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Es könnte alles so schön sein Qualitätsmanagement als Motor für die Ganztagsschule

Helle Becker

/ 15 Minuten zu lesen

Qualitätsentwicklung in der Ganztagsschule steht und fällt mit der Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der schulischen und außerschulischen Partner. Mit bereits bewährten Instrumenten lässt sie sich fördern, vor allem aber braucht es Zeit für die schrittweise Umorientierung.

Soll es um Qualität in der Ganztagsschule gehen, verrät schon der Blick auf die definitorische Grundlage: Es gibt sie gar nicht, "die" Ganztagsschule. Schon die Kultusministerkonferenz unterscheidet drei Formen, die voll gebundene Ganztagsschule, die teilweise gebundene und die offene Ganztagsschule. Und so unterschiedlich die Bezeichnungen der jeweiligen Ganztagsschule in den Ländern sind (Ganztagsschule, Ganztagsangebote, Ganztagsbetreuung, Freiwillige Ganztagsschule, Nachunterrichtliche Betreuungsangebote, Ganztagsschule in Angebotsform), so sind es auch die organisatorischen und inhaltlichen Ausformungen wie Öffnungszeiten, Verpflichtungsgrade oder der Umfang von ergänzenden Ferienangeboten. Und während in der voll gebundenen Schule die gesamte Schülerschaft und die ganze Stundentafel betroffen sind, nehmen in der teilweise gebundenen Schule einzelne Klassen oder Jahrgangsstufen verbindlich am Ganztagsangebot teil, und in der offenen Ganztagsschule kann die Teilnahme auf ein Halbjahr beschränkt sein und das fast immer in einer vom Klassenverband unabhängigen Gruppe. Darüber hinaus setzen die Bundesländer Schwerpunkte auf bestimmte Ziel- oder Altersgruppen, Schulformen oder auf verschiedene Modelle der Einbeziehung von außerschulischen Akteuren.

Damit sind bereits zahlreiche variable Qualitätsbedingungen benannt, die beispielsweise eine Differenzierung und Segmentierung der empirischen Beforschung der Ganztagsschule notwendig machen.

Qualität ist relativ

Aber Qualität hängt nicht nur von den Bedingungen der Ganztagsschule ab, sondern vor allem von ihrer jeweiligen Zielbestimmung. Je nachdem, ob familienpolitische, bildungspolitische, sozialpolitische oder jugendpolitische Absichten verfolgt werden, wird entweder eine verlässliche Betreuung, eine "bessere" oder "mehr" Bildung oder die Kompensation sozialer Ungleichheiten als Schwerpunktaufgabe und Ziel der Ganztagsschule angesehen. Davon abhängig – Qualität ist ein relationaler Begriff – werden unterschiedliche Qualitätskriterien angelegt. Die Vielfalt der im Ganztag wirkenden oder betroffenen Akteure tut ein Übriges: Qualitätsvorstellungen variieren je nach der Perspektive des Schulpersonals, der außerschulischen Träger und deren Mitarbeiter(innen), der Eltern und nicht zuletzt der Kinder und Jugendlichen. Erwartungen und Qualitätsansprüche sind außerdem abhängig von der Schulform.

Auch die Forschung beurteilt Schulqualität aus verschiedenen Blickwinkeln. So fragt die Schuleffektivitätsforschung "nach den Bedingungen guter Schulen und ihren Zusammenhängen mit schulischen Lernergebnissen", die Schulentwicklungsforschung legt den Schwerpunkt auf die Entwicklungsbedingungen von Schulen. Zudem wird unterschieden zwischen fachspezifischen und fachübergreifenden Wirkungen von Schule sowie zwischen gezielt veranstalteten (beispielsweise Unterricht, AGs) und nicht "veranstalteten" Erfahrungsbereichen (informellen Erfahrungskontexten). Eine weitere Unterscheidung betrifft die Fokussierung auf Prozesse oder auf die Systemebene (die Ebene der strukturellen, politischen, rechtlichen Bedingungen von Schulen, die Ebene der Klasse/des Unterrichts und die individuelle Ebene der Lehrenden und Lernenden).

Auch die Qualität von Ganztagsschulen bestimmt sich "anhand solcher Merkmale, die für alle Schulen im allgemeinbildenden Schulwesen, seien sie Ganztags- oder Halbtagsschulen, von Relevanz sind, unabhängig davon, ob die Ganztagschulen in gebundener Form organisiert sind oder in additiver. Damit erhalten diejenigen Argumente und Merkmale, die in der allgemeinen Qualitätsdiskussion zur Schule vorgetragen werden, auch für die Qualitätsdiskussion um Ganztagschulen (…) Bedeutung." Allerdings werden an die Ganztagsschule darüber hinaus schulreformerischer Hoffnungen geknüpft, sodass "eine Fixierung auf die fachlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler als Kriterium schulischer Qualität (…) unzureichend ist und notwendig durch weitere Punkte (…) erweitert werden muss."

Unterschiedliche Qualitätsbereiche

Die Ganztagsschule bringt also weitere Ausdifferenzierungen mit sich. Es geht auch um Aspekte einer verlässlichen Betreuung (Wege, Zeiten, Räume, Personal), um gesundheitliche Aspekte (Ruhe- und Bewegungszeiten, Mobiliar) oder Ernährung. Diese Punkte standen sogar lange im Zentrum der Forschung und Diskussion der Ganztagsschule, wohl auch, weil man sich hier relativ schnell auf Qualitätskriterien einigen und sie verhältnismäßig leicht objektivierbar und operationalisierbar machen konnte.

Anders sieht dies aus, wenn es um die intendierten pädagogischen Wirkungen der Ganztagsschule geht. Dies liegt einerseits an der grundsätzlichen Schwierigkeit, pädagogisches Handeln in der Hoffnung auf Qualitätssicherung formalisieren und standardisieren zu wollen, gleich, ob es sich dabei um die Formulierung von Zielqualitäten oder von technologischen Qualitäten handelt. Zudem ist gerade für den Bereich nichtformaler und informeller Bildung, die ja in der Ganztagsschule explizit einen Platz erhalten sollen, in der Regel Konsens, dass der "Eigensinn" offener pädagogischer Situationen nicht durch vereinheitlichende Standards gehindert oder gar verunmöglicht werden soll. Anderseits soll die Gestaltung pädagogischer Settings und Prozesse nicht subjektiv-individuellen Einschätzungen überlassen bleiben.

Eine zweite Schwierigkeit liegt darin, dass sich bei Qualitätsfragen, die sich auf die fachübergreifenden Wirkungen von Schule beziehen (also weniger auf den Output in Form von fachbezogenem Wissen oder Fähigkeiten und mehr auf sogenannte Schlüsselkompetenzen, auf Haltungen, Motivation oder Selbstregulierungsfähigkeiten), die Perspektive für weitere Einflussfaktoren auf die Bildungsprozesse öffnen muss (Gestaltung des Schullebens, außerunterrichtliche Angebote, Strukturierung der Zeit, Räumlichkeiten, Mobiliar, Gruppenzusammensetzung, Personal, Beziehungen, Mittagessen, Hausaufgaben und vieles andere mehr). Und während sich die Schulforschung vornehmlich auf die Einzelschule konzentriert und Qualität als Resultat schulinterner Prozesse begriffen wird, kommen vor allem mit der Organisation des Ganztags noch die Bedingungen auf anderen Ebenen, meist auf kommunaler Ebene, in den Blick.

Mit der Erweiterung der Palette von pädagogischen Akteuren kommt eine weitere Qualitätsdimension hinzu:

"Wenn die nicht-unterrichtlichen Anteile der Ganztagsschule bzw. Ganztagsangebote als sozialpädagogische Angebote bzw. Angebote der Jugendhilfe verstanden werden (sollen), dann gilt auch für diesen Bereich, dass die Qualitätsdiskussionen und -merkmale, die in der Sozialpädagogik bzw. Jugendhilfe (der Jugendarbeit, Erziehungshilfe, Beratungsarbeit, Kindertagesstätten etc.) als bedeutsam angesehen werden, auch für die entsprechenden Angebotsbereiche der Ganztagschule/der Ganztagsangebote Relevanz erhalten" .

