Engagement weist eine lange und reichhaltige Tradition auf. Als Ehrenamt war Engagement konstitutiv und strukturbildend für Sozialstaatlichkeit und soziale Arbeit:
Staatlicherseits ist Engagement jahrzehntelang als apolitisches Ehrenamt gewürdigt und als politischer Protest zugleich zurückgewiesen worden. Erst relativ spät, Ende der 1990er Jahre, hat der Deutsche Bundestag für die Jahre 2000 bis 2002 eine Richtung weisende Enquete-Kommission zum Stand und zur Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland eingesetzt.
Engagement ist damit auch zum Gegenstand staatlicher und kommunaler Politik geworden.
Im Folgenden empfehlen wir einen Perspektivwechsel: In einer korporatistisch geprägten Gesellschaft wie der deutschen stellen sich der Staat und die mit ihm kooperierenden Verbände immer wieder selbst in die erste Reihe. Vor diesem Hintergrund sollte Engagement in erster Linie nicht als originärer Gegenstand staatlicher Politik, sondern als Wesensmerkmal einer eigensinnigen und organisierten Zivilgesellschaft verstanden werden.
Etablierte Verbandsorganisationen des Engagements
Die überwiegende Mehrzahl der Engagierten findet sich in Organisationen, die den Kern der Zivilgesellschaft in Deutschland bilden. Es handelt sich hierbei vor allem um ältere und größere Organisationen, wenngleich es im Zuge des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels in den 1960er Jahren zahlreiche Neugründungen, insbesondere von gering formalisierten Organisationen wie etwa Vereinen, Gruppen und Initiativen, gegeben hat. Entscheidend ist, dass die Zivilgesellschaft in Deutschland aufgrund der Vielzahl und Vielfalt ihrer Organisationen als organisierte Zivilgesellschaft zu verstehen ist. Für die Entwicklung des Engagements ist daher vor allem die Art und Weise der Organisation des Engagements entscheidend.
Engagierte in der organisierten Zivilgesellschaft sind entweder Mitglieder von Organisationen und/oder freiwillig Tätige, die im Kontext dieser Organisationen aktiv werden. Bemerkenswert ist zunächst die hohe Zahl der Engagierten. Dabei ist aber festzuhalten, dass ein "Sättigungsgrad" im Engagement erreicht zu sein scheint und rückläufige Entwicklungen sowohl im Hinblick auf die Zahl der Mitglieder als auch der freiwillig Tätigen festzustellen sind. Diese Beobachtungen lassen sich erhärten, wenn die etablierten Verbandsorganisationen der Zivilgesellschaft wie etwa Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Wohlfahrtsverbände genauer in den Blick genommen werden. In diesen Organisationen sind seit Langem rückläufige beziehungsweise stagnierende Mitgliederzahlen festzustellen.
Beteiligung ist ein grundlegendes Motiv von Engagement und zugleich ein originäres "Prinzip der Politik",
Eine ähnliche Tendenz ist bei Gewerkschaften festzustellen. Sie hatten auf dem Höhepunkt ihrer Mitgliederentwicklung 1991 rund 11,8 Millionen Mitglieder, während sie 2013 nur noch 6,14 Millionen Mitglieder aufwiesen.
Bislang sind noch bei keiner dieser Mitgliedsorganisationen Strategien zu erkennen, diesen Trend aufzuhalten beziehungsweise umzukehren. Als ein wichtiger Grund für die durchgängig negative Mitgliederentwicklung sind neben organisationalen Defiziten die – unter korporatistischen Bedingungen von Staat und Verbänden zu verantwortenden – mangelhaften ordnungspolitischen Rahmenbedingungen des organisierten Engagements in Deutschland anzusehen.
Ordnungspolitik als Beitrag zur Selbststeuerung des Engagements
Was unter dem Begriff des bürgerschaftlichen "Eigensinns" subsumiert wird, ist zumeist all jenes, was Staat nicht ist und auch nicht sein kann. Bürgerschaftliches Engagement ist zumeist flexibel organisiert, an der Lebenswelt von Zielgruppen orientiert, häufig Gegenstand und Wegbereiter gesellschaftlicher Veränderungen und Ausdruck pluralistischer Gemeinwohl- und Gesellschaftsvorstellungen. Gerade hierin liegt ein Vorteil der Zusammenarbeit des Staates mit gemeinnützigen Organisationen. Die Rahmenbedingungen dieser Zusammenarbeit müssen aber so gestaltet sein, dass sie den "Eigensinn" des Engagements der Bürger(innen) zur Entfaltung kommen lassen. Dies ist nicht selbstverständlich, denn Zuwendungsrecht und Abgabenordnung sowie Fach- und Förderpolitik erklären den gemeinnützigen Sektor vielerorts zum "quasi-staatlichen Raum". So reklamieren etwa Bürgerstiftungen zu Recht Autonomie für sich, damit sich jener "Eigensinn" engagierter Bürger(innen) entfalten kann. Staat und Kommunen hingegen "können eben nicht Bürgerstiftung", weil sie einer anderen – politisch-administrativen – Handlungslogik verpflichtet sind.
