Wozu ist die Hochschule da? Studierende wollen am Ende ihres Studiums einen guten Job, Professoren wollen und sollen forschen. Hochschulen erhalten Geld für ihre Studierenden, ihre Reputation erhalten sie jedoch durch Forschungsleistungen. Forschung ist auch den Arbeitgebern wichtig, noch wichtiger sind ihnen aber kreative Persönlichkeiten. Und Politiker wollen alles zugleich: Spitzenleistungen sowohl in Forschung als auch in Lehre und Weiterbildung.
Bereits diese etwas vereinfachte Beschreibung unterschiedlicher Perspektiven auf Hochschule lässt vermuten, dass das Thema "Beschäftigungsfähigkeit" für Hochschulen ein schwieriges und nicht unbedingt eine Herzensangelegenheit ist – ähnlich wie der gesamte Bologna-Prozess. 1999 hatten in Bologna 30 europäische Staaten den Startschuss für die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes gegeben, umfassende Reformen der nationalen Hochschulsysteme waren die Folge. Und dennoch: Bei aller seither erhobenen, berechtigten Kritik an der Bologna-Reform beziehungsweise deren Umsetzung ist es ihr Verdienst, die längst überfällige Diskussion um die Funktionen von Hochschule wieder auf die Agenda gesetzt zu haben. Diese Diskussion wird gegenwärtig umso dringlicher, da die Exzellenzinitiative den Forschungsfokus weiter verstärkt hat, den Hochschulen aber – angesichts einer heterogenen Studentenschaft und zivilgesellschaftlicher Erfordernisse – zugleich immer wieder neue Aufgaben aufgebürdet werden.
Was bedeutet "Beschäftigungsfähigkeit"?
Als gängige Übersetzung des in der Bologna-Debatte verwendeten Employability-Begriffs zielt Beschäftigungsfähigkeit auf die Fähigkeit ab, sich erforderliche Kompetenzen bei sich verändernden Bedingungen anzueignen beziehungsweise aneignen zu können, um Erwerbsfähigkeit zu erlangen beziehungsweise aufrechtzuerhalten.
Im Laufe der Debatte wandelte sich die Verwendung beziehungsweise die Übersetzung von Employability in den Bologna-Dokumenten erheblich. Die Bandbreite der Bedeutungen reicht von der "Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt" und einer "arbeitsmarktbezogenen Qualifizierung" der Studierenden über "Erwerbs- und Berufsbefähigung" sowie "Beschäftigungsfähigkeit" bis hin zur "beruflichen Relevanz des Studiums". Viele Hochschulexpert(inn)en wie auch Dozent(inn)en und Studierende wenden sich gegen eine Determinierung der Hochschulbildung durch den Arbeitsmarkt. Zugleich wird gerade von Hochschulexpert(inn)en immer wieder die Notwendigkeit betont, den Zusammenhang von Studium und Beruf beziehungsweise Hochschule und Arbeitsmarkt bewusst zu reflektieren, was sich in Begriffen wie "professionelle Relevanz", "Praxistauglichkeit", "Praxisbezug" oder "Arbeitsmarktrelevanz" eines Studiums widerspiegelt.
Bei der Frage, ob Beschäftigungsfähigkeit überhaupt mit einem akademischen Bildungsanspruch vereinbar ist, gehen die Meinungen in der Hochschulöffentlichkeit weit auseinander. Wir vertreten die Auffassung, dass Beschäftigungsfähigkeit als Bildungsziel und akademischer Bildungsanspruch vereinbar sind, wenn mit Beschäftigungsfähigkeit nicht die unmittelbare Ausrichtung auf den Arbeitsmarkt oder auf einen Beruf, sondern die notwendige Reflexion des Zusammenhangs von Hochschule und Arbeitsmarkt und die Befähigung für ein Tätigkeits- beziehungsweise Berufsfeld gemeint ist. Das heißt vor allem zu klären, für welche beruflichen Felder ausgebildet wird, welche arbeitsmarktrelevanten Ziele zu berücksichtigen sind und welche fachübergreifenden Kompetenzen die Absolvent(inn)en eines Studienganges benötigen. Für die Gestaltung eines praxistauglichen Studienganges ist zudem die Einbeziehung von Expert(inn)en aus der Praxis unverzichtbar. Damit ist Beschäftigungsfähigkeit ein wesentliches Merkmal der Lehr- und Studienqualität.
Beschäftigungsfähigkeit als Leitziel der Studienreform und Qualitätsmerkmal eines Studiums bedarf jedoch der weiteren Konkretisierung und Operationalisierung, insbesondere nach Hochschulart – Universität oder Fachhochschule – und Fachkultur. So ist nach dem Grad des Berufsfeldbezugs der Fächer zu differenzieren, beispielsweise nach klar bestimmten Berufsfeldern wie beim Studium von Lehramt, Medizin und Jura, weniger klaren Berufsfelder bei den Betriebs- und Ingenieurwissenschaften oder offenen Berufsspektren bei den Geistes-und Sozialwissenschaften. Zwar gibt es an Hochschulen gute Ansätze, bei der konkreten Positionierung und fachspezifischen Umsetzung von Beschäftigungsfähigkeit stehen die meisten jedoch noch am Anfang.
