Gestützt auf einen Stock, in der Linken einen alten Koffer, schleppt sich ein Mann mittleren Alters scheinbar mühselig die Straße entlang. Ihm folgen weitere Männer, manche tragen einen Kopfverband unter ihrer Feldmütze. Begleitet werden sie von einigen dick eingemummelten Frauen, zwei von ihnen ziehen eine Handkarre hinter sich her. Menschen auf der Flucht? Keineswegs – denn auch wenn sich die Männer und Frauen alle Mühe geben, einen möglichst geschundenen Eindruck zu hinterlassen, wirkt der Aufzug doch eher bizarr. Zu offenkundig inszeniert ist der Auftritt der augenscheinlich wohlgenährten "Flüchtlinge", die am 8. Mai 2014 durch die Straßen von Demmin in Vorpommern ziehen. Sie bilden die Spitze einer gespenstisch anmutenden Prozession, die an das Geschehen am Ende des Zweiten Weltkrieges erinnern soll, als zahllose Menschen aus den östlichen Gebieten des Deutschen Reiches auf der Flucht vor der heranrückenden Roten Armee die Straßen der Kleinstadt bevölkerten.
Organisiert wird das jährliche Spektakel durch die NPD und neonazistische Kameradschaften. Den Höhepunkt des "Trauermarsches" bildet eine Kundgebung im Hafen der Hansestadt, zu der am Kai im Halbkreis Aufstellung genommen wird. Medien sind dabei unerwünscht. Nach kurzen Ansprachen und einer Rede wird ein Kranz dem Wasser übergeben, der an jene Frauen und Mädchen erinnern soll, die sich in den letzten Kriegstagen hier das Leben nahmen. Viele von ihnen ertränkten sich damals in der Tollense oder Peene. Vorsichtige Schätzungen gehen von mindestens 500 Selbsttötungen aus.
Seit Jahren versucht die extreme Rechte, diese Tragödie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Der 8. Mai 1945 habe, betonte 2013 der damalige stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, Sebastian Richter, "nicht nur hier in Demmin, sondern im ganzen Deutschen Reich das Vorhaben der alliierten Kriegsverbrecher (zementiert), unser Volk von der Landkarte zu streichen". Im Jahr zuvor hatte der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, am gleichen Ort konstatiert, dass dieser Tag "vor dem Hintergrund der Grauen des Zweiten Weltkriegs, für die deutsche Nation, für das deutsche Volk, für die deutschen Mütter, Frauen, Kinder, Schwerverwundeten (…) alles andere (…) als ein Tag der Befreiung" gewesen sei.
Die Dramaturgie der Demminer Veranstaltungen folgt konsequent den für das extrem rechte Geschichtsverständnis charakteristischen Kernnarrativen, die in schier endlosen Wiederholungen den angeblich ebenso leidvollen wie heroischen Opfergang des deutschen Volkes angesichts übermächtiger Gegner beschwören.
Zur Konstruktion extrem rechter Erinnerungsorte
Die geschichtspolitischen Deutungsmuster der extremen Rechten greifen weder auf Erkenntnisse überprüfbarer historischer Forschung zurück, noch entwickeln sie sich in der diskursiven Auseinandersetzung mit anderen geschichts- und erinnerungskulturellen Interpretationen. Vielmehr spiegeln sich in der extrem rechten Aneignung von Geschichte die fortwährenden Versuche wider, eine "historisch-fiktionale Gegenerzählung" zu entwerfen, die mit "Spekulationen, Mutmaßungen, widerlegten Thesen und teilweise auch mit reinen Fantasien" argumentiert.
Für die verschiedenen Strömungen dieses Spektrums stellt Geschichte somit ein zentrales, wenn auch ambivalentes Politikfeld dar. Zum einen bilden die präzedenzlosen Verbrechen des Nationalsozialismus eine Hypothek, zu denen sich die Protagonisten der extremen Rechten in irgendeiner Form verhalten müssen. Zum anderen haben sich geschichtspolitische Themen in den vergangenen Jahren vor allem für die bewegungsorientierten Strömungen der extremen Rechten als besonders mobilisierungsfähig erwiesen und dazu beigetragen, das notorisch zersplitterte und in Grabenkämpfe verstrickte Spektrum durch den Rekurs auf gemeinsam geteilte Mythen und "Fantasiegeschichten" zumindest anlassbezogen immer wieder zu einen.
Die Kernnarrative der extremen Rechten sind dabei über Jahrzehnte hinweg weitgehend unverändert geblieben. Die bereits für das antidemokratische Denken der Zwischenkriegszeit charakteristischen Kategorien und mythologisch aufgeladenen Schlüsselbegriffe wie "Volk", "Gemeinschaft", "Nation" und "Organismus" prägen die Wahrnehmungshorizonte und Deutungsmuster ihres Geschichtsverständnisses nach wie vor.
Die immer wieder aufgerufenen Mythen, Erzählungen und Referenzfiguren können als "Erinnerungsorte der extremen Rechten" bezeichnet werden.
Grundsätzlich konnte sich die extreme Rechte mit ihren geschichtspolitischen Vorstößen zu keinem Zeitpunkt in Politik, Gesellschaft oder Wissenschaft durchsetzen. Gleichwohl waren auf unterschiedliche Weise hegemoniale und fundamentaloppositionelle Erinnerungskulturen in der Bundesrepublik immer auch aufeinander bezogen und wiesen dabei im Hinblick auf bestimmte Narrative durchaus Überschneidungen auf. Diese Feststellung gilt etwa für den langlebigen Mythos von der "sauberen Wehrmacht", der erst im Laufe der 1990er Jahre zunehmend auch öffentlich hinterfragt wurde. Sie gilt aber ebenso für die Bewertung des 8. Mai 1945, der in der bundesdeutschen medialen und politischen Öffentlichkeit keineswegs von Beginn an als "Tag der Befreiung" gewürdigt wurde.
Der 8. Mai in der deutschen Erinnerungskultur
Der 8. Mai 1945 avancierte erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem zentralen, auch von öffentlichkeitswirksamen Aktionen begleiteten Erinnerungsort der extremen Rechten. Diese Entwicklung korrespondierte mit den Deutungsverschiebungen, die der Jahrestag in der (staatsoffiziellen) Erinnerungskultur spätestens mit der viel beachteten Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag erfuhr. Anders als in der DDR, wo der "Tag der Befreiung" seit 1949 als offizieller (bis 1967 auch arbeitsfreier) Gedenktag mit Großveranstaltungen und Militärparaden begangen wurde,
Bis zum Ende der 1960er Jahre waren es vor allem die überlebenden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, die etwa im Rahmen von Gedenkveranstaltungen den 8. Mai als "Tag der Befreiung" feierten. In der Mehrheitsgesellschaft blieben ihre Perspektiven jedoch randständig. So lassen sich vor allem die 1950er Jahre als eine Phase einer juristischen, administrativen, politischen und gesellschaftlichen "Bewältigung der frühen NS-Bewältigung" (Norbert Frei) beschreiben, die zwar einerseits durch eine normative Abgrenzung vom Nationalsozialismus, andererseits aber auch von Schlussstrichmentalitäten und einer weitreichenden Integration ehemaliger Mitläufer und Funktionseliten des nationalsozialistischen Regimes in das politische System und in die Gesellschaft der Bundesrepublik gekennzeichnet war.
Auch während der 1960er Jahre, als etwa der Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963–1965)
Seit dem Ende der 1970er Jahre vollzogen sich jedoch tief greifende erinnerungskulturelle Umbrüche, die auch Auswirkungen auf die Deutung des 8. Mai hatten. Wichtige Impulse gingen dabei von den allenthalben entstehenden Geschichtswerkstätten und der damit vielfach einsetzenden kritischen Beschäftigung mit der Geschichte des Nationalsozialismus "vor Ort" aus.
Der erinnerungskulturelle Paradigmenwechsel in der Interpretation des 8. Mai, den Richard von Weizsäcker 1985 in seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes gewissermaßen offiziell formulierte, ist in diesem weiter gefassten Kontext zu sehen. Das Datum sei über die Jahrzehnte hinweg auch im Bewusstsein der bundesdeutschen Bevölkerung zu einem "Tag der Befreiung" von "dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" geworden, so der Bundespräsident. In der allgemeinen Öffentlichkeit wurde die Rede überwiegend positiv aufgenommen. Vertreterinnen und Vertreter des rechtskonservativen und extrem rechten Spektrums verurteilten deren Inhalt jedoch scharf.
