17 Monate wütet Ebola bereits in Westafrika, und ein Ende der Epidemie ist nicht abzusehen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registrierte bis Anfang April rund 25000 Erkrankte, von denen mindestens 10500 starben. Wahrscheinlich wird es noch mehrere Monate dauern, bis der größte Ebola-Ausbruch der Geschichte für beendet erklärt werden kann. Unter den wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden Guinea, Liberia und Sierra Leone noch viele Jahre leiden. Die internationale Hilfe kam zu spät und war größtenteils ineffektiv, darüber sind sich Fachleute und Politiker im Nachhinein einig. Insbesondere die WHO steht einmal mehr in der Kritik, auf Seuchenausbrüche nicht angemessen zu reagieren. Die horrenden Bilder aus Westafrika und die Sorge um die eigene Sicherheit haben die Industriestaaten wachgerüttelt. Nun steht der Schutz vor Seuchen auf der Agenda des G7-Gipfels Anfang Juni 2015 auf Schloss Elmau in Bayern. Doch wie kann sich die Menschheit vor gefährlichen Krankheitserregern schützen?
Aus der Katastrophe lernen
Am 26. Dezember 2013 erkrankte in einem Dorf der Provinz Guéckédou im Süden Guineas der 18 Monate alte Émile an schwerem Fieber mit Durchfall. Heute wissen wir, dass er sich wahrscheinlich bei einem Flughund oder einer Fledermaus infizierte. Als Émile starb, hatten sich bereits seine Schwester, seine Mutter und seine Großmutter angesteckt. Als immer mehr Menschen in der Region erkrankten, vermuteten die lokalen Gesundheitsbehörden zunächst Cholera, dann das in der Gegend häufige Lassafieber als Ursache.
Am 13. März 2014 bat das guineische Gesundheitsministerium die WHO und Ärzte ohne Grenzen (Médecins sans Frontières, MSF) um Unterstützung. Acht Tage später kam aus einem Speziallabor in Lyon die Nachricht: Es ist Ebola, und zwar in der tödlichsten Variante "Typ Zaire". Zu diesem Zeitpunkt hatte MSF in Guéckédou bereits begonnen, Kranke zu isolieren und deren Kontaktpersonen zu ermitteln. In den Berichten war auffallend häufig von "Schluckauf" die Rede gewesen – ein Symptom, das nicht zu Cholera oder Lassafieber passt, bei Ebola aber typisch ist. Da es bei einem Ebola-Ausbruch darauf ankommt, so früh wie möglich alle Kranken und Kontaktpersonen zu isolieren, entsandte MSF sofort ein spezialisiertes Team in das Ausbruchsgebiet.
Bei der WHO in Genf nahm man die Meldungen aus Westafrika deutlich gelassener. Der Generaldirektorin Margaret Chan war bei der Schweinegrippe 2009 Alarmismus vorgeworfen worden, weil sie trotz des relativ harmlosen Verlaufes der Erkrankung die höchste Pandemiestufe ausgerufen hatte. In den Folgejahren baute Chan die Abteilung für Ausbruchsbekämpfung und Krisenhilfe schrittweise ab. Das entsprach der strategischen Neuausrichtung, die Chan bereits seit ihrem Amtsantritt 2006 verfolgte: Die WHO sollte sich auf technische Beratung fokussieren und praktische Maßnahmen den Mitgliedsstaaten überlassen.
Bis Mitte Mai 2014 ging die Zahl der Neuinfektionen dann deutlich zurück. In Guinea waren nur noch neun Patienten in Behandlung. Liberia war durch den Ausbruch im Nachbarland gewarnt gewesen und hatte seit Mitte März etwa ein Dutzend Ebolafälle isoliert. Danach wurden wochenlang keine neuen Erkrankungen mehr gemeldet.
