Konrad Adenauer wünschte sich, durch das Luxemburger Abkommen 1953 "zu einem ganz neuen Verhältnis zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volk wie auch zu einer Normalisierung der Beziehungen" zu gelangen.
Außenminister Walter Scheel beschrieb die deutsch-israelischen Beziehungen 1969 als "normal".
Seitdem hat sich die deutsche "Temperaturprüfung" der Beziehungen auf eine sachlichere Ebene verlagert. Angela Merkel hat bei ihrem Israelbesuch 2008 das Eintreten für die sichere Existenz Israels als deutsche Staatsräson definiert.
Ungeachtet der Motive für die ständige Temperaturprüfung auf deutscher Seite fällt eine Einschätzung der Beziehungen nach 50 Jahren eindeutig positiv aus. Die politischen Kontakte haben sich im Laufe der Jahre trotz Rückschlägen gut entwickelt, und zwar nicht nur auf bilateraler Ebene, sondern auch im Rahmen der Europäischen Union. Ebenso positiv fällt die Bilanz der Sicherheitszusammenarbeit und militärischen Kontakte aus, die schon vor 1965 aufgenommen worden waren und sowohl für internationalen wie für innenpolitischen Wirbel in beiden Ländern sorgten.
Schuld und Versöhnung
Der Schatten eines zivilisatorischen Bruchs wie der Shoah
Die Versöhnung ist das säkulare Pendant der Vergebung, und auch sie scheint nicht immer in greifbarer Nähe zu sein. Das deutsche Selbstverständnis ist in einer europäischen Identität eingebettet und damit längst in die postnationale Phase eingetreten. In Israel hat indes das Primat der Selbstverteidigung das nationale Selbstverständnis entscheidend geprägt. Israel sieht sich mit einer Nachbarschaft konfrontiert, die immer noch Schwierigkeiten hat, das Recht des jüdischen Volkes auf sein Heimatland zu akzeptieren. Darüber hinaus hat sich im Nahen Osten die Schwelle zur Gewaltanwendung als Mittel zur Konfliktregelung erheblich gesenkt. Auch wenn Israel sich mit den besten Vorsätzen taubenhaft gerieren sollte, wäre dies keine Friedensgarantie, da Tauben in der Regel von Falken erlegt werden. Die unbewiesene Behauptung, dass Demokratien Konflikte ohne Gewaltanwendung regeln, hätte für Israel in dieser gewaltbetonten Nachbarschaft schwerwiegende Folgen. Man ist besser beraten, ein Schaf im Wolfspelz zu sein als ein Wolf im Schafsfell.
Adenauers Schuldbekenntnis und seine Bereitschaft, sich der moralischen Verantwortung und materiellen Wiedergutmachung zu stellen, fand in den 1950er Jahren wenig Zuspruch in der deutschen Öffentlichkeit. Dass der Lauf der Geschichte keiner moralischen Weisung gehorcht, ist zwar bedauernswert, aber unvermeidbar. Geschichte ist kein Gerichtshof. Von einer "Stunde null" konnte keine Rede sein. In der frühen Bundesrepublik waren nostalgische Einstellungen zur Nazizeit weit verbreitet, verbunden mit einem latenten, aber stabilen Antisemitismus, der leider Bestandteil der deutschen wie auch der europäischen Seelenlandschaft blieb. Aus realpolitischen, aber auch moralischen Überlegungen war es Adenauer wichtig, diplomatische Beziehungen zum Staat Israel aufzunehmen. In der Tat wollte die deutsche Seite die Aufnahme der Beziehungen mit dem Luxemburger Abkommen von 1953 verknüpfen. Dieser Vorschlag war für Israel jedoch moralisch inakzeptabel. Aus realpolitischen Überlegungen schlug Israel schließlich in der zweiten Hälfte der 1950er und Anfang der 1960er Jahre vor, diplomatische Beziehungen aufzunehmen – und wurde nun zurückgewiesen. Im Mai 1965 "stolperte" die Bundesrepublik gewissermaßen in die Beziehungen mit Israel hinein. Im Mittelpunkt der bundesdeutschen Nahostpolitik standen damals die Hallstein-Doktrin und die Aufrechterhaltung der deutschen Interessen im arabischen Raum.
Seitdem ist viel Wasser den Rhein beziehungsweise die Spree und den Jordan hinuntergeflossen. Politiker und namhafte Mitglieder der deutschen Elite haben sich aus moralisch-historischen Gründen kontinuierlich zum Existenzrecht und zur Sicherheit des Staates Israel bekannt. Es gilt als politisch korrekt. Einerseits können diese Versicherungen als Unterstützung aufgefasst werden, andererseits begnügt sich Israel nicht immer mit verbalen Freundschaftsbekenntnissen. Und nicht selten kam ein solches Freundschaftsbekenntnis zusammen mit einem Freibrief, legitime, manchmal aber auch unqualifizierte Kritik an Israel zu üben.
Angesichts der endemischen Instabilität in der Region, sei es durch Irans nukleare Ambitionen oder durch den radikalen Islamismus, kann nie ausgeschlossen werden, dass die Frage der sicheren Existenz Israels auf die aktuelle politische Tagesordnung Deutschlands rückt. Die meisten Politiker würden sich solch einer Gretchenfrage entziehen wollen. Die Deutungshoheit darüber, wann eine Bedrohungssituation vorliegt, wird vermutlich in Deutschland bleiben.
Regierungsebene
Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel 1965 setzte sich die Große Koalition unmittelbar nach ihrem Regierungsantritt 1966 das Ziel, eine ausgewogene Nahostpolitik zu betreiben, um den deutschen Einfluss in der Region auszubauen. Das bedeutete, sich trotz der historisch-moralischen Verpflichtung nicht einseitig für Israel einzusetzen, sondern die deutschen Interessen auch im arabischen Raum zu wahren. So wurde in der politischen Praxis 1973 etwa die Verladung von US-Waffen, die von Bremen nach Israel verschifft werden sollten, unterbunden. Seit dem Ölschock im selben Jahr begann die deutsche Politik, sich im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft auch für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser auszusprechen. Damit wurde eine deklaratorische Ausgewogenheit aufrechterhalten.
Die deutsche Nahostpolitik scheint in gewisser Weise einem Nullsummenspiel zum "Opfer" gefallen zu sein: Denn solange der arabisch-israelische Konflikt nicht beigelegt ist, können Schritte für die eine Seite als Schritte gegen die andere interpretiert werden. Eine wichtige Bühne, auf der Deutschland seine Position gestalten und sich anderen anschließen oder auch hