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Grundlagen und Perspektiven guter Engagementpolitik | Engagement | bpb.de

Engagement Editorial Die Vielfalt des Engagements. Eine Herausforderung an Gesellschaft und Politik Grundlagen und Perspektiven guter Engagementpolitik Über die Zukunft von Engagement und Engagementpolitik Der Bundesfreiwilligendienst: Ein Erfolgsmodell für alle? Freiwilliges Engagement von Zuwanderern: Verkannte Potenziale der gesellschaftlichen Teilhabe Engagement im Quartier Engagement in der Flüchtlingshilfe – eine Erfolg versprechende Integrationshilfe Ehrenamt statt Sozialstaat? Kritik der Engagementpolitik

Grundlagen und Perspektiven guter Engagementpolitik

Ansgar Klein

/ 12 Minuten zu lesen

Die politische Förderung von Engagement bildet ein neues und noch fragiles Politikfeld. In dem Beitrag werden das Verständnis von "bürgerschaftlichem Engagement" und Anforderungen einer guten Engagementpolitik skizziert.

Engagement wird mit verschiedenen Begriffen bezeichnet: Ehrenamt, freiwillige Arbeit, Selbsthilfe und, in der Praxis eher von einer Minderheit verwendet, "bürgerschaftliches Engagement". Handelt es sich also um ein derart buntes und vielfältiges Feld, dass es begrifflich kaum zu durchdringen ist? Verfügen wir mittlerweile über ein weithin geteiltes und geschärftes Verständnis von Engagement und dessen Eigensinn oder begnügen wir uns mit einem diffusen gemeinsamen Verständnis, das mit dem Sammelbegriff des "bürgerschaftlichen Engagements" pragmatisch operiert? Ich diskutiere im Folgenden vor dem Hintergrund der Entwicklung von Engagement- und Zivilgesellschaftsforschung das Begriffsverständnis von "bürgerschaftlichem Engagement". Insbesondere über eine Kontrastierung mit den zahlreichen instrumentellen Zugriffen auf Engagement als Ressource wird die Bedeutung eines Verständnisses von Engagement als einer eigensinnigen und freiwilligen Tätigkeit deutlich. Hier liegen wesentliche Bezugspunkte guter Engagementpolitik. Deren Agenda gilt es partizipativ und in enger Bezugnahme auch auf Demokratiepolitik fortzuentwickeln.

Was ist "bürgerschaftliches Engagement"?

Das Verständnis von Engagement war bereits in den Diskussionen der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" (2000 bis 2002) eng verbunden mit dem Konzept der Zivilgesellschaft. Neben Staat und Wirtschaft sowie der Privatsphäre wird Zivilgesellschaft als ein eigener großer Bereich der Gesellschaft verstanden, der nicht nur, aber wesentlich durch das Engagement geprägt ist. In der wissenschaftlichen Diskussion tritt neben die Vorstellung von Zivilgesellschaft als eigener Sektor der Gesellschaft die Vorstellung einer zivilgesellschaftlichen Handlungslogik (Solidarität), die neben die Handlungslogiken von Staat (Macht) und Wirtschaft (Markt) tritt. Das Verständnis von Zivilgesellschaft als Sektor mit eigener Handlungslogik erlaubt es, deren Wirkungen auch in Staat, Markt und Privatsphäre stärker in den Blick zu nehmen.

Ohne den "Diskurs der Zivilgesellschaft", in dem nicht zuletzt auch die neuen sozialen Bewegungen seit den 1970er Jahren ihre eigene Rolle gegenüber Staat, Markt und Privatsphäre reflektiert haben, wäre es kaum zu der Ende 1999 eingesetzten Enquete-Kommission gekommen. Wesentlich für deren Begriffsverständnis des "bürgerschaftlichen Engagements" ist die Erfahrung, dass Zivilgesellschaft einen politischen Raum bildet, dessen Akteure für moderne demokratische Gesellschaften und staatliche Institutionen von zentraler Bedeutung sind. Vor diesem Hintergrund wurde das bürgerschaftliche Engagement definiert als eine sozial wie politisch integrierende Tätigkeit, die in der Einstellung von Bürgerinnen und Bürgern eines politischen Gemeinwesens wurzelt. Bürgerinnen und Bürger nehmen Verantwortung im öffentlichen Raum wahr und bringen sich in die Gestaltung des Gemeinwesens in der ganzen Breite der Engagementbereiche (Sport, Soziales, Kultur, Umwelt und andere) ein: "Entscheidend ist, dass Bürgerinnen und Bürger sich wechselseitig als solche anerkennen. Sie sind Mitglieder einer politischen Gemeinschaft, die vielfältige Formen und Assoziationen des bürgerschaftlichen Engagements umfasst. Rechtspositionen sind nur die Voraussetzung der Teilhabe an dieser Gemeinschaft: Das politische Gemeinwesen braucht Bürgerinnen und Bürger, die ihre Rechte nutzen, ihrer Verantwortung – auch für Schwächere – gerecht werden und damit aktiv werden." Gemeinsinn und die Bereitschaft zu freiwilligen Beiträgen zum Gemeinwohl, die Zuordnung des Engagements zum öffentlichen Raum sowie die Unentgeltlichkeit des Engagements kommen als definitorische Bestandteile noch hinzu. Dabei ist die "Bürgergesellschaft (…) das Leitbild des bürgerschaftlichen Engagements. Bürgergesellschaft beschreibt ein Gemeinwesen, in dem die Bürgerinnen und Bürger auf der Basis gesicherter Grundrechte und im Rahmen einer politisch verfassten Demokratie durch das Engagement in selbstorganisierten Vereinigungen und durch die Nutzung von Beteiligungsmöglichkeiten die Geschicke des Gemeinwesens wesentlich prägen können." In dieser Definition werden Engagement und Partizipation in einen engen Zusammenhang gerückt. Dies ist nicht nur ein normatives Gedankenspiel, sondern hat auch empirische Evidenz: Die praktische Gestaltung des politischen Gemeinwesens auch im Kleinen wird im Freiwilligensurvey als das dominante Motiv der Engagierten identifiziert.

In jüngerer Zeit haben Thomas Olk und Birger Hartnuß vorgeschlagen, das Begriffsverständnis von "bürgerschaftlichem Engagement" um den Bezug auf die "Erzeugung öffentlicher Güter" zu ergänzen. Denn es gehe "nicht primär darum, dass sich Bürger dauerhaft politisch betätigen, sondern darum, ob die Bürger fähig sind, immer wieder auch Interessen zu verfolgen, die über ihre unmittelbaren Eigeninteressen hinausgehen und den Angehörigen anderer Gemeinschaften sowie dem übergeordneten Gemeinwohl nützen". Engagement ist als praktisches Tun nach diesem Verständnis auch eine Aktivität "zur Erzeugung und Vermehrung öffentlicher Güter" in der Wohlfahrtsgesellschaft. Der oft zitierte "Eigensinn" des Engagements liegt genau an dieser Schnittstelle des praktischen Tuns mit einem auf die Gesellschaft (vor allem im sozialen Nahraum) bezogenen Gestaltungsmotiv, der sich selbst in scheinbar politikfernen Formen des sozialen Engagements noch im Anspruch auf die "Selbstwirksamkeit" des eigenen Tuns ausdrückt.

Engagement im Wohlfahrtspluralismus: Risiken und Chancen

Das Begriffsverständnis von "bürgerschaftlichem Engagement" als einer gemeinsinnigen öffentlichen Tätigkeit zur Gestaltung des politischen Gemeinwesens rekurriert auf Engagement als Bürgerrecht und auf dessen Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit. Nun sind gerade die beiden letztgenannten Kriterien in den vergangenen Jahren erheblich unter Druck geraten. Die Verschuldung öffentlicher Kassen gerade im kommunalen Raum, in dem vor allem das Engagement erfolgt, hat zu seiner Instrumentalisierung wesentlich beigetragen. Zunehmend wird Engagement de facto als eine Art verdeckter Niedriglohnbereich behandelt, und durch eine Monetarisierung des Engagements sind finanzielle Anreize in den vergangenen Jahren verstärkt ins Zentrum einer problematischen Engagementförderung gerückt. Ganz zu schweigen von einer arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Nutzung des gemeinnützigen Bereichs für die Ausbildung von Arbeitsfähigkeit etwa von Langzeitarbeitslosen in Verbindung mit hoch problematischen Sanktionen bei Leistungsverweigerung, die soziale Bürgerrechte in Frage stellen. Kein Wunder also, dass ein erheblicher Diskussionsbedarf zum Verhältnis von Erwerbsarbeit und Engagement oder auch zur Arbeitsmarktneutralität von Freiwilligendiensten besteht.

Doch macht die berechtigte Kritik an einer Instrumentalisierung des Engagements zugleich aufmerksam auf die notwendige Fortentwicklung des Begriffsverständnisses, die mit der Bezugnahme auf das Konzept der "öffentlichen Güter" bereits weichenstellend eingeleitet worden ist. Bürgerinnen und Bürger spenden freiwillig ihre Zeit und Kompetenz dort, wo sie es für erforderlich halten. Und dies betrifft ganz besonders die Engpässe in der öffentlichen Daseinsvorsorge. So sind Dorfläden, Bürgerbusse, Bürgerbäder, Tafelprojekte und viele andere mehr längst dynamisch wachsende Engagementbereiche. Wir haben es nicht nur mit einem zunehmenden Druck auf die Ausgabenpolitik des Wohlfahrtsstaates zu tun, sondern längst auch mit einer Entwicklung hin zu einer "Wohlfahrtsgesellschaft", in der Ressourcen von Staat und Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kooperativ verbunden werden. Diese Entwicklung wird zwar von Verfechtern des herkömmlichen Sozialstaates kritisiert, birgt aber auch erhebliche Chancen und ist zudem kaum umkehrbar.

Das im Freiwilligensurvey erhobene Engagement von 23 Millionen Menschen in Deutschland hat auch ein erhebliches ökonomisches Gewicht. Doch gerade eine einfache und unmittelbare ökonomische Beanspruchung des Engagements macht Engagementförderung instrumentell und verletzt den Eigensinn des Engagements. Der Hinweis auf Engagement als "Bürgerpflicht" im Engagementbericht der Bundesregierung hat gerade in einer Phase der Engagementpolitik, in der mit der Gründung des Bundesfreiwilligendienstes zunächst vor allem ein Ersatz des Zivildienstes in sozialen Einrichtungen vor Augen stand, den Eindruck einer instrumentellen Korrektur des Begriffsverständnisses verstärkt.

Dies heißt aber nicht, dass Engagement im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge keine Rolle spielt. Im Gegenteil: Engagement reagiert schon immer sehr sensibel auf reale Problemlagen, doch darf es nicht erzwungen werden. Eine nicht instrumentelle Einbindung von Engagement in Koproduktionen erfordert die Akzeptanz seiner eigenen Bedingungen und Handlungslogik: Gerade wenn wir es mit einer dynamischen Tendenz des Einbezugs von Engagement in die öffentliche Daseinsvorsorge zu tun haben, so sind auf den verschiedenen Ebenen der Politik Plattformen für eine sektorübergreifende Abstimmung der Koproduktionen von wachsender Bedeutung, in denen Vertreterinnen und Vertreter des Engagements die Bedingungen mitdefinieren und das Eigeninteresse der Engagierten wahren. Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit des Engagements sind dabei die am stärksten gefährdeten Bestandteile eines eigensinnigen Engagements.