Deutungsmuster der extremen Rechten
In Dutzenden Artikeln, in Büchern, auf Tagungen oder auf der Straße versuchen Protagonisten der extremen Rechten ihre "Lesart" des 8. Mai gegen das offizielle Geschichtsbild zu stellen. Begriffliche Gegenentwürfe zum 8. Mai als "Tag der Befreiung" halten sie indes nicht bereit. Sie beziehen sich vielmehr auf allgemein verbreitete Topoi beziehungsweise Interpretationen wie "Kapitulation", "Deutscher Niederbruch" oder "Deutsche Katastrophe". Neue Formeln schöpfen sie dabei einzig aus der Negation der offiziellen Gedenk- und Erinnerungsveranstaltungen: "Befreiungslüge" oder "8. Mai 1945 – Wir feiern nicht", wie die Losung einer erstmals Mitte der 1990er Jahre initiierten Kampagne lautete. Die inhaltliche Bestimmung des Erinnerungsortes "8. Mai" basiert dabei auf einer Vielzahl unterschiedlicher Narrative, die im Kern versuchen, der mittlerweile vorherrschenden Interpretation des Datums zwei Prämissen entgegenzusetzen. Zum einen wird formal auf Grundlage der Rechtsauffassung argumentiert, dass von "Kapitulation" und "Besetzung" zu sprechen sei. Zum anderen wird ein inhaltliches Argument ins Feld geführt, das mit dem Verweis auf von Alliierten verübte "Kriegsverbrechen" und andere "Vergehen" an den besiegten Deutschen die Deutung des Kriegsendes als "Befreiung" verwirft.
Um das erste Argument zu stützen, wird von Vertretern aus dem (extrem) rechten Spektrum regelmäßig die Direktive 1067 des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte (Joint Chiefs of Staff, JCS) als formaljuristischer Beleg angeführt. Die Anweisung vom 26. April 1945, die die amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland grundlegend regelte, erging an Dwight D. Eisenhower, den Kommandierenden General der Besatzungstruppen der Vereinigten Staaten in Deutschland. Darin heißt es unter anderem in Punkt 4b: "Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat. Ihr Ziel ist nicht die Unterdrückung, sondern die Besetzung Deutschlands, um gewisse wichtige alliierte Absichten zu verwirklichen." Angesichts dessen, dass die Alliierten gerade jene Macht unter Kontrolle zu bringen versuchten, die Europa kurz zuvor in einen totalen Krieg gestürzt hatte, erscheint die Anweisung keineswegs als überzogen. Wortmeldungen der extremen Rechten, die sich darauf beziehen, geben die Direktive indes stets nur verkürzt wieder, ohne Beachtung des zeithistorischen Kontextes und ohne darauf hinzuweisen, dass sie nur von kurzer Geltung für die US-amerikanische Besatzungsmacht war. Zentrale Teile wurden bereits mit den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 obsolet.
In einem zweiten wesentlichen Argumentationsstrang wird behauptet, dass die Kriegführung der Alliierten gegen Deutschland und die Deutschen mit der Kapitulation nicht zu Ende gewesen sei. Beklagt werden – in allen Besatzungszonen – massive Verbrechen an deutschen Soldaten und an der Zivilbevölkerung. In der Regel wird dabei unterstellt, dass die Gewaltakte seitens der Alliierten und ihren Besatzungskommandanturen gewollt waren. "Der 8. Mai war der Tag, an dem sie dem Tod ausgeliefert wurden", hieß es beispielsweise 2003 in der Monatszeitung "Deutsche Stimme" im Hinblick auf die internierten deutschen Soldaten. Manche Autoren überbieten sich dabei mit Zahlen, wie viele Wehrmachtsangehörige in Kriegsgefangenschaft umgekommen seien.
