Nur zwei Monate nachdem Bundeskanzler Ludwig Erhard im März 1965 einen entsprechenden Vorschlag formuliert hatte, nahmen die Bundesrepublik Deutschland und der Staat Israel volle diplomatische Beziehungen auf. 1965 markiert somit einen Meilenstein in der Erfolgsgeschichte der deutsch-israelischen Versöhnung – einen Meilenstein der transnationalen Aussöhnung und insbesondere der deutsch-jüdisch-israelischen Beziehungen nach dem Holocaust.
Ohne die symbolische Bedeutung dieses Jahres für die bilateralen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel infrage stellen zu wollen, soll in diesem Artikel jedoch ein anderer Aspekt beleuchtet werden, der aber für das Verständnis von Erhards Entscheidung, dem jüdischen Staat diplomatische Beziehungen anzubieten, wesentlich ist: die Gestaltung der bundesdeutschen Israelpolitik zwischen 1956 und 1965 im Kontext der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz während des Kalten Krieges. Erhards Entscheidung reifte unter den spezifischen Bedingungen des Wettstreits beider deutscher Staaten um internationale Anerkennung und Legitimität – und ist somit untrennbar mit dem Kalten Krieg verbunden.
Israelpolitik im Kontext des Kalten Krieges
Im Januar 1965 ergab sich für die Bundesregierung ein bislang ungekanntes Problem: Auslöser war die Nachricht, dass der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht nach Kairo eingeladen worden war. Wenige Tage vor der Abreise aus Ost-Berlin notierte Ulbrichts Ehefrau Lotte: "Ich bin freudig erregt. (…) Vor mir liegt das umfangreiche Reiseprogramm; daraus ist zu entnehmen, daß für den Empfang Walter Ulbrichts alle Ehrungen vorgesehen sind, die einem Staatsoberhaupt beim Besuch eines fremden Landes zukommen. Unser Arbeiter-und-Bauern-Staat gilt also etwas in der Welt!" Lottes Enthusiasmus über die bevorstehende Reise stand im krassen Gegensatz zum westdeutschen Entsetzen über die baldige Ankunft des SED-Chefs in Kairo. Würde es Ulbricht gelingen, nach Ägypten zu reisen und von Präsident Gamal Abdel Nasser als Staatsoberhaupt empfangen zu werden, drohte dem außenpolitischen Fundament, auf dem die Bundesrepublik ihre internationale Glaubwürdigkeit aufgebaut hatte, eine empfindliche Schwächung.
Dieses Fundament bildete Mitte der 1960er Jahre der sogenannte Alleinvertretungsanspruch: Da die Bundesrepublik der einzige legitime deutsche Staat sei, könne auch nur sie allein Deutschland außenpolitisch vertreten. Artikuliert wurde dieser Anspruch in der Hallstein-Doktrin. In der ursprünglichen Formulierung von 1955 hieß es darin, dass die Bundesrepublik jegliche Anerkennung der DDR als "unfreundlichen Akt" interpretieren und mit einem wirtschaftlichen und diplomatischen Boykott des jeweiligen Landes reagieren werde. Weniger als ein Jahrzehnt später wurde die Doktrin nun direkt herausgefordert. Niemals zuvor war Ulbricht auf einen Staatsbesuch außerhalb des sowjetischen Blocks eingeladen worden. "Wer Ulbricht als Staatsoberhaupt eines souveränen Volkes behandelt, paktiert mit den Spaltern der deutschen Nation", betonte Bundeskanzler Erhard vor dem Deutschen Bundestag. In Bonn war man sich rasch darüber einig, dass es eine Reaktion auf Nassers Provokation geben müsse – jedoch nicht darüber, wie diese aussehen solle.
Die Nachricht von Ulbrichts Einladung nach Ägypten folgte einer Reihe von Presseberichten über geheime Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und Israel über Waffenlieferungen – zu einer Zeit, als offiziell noch die Politik verfolgt wurde, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Die bereits von Bundeskanzler Konrad Adenauer getroffene Vereinbarung mit Israel war von seinem Nachfolger Erhard bekräftigt worden, als dieser einer geheimen Lieferung von US-amerikanischen Panzern über Italien nach Israel widerstrebend zugestimmt hatte. "Durch das Bekanntwerden unserer Waffenlieferungen an Israel ist unsere Politik im Nahen Osten in eine äußerst kritische Phase geraten", warnte das Auswärtige Amt im Januar 1965. Viele waren jedoch der Ansicht, dass das Problem nicht nur die Haltung gegenüber dem Nahen Osten betraf. Ende des Monats bemerkte der bundesdeutsche Botschafter in Kairo, Georg Federer, dass die aktuelle Situation nun die Bundesrepublik an einen "Scheideweg, nicht nur unserer Nahost-Politik, sondern unserer Deutschland-Politik" stelle.