Sierra Leone hatte bereits zu Anfang der Epidemie die US-Firma Metabiota engagiert, um im Grenzgebiet zu Guinea nach Ebola zu fahnden. Die kommerziellen Virenjäger fanden jedoch in über 160 Proben kein Ebolavirus. Darauf gestützt, deklarierte Präsident Ernest Koroma sein Land noch bis zum 24. Mai 2014 als "ebolafrei". Die WHO übernahm die Angaben ungeprüft in ihre Berichte. Dies sollte sich als der folgenschwerste Fehler in der Anfangsphase der Epidemie erweisen. Heute steht fest, dass sich Ebola von Anfang an auch in Sierra Leone verbreitet hatte. MSF erfuhr bei den Nachforschungen in Guinea schon im März 2014 von vermuteten Ebolafällen jenseits der Grenze. Die Hilfsorganisation warnte umgehend das WHO-Büro und das Gesundheitsministerium in Freetown. Doch dort zog man es vor, den beruhigenden Informationen der amerikanischen Beraterfirma zu glauben. Noch am 24. Mai 2014 bezeichnete die WHO die Lage in Liberia und Sierra Leone als "stabil".
Dann, nach drei Wochen trügerischer Ruhe, brach der virale Sturm los. Am 25. Mai bestätigte Freetown den ersten Ebolafall, innerhalb weniger Wochen folgten Hunderte weitere. Der verdeckte Ausbruch in Sierra Leone entfachte in Guinea und Liberia einen Flächenbrand. Durch die hohe Zahl unerkannter Fälle war die kritische Masse erreicht, die das Virus für eine explosionsartige Ausbreitung braucht. Alleine von Juni bis Oktober 2014 starben 4600 Menschen.
In dieser Lage ließ sich die WHO-Generaldirektorin zwei weitere Monate Zeit, bevor sie den Ebola-Ausbruch zu einem internationalen Gesundheitsnotfall (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) erklärte. Die formalen Voraussetzungen dafür waren allerdings bereits seit März 2014 gegeben: Bei einem außergewöhnlichen Seuchengeschehen muss ein Risiko der Ausbreitung in andere Staaten bestehen und möglicherweise eine internationale Reaktion erforderlich sein.
Abbildung 2: Neuerkrankungen (bestätigte Fälle) in den am meisten betroffenen Ländern
Quelle: WHO Ebola Situation Report vom 15. 4. 2015; eigene Bearbeitung.
Abbildung 2: Neuerkrankungen (bestätigte Fälle) in den am meisten betroffenen Ländern
Quelle: WHO Ebola Situation Report vom 15. 4. 2015; eigene Bearbeitung.
Die Aufgaben der WHO und ihrer 194 Mitgliedsstaaten bei der Seuchenbekämpfung sind in den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) von 2005 festgelegt. Mit der Erklärung eines PHEIC beruft die Generaldirektorin ein spezialisiertes Beratergremium (Emergency Committee) ein und erlässt Empfehlungen (Temporary Recommendations), wie die Epidemie bekämpft werden soll. Falls nötig, ist die WHO berechtigt, Angaben der betroffenen Staaten zu Art und Verbreitung des Infektionserregers durch eigene Nachforschungen vor Ort zu überprüfen. Obwohl die Empfehlungen nicht rechtlich bindend sind, entsteht durch die Erklärung eines PHEIC ein erheblicher politischer Druck zur Kooperation und für die Bereitstellung finanzieller Hilfen durch nichtbetroffene Staaten. Damit übernimmt, nach dem ursprünglichen Gedanken der IGV, die WHO de facto die Koordination der Ausbruchsbekämpfung.
Dass die WHO so spät reagierte, beruhte auf einer fatalen Fehleinschätzung der Epidemie in Westafrika. Ebola ist, nach der Tollwut, die Infektionskrankheit mit der zweithöchsten Sterblichkeit. Der gefürchtete "Typ Zaire" des Erregers, der neuerdings als "Ebolavirus" im engeren Sinne bezeichnet wird, tötet 70 bis 90 Prozent der Erkrankten. Allerdings wird Ebola nur durch enge Kontakte übertragen, und die Schwerkranken können sich kaum fortbewegen. In den entlegenen Dörfern Zentralafrikas und Südsudans, wo Ebola bislang aufgetreten war, brannten Epidemien deshalb nach zwei bis drei Monaten von selbst aus.