Gleiches gilt für die kolportierten Opferzahlen unter den aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten Geflüchteten und Vertriebenen. Die Angaben werden dabei bewusst ins Verhältnis zu den Dimensionen der Shoah gestellt, die ihrerseits heruntergespielt wird, um den Völkermord an den Juden zu relativieren. So schrieb etwa der damalige NPD-Bundesvorsitzende, Günter Deckert, 1994 in der "Deutschen Stimme": "Die ‚Einzigartigkeit‘ hat niemand gepachtet, und schon gar nicht Judenführer Bubis, der noch immer an der ‚symbolischen Zahl‘ festhält, obwohl auch diese Zahl unter der Zahl der gemordeten und geschändeten Deutschen liegt, die mit Billigung, Duldung und dem Wissen der Sieger-Demokraten von 1945 von ihrem Leben ‚befreit‘ wurden."
Deckert griff damit gezielt den damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, sowie die bundesdeutsche Erinnerungspolitik an. Die verwendeten Termini "Einzigartigkeit" und "symbolische Zahl" beziehen sich auf die Singularität des Massenmords an sechs Millionen Juden. Der damalige NPD-Vorsitzende setzte sie sicherlich mit voller Absicht in Anführungszeichen, um seine Distanz auszudrücken – 1995 wurde er wegen Leugnung des Holocausts in anderen Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Relativierung der Shoah dient auch der Vergleich mit den Übergriffen auf Mädchen und junge Frauen durch alliierte Soldaten, bei denen es sich in der Diktion der extremen Rechten um einen "Notzuchtterror der Sieger" und einen "sexuellen Holocaust" gehandelt habe. Die Vergewaltigungen seien gezielt und aus strategischen Motiven verübt worden. Der ehemalige Vorsitzende der Partei Die Republikaner, Franz Schönhuber, schrieb 2005 in der extrem rechten Zeitschrift "Nation & Europa" anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung: "Der sowjetisch-jüdische Schriftsteller Ilja Ehrenburg hatte an die Rotarmisten appelliert: ‚Nehmt Euch die deutschen Frauen als Beute!‘" Diese Botschaft sei damals, so ist immer wieder in geschichtsrevisionistischen Publikationen zu lesen, sogar auf Flugblättern verbreitet worden. Eine nachvollziehbare Quellenangabe zu diesem vermeintlichen Ehrenburg-Zitat gibt es jedoch nicht.
Als weiterer Beleg für diese Behauptung wird häufig das Memorandum "Suggested Post-Surrender Program for Germany" herangezogen, das am 4. September 1944 vom US-amerikanischen Finanzminister Henry Morgenthau vorgelegt worden war. Das Papier, das als Morgenthau-Plan bekannt wurde, setzte sich mit den Fragen der Bestrafung von Kriegsverbrechen ebenso auseinander wie mit der Entnazifizierung und der Rolle der deutschen Industrie respektive Rüstungsindustrie. Vor dem Hintergrund des Massenmordes an den Juden, über den der Minister früh gut informiert war, sowie angesichts der anderen Kriegsverbrechen und der aggressiven deutschen Kriegspolitik schlug Morgenthau eine "industrielle Entwaffnung" Deutschlands vor. Da es dem "Reich" ohne seine eng mit dem nationalsozialistischen System verwobene Industrie nicht möglich gewesen wäre, den Krieg zu führen, müsse diese beseitigt beziehungsweise stark begrenzt werden, um zu verhindern, dass ein weiterer Weltkrieg von Deutschland ausgehen könne.
Fazit: "Befreiung von der Befreiung"?
2014 versammelten sich die vorwiegend jungen Neonazis in Demmin hinter einem Transparent mit der provokanten Losung: "Freiheit zertrümmert". Doch welche Freiheit soll hier 1945 zertrümmert worden sein? Hinter dem Slogan steht unverkennbar eine apologetische Bewertung der Zeit des Nationalsozialismus – wie so oft in diesem Spektrum. In der extrem rechten Zeitschrift "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" hieß es anlässlich des 50. Jahrestages beispielsweise: "Die Friedensjahre des nationalsozialistischen Deutschland waren für die überwältigende Mehrheit seiner Bewohner durch eine funktionierende Wirtschaft und eine funktionierende Gesellschaftsordnung gekennzeichnet." Der Deutschland vermeintlich aufoktroyierte Krieg hätte die Deutschen von "ihrem Staat ‚befreit‘, der der Masse des Volkes ‚Arbeit und Brot‘ und den sozialen Frieden gebracht hatte".