Herausforderungen für gute Engagementpolitik

Wir haben es bei der politischen Förderung des Engagements mit einem noch sehr jungen Politikfeld zu tun. Die Diskussion um den Eigensinn des Engagements findet sich hier als die berechtigte Erwartung, dass insbesondere die Engagementpolitik partizipativ unter Einbindung der Akteure der Zivilgesellschaft zu erfolgen hat. Das BBE hat mit dem "Nationalen Forum für Engagement und Partizipation" (2009/10) gezeigt, dass eine partizipative, die Akteure von Zivilgesellschaft und Wirtschaft einschließende und ergebnisoffene Erstellung einer engagementpolitischen Agenda möglich ist und hier auch eine starke Beteiligungsbereitschaft besteht.

Engagementpolitik in einem von der Enquete-Kommission her kommenden Verständnis ist zwangsläufig sehr eng verbunden mit Demokratiepolitik. Insbesondere die deliberativen, assoziativen und kooperativen Formate von Demokratiepolitik weisen enge Bezüge zur Engagementpolitik auf. Bei dieser handelt es sich zudem um ein Thema, das in fast allen Ressorts und auf allen politischen Ebenen verhandelt wird, also um ein klassisches Querschnittsthema im politischen Mehrebenensystem. Insofern ist darauf zu achten, wie sich Entscheidungen in einem Politikfeld, etwa der Bildungs- oder Sozialpolitik, auf das Engagement auswirken.

Es wäre weiterhin zwingend erforderlich, Engagementpolitik im Sinne einer umfassenden Strategie zu denken. Diese erfordert die Vernetzung der Akteure aus Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft und gemeinsame Arbeit an Rahmenbedingungen und Infrastrukturen. Von wachsender Bedeutung für die engagement- und demokratiepolitische Agendaentwicklung sind daher Formate der "assoziativen Demokratie", also Plattformen und Netzwerke, die der gemeinsamen Beratung und Planung dienen und, wie in dem noch jungen Feld der Engagementpolitik, die Bedarfe eines eigensinnigen Engagements für die engagementpolitische Gestaltung fruchtbar machen. Der mit assoziativer Demokratie zwingend verbundene Politikstil der gemeinsamen Beratung und der argumentativen Sondierung von Präferenzen ist für etablierte Muster korporatistischer Interessenvertretung eine Herausforderung, die keineswegs von allen Akteuren angenommen wird. Das machen die Erfahrungen des BBE deutlich. Im Zentrum einer auf eigensinniges bürgerschaftliches Engagement orientierten Engagementpolitik für 23 Millionen Engagierte müssten vor allem horizontale Netze und lebendige Diskurse von zivilgesellschaftlichen Trägern und Einrichtungen, von Kommunen und Wirtschaft mit den lokalen Freiwilligenszenen unter Einbindung einer engagementfördernden Infrastruktur stehen. Gute Engagementpolitik ist auf derartige partizipative Formate angewiesen.

Anforderungen an eine engagementpolitische Agenda

2009 und 2010 hat das BBE ein partizipatives Format entwickelt, in dem 450 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Staat, Kommunen, Unternehmen und Gewerkschaften in 16 Foren an der Entwicklung einer engagementpolitischen Agenda beteiligt waren. Der Koordinierungsausschuss des BBE, in dem über 250 Organisationen aus Zivilgesellschaft, Staat, Kommunen, Unternehmen, Gewerkschaften, Kirchen und Wissenschaft vernetzt sind, hat im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 eine engagementpolitische Agenda entwickelt. Im Rückgriff darauf stelle ich abschließend in knappen Umrissen die Problemstellungen vor, auf die eine nationale Engagementstrategie antworten müsste.