Offizielle und geheime Kontakte
Der Zusammenhang zwischen Deutschlandpolitik und Israelpolitik – und damit der Zusammenhang zwischen der deutsch-deutschen Rivalität im Kalten Krieg und dem arabisch-israelischen Konflikt – war zehn Jahre zuvor vom Auswärtigen Amt offiziell bestätigt worden. Im Oktober 1955, nach Abschluss eines Rüstungsgeschäfts zwischen Ägypten und der Tschechoslowakei, das in vielen westlichen Hauptstädten für Aufregung gesorgt hatte, empfahl der bundesdeutsche Botschafter in Kairo, Walter Becker, dass die Bundesrepublik alles tun solle, um ihre Position in der Region aufrecht zu erhalten.
Anfang 1956 gab der Leiter der Nahostabteilung im Auswärtigen Amt, Hermann Voigt, zu verstehen, dass zwei Umstände den westdeutschen Spielraum in der Region jedoch einengten: Das sei erstens allein die Existenz "der sogenannten DDR", und zweitens "das Israel-Abkommen": "zwei Fragen, die übrigens zwar nicht begrifflich, aber doch tatsächlich in einer gewissen Interdependenz miteinander stehen". Ersteres hatte mit dem Ziel der Bundesrepublik unter der Hallstein-Doktrin zu tun, jeglichen diplomatischen Erfolg der DDR zu verhindern. Letzteres bezog sich auf das Luxemburger Abkommen von 1952 ("Wiedergutmachungsabkommen"), in dem sich die Bundesrepublik dazu verpflichtet hatte, drei Milliarden DM in Sachleistungen an Israel zu zahlen. "Glauben Sie mir, Herr Steffen", merkte ein libanesischer Vertreter im Gespräch mit einem bundesdeutschen Kollegen Anfang 1955 an, "wenn ich dies unter Freunden sagen darf, Ihr hier in der Bundesrepublik erfasst nicht im Geringsten, welch erschreckenden Grund von Feindseligkeit Ihr Deutschen durch das Israelabkommen in den arabischen Ländern für Euch gelegt habt. Bei der weiteren Entwicklung der Dinge wird es eines Tages noch schwer auf Euch zurückfallen."
Das Problem der diplomatischen Beziehungen zu Israel beherrschte auch die Gespräche beim Treffen der bundesdeutschen Nahost-Botschafter in Istanbul im April 1956. Angesichts der potenziell explosiven Situation in der Region waren sich die Diplomaten einig, dass es – jedenfalls zunächst – notwendig war, die Entwicklung offizieller Beziehungen zwischen Bonn und Jerusalem zu stoppen, zumal die arabischen Staaten mit der Etablierung diplomatischer Beziehungen zur DDR kontern könnten. Westdeutsche Vertreter, die dem jüdischen Staat zuvor noch vorgeschlagen hatten, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, wiesen nach der Konferenz israelische Anfragen nach einem Botschafteraustausch zurück. In der Zwischenzeit blühte aber im Geheimen die militärische und Sicherheitskooperation zwischen beiden Ländern auf.
Im Kontext dieser Teilung der Bonner Israelpolitik in zwei getrennte Dimensionen (offen und geheim) erwies sich die Existenz des ostdeutschen Staats in gewisser Weise als Vorteil. Vertreter der Bundesrepublik konnten die arabische Drohung, die DDR anzuerkennen, als Möglichkeit nutzen, um dem israelischen Drängen, Botschafter auszutauschen, etwas entgegenzusetzen. Währenddessen konnten sich geheime Sicherheitsbeziehungen mehr oder weniger ungehindert entwickeln, da westdeutsche Diplomaten kursierende Spekulationen darüber als DDR-Propaganda abtun konnten. Nur wenige Tage nach der ersten Zusammenkunft von drei Vertretern des israelischen Verteidigungsministeriums mit Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß im Dezember 1957 wies die bundesdeutsche Botschaft in Kairo Gerüchte einer beginnenden Sicherheitskooperation mit Israel zurück und nannte sie "törichte(n) Unsinn", der nur die ostdeutschen Bemühungen zeige, die arabischen Staaten gegen die Bundesrepublik aufzubringen. In der Vertretung in Damaskus war man derselben Meinung und sprach von "reine(r) Ostzonenpropaganda". Tatsächlich sollten die bundesdeutsch-israelischen Verbindungen hinter dem Rücken der arabischen Staaten zu einer der Kernbotschaften der DDR-Propaganda im Nahen Osten werden.
