthunger und -ernährung deutlich werden. Für die wesentlich komplexere Datenlage zu Mangel- und Fehlernährung gilt dies noch stärker als für Unterernährung.
Der wichtigste Indikator der weltweiten Ernährungssicherheit ist die Zahl der Menschen, die nicht ausreichend mit Kalorien versorgt wurden (Unterernährung). Laut dem letzten Welternährungsbericht der FAO waren 2015 weltweit 795 Millionen Menschen unterernährt (Tabelle 1). Das waren 167 Millionen weniger als zehn Jahre zuvor und 216 Millionen weniger als 1990 bis 1992, was als Referenzzeitraum für diese Statistik gilt. Diese Angaben beruhen nicht auf Messungen an Menschen, sie entstehen aus Extrapolationen von Verfügbarkeit und Verteilung. Die FAO verrechnet in einer komplizierten Formel die verfügbaren Kalorien auf Landesebene mit dem errechneten Bedarf für mittlere Körperaktivität aller Menschen und entsprechend der Einkommensverteilung der privaten Haushalte. Der große Vorteil dieses Indikators ist, dass er für (fast) jedes Land leicht errechnet werden kann und nicht von Erhebungen abhängt, die teuer, schwierig, oft unregelmäßig und nicht repräsentativ sind. Der Nachteil ist, dass er nur eine grobe Abschätzung der Hungerproblematik ist, da in Entwicklungsländern weder für die Nahrungsverfügbarkeit noch für die Einkommensverteilung wirklich gute, zeitnahe Daten zur Verfügung stehen. Außerdem ignoriert er den tatsächlichen Zugang und die Nutzung der Nahrung für einzelne Haushalte und Personen. Das Entwicklungsziel des Welternährungsgipfels von 1996, als sich 182 Länder dazu verpflichteten, die Zahl der Hungernden auf der Welt bis 2015 zu halbieren, wurde nach dieser Statistik deutlich verfehlt.