Damit werden die zu prüfenden oder zu managenden Qualitätsbereiche und die jeweiligen Einflussfaktoren nahezu unübersehbar komplex.

Herausforderung Kooperation

Auf die Einbeziehung außerschulischer Partner setzen die meisten Ganztagsschulkonzepte. In den meisten Bundesländern wird die Kooperation mit der Kinder-und Jugendhilfe, Kultureinrichtungen und Sportvereinen sogar offensiv als Möglichkeit zur "Erneuerung" von Schule gewertet. So heißt es beispielsweise im entsprechenden nordrhein-westfälischen Erlass:

"Die offene Ganztagsschule soll durch die Zusammenarbeit von Schule, Kinder- und Jugendhilfe und weiteren außerschulischen Trägern ein neues Verständnis von Schule entwickeln. Sie sorgt für eine neue Lernkultur zur besseren Förderung der Schülerinnen und Schüler. Sie fördert die Zusammenarbeit von Lehrkräften mit anderen Professionen. Sie ermöglicht mehr Zeit für Bildung und Erziehung, individuelle Förderung, Spiel- und Freizeitgestaltung sowie eine bessere Rhythmisierung des Schultages. Sie sorgt für ein umfassendes Bildungs- und Erziehungsangebot, das sich an dem jeweiligen Bedarf der Kinder und der Eltern orientiert."

Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass es auch "die" Kinder- und Jugendhilfe nicht gibt, weil sich diese de facto in der Ganztagsschule als professionelle Betreuung, Fördermaßnahmen, Hausaufgabenhilfe, AGs, Fachangebote, außerschulische Lernorte, Sozialarbeit und dergleichen wiederfindet. Zwar hat die Kinder- und Jugendhilfe eine bundesweit gemeinsame, sogar gesetzliche Grundlage, die elementare Qualitätsvorstellungen formuliert. Die professionellen Auffassungen von Erzieher(inne)n, Sozialpädagog(inn)en oder Jugendbildner(inne)n unterscheiden sich jedoch zum Teil erheblich. Und die Palette der möglichen Partner und Professionen ist in allen Bundesländern noch größer. Sie reicht vom Mitschüler bis zur hauptamtlichen außerschulischen Pädagogin, vom Künstler auf Honorarbasis bis zur ehrenamtlichen Hausaufgabenhilfe. Die Vielfalt der außerunterrichtlichen "Angebote" – in die Verantwortung der Schulen und Schulträger gestellt – richtet sich nach Betreuungsbedarf, Förderbedarf, nach Elternwünschen (weniger nach Schülerwünschen), räumlichen und finanziellen Bedingungen der Schulen und möglichen Partnern im sozialräumlichen Umfeld. Die Entscheidung darüber wird nach Kriterien gefällt, die im Idealfall Jugendamt, Schulverwaltungsamt und Schulen auf kommunaler Ebene gemeinsam entwickeln. Die Ressourcen für die Ausgestaltung der Entscheidungen sind vor allem abhängig von der finanziellen Leistungskraft von Land und Kommunen, oft auch der Eltern.

Qualität der Kooperationen = Qualität der Angebote

Die kooperative Ausgestaltung der Ganztagsschule ist denn auch die wahre Herausforderung der neuen Schulform. Das Zusammenwirken von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten, deren Vielfalt und damit das Zusammenspiel verschiedener Professionen werden deshalb als wesentlicher Qualitätsfaktor angesehen.

Ganz gleich, welche Zielsetzung für die Planung von Ganztagsschulangeboten gewählt wird (eher Betreuung, Persönlichkeitsbildung oder Förderung): Eine bewusste Gestaltung der Kooperation im Rahmen eines abgestimmten Gesamtkonzepts ist zentral, da professionelle Grundsätze, pädagogische Konzepte, Inhalte und Methoden nicht isoliert voneinander stehen können – sie sind mindestens organisatorisch miteinander verbunden.