Angesichts dessen sollten Engagementförderung und -politik zukünftig darauf ausgerichtet sein, organisiertes Engagement und Zivilgesellschaft zu stärken und darin zu unterstützen, ein gegenüber Staat und Wirtschaft in der Gestaltung von Gesellschaft eigenständiger Akteur zu sein. Hilfreich und überfällig wäre eine große Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, mit der der Subsidiaritätsgedanke für gemeinnützige Organisationen wieder "auf die Füße gestellt" werden würde, das heißt administrative Belastungen reduziert, Ehrenamt attraktiver gemacht, mehr finanzielle Handlungsfreiheit geschaffen und gesellschaftliche Transparenz anstelle staatlicher Kontrolle gestärkt werden würden.
Engagement basiert auf Selbstorganisation: Bürgerschaftliches Engagement findet in der Regel in gemeinnützigen Organisationen statt, vor allem in Vereinen, aber zunehmend auch in Stiftungen. Aber nur rund 15 Prozent der Vereine und Stiftungen verfügen auch über bezahlte Mitarbeiter(innen)
Engagement braucht eigene Ressourcen: Regelmäßig vor Wahlen wird die sogenannte Übungsleiterpauschale erhöht. Ehrenamtliche aus vielen Bereichen können dadurch steuer- und abgabenfrei etwas dazu verdienen. Geld in die Kassen von Vereinen und Stiftungen bringt dies aber nicht. Was gemeinnützige Organisationen dringend benötigen, sind neue Einnahmen, denn die finanzielle Ressourcenausstattung ist in vielen Bereichen schon länger angespannt: Öffentliche Fördermittel werden reduziert, Spenden stagnieren und Stiftungserträge sind rückläufig.
Investitionen in Engagement
Die Realität der Finanzierung der Zivilgesellschaft zeigt die Sonderauswertung von "Zivilgesellschaft in Zahlen" aus dem Jahr 2012: Die Hälfte aller zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland verfügt über ein Jahreseinkommen von maximal 10.000 Euro, das überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen generiert wird. Öffentliche Mittel spielen in der Zivilgesellschaft nur für vier Prozent der Organisationen, das heißt vor allem für die großen Wohlfahrtsverbände, eine substanzielle Rolle. Insofern werden Einnahmen aus Dienstleistungen und Spenden wachsende Bedeutung für zivilgesellschaftliche Organisationen erlangen.
"Demokratisierung" der Finanzierung:
Neben der traditionellen Spende werden Bürger(innen) zunehmend neue Formen des interessengeleiteten und internetgestützten Spendens in Anspruch nehmen. Schon heute sind Spendenplattformen wie betterplace.org oder das Sammeln von Spenden und Investitionen durch die Crowd bekannt. Selbst auf eher kommerziell orientierten Crowdfunding-Plattformen wie kickstarter.com finden sich immer wieder auch Engagementideen und -initiativen. Crowdfunding-Plattformen werden spezifischer, wie startnext.com für Sozialunternehmen oder krautreporter.de für neue – auch gemeinnützige – Formen des Journalismus. Dies gilt auch für regionale Interessengruppen, wie crowdfunding-bad-nauheim.de oder die Kampagne für eine Bürgerstiftung Spreepark Plänterwald in Berlin zeigen.
"Privatisierung" der Finanzierung:
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Berit Sandberg hat in einer Analyse gezeigt, dass einige wenige Stiftungen eine öffentlichkeitswirksame und strategische, monetär aber eher geringe Rolle bei der Finanzierung des organisierten Engagements spielen.
"Monetarisierung" der Finanzierung:
Der Bericht des National Advisory Board Deutschland im Rahmen der Social Impact Investment Taskforce der G8-Staaten zur "möglichen Gewinnung zusätzlicher Finanzierungsquellen für die Sozialwirtschaft"
Diese drei Trends verdeutlichen, dass sich die Finanzierungslandschaft für Engagement verändert. Die manifeste Ausrichtung von Finanzierungen auf Wirkungen wird dabei dauerhaft auch das Förderverhalten staatlicher Akteure beeinflussen. Dies geht wiederum einher mit einer weiteren Professionalisierung des Fundraisings für Engagementorganisationen. Zudem werden Innovationen zur Gewinnung von neuen Ressourcen für den gemeinnützigen Sektor gesucht. Alle diese Trends setzen nicht weniger als eine intensive (zivil)gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber voraus, nach welchen Werten und Regeln die Finanzierung für organisiertes Engagement und Zivilgesellschaft jetzt und zukünftig erfolgen soll.
Analyse und Beschreibung von Wirkungen des Engagements
Gemeinnützige Arbeit leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben und Probleme. Sie verdient deshalb Unterstützung, wohlgemerkt nicht nur finanzieller Art. In Deutschland engagieren sich über 600.000 gemeinnützige Organisationen
Wer Mittel vergibt, wird sich zukünftig noch stärker als bislang mit dem Wirkungspotenzial seiner Investitionen auseinandersetzen: Was will ich mit meinen Geldern bei welchen Zielgruppen bewirken, verändern und ermöglichen? Wer sich über seine eigenen Ziele im Klaren ist und sich damit auseinandersetzt, welche Ansätze zur Bearbeitung gesellschaftlicher Aufgaben und Probleme geeignet sind und wo Gelder besonders dringend benötigt werden, kann schneller fundierte Entscheidungen über Förderanträge und Kooperationsvorhaben treffen.
Das Wirkungspotenzial eines Projektes oder einer Organisation offenbart sich aber nicht unmittelbar. Ein Blick etwa auf die Verwaltungskosten allein gibt noch keinen Aufschluss über die Qualität und die Wirksamkeit eines Projektes. Komplexe gesellschaftliche Aufgaben und Probleme lassen sich nur durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Ansätze und Aktivitäten bearbeiten – und diese benötigen ganz unterschiedliche Instrumente und Verfahren, Strukturen und Ressourcen. Das Wirkungspotenzial ergibt sich aus dem Zusammenspiel diverser Faktoren, wie Zielen und Zielgruppen, einer wissenschaftlichen Fundierung des Ansatzes und dessen praktischer Erprobung sowie Maßnahmen, um die Zielerreichung zu überprüfen. Und wichtig ist darüber hinaus die Frage, ob das Projekt von einer "starken" Organisation getragen wird, die in der Lage ist, die Qualität und Wirksamkeit des Projekts dauerhaft zu realisieren.
Die Analyse des Wirkungspotenzials eines Projekts kostet Zeit sowie Geld- und Personalressourcen, die kaum ein Investor für jedes einzelne seiner potenziellen Förderprojekte bereitstellen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass, obwohl das Wissen über wirkungsorientiertes Arbeiten und eine transparente Berichterstattung über Wirkungen im Dritten Sektor weiter wächst, längst noch keine hinreichende Informationsgrundlage verfügbar ist. Eine Phineo-Studie, in der die Wirkungstransparenz von 50 großen Spendenorganisationen untersucht wurde, zeigt, dass lediglich 26 Prozent der befragten Organisationen, die bei ihren Zielgruppen beziehungsweise in der Gesellschaft erreichten Veränderungen systematisch, umfassend und schnell auffindbar darstellen.
Doch "Geber" können nachfragen. Die Wirkungsannahmen eines Projekts sollten ein fester Bestandteil von Förderrichtlinien sein und in Förderanträgen und Auswahlverfahren berücksichtigt werden. Dazu zählt zum Beispiel das Einsenden von Konzepten und Wirkungsnachweisen oder zumindest das Aufzeigen einer Wirkungslogik, die das künftige Potenzial zur Entfaltung von Wirkung verdeutlicht. Stiftungen, Unternehmen sowie Staat und Kommunen, die verstärkt Wirkungsinformationen nachfragen und das Wirkungspotenzial als einen entscheidenden Faktor bei der Vergabe ihrer Mitteln betrachten, fungieren damit zusätzlich als Protagonisten für mehr Wirkungsorientierung in der Zivilgesellschaft insgesamt: Wirkungsorientiertes Geben setzt neue Anreize für gemeinnützige Organisationen, sich mit der Wirkung des eigenen organisationalen Entscheidens und Handelns zu beschäftigen und sich entsprechend aufzustellen – und so auch mehr zu bewirken.
Hoffnungsfrohe Blicke aus der "Nische"
Die Selbststeuerungspotenziale, neuen Finanzierungsarten und Wirkungspotenziale von Engagement und Zivilgesellschaft gedeihen in Deutschland unter besonderen Bedingungen. Engagement findet vor dem Hintergrund immer noch wirkmächtiger Vorstellungen von Staatlichkeit und eines eingespielten Korporatismus zwischen Staat und Verbänden zumeist in gemeinnützigen Organisationen als Teil einer unzureichenden, in weiten Teilen prekären öffentlichen Engagementinfrastruktur statt
Aus einer frischen zivilgesellschaftlichen Perspektive hingegen ist festzustellen, dass die Zivilgesellschaft ihre Potenziale im Hinblick auf ihre Selbstorganisation und Selbststeuerung bei Weitem nicht ausschöpft. Überaus bemerkenswert ist dabei, dass die Zivilgesellschaft den Schlüssel zum Erfolg in ihren beiden Händen hält: Die Erschließung bereits vorhandener finanzieller Ressourcenquellen und die Analyse der offensichtlichen eigenen Wirkungspotenziale sind zwei Seiten derselben Medaille – einer wohlgemerkt zivilgesellschaftlichen Engagementpolitik.