Chan und die WHO-Vertreter der drei betroffenen Länder hofften deshalb, dass auch die westafrikanische Epidemie schnell vorübergehen würde. Die Regierungen in Conakry, Monrovia und Freetown hatten ihrerseits kein Interesse daran, durch Reise- und Handelsbeschränkungen belastet zu werden. So lieferten sie monatelang zu niedrige Fallzahlen nach Genf und signalisierten, die Lage sei unter Kontrolle. Doch dann, am 25. Juli 2014, meldete Nigeria den ersten Ebolafall. Eine Woche später wurden zwei amerikanische Helfer in die USA ausgeflogen, die sich in Monrovia mit Ebola infiziert hatten. Am 8. August 2014 erklärte Chan schließlich die Ebola-Epidemie zum internationalen Gesundheitsnotfall.
Dass die WHO nach Monaten der Verzögerungen und Fehleinschätzungen den internationalen Noteinsatz für Westafrika anführen könnte, traute ihr jetzt niemand mehr zu. Noch im August ließ UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die WHO-Chefin wissen, dass er eine eigene UN-Mission für die Bekämpfung von Ebola einsetzen werde. Am 19. September 2014 wurde die UN Mission for Ebola Emergency Response (UNMEER) gegründet – die erste Gesundheitsmission außerhalb der WHO in der Geschichte der Vereinten Nationen.
Anfang September wandte sich Ellen Johnson Sirleaf, Präsidentin Liberias und angesehene Friedensnobelpreisträgerin, in persönlichen Schreiben an die Staats- und Regierungschefs von Australien, Brasilien, China, Deutschland, Indien, Japan, Kuba, Russland, Südafrika und den USA. Kurz darauf kündigte US-Präsident Barack Obama das größte humanitäre Hilfsprogramm der Geschichte an: 3000 Soldaten sollten in Liberia Behandlungszentren für insgesamt 1700 Ebolapatienten errichten. China sagte ein weiteres Behandlungszentrum für Monrovia zu. Auch Deutschland kündigte an, ein Behandlungszentrum in Monrovia aufzubauen.
Doch die internationale Hilfe kam nur schleppend in Gang. Während seit August die wenigen vorhandenen Behandlungszentren in Westafrika von Kranken überrollt wurden, diskutierte man in Washington, Paris und Berlin über Anforderungen für Schutzanzüge und Desinfektionsmittel, Statik von Zeltbauten, Vorschriften zur Infektionssicherheit, Haftungsfragen und Rückholgarantien für infizierte Helfer.
In Berlin befasste sich eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe unter Leitung des Kanzleramtes mit den vielfältigen technischen, logistischen und rechtlichen Fragen.
Konsequenzen für die Zukunft
Aus den Fehlern und (begrenzten) Erfolgen der Ebolahilfe für Westafrika ergeben sich fünf wesentliche Erkenntnisse:
Natürliche Seuchenausbrüche entstehen nicht unvermittelt.
Die westafrikanische Ebola-Epidemie nahm ihren Anfang, lange bevor sich der kleine Émile infizierte. Aktuelle genetische Untersuchungen zeigen, dass das Ebolavirus bereits seit mehr als zehn Jahren in den westafrikanischen Regenwäldern vorhanden war, bevor es den gegenwärtigen Ausbruch verursachte.
Die Bekämpfung von Epidemien beginnt bei den Menschen.
In entlegenen Regionen des zentralafrikanischen Regenwalds, wo das Ebolavirus seit Jahrhunderten zuhause ist, werden an schwerem Fieber Erkrankte in einer Hütte außerhalb des Dorfes von einer alten Frau versorgt, die in dieser Zeit von Anderen gemieden wird – ohne wissenschaftliche Kenntnisse haben die Menschen hier eine perfekte Isolationsmethode entwickelt.
Diesen Lernprozess hatten die Statistiker der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und der WHO nicht berücksichtigt, als sie in der letzten Septemberwoche 2014 vorhersagten, Mitte Januar 2015 sei alleine in Liberia und Sierra Leone mit bis zu 1,4 Millionen Ebolafällen zu rechnen.