Derartige Sichtweisen werden jedoch von den allermeisten Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik offenkundig nicht mehr geteilt, was ein anderer Autor in der "Deutschen Stimme" im Mai 2009 darauf zurückführte, dass diese nach 1945 auch von ihrem "gesunden Menschenverstand befreit" worden seien. Solche Lesarten sind im extrem rechten Spektrum omnipräsent. Die Entnazifizierung und vor allem die Reeducation werden als "Gehirnwäsche" betrachtet, als "Charakterwäsche", wie der rechtskonservative Publizist Caspar Schrenck Notzing bereits 1965 schrieb. Bis heute würden die Deutschen "umerzogen", und es werde ein übertriebener "Schuldkult" betrieben. Es bedürfe daher einer "Befreiung von der ‚Befreiung‘", wie es die extrem rechte Gesellschaft für freie Publizistik 2005 anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes formulierte.
Der 8. Mai als Erinnerungsort der extremen Rechten repräsentiert zu großen Teilen nicht die Erinnerungen jener "Erlebnisgeneration", die den 8. Mai 1945 aus verschiedenen Gründen tatsächlich nicht als Befreiung wahrnahm. Er konstituiert sich vielmehr weltanschaulich. Für Nationalsozialisten war die Kapitulation, die auf den totalen Krieg folgende totale Niederlage, ein traumatisches Ereignis, das sich fortsetzte, als die extreme Rechte der Nachkriegszeit realisierte, dass es – anders als nach dem Ersten Weltkrieg – keine "nationale Wiedergeburt" geben würde. Stattdessen distanzierten sich weite Teile der Bevölkerung mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum "Dritten Reich" und der "Tragödie von ’45" von nationalistischen und nationalsozialistischen Vorstellungen.
Aus der Perspektive der extremen Rechten wurde der Zweite Weltkrieg von den Alliierten geführt, um Deutschland und das deutsche Volk zu vernichten. Die Kapitulation, die folgende Besetzung mit ihren Konsequenzen und vor allem die heutige Erinnerungskultur der Bundesrepublik, die den 8. Mai als Tag der Befreiung deutet, werden als Beweise für dieses vermeintliche Vorhaben angesehen, das im Übrigen noch nicht vollendet sei. Das "nationale Spektrum" sah und sieht sich daher nicht nur als die einzige gesellschaftliche Kraft, die ihrer Wahrnehmung nach die "richtige" Interpretation der geschichtlichen Verläufe hütet und dem offiziösen Bild seine Deutungen entgegenzusetzen versucht. Vielmehr bilden diese Gegenerzählungen auch für die Politik beziehungsweise für die politischen Vertreter der extremen Rechten zentrale Fixpunkte.
In Demmin sind sich Bürgerinnen und Bürger dieser Herausforderung gewahr geworden. 2014 veranstaltete das "Aktionsbündnis 8. Mai" gemeinsam mit dem Demminer Regionalmuseum einen historischen Mahngang, um den verzerrenden Darstellungen der rechtsextremen Propaganda einen kritischen und umfassenderen Blick auf die Geschichte entgegenzustellen, ohne dabei die Tragödie der massenhaften Selbsttötungen am Ende des Zweiten Weltkriegs zu bagatellisieren. 2015 wird unter anderem eine Konferenz zum 70. Jahrestag des Kriegsende stattfinden, mit der eine internationale Perspektive auf das Thema eröffnet werden soll. In diesem Sinne könnte die Auseinandersetzung mit den Apologien extrem rechter Geschichtspolitik – so paradox das zunächst klingen mag – auch eine Chance für die historisch-politische Bildung darstellen. Mittlerweile sind nicht nur in Demmin bemerkenswerte zivilgesellschaftliche Initiativen entstanden, die sich kritisch mit den Mythen der extremen Rechten auseinandersetzen. Dieses Engagement ist oftmals durch alltags- und lokalgeschichtliche Zugänge sowie lebensweltliche und gegenwartsorientierte Bezüge gekennzeichnet, die zugleich einen Gegenpol zur vielfach beklagten Ritualisierung der Erinnerungskultur und dem "Verfall geschichtlichen Denkens"