Wie steht es um die Absolvent(inn)en?
Bei der Einmündung von Hochschulabsolvent(inn)en in den Arbeitsmarkt scheint Beschäftigungsfähigkeit
Leitidee oder Leerformel? Kontroversen und Widerstand
Bereits das Hochschulrahmengesetz von 1976 schreibt die Berufsvorbereitung als eine von mehreren Aufgaben von Hochschule eindeutig vor: "Sie bereitet auf berufliche Tätigkeiten vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und wissenschaftlicher Methoden (…) erfordern."
Was schon in den 1970er Jahren gefordert wurde, gilt heute im Zeitalter der "Massenuniversität" erst recht. Hochschulen haben die Aufgabe, sich nicht nur um ihren wissenschaftlichen Nachwuchs zu kümmern, der nur einen sehr kleinen Teil ihrer Studierenden ausmacht, sondern gleichermaßen auch um die breite "Masse der Studierenden". Alle Absolvent(inn)en sollen wissenschaftlich vielseitig für die wechselnden Anforderungen der Arbeitswelt breit qualifiziert werden.
Obwohl also die Ausbildungsaufgabe von Hochschulen gesetzlich klar definiert ist, ist Beschäftigungsfähigkeit als Bildungsziel in der Hochschuldebatte noch nicht systematisch in Angriff genommen worden. Dabei ist eine deutliche Schieflage zu erkennen: Während Beschäftigungsfähigkeit auf der hochschulpolitischen Ebene zu einem Leitbegriff beziehungsweise Schlagwort avancierte, ist er in der Fachdebatte strittig und im Hochschulalltag meist wenig präsent. Auch in der bisherigen Bologna-Bilanz ist der Begriff eher randständig. Der politischen Forderung nach Beschäftigungsfähigkeit stehen bisher kaum Konzepte ihrer Förderung und Instrumente ihrer Erfassung gegenüber. So findet sich beispielsweise im Bericht zur nationalen Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) von 2012 mit Bezug auf Employability nur der Hinweis auf die gestiegene Akzeptanz für Bachelorabsolvent(inn)en sowie auf die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Hochschulen zur "besseren Verzahnung von Bildung und Beruf".
Die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs Beschäftigungsfähigkeit und dessen mangelnde Konzeptionierung hat die ohnehin distanzierte Haltung vieler Hochschulangehöriger gegenüber dem Thema noch befördert. So belegen neuere Studien
Im Unterschied zu den Universitäten stellt sich die Situation an Fachhochschulen, die traditionell ein stärker praxisbezogenes Aufgabenprofil haben, ganz anders dar: Hier befürwortet die Mehrheit der Professorenschaft eine verstärkte berufliche Relevanz des Studiums. Während an Fachhochschulen die wissenschaftlichen Mitarbeiter(innen) mit den Professor(inn)en übereinstimmen, geht an Universitäten die Haltung zwischen der Professorenschaft und deren Mitarbeiter(inne)n auseinander: 41 Prozent sind für eine stärkere berufliche Relevanz und nur 18 Prozent sind eher dagegen. Ob allerdings der Universitätsnachwuchs seine Werteprioritäten im Laufe der beruflichen Sozialisation beibehalten kann, ist angesichts des "heimlichen Lehrplans"
Welche Kompetenzen sind gefragt?
Ein deutlich größeres Interesse an der Debatte um Beschäftigungsfähigkeit besteht dagegen bei solchen Hochschulakteur(inn)en wie beispielsweise Qualitätsmanagern, Mitarbeitern von Career Centern und Zentren für Schlüsselqualifikationen, und vor allem bei Studierenden sowie bei Arbeitgebern. So bestätigen zahlreiche Studien
Zugleich machen die Studien auf unterschiedliche Erwartungen an Hochschulbildung und an die zu erwerbenden Kompetenzen im Studium aufmerksam. Diese variieren je nach Perspektive der Akteure, aber auch nach Hochschultyp und Fachkultur. Wichtiger als spezielles Fachwissen ist den Unternehmen, dass sich die Absolvent(inn)en in neue Bereiche einarbeiten, mit neuen Problemen umgehen und ihr erworbenes Wissen anwenden können sowie über soziale Kompetenzen verfügen. So sind seitens der Arbeitgeber Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Problemlösungsfähigkeit elementare Anforderungen. Der hohen und weiter steigenden Bedeutung von Schlüsselqualifikationen steht jedoch die Einschätzung von Studierenden gegenüber, die bei der Vermittlung sozialer und überfachlicher Kompetenzen deutliche Defizite sehen, wobei sich wiederum Unterschiede zwischen den Hochschularten ergeben: Bei fachlichen Kompetenzen sehen sich Studierende und Absolvent(inn)en der Universitäten stärker gefördert, bei den sozialen Kompetenzen dagegen Fachhochschulstudierende und -absolvent(inn)en. Im internationalen Vergleich liegen die Stärken Deutschlands eher in den fachlichen Kompetenzen, während bei den Schlüsselkompetenzen, insbesondere bei Teamarbeit, Verhandeln, Arbeitsorganisation und Zeitmanagement, deutsche Absolvent(inn)en unter dem europäischen Durchschnitt liegen – ein Befund, der in der öffentlichen Debatte bisher kaum wahrgenommen wurde.