Entsprechend drohte Bonn ein diplomatisches Debakel, als sieben Jahre später, Ende 1964, Anfang 1965, die geheimen Waffenlieferungen der Bundesrepublik an Israel publik wurden. Zunächst versuchten die westdeutschen Vertreter ihre arabischen Amtskollegen zu beruhigen. Die "Pressekampagne" über Waffenlieferungen, so die Erläuterung aus Bonn, werde "als bewußtes Störmanöver von interessierter Seite" inszeniert, um die deutsch-arabischen Beziehungen zu belasten. Auch wenn ein Vertreter der DDR im Nahen Osten Berichten zufolge anmerkte, dass die Polemik zur Bonner Militärhilfe für Israel Ost-Berlin tatsächlich "viele Millionen wert" sei, war es schlicht nicht mehr haltbar, die Waffenlieferungen zu leugnen.
Viele Mitglieder der Bundesregierung glaubten zwar, dass die Berichte über die Waffenlieferungen eher ein Vorwand für Nassers Einladung an Walter Ulbricht waren, nicht deren Ursache. Nichtsdestotrotz bestand in Bonn aber weitgehende Einigkeit, dass es notwendig wäre, die Lieferungen zu stoppen. Wie vorherzusehen war, bewerteten die Israelis diese Nachricht nicht positiv – aber die Bonner Linie war sehr deutlich. Israel könne vernünftigerweise nicht erwarten, dass die Bundesrepublik "die Lebensinteressen Deutschlands" um "geschenkweise gegebene" Waffenlieferungen willen riskiere, erläuterte etwa Ludger Westrick, der Erhard-Vertraute und Minister für besondere Aufgaben, dem Leiter der Israel-Mission in Köln, Felix Shinnar. Dieses Argument wiederholte Erhard in einem Brief an den israelischen Premierminister Levi Eshkol, der später von einer "deutschen Kapitulation gegenüber Nasser" sprach. Es folgte eine wuchtige Pressekampagne gegen die Bundesrepublik. Zahlreiche internationale jüdische Organisationen kritisierten die Bonner Linie, und Rufe nach einem internationalen Boykott westdeutscher Waren wurden laut.
Erhards Entscheidung
Eineinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler revolutionierte Ludwig Erhard die westdeutsche Nahostpolitik, wie sie 1956 bei der Istanbuler Botschafterkonferenz verkündet worden war: Entgegen der Befürchtungen – und Empfehlungen – des Auswärtigen Amtes nahm er Anfang 1965 seine Richtlinienkompetenz in Anspruch, um Israel diplomatische Beziehungen anzubieten. Nur sehr wenige wären zu dieser Zeit überhaupt in der Lage gewesen, Erhards Entscheidung vorherzusehen. Noch im März 1964 hatte er auf dem CDU-Parteitag betont, dass man "in dieser Frage pfleglich operieren" müsse und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel für die nahe Zukunft de facto verworfen. Doch schon auf dem folgenden Parteitag ein Jahr darauf kommentierte er stolz seine Entscheidung, Botschafter mit dem jüdischen Staat auszutauschen. Was hatte Erhard zu dieser Kehrtwende veranlasst?