Die Kenntnis von Kultur und Lebensumständen der Betroffenen ist für die Epidemiebekämpfung essenziell. Dass die WHO im Rahmen ihrer Restrukturierung nahezu alle Ethnologen entlassen hat, war ein schwerer Fehler.
Behandlungszentren sind die wirksamste Soforthilfe.
Doch der Lernprozess braucht Zeit, gerade wenn religiöse und kulturelle Bräuche betroffen sind. In der Anfangsphase einer Epidemie bestimmt der Erreger deshalb selbst, wie schnell er sich ausbreitet. Bei hochinfektiösen Viren steckt jeder Kranke im Durchschnitt eine große Zahl anderer Menschen an; für Masern beträgt diese Reproduktionszahl R 0 (gesprochen "R-Null") ungefähr 15. Ebola wird dagegen nur durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten übertragen. Zu Beginn der Epidemie, als die Bevölkerung sich noch nicht zu schützen wusste, lag R 0 bei einem Wert von 2. Um die exponentielle Ausbreitung zu stoppen, muss R 0 unter 1 gebracht werden. Sofern kein Impfstoff vorhanden ist, gibt es in der Frühphase eines Ausbruches dafür nur ein Mittel: Die rasche Isolierung der Infizierten.
Zu diesem Zweck haben sich mobile "Ebola-Behandlungszentren" (Ebola Treatment Centers, ETC) bei früheren Ausbrüchen bewährt. Auch die aktuelle Epidemie zeigte, dass eine Isolierung zuhause (die etwa in Deutschland infrage käme) unter einfachen Lebensbedingungen nicht machbar ist. Zudem ist seit Kurzem klar, dass bereits simple Infusionen, die den durch Fieber und Durchfall entstandenen Salzverlust ausgleichen, viele Patienten retten können.
Damit das Verfahren funktioniert, müssen allerdings sehr schnell ausreichende Kapazitäten geschaffen werden. In der Hochphase der westafrikanischen Epidemie waren die ETC so überlastet, dass großenteils nicht einmal Infusionen gelegt werden konnten. Die Kranken verstanden schnell, dass sie hier nur isoliert, aber nicht behandelt wurden: Sie blieben zum Sterben lieber zuhause. Viele versteckten sich vor den Helfern, einige flohen sogar aus der Behandlung.
Im Notfall funktioniert nur, was bereits vorher funktioniert hat.
MSF hatte bereits über zehn Jahre Erfahrung mit Ausbrüchen von Ebola und ähnlichen Erkrankungen. Deshalb war es kein Zufall, dass ein MSF-Spezialist bereits aufgrund der klinischen Symptomatik an Ebola dachte und entsprechend reagierte. Die Pläne und Packlisten für Ebola-Behandlungseinheiten lagen in der Schublade, für die schnelle Reaktion gab es erfahrene Mitarbeiter (die freilich später nicht mehr ausreichten). Auch das Internationale Rote Kreuz (International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies, IFRC) konnte auf Erfahrungen mit Ebola aufbauen und eröffnete am 23. September 2014 sein erstes Behandlungszentrum. Erfolgreich waren auch die mobilen Labore, die insbesondere von der EU und den USA zur Verfügung gestellt wurden. Das erste Europäische Mobile Labor (EMLab), unter Leitung des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts, ging bereits Anfang April 2014 in Guéckédou in Betrieb.
Dagegen musste die Hilfsorganisation Samaritan’s Purse ihr Behandlungszentrum in Liberia schließen, nachdem sich zwei Mitarbeiter infiziert hatten und technische Probleme nicht in den Griff zu bekommen waren. 2800 US-Soldaten bauten 17 Behandlungseinheiten in Liberia, für die es jedoch kein medizinisches Personal gab. Die einzige funktionierende, staatliche US-Einheit ist ein kleines High-Tech-Hospital in Monrovia, in dem ausschließlich infizierte Helfer behandelt werden.
Seuchenbekämpfung muss schnell und flexibel sein.
Epidemien springen blitzschnell von einem Ort zum nächsten, und die Gegenmaßnahmen müssen ihnen folgen können. Die Behandlungseinheiten von MSF und die mobilen Labore waren auch deshalb erfolgreich, weil sie schnell verlegt und bei Bedarf modular erweitert werden konnten. Das Vereinigte Königreich konnte, wie alle staatlichen Akteure, seine Hilfe erst spät realisieren. Doch die Briten setzten auf mobile Zeltbauten nach dem Muster von MSF (die dann an private Hilfsorganisationen als Betreiber übergeben wurden). Vom 5. November bis zum 15. Dezember wurden in Sierra Leone, wo die Epidemie zu dieser Zeit noch hoch aktiv war, sechs erfolgreiche Behandlungszentren eröffnet.
Was jetzt getan werden muss
Aufgrund der Erfahrungen in Westafrika sind für die Abwehr künftiger Epidemien drei Maßnahmen zu empfehlen:
Seuchenprävention als integraler Bestandteil der Entwicklungshilfe.
Ebola konnte sich auch deshalb in Westafrika so massiv ausbreiten, weil die Gesundheitssysteme und staatlichen Infrastrukturen versagten. Mangels rechtzeitiger Information wussten die Menschen lange nicht, wie sie sich schützen sollten. Gute Bildungs- und Gesundheitssysteme und funktionierende staatliche Infrastrukturen wären der beste Schutz gegen Epidemien. Der Weg dorthin ist jedoch lang und mit hohen Kosten verbunden. Als schneller wirksame Maßnahme sollte die Seuchenprävention in alle relevanten Bereiche der Entwicklungshilfe integriert werden. In den von Ausbrüchen besonders betroffenen Regionen kann häufig mit einfachen Mitteln ein erheblicher Beitrag zum Schutz vor gefährlichen Infektionserregern geleistet werden.
Frühwarnsystem für neue Krankheitserreger.
Neue, gefährliche Krankheitserreger springen fast immer aus dem Tierreich auf den Menschen über: Ebola von Fledertieren, SARS
Medizinische Reaktionseinheit.
Die schnelle Inbetriebnahme von ETC in ausreichender Kapazität ist für die frühe Eindämmung eines Ausbruches entscheidend. In Westafrika zeigte sich, dass weder die WHO noch internationale Staatengemeinschaften oder einzelne Staaten dazu in der Lage sind. Bereits im Herbst 2014 wurden deshalb von verschiedenen Seiten Vorschläge für eine Medizinische Reaktionseinheit
Die technische Ausrüstung ist wenig anspruchsvoll. Mobile Einrichtungen in Zelten oder Containern können von der UN (UN Disaster Assessment and Coordination, UNDAC), der EU (European Commission Humanitarian Aid and Civil Protection, ECHO), der IFRC und nationalen Einheiten des Militärs und der Katastrophenhilfe bereitgestellt werden. Daneben muss die Versorgung mit Verbrauchsmaterialien (beispielsweise Schutzanzüge, Desinfektionsmittel) durch Lieferverträge oder Bevorratung sichergestellt werden.
Aufgrund der Erfahrungen in Westafrika sollten die ETC künftig auch über einfache Analysegeräte für die Bestimmung von Blutwerten (Elektrolyte) verfügen. Zusätzlich sind Geräte zur Gewinnung von Blutplasma notwendig. Damit lassen sich aus dem Blut geheilter Patienten Antikörper gewinnen, die zur Therapie frisch Infizierter eingesetzt werden können.
Eine weit größere Herausforderung als die Ausstattung stellt das Personal dar. Für ein ETC mit 100 Betten werden etwa 30 internationale und 300 lokale Helfer benötigt. Im Gegensatz zu IFRC, MSF und anderen humanitären Hilfsorganisationen können Staaten nicht auf einen Pool von Stammhelfern zugreifen, die bereits ausgebildet sind und schnell eingesetzt werden können. Zudem bestehen bei der staatlichen Entsendung nichtmilitärischer Helfer erhebliche rechtliche Probleme (Haftung bei Infektionen, Freistellung beim Arbeitgeber und Ähnliches).
Für die Medizinische Reaktionseinheit sind vier Komponenten erforderlich: Erstens, eine internationale Einsatzleitung, die szenariobasierte, generische Einsatzpläne für medizinische Krisen entwickelt und übt und im Ernstfall die Koordination übernimmt. Zweitens, ein interdisziplinärer Expertenpool, aus dem bei Bedarf geeignete Berater, Ausbilder und Leiter für die Hilfe vor Ort herangezogen werden können. Drittens, ein Netzwerk von Kooperationspartnern für die technische und logistische Unterstützung (UNDAC, ECHO, IFRC, nationale Militär- und technische Hilfseinheiten und Andere). Viertens, nationale Helferpools aus einschlägigen Berufen, die durch regelmäßige Fortbildungen (Katastrophenmedizin, Sprachen und Anderes) und im Bedarfsfall durch spezielles Einsatztraining vorbereitet werden. Die Reaktionseinheit sollte gemeinsam mit lokal etablierten Hilfsorganisationen tätig werden, die insbesondere die Helfer vor Ort stellen. Ähnliche Kooperationen haben sich in der westafrikanischen Ebolakrise bewährt.
Krisenintervention ist nicht Aufgabe der WHO
Dass die WHO in der Ebolakrise scheiterte, ist nur zum Teil auf persönliche Fehlentscheidungen zurückzuführen. Viel schwerer wiegt ein strukturelles Problem, das mittelfristig nicht lösbar ist. Das Jahresbudget der globalen Gesundheitshüter liegt bei mageren zwei Milliarden Dollar (zum Vergleich: die CDC verfügen über sechs Milliarden Dollar jährlich). Davon werden nur 23 Prozent durch die Mitgliedsstaaten eingezahlt. Der Rest kommt von privaten Spenden, die in der Regel an spezifische Projekte gebunden sind. Nach dem Wunsch der Industriestaaten, die vergleichsweise hohe Beiträge leisten, stehen neuerdings Zivilisationsschäden wie Herzerkrankungen, Diabetes und Übergewicht an der Spitze der WHO-Agenda.
Mit den IGV von 2005 wurde die Verantwortung für die Seuchenbekämpfung auf die Mitgliedsstaaten übertragen. Für den damaligen Anlass, die SARS-Epidemie von 2003, war das sinnvoll, weil hauptsächlich reiche Länder betroffen waren. Deshalb sieht der internationale Gesundheitsnotfall PHEIC fast ausschließlich Maßnahmen zum Schutz der Außengrenzen hoch entwickelter Staaten vor (etwa Beschränkungen des Flug- und Schiffsverkehrs). Für die regionale Ausbruchsbekämpfung in Entwicklungsländern hat die WHO dagegen keine effektive Handhabe.
Um ihre finanzielle und politische Unabhängigkeit zu sichern, muss die medizinische Reaktionseinheit außerhalb der WHO eingerichtet werden, zum Beispiel als Fortsetzung des UNMEER-Programms. Auch eine Anbindung an die EU, etwa als Kooperation zwischen den Generaldirektionen für Gesundheit (SANTE) und Katastrophenschutz (ECHO), wäre denkbar. Europa hat als Nachbar und aufgrund seiner Kolonialgeschichte ausgeprägte Sicherheitsinteressen und eine besondere Verantwortung für Afrika.
Der bevorstehende G7-Gipfel Anfang Juni 2015 bietet die Chance, der Menschheit im Kampf gegen gefährliche Krankheitserreger einen wichtigen Vorteil zu verschaffen. Die drei vorgeschlagenen Maßnahmen könnten mit dem Finanzinstrument Pandemic Emergency Facility budgetiert werden, das die Weltbank derzeit als Reaktion auf die Ebola-Epidemie entwickelt. Zusätzlich sollten die G7-Staaten nationale Fonds einrichten, um Helfer bei humanitären Auslandseinsätzen zu versichern und deren Arbeitgeber für die Freistellung zu entschädigen.
Dass Ebola sich nicht weiter verbreitet hat, insbesondere nach dem Ausbruch in Nigeria, war großes Glück für die Welt. Ein nur geringfügig höher infektiöses Virus hätte eine weltweite Pandemie mit Millionen Opfern verursachen können. Im Krieg zwischen Mensch und Mikrobe ist die Epidemiebekämpfung in Entwicklungsländern die letzte Verteidigungslinie.