Beschäftigungsfähigkeit setzt die Integration von berufs- und arbeitsmarktrelevanten Aspekten in das Studium und die Vermittlung entsprechender Kompetenzen voraus. Zentral ist hier die Frage, welche Kompetenzen zur Ausbildung von Beschäftigungsfähigkeit beitragen und durch welche Lehr-Lernarrangements diese Kompetenzen entwickelt werden können. Insofern sind Kompetenz- und Employability-Debatte eng miteinander verbunden.
Defizite bei Forschungs- und Praxisbezügen
Mit Ulrich Teichler
erstens den Erwerb von Fähigkeiten, die das Verständnis von wissenschaftlichen Methoden, Begriffen, Theorien, Informationen und Wissensbeständen und einen kritischen Umgang mit ihnen beinhalten ("wissenschaftliches Denken"),
zweitens die Vorbereitung auf die Wahrnehmung beruflicher Aufgaben, die auf fachwissenschaftlichem Wissen und im Fachkontext vermittelten Kompetenzen aufbaut,
drittens den Erwerb einer spezifisch wissenschaftlichen Haltung, die auf intellektueller Neugierde, analytischem Verstand und Kritikfähigkeit basiert, und
viertens die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen oder -qualifikationen, wobei meist bestimmte soziale Kompetenzen im Mittelpunkt stehen.
Es ist davon auszugehen, dass bei einigen dieser Zieldimensionen deutlicher Nachholbedarf besteht. Darauf verweisen nicht nur die schon angeführten Befragungsergebnisse, sondern auch Befunde zu solchen Aspekten der Studienqualität wie Forschungs- und Praxisbezüge. Sowohl Forschungs- als auch Praxisbezüge seien demnach im Vergleich zu der Bedeutung, die sie für die Studierenden einnehmen, im Studium zu selten vorhanden. Große Defizite gebe es besonders bei der Berufsvorbereitung. Praxis wird durch die Studierenden als wichtiger eingeschätzt als Forschung. An Fachhochschulen seien die Praxisbezüge und Praxisanteile größer als an Universitäten. Forschungsangebote seien an Universitäten – erstaunlicherweise – kaum stärker verbreitet als an Fachhochschulen. Dabei seien Forschungs- und Praxisbezüge von zentraler Bedeutung: Gute Studienbedingungen sowie Angebote und Bezüge zur Forschung und Praxis fördern die selbst wahrgenommenen fachlichen, wissenschaftlichen und überfachlichen Fähigkeiten.
Ein Modell zur Förderung der professionellen Handlungskompetenz
Trotz der überwiegend distanzierten Haltung gegenüber dem Bildungsziel Beschäftigungsfähigkeit gibt es an vielen Hochschulen zahlreiche Ansätze, die Beschäftigungsfähigkeit zu fördern. Viele firmieren nicht immer unter dem Etikett Beschäftigungsfähigkeit, sondern eher unter "Forschendem Lernen", "Service Learning" oder "Problemorientiertem Lernen", und bräuchten somit nur stärker herausgestellt zu werden. So wurden im Zuge der Bologna-Debatte bereits eine Reihe von Konzepten entwickelt beziehungsweise reaktiviert, die geeignet sind, ein akademisches Verständnis von Beschäftigungsfähigkeit im Sinne eines praxistauglichen und berufsrelevanten Hochschulstudiums zu fördern. Und die Hochschulrektorenkonferenz hat für den Zeitraum 2014 bis 2018 ein weiteres Projekt zur Unterstützung der Hochschulen bei der Umsetzung der europäischen Studienreform gestartet, das neben der Studieneingangsphase und der Mobilität auch die Förderung der Übergänge in das Beschäftigungssystem zum Schwerpunkt hat.
Aufbauend auf einer Bestandsaufnahme der Debatte um Beschäftigungsfähigkeit lässt sich folgendes heuristische Modell zur Förderung von Beschäftigungsfähigkeit entwerfen (siehe Abbildung):