Von den Faktoren, die Erhards Entscheidung beeinflusst haben könnten, sind zwei besonders hervorzuheben: erstens die Berichte über Meinungsumfragen, die einen besorgniserregenden Rückgang von Erhards Popularität sowohl in der Bundesrepublik als auch in den USA feststellten, und zweitens die "energisch(en)" Ermahnungen der westlichen Alliierten (besonders der US-Amerikaner), es nicht zu wagen, die Beziehungen zu Ägypten abzubrechen, um Nasser nicht "in die Hände der Kommunisten" zu treiben. Beides erhöhte das Unbehagen in Erhards Partei und in seinem Kabinett und setzte ihn unter Druck, sowohl gegenüber Israel als auch gegenüber Ägypten eine klare Haltung einzunehmen. Über diese unmittelbaren Ursachen hinaus spielten auch die zurückliegenden Jahre eine Rolle: ein Jahrzehnt verweigerter diplomatischer Beziehungen mit Israel, aus Angst davor, dass die arabischen Staaten aus Vergeltung die DDR anerkennen würden; ein Jahrzehnt, in dem sich die deutsch-deutsche Rivalität des Kalten Krieges mit dem arabisch-israelischen Konflikt überschnitt, wobei neue, zunehmend komplexe diplomatische Herausforderungen entstanden.
Während der gesamten Krise hatte Erhard stets wiederholt, dass es notwendig sei, Bonns Alleinvertretungsanspruch aufrechtzuerhalten. Auch seine Frustration über die Unfähigkeit der westlichen Alliierten, die außenpolitische Haltung Bonns zur deutschen Frage ernst zu nehmen, hatte er mehrfach bestätigt. Am 9. März 1965, zwei Tage nach seiner Entscheidung, Israel diplomatische Beziehungen anzubieten, erläuterte Erhard, was ihn dazu gebracht hatte. Dabei erwähnte er zum einen die heiklen innenpolitischen Auswirkungen einer Krise, die im Grunde außenpolitischer Natur gewesen war, zum anderen den Willen, die Beziehungen zu den westlichen Alliierten zu verbessern. Schließlich betonte er, wie wichtig es sei, dass es nicht länger erscheine, als reagiere Bonn ständig nur auf ostdeutsche Bedrohungen des westdeutschen Alleinvertretungsanspruchs. Die Etablierung voller diplomatischer Beziehungen zu Israel solle genau das Gegenteil sein – ein Schritt, der die Wichtigkeit unterstreicht, "von uns aus aktiv zu werden".
Folgen
Genau in diesen Tagen, vom 6. bis zum 9. März 1965, besuchte der britische Premierminister Harold Wilson die Bundesrepublik. In seinen Memoiren heißt es: Erhards "Gedanken waren vor allem bei Krise der deutschen Beziehungen zum Nahen Osten. (…) Der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel war die Anerkennung der DDR durch die arabischen Staaten gefolgt, und zwar mit allen Konsequenzen, die ein solcher Schritt entsprechend der Hallstein-Doktrin für Bonn mit sich brachte." Wilsons Erinnerung trog ihn jedoch. Hätten die arabischen Staaten die DDR wirklich anerkannt, wäre die gesamte außenpolitische Weltanschauung der Bundesrepublik zerfallen. Tatsächlich brachen zehn Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga zwei Monate später (im Mai 1965) die Beziehungen zur Bundesrepublik ab. Dennoch tauschten sie mit Ost-Berlin keine Botschafter aus. Wilsons fälschliche Darstellung der Bonner Nahostkrise ist ein aufschlussreiches Beispiel dafür, wie wenig die westlichen Alliierten die Komplexität der Bonner Außenpolitik und seines Alleinvertretungsanspruchs verstanden. Sie verweist außerdem auf ein Schlüsselelement, das den Ausgang der Krise prägen sollte – nämlich auf Bonns schlimmste Befürchtung, die Anerkennung der DDR durch die arabischen Staaten, die 1965 jedoch nicht eintrat.
Gleichzeitig herrschte aber Unzufriedenheit darüber, wie das westdeutsche politische Establishment die Krise gemanagt hatte. "Ich kann mich an keinen derart akuten und allgemein empfundenen Tiefpunkt erinnern", berichtete Ende März 1965 ein US-Diplomat über die schlechte Stimmung, die "aus einem Zusammentreffen bestimmter Enttäuschungen resultiert, großer wie kleiner". Die DDR verurteilte den Austausch von Botschaftern zwischen Bonn und Jerusalem (beziehungsweise Tel Aviv, das zum Sitz der bundesdeutschen Botschaft wurde) und versuchte, die arabischen Staaten gegen die Bundesrepublik zu mobilisieren. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen "kann nicht anders als eine demonstrative Unterstützung der aggressiven Politik der israelischen Regierung, die als imperialistisches Werkzeug gegen die arabische Befreiungsbewegung ausgenutzt wird, gewertet werden", hieß es aus Ost-Berlin. Gleichwohl, und das ist bedeutend, brachen nicht alle Mitglieder der Arabischen Liga ihre Beziehungen zur Bundesrepublik ab: Libyen, Tunesien und Marokko schlossen sich der mehrheitlich in der Liga vertretenen Position nicht an. Überdies behielten diejenigen Länder, die sich für einen Abzug ihrer Botschafter aus Bonn entschieden, ihre "konsularischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen" zur Bundesrepublik weiterhin bei.