Mit der Qualität der Kooperation steht und fällt die Qualität der außerunterrichtlichen Angebote und diese scheint, zusammen mit dem Schulklima, ein Dreh- und Angelpunkt für die individuellen Wirkungen der Ganztagsschule zu sein:

"Ob die Teilnahme am Ganztagsbetrieb individuelle Wirkungen zeigt, hängt vor allem von der Qualität der Schulen und der Angebote ab. (…) Es ist zu berücksichtigen, wie die Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte und das weitere im Ganztag pädagogisch tätige Personal die Beziehungen untereinander wahrnehmen. Denn das beeinflusst die individuelle Entwicklung, die Motivation und das Sozialverhalten der einzelnen Heranwachsenden. Auch Qualitätsmerkmale der außerunterrichtlichen Angebote haben sich empirisch als bedeutsam erwiesen. Dazu gehören der Partizipationsgrad der Schülerinnen und Schüler, der Bezug der vermittelten Inhalte zur Lebenswelt und die Passung der Anforderungen an die spezifischen Kompetenzen der einzelnen Lernenden."

Die neuen Erfahrungen mit Kooperationen im Ganztagsbetrieb einer Schule waren seit Beginn der Aufbauphase von Ganztagsschulen vor allem ein Thema der außerschulischen Partner. Die von ihnen gesetzte Qualität ihrer Angebote sollte im Ganztag nicht durch schulische Bedingungen geschmälert werden. Um diese aber mitgestalten zu können, war und ist man auf "gute Kooperation" angewiesen. Die entsprechende Forschung und Literatur dazu sind Legion: "Zahlreiche Studien benennen konkrete Kooperationsprobleme, z.B. divergierende Erwartungen und Fachkulturen, Steuerungsprobleme, Statusprobleme sowie eine unzureichende Kooperationsbereitschaft im Ganztag. So wird das Arbeitsbündnis zwischen Lehrkräften und Kooperationspartnern an Ganztagsschulen durch unterschiedliche Bildungsverständnisse, Bildungsideale und lernmethodische Prinzipien belastet." Die Frage nach den "Gelingensbedingungen" guter Kooperation wurde jahrelang gestellt. In großem Umfang beschäftigte sich das Verbundprojekt "Lernen für den GanzTag" mit dem Thema. Das Gemeinschaftsprojekt der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Rahmen der Modellprojektförderung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) hatte das Ziel, im Zeitraum 2004 bis 2008 gemeinsame Qualifikationsprofile für Ganztagspersonal aus unterschiedlichen Professionen – Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte – zu entwickeln und durch Fortbildungsmodule nutzbar und umsetzbar zu machen.

Und alle haben Qualitätsvorstellungen

Spätestes damit ist die Ganztagsschule von Qualitätsvorstellungen umzingelt. Denn aus dem Bereich der außerschulischen Partner kommen weitere Ansprüche hinzu, die sich je nach Fachverständnis, fachspezifischer Perspektive oder Auffassung der beteiligten Professionen unterscheiden. Je mehr Akteure beteiligt sind, umso dringlicher wird es, sich über die jeweiligen Vorstellungen über Ziele und Qualitäten der Ganztagsschule zu verständigen. Quintessenz aller am Qualitätsdiskurs beteiligten Wissenschaftler(innen) und Fachorganisationen, die sich mit Ganztagskooperationen befassen, ist daher vor allem die Empfehlung an die Kooperationspartner, sich systematisch über die jeweiligen Qualitätsvorstellungen auszutauschen.