  • Die Auswirkungen des demografischen Wandels erfordern eine Neudefinition des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

  • Die Herausforderungen des demografischen Wandels machen in besonderer Weise die Stärkung und Weiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements erforderlich. Die Lösung der anstehenden Probleme kann nicht darin bestehen, dass freiwilliges Engagement als kostenloser Ersatz für bezahlte Dienstleistungen und Lückenbüßer für das Fehlen qualifizierter Kräfte eingeplant und eingesetzt wird oder bestimmte Personengruppen in eine schleichende Verpflichtung gedrängt werden.

  • Zunehmende Intensivierung der Ausbildungs- und Arbeitszeiten und gestiegene Mobilität erschweren die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit, Erwerbsarbeit beziehungsweise (Aus-)Bildung und Engagement.

  • Knappe öffentliche Kassen führen zu wachsenden Begehrlichkeiten gegenüber dem freiwilligen Engagement der Bürgerinnen und Bürger und zunehmend zu Grauzonen zwischen Erwerbsarbeit und Engagement. Die Monetarisierung des Engagements weitet sich aus.

  • Sozial und finanziell benachteiligte Bevölkerungsgruppen haben immer noch zu wenig Zugang zum bürgerschaftlichen Engagement.

  • Nach wie vor gibt es geschlechtsspezifische Hierarchisierungen im Engagement.

  • Die Bereitschaft, Ehrenämter und Funktionen – besonders langfristige – in Vereinen zu übernehmen, nimmt ab. Das steht auch im Zusammenhang mit den rückläufigen Mitgliederzahlen in Großorganisationen (Parteien, Verbände, Kirchen) und traditionellen Vereinen.

  • Die finanzielle und personelle Ausstattung von engagementfördernden Infrastruktureinrichtungen ist häufig prekär und diese können deshalb die notwendigen Informations-, Beratungs-, Vernetzungs- oder Vermittlungsleistungen nicht hinreichend erbringen.

  • Vereine und andere Organisationsformen der Engagierten werden zunehmend belastet durch Regeln bei Steuern und Abgaben, Ordnungsvorschriften und Bürokratisierung.

  • Der Bundesfreiwilligendienst genügt derzeit nicht hinreichend den Prinzipien der Subsidiarität und der freien Trägerschaft.

  • Strukturen und Organisationen des Engagements werden in engagementpolitische Willensbildung und Entscheidungsfindung (governance) nicht angemessen einbezogen.

  • Informelle und direkte Partizipationsformen in Politik und Gesellschaft, die die Institutionen der repräsentativen Demokratie wirksam ergänzen können, sind unzulänglich entwickelt.

  • Bei Entscheidungen und Verwaltungshandeln auf kommunaler Ebene kommt der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eine wachsende Bedeutung zu. Das erfordert Dialog, Transparenz und erweiterte Formen der Verantwortungsteilung sowie Kooperationsbereitschaft, Vernetzung und gegenseitigen Respekt.

  • Die europäische Zivilgesellschaft und die darauf bezogene europäische wie nationale Engagementpolitik sind nicht ausreichend entwickelt.

Das BBE hat vor diesem Hintergrund drei zentrale Erwartungen an die Politik formuliert:

Stärkung der Querschnittspolitik:

Es wird sichergestellt, dass Engagementpolitik von allen Verantwortlichen als Querschnittspolitik verstanden wird und alle Beteiligten ihr Handeln entsprechend ausrichten. Die Bundesregierung verleiht diesem Willen Ausdruck, indem sie die Position eines Staatsministers beziehungsweise einer Staatsministerin im Kanzleramt einrichtet. Der Bundestag richtet anstelle des bisherigen Unterausschusses einen Hauptausschuss "Bürgerschaftliches Engagement" ein.

Rechtlicher Rahmen und Förderplan:

Es werden ein Nationales Engagementgesetz und ein darauf aufbauender nationaler Aktionsplan geschaffen, die Kernelemente einer strategischen Engagementförderung umfassen. Dazu zählt insbesondere eine nachhaltige Förderung von Infrastruktureinrichtungen, dies gilt auch für die kommunale Ebene. Im Gemeinnützigkeitsrecht ist die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements als gemeinnütziger Zweck substanziell zu stärken. Für eine lebendige Bürgergesellschaft gehört dazu, dass die Akteurinnen und Akteure aus Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft sich entsprechend ihren Kompetenzen konstruktiv einbringen können und ihre Kooperationsfähigkeit gestärkt wird.