Möglicherweise bewies die arabische Reaktion, dass Felix Shinnar die ganze Zeit Recht gehabt hatte. Im Februar 1965 hatte der israelische Vertreter in der Bundesrepublik seine Bonner Kollegen ermahnt, sich der eigenen Stärke bewusst zu sein und entsprechend zu handeln. Eine ähnliche Botschaft war von den westlichen Alliierten gekommen. Auch sie erwarteten von der Bundesrepublik, angesichts von Nassers Provokation Festigkeit und Entschiedenheit zu demonstrieren. Dies, so legten sie nahe, sei die einzige vernünftige Reaktion, die man von einem so großen und mächtigen Land wie der Bundesrepublik erwartete. Der Ausgang der Krise schien ihnen Recht zu geben. Im Dezember desselben Jahres liefen bereits geheime Verhandlungen, um die diplomatischen Beziehungen zu denjenigen arabischen Ländern wiederherzustellen, die sie wenige Monate zuvor abgebrochen hatten.
1965 erinnern, den Kalten Krieg vergessen?
In der westdeutschen Zivilgesellschaft hatte seit Anfang der 1960er Jahre die Anzahl der Initiativen, die sich für eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel einsetzten, stetig zugenommen. Erhards Entscheidung für den Botschafteraustausch war jedoch mehr als ein Erfolg "ehrgeiziger Innenpolitiker" in ihrem Kampf für eine "Ausrichtung der Außenpolitik an moralischen Geboten". Tatsächlich ist sein Entschluss teilweise auf die allmähliche Verschlechterung seines Rufs sowohl in der westdeutschen als auch in der internationalen (besonders der US-amerikanischen) Öffentlichkeit zurückzuführen, der Erhard mit einer kraftvollen symbolischen Geste begegnen wollte. Ein weiterer Faktor war die Gefährdung der Hallstein-Doktrin. Erhard sah in seiner Entscheidung eine Möglichkeit, Nasser für die Einladung Ulbrichts nach Kairo abzustrafen – hatte diese dem DDR-Staatschef doch beispiellose internationale Aufmerksamkeit gebracht, verbunden mit dem Risiko, Ulbricht als politischen Führer und die Existenz der DDR als deutschen Staat zu legitimieren.
Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern "wurde ein seit langem nach einer Regelung drängendes Problem der deutschen Politik gelöst", erklärte die Bonner Regierung. Im Deutschen Bundestag lobte Erhard im Mai 1965 den Austausch von Botschaftern zwischen Israel und der Bundesrepublik als "ein(en) entscheidende(n) Beitrag zu einem Neubeginn".
Fünfzig Jahre später ist die special relationship zwischen beiden Ländern tatsächlich immer noch lebendig und auf einem hohen Niveau – und dies wird auch auf lange Sicht der Fall bleiben. Aber die politischen Entscheidungen von 1965 gingen über die Besonderheit der bilateralen deutsch-israelischen Beziehungen weit hinaus. Die Auseinandersetzungen zwischen beiden deutschen Staaten im Kalten Krieg, ihr Wettstreit um die legitime internationale Vertretung Deutschlands, waren entscheidende Elemente für das Auslösen der Ereigniskette, durch die Bundeskanzler Erhard angestoßen wurde, Israel diplomatische Beziehungen anzubieten.
Die westdeutsche Debatte über die Nahostkrise Anfang 1965 warf zudem ein Schlaglicht darauf, dass die Auffassungen über die damalige politische Krise und darüber, wie sie zu managen sei, erheblich variierten – innerhalb und zwischen politischen Schlüsselinstitutionen. Aber trotz dieser Differenzen gab es einen Gesichtspunkt, über den sich die meisten Beobachter einig waren: Viele in Bonn betrachteten die Krise vom März 1965 nicht nur als Krise innerhalb der deutsch-jüdisch-israelischen Beziehungen in der Folgezeit des Holocaust, sondern auch als entscheidende Krise des (deutschen) Kalten Krieges.