Bewährte Steuerungsinstrumente

So kommt es, dass die Steuerung von Kooperationen ein zentrales Thema der Qualitätsentwicklung in Ganztagsschulen ist. Sie ist Gegenstand der Qualitätsvorgaben der Schuladministration, beispielweise in den Schulgesetzen und in sogenannten Qualitätsrahmen, die im Zuge diverser Prüfsysteme als Referenz für die Beurteilung von Schulen herangezogen werden. Da die Länder die Ganztagsschulen über die Kommunen (als Schulträger) finanzieren, legen sie über die Förderrichtlinien auch Qualitätsansprüche fest. In allen Fällen betreffen diese auch die systematische Organisation von Kooperationen, zum Beispiel durch die Formulierung gemeinsamer Qualitätsansprüche und deren Festschreibung in einer Kooperationsvereinbarung. Neben diesen Vorgaben sind es vielfach Rahmenvereinbarungen zwischen den Schulministerien und Verbänden und Zusammenschlüssen außerschulischer Partner, mit denen eine qualitätsvolle Zusammenarbeit (und auch die Beteiligung an Evaluationen) verabredet wird.

Darüber hinaus gibt es zahllose Handreichungen und Materialien, die die innerschulische und/oder kommunale Planung und Durchführung sowie Selbstevaluation von Kooperationen erleichtern sollen. Diese tools des Qualitätsmanagements sind häufig aus Modellprojekten außerschulischer Partner oder in Zusammenarbeit von Schul- und Jugendadministration entstanden. Sie werden in den allermeisten Fällen von Beratungs- und Unterstützungsangeboten flankiert, die sich überwiegend an alle verantwortlichen Akteure im Ganztag richten. Dazu zählen beispielweise die Serviceagenturen "Ganztägig lernen", die im Rahmen des Investitionsprogramms "Zukunft Bildung und Betreuung" der Bundesregierung 2003 bis 2009 entstanden sind und inzwischen von den Bundesländern weitergeführt werden. Daneben gibt es landesweite Angebote durch Verbände der außerschulischen Partner sowie eigens eingerichtete Beratungsstellen, die unter anderem das Personal im Ganztag qualifizieren. Viele Kommunen organisieren als Schulträger die Kooperation von Schulen und außerschulischen Partnern, geben Qualitätsstandards für diese Kooperation vor und/oder bieten neben Beratungs- und Fortbildungsstellen auch Runde Tische und Qualitätszirkel für das Kooperationsmanagement an.

Langsam voran

Diese Art des individuellen Qualitätsmanagements ist zweifellos der Motor für die Weiterentwicklung von Ganztagsschulen. Es könnte also alles so schön sein, stattdessen scheint die Kritik an der Ganztagsschule nicht abzureißen. Zwei Gesichtspunkte mahnen, damit nicht zu vorschnell zu sein: Einmal gibt es große Unterschiede von Schule zu Schule, die einem weit verzweigten Bedingungsgefüge geschuldet sind, das sich nicht "mal eben" abschaffen lässt. Faktoren wie Stadt oder Land, die Finanzen von Land und Gemeinden, die Bevölkerungsstruktur und die Schultraditionen sind wirkmächtig. Daran ändern auch ordnungspolitische Top-down-Träume nichts, die das Heil in zentralen Qualitätsvorgaben, möglichst auf Bundesebene, suchen wollen. Und dann zeigen gut 15 Jahre Ganztagsschule, dass der wichtigste Faktor der Entwicklung die Zeit ist: Zeit für Experimente, für fehlerfreundliches Lernen, für Verständigung und eine schrittweise Umorientierung und Annäherung von Schulen und außerschulischen Partnern. Je mehr Erfahrung Schulen und Partner mit dem Ganztagsbetrieb haben, umso besser arbeiten sie zusammen und umso eher erfüllen sie die Qualitätserwartungen. Es geht also langsam, wahrscheinlich nur langsam, voran.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Allgemein bildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, Statistik 2009 bis 2013, Berlin, 2.3.2015, S. 5, Externer Link: http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Statistik/GTS_2013_Bericht.pdf (25.3.2015).

  2. Wie unterschiedlich die Interessen und Beurteilungen je nach Perspektive der Akteure ausfallen, zeigen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitprojekte "Bildungsberichterstattung Ganztagsschule NRW (BiGa)", Externer Link: http://www.bildungsbericht-ganztag.de (25.3.2015), und das Projekt "StEG – bundesweite Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen", Externer Link: http://www.projekt-steg.de (25.3.2015). Beide untersuchen regelmäßig Bewertungen der Ganztagsschule aus Sicht der verschiedenen beteiligten Gruppen. So liegt das Hauptinteresse von Eltern an der Ganztagsgrundschule in der verlässlichen Betreuung, was auch die mit dem Alter der Kinder sinkenden Anmeldezahlen in der offenen Ganztagsschule erklärt. Dass für diese Eltern Aspekte wie verlässliche Zeiten, die Sicherstellung des Mittagessens und Hausaufgabenbetreuung andere Relevanz haben als z.B. für die betreffenden Kinder, liegt auf der Hand. Vgl. Nicole Börner et al., Bildungsbericht ganztagsschule NRW 2014, Dortmund 2014, Externer Link: http://www.bildungsbericht-ganztag.de/cms/front_content.php?idcat=37&lang=1 (25.3.2015) sowie StEG – Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen, Ganztagsschule 2012/13. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung, Frankfurt/M.u.a. 2013, Externer Link: http://www.projekt-steg.de/sites/default/files/Bundesbericht_Schulleiterbefragung_2012_13.pdf (25.3.2015).

  3. Vgl. Natalie Fischer et al., Qualität von Ganztagsschulen – Bedingungen, Wirkungen und Empfehlungen, Expertise für die SPD Bundestagsfraktion, Frankfurt/M. 2012, S. 4, Externer Link: http://www.pedocs.de/volltexte/2012/6794/pdf/Fischer_etal_2012_Qualitaet_von_GTS.pdf (25.3.2015).

  4. Vgl. Gertrud Oelerich, Bestandsaufnahme und Auswertung der aktuellen Literatur und Forschungslage zu Ganztagsschulkonzepten und deren Qualitätsmerkmale in Deutschland. Expertise im Kontext des BLK-Verbundprojektes "Lernen für den GanzTag", Saulheim, April/Juli 2005, S. 54, Externer Link: http://www.ganztag-blk.de/cms/upload/pdf/blk/Oelerich_Qualittsmerkmale.pdf.

  5. Vgl. dazu Fritz-Ulrich Kolbe/Sabine Reh, Reformpädagogische Diskurse über die Ganztagsschule, in: Hans-Uwe Otto/Thomas Coelen (Hrsg.), Grundbegriffe Ganztagsbildung. Das Handbuch, Wiesbaden 2008, S. 665–673.

  6. Ebd., S. 55.

  7. Ein Beispiel dafür ist das Mittagessen bzw. die Verpflegung in der Ganztagsschule. Hier gab es recht schnell "Qualitätsstandards für die Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)", die zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen über die "Vernetzungsstelle Schulverpflegung NRW" (Externer Link: http://www.schulverpflegung.vz-nrw.de) verbreitet werden und nach denen auch eine Zertifizierung erlangt werden kann.

  8. Vgl. N. Fischer et al. (Anm. 3), S. 4.

  9. G. Oelerich (Anm. 4), S. 55f.

  10. "Modelle, die sowohl die Prozesshaftigkeit als auch die Mehrebenenstruktur der Schulqualität berücksichtigen, um fachbezogene und fachübergreifende Ergebnisse der Schülerschaft zu erklären, sind (…) aufgrund ihrer Komplexität kaum im Ganzen empirisch zu überprüfen." N. Fischer et al. (Anm. 3), S. 7.

  11. Offene Ganztagsschule im Primarbereich, Runderlass des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 12.2.2003 (ABl. NRW., S. 45).

  12. Das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) legt beispielsweise in §8 und §11 die Partizipation und Selbstbestimmung fest. Träger der Kinder- und Jugendhilfe sind damit verpflichtet, auch als Träger von Ganztagsangeboten, dazu beizutragen.