Demokratiepolitik stärken:

Die Möglichkeiten der politischen Partizipation sollten gestärkt werden. Dabei sind die Zusammenhänge zwischen bürgerschaftlichem Engagement und Partizipation deutlich zu machen. Die Vielfalt der Gesellschaft (Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Einschränkungen, engagement- und beteiligungsferne Gruppen) erfordert differenzierte Ansatzpunkte und Maßnahmen der Demokratiepolitik. Die Einsetzung einer Demokratie-Enquete kann die Zusammenhänge zwischen Engagement- und Demokratiepolitik herausarbeiten und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie verbessert wird. Die europäische Dimension sollte in einer solchen Enquete-Kommission mit Blick auf die Herausforderungen in der Europäischen Union mitdiskutiert werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Engagementforschung hat sich in den vergangenen Jahren entwickelt und ist als ein wichtiger Bereich der Zivilgesellschaftsforschung mittlerweile gut vorangekommen. Deren notwendige inter- und transdisziplinäre Kooperationen sind aber noch systematisch fortzuentwickeln. Vgl. Ansgar Klein/Eckhard Priller/Rupert Graf Strachwitz, Wir brauchen ein Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung. Ein Dossier, Opusculum 75/2014. Zu engagementpolitischen Debatten siehe u.a. die Jahrbücher Engagementpolitik, hrsg. vom BBE, Schwalbach/Ts. 2013ff.

  2. Vgl. Ansgar Klein, Der Diskurs der Zivilgesellschaft. Politische Kontexte und demokratietheoretische Bezüge der neueren Begriffsverwendung, Opladen 2001; Serge Embacher/Susanne Lang, Bürgergesellschaft. Eine Einführung in zentrale bürgergesellschaftliche Gegenwarts- und Zukunftsfragen, Bonn 2008.

  3. Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements"/Deutscher Bundestag, Bericht. Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft, Opladen 2002, hier: S. 58.

  4. Ebd., S. 86.

  5. Ebd., S. 59.

  6. Vgl. Adalbert Evers, Freiwilliges Engagement und politische Partizipation. Auf der Suche nach Verbindungen, in: BBE-Newsletter vom 8.1.2015; Ansgar Klein, Politische Bildung, in: Birger Hartnuß/Reinhild Hugenroth/Thomas Kegel (Hrsg.), Schule der Bürgergesellschaft, Schwalbach/Ts. 2012, S. 113–123; ders., Bürgerschaftliches Engagement und politische Partizipation, in: BBE-Newsletter vom 8.1.2015.

  7. Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.), Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009. Zivilgesellschaft, soziales Kapital und freiwilliges Engagement 1999–2004–2009, Berlin 2009, S. 12.

  8. Vgl. Thomas Olk/Birger Hartnuß, Bürgerschaftliches Engagement, in: dies. (Hrsg.), Handbuch Bürgerschaftliches Engagement, Weinheim–Basel 2011, S. 145–161.

  9. Ebd., S. 158.

  10. Ebd.

  11. Vgl. Gisela Notz, "Freiwilligendienste" für alle, Neu-Ulm 2012; Claudia Pinl, Freiwillig zu Diensten. Über die Ausbeutung von Ehrenamt und Gratisarbeit, Frankfurt/M. 2013.

  12. Siehe zur Diskussion um Erwerbsarbeit und Engagement insbesondere BBE (Hrsg.), Engagement und Erwerbsarbeit, Berlin 2007; dass./Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (Hrsg.), Engagement und Erwerbsarbeit in Europa. Organisations- und gesellschaftspolitische Herausforderungen und Modelle, Berlin 2012.

  13. Vgl. Silke Helferich/Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.), Commons. Für eine neue Politik jenseits von Staat und Markt, Bielefeld 2012.

  14. Vgl. Adalbert Evers/Thomas Olk, Wohlfahrtspluralismus – Analytische und normativ-politische Dimensionen eines Leitbegriffs, Wiesbaden 1996.

  15. BMFSFJ (Hrsg.), Erster Engagementbericht. Für eine Kultur der Mitverantwortung. Bürgerschaftliches Engagement in Deutschland – Schwerpunkt: Engagement von Unternehmen, Berlin 2012.

  16. Vgl. Gisela Jacob, "Verdienstlichung" des Engagements. Freiwilligendienste als neuer Hoffnungsträger der Engagementförderung, in: Ansgar Klein/Rainer Sprengel/Johanna Neuling (Hrsg.), Jahrbuch Engagementpolitik 2013, Schwalbach/Ts. 2013, S. 22–28; für eine umfassende kritisch-konstruktive Debatte der Freiwilligendienste siehe den eben erschienenen Band von Thomas Bibisidis et al., Zivil – Gesellschaft – Staat. Freiwilligendienste zwischen staatlicher Steuerung und zivilgesellschaftlicher Gestaltung, Wiesbaden 2015.

  17. Vgl. Ansgar Klein/Serge Embacher, Der schwarz-rote Koalitionsvertrag aus engagementpolitischer Sicht, in: BBE-Newsletter vom 12.12.2013.

  18. Vgl. Thomas Olk/Ansgar Klein/Birger Hartnuß, Engagementpolitik. Die Entwicklung der Zivilgesellschaft als politische Aufgabe, Wiesbaden 2010.

  19. Von Beginn an war die Entstehung von Engagementpolitik als neuem Politikfeld durch kritische Diskussionen begleitet. Instruktiv hierfür sind die Themenhefte des Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen (später: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, Analysen zu Demokratie und Zivilgesellschaft) 7 (1994) 1; 13 (2000) 2; 16 (2003) 2; 17 (2004) 1; 18 (2005) 3; 20 (2007) 2; 22 (2009) 3; 23 (2010) 4; 24 (2011) 3.

  20. Vgl. BBE (Hrsg.), Nationales Forum für Engagement und Partizipation. Erster Zwischenbericht, Berlin 2009; dass. (Hrsg.), Nationales Forum für Engagement und Partizipation. Materialien und Dokumente, Bde. 2–4, Berlin 2009/2010.

  21. Zu deren Agenda siehe Roland Roth, Bürgermacht. Eine Streitschrift für mehr Partizipation, Bonn 2011. Vgl. auch Serge Embacher, Baustelle Demokratie. Die Bürgergesellschaft revolutioniert unser Land, Hamburg 2012.

  22. Vgl. A. Klein 2015 (Anm. 6).

  23. Vgl. ders./Thomas Olk, Transsektorale Vernetzung und assoziative Demokratie. Erfahrungen des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement, in: Annette E. Zimmer/Ruth Simsa (Hrsg.), Forschung zu Zivilgesellschaft, NPOs und Engagement. Quo vadis?, Wiesbaden 2014, S. 431–448.

  24. Zum nationalen Forum für Engagement und Partizipation siehe BBE (Anm. 20). Kommentierend zum Forum: S. Embacher (Anm. 21), S. 126ff.

  25. Vgl. engagementpolitische Empfehlungen des BBE zur Bundestagswahl 2013, Externer Link: http://www.b-b-e.de/themen/engagement-politik-foerderung1 (5.3.2015).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Ansgar Klein für Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de

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PD Dr. phil., geb. 1959; Geschäftsführer des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) und Privatdozent für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin; BBE Geschäftsstelle, Michaelkirchstraße 17–18, 10179 Berlin. E-Mail Link: ansgar.klein@snafu.de