  13. Spätestens hier fängt das Problem ungleicher Bedingungen an: "Betrachtet man die Rahmenbedingungen der Ganztagsschule, so ergibt sich nach wie vor Entwicklungsbedarf bezogen auf finanzielle und personelle Ressourcen. Die befragten Schulleitungen beschreiben schulformübergreifend (wie auch schon 2005) die Rekrutierung von zusätzlichem Personal und, damit zusammenhängend, häufig die (Unter-)Finanzierung des Ganztagsbetriebs als problematisch. Insbesondere im ländlichen Raum haben Ganztagsschulen mit Problemen bei der Gewinnung von Personal und Kooperationspartnern zu kämpfen." StEG, (Anm. 2), S. 85f., Externer Link: http://www.bmbf.de/pubRD/NEU_Bundesbericht_Schulleiterbefragung_2012_13.pdf (25.3.2015).

  14. "In diesem Zusammenhang ist Angebotsvielfalt ein Qualitätsmerkmal des Ganztagsbetriebs – denn sie ist die Voraussetzung dafür, dass der Ganztag die schulische Lernkultur erweitert und den verschiedenen Lernbedürfnissen aller Schülerinnen und Schüler gerecht werden kann." StEG-Konsortium, Ganztagsschule: Entwicklung und Wirkungen. Ergebnisse der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen 2005–2010, 2010, S. 22, Externer Link: http://www.bmbf.de/pubRD/steg_2010.pdf (27.3.2015).

  15. In der Literatur wird häufig das Argument gebraucht, dass eine abgestimmte Kooperation des pädagogischen Personals eine Anbindung der außerunterrichtlichen Angebote an den Unterricht begünstige, wobei unhinterfragt bleibt, warum es diese Anbindung geben und wie sie aussehen sollte. Alternative Modelle gehen ebenfalls von einer abgestimmten Bildungsprogrammatik der Schule aus, sehen aber das Unterrichtsgeschehen nicht im Mittelpunkt: "Ein solches Bildungskonzept kann – neben dem Unterricht – völlig unterschiedliche Themen, Module und Gelegenheiten enthalten (…) und das alles jenseits der Zwänge von Notengebung und Unterricht." Vgl. hierzu Thomas Rauschenbach, Was macht das besondere Profil und die Identität einer Ganztagsschule aus?, in: Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.), Podium Schule 1.12, Ganztagsschule als Hoffnungsträger, 2012, S. 4–5, Externer Link: http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/podium-schule-112/ (25.3.2015).

  16. Im Zentrum vieler Untersuchungen standen vor allem die Fragen nach der Umsetzbarkeit außerschulischer Pädagogik und ihrer Bedingungen in der Schule. Aktuell stellt die StEG-Studie in der zweiten Förderphase 2012 bis 2015 die Qualität und Wirkungen der Ganztagsangebote in den Mittelpunkt der Befragungen.

  17. Natalie Fischer, Individuelle Wirkungen von Ganztagsschule – zum Forschungsstand, in: Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) (Hrsg.), DIPF informiert über Bildungsforschung und Bildungsinformation, 17/2012, S. 7–9, hier: S. 8f., Externer Link: http://www.dipf.de/de/publikationen/pdf-publikationen/dipf-informiert/dipf-informiert-nr.-17 (25.3.2015).

  18. Karsten Speck/Thomas Olk/Thomas Stimpel, Auf dem Weg zu multiprofessionellen Organisationen? Die Kooperation von Sozialpädagogen und Lehrkräften im schulischen Ganztag. Empirische Befunde aus der Ganztagsforschung und dem Forschungsprojekt "Professionelle Kooperation von unterschiedlichen Berufskulturen an Ganztagsschulen" (ProKoop), in: Werner Helsper/Rudolf Tippelt (Hrsg.), Pädagogische Professionalität Weinheim u.a. 2011, S. 184–201, hier: S. 189.

  19. Vgl. Externer Link: http://www.ganztag-blk.de/laenderprojekte/rheinland-pfalz/expertisen/expertisen-rlp.html (8.4.2015).

  20. Vgl. Stefanie Kaul, Kriterien guter Kooperation von Schule und Außerschulischen Mitarbeitern an der Ganztagsschule. Expertise im Kontext des BLK-Verbundprojektes "Lernen für den GanzTag", Saulheim, April 2006, Externer Link: http://www.ganztag-blk.de/cms/upload/pdf/rlp/Kaul_Kooperation.pdf (15.4.2015).

  21. Eine ausführliche Schilderung der verschiedenen Qualitätsentwicklungsinstrumente am Beispiel der kulturellen Bildung findet sich in: Helle Becker, Qualitätssicherung für kulturelle Bildungsangebote im Ganztag. Expertise für das Projekt "Qualität in der Kulturellen Bildung" der Bundesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ), Externer Link: http://www.kulturelle-bildung-mv.de/?page_id=1496 (8.4.2015).

  22. Der in Brandenburg gültige Orientierungsrahmen "Schulqualität in Brandenburg" des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport gilt für alle Schulformen und damit auch für die Ganztagsschule. Vgl. Externer Link: http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/media.php/5527/Orientierungsrahmen_Schulqualitaet_Endversion2008.pdf (25.3.2015). Eine Konkretisierung und Ergänzung des Orientierungsrahmens mit Bezug zur Ganztagsschule erfolgte durch die Broschüre "Qualität an Schulen mit Ganztagsangeboten in Brandenburg", Potsdam 2011 Externer Link: http://www.kobranet.de/kobranet/freitext/793/Qualitaetsbroschuere.pdf (25.3.2015). In Hessen gibt es seit 2011 die "Richtlinien für ganztägig arbeitende Schulen in Hessen", die auch einen "Qualitätsrahmen für ganztägig arbeitende Schulen" umfassen, Externer Link: http://www.hessen.ganztaegig-lernen.de/Ganztagsschule%20in%20Hessen/qualitaetsrahmen-fuer-die-profile-ganztaegig-arbeitender-schulen (25.3.2015).

  23. So hieß es beispielsweise im entsprechenden Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen: "Die jeweilige Ausgestaltung erfolgt auf der Grundlage einer zwischen den Beteiligten abzuschließenden Kooperationsvereinbarung. Sie regelt u.a. die gegenseitigen Leistungen der Kooperationspartner, die Erstellung und Umsetzung eines gemeinsam zu entwickelnden pädagogischen Konzepts, Fragen gemeinsamer Bedarfsermittlungen und -planungen sowie erweiterte Mitwirkungsmöglichkeiten des zusätzlichen Personals gemäß §75 Abs. 4 SchulG." Offene Ganztagsschule im Primarbereich, Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 26.1.2006 (ABl. NRW., S. 29).

  24. Prominentes Beispiel ist das Qualitätsmanagement-Tool der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V., das im Rahmen des mehrjährigen Modellprojekts "Kultur macht Schule" entstanden ist. Vgl. Helle Becker, Qualitätsmanagementinstrument (QMI) für Kooperationen, Externer Link: http://www.kultur-macht-schule.de/fileadmin/user_upload/kultur_macht_schule/documents/KMS_Fachstelle/PDF/QMI_12_07_2007.pdf (15.4.2015).

  25. Prominentes Beispiel hierfür ist "QUIGS – Qualitätsentwicklung in Ganztagsschulen 2.0" für die Primarstufe sowie "QUIGS SEK I" für die Sekundarstufe I, Arbeitshilfen, die im Auftrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung und des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport in Nordrhein-Westfalen entwickelt wurden. Sie dienen den Ganztagsschulen und ihren Partnern als Arbeitshilfe zur selbstständigen Evaluation des Ganztagsangebots, vgl. Externer Link: http://www.ganztag-nrw.de/qualitaetsentwicklung/quigs/quigs-2.0/ (25.3.2015), Externer Link: http://www.isa-muenster.de/cms/upload/pdf/jugendhilfe-schule/ISA-0184-GanzTag-Bd24_Web.pdf (25.3.2015).

  26. Vgl. StEG – Bundesweite Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (Anm. 2).

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Dr. phil., geb. 1959; Kultur- und Erziehungswissenschaftlerin; Autorin und Lehrbeauftragte, Leiterin des Büros "Expertise & Kommunikation für Bildung", Heymannplatz 9, 45131 Essen. Externer Link: http://www.helle-becker.de, E-Mail Link: projekte@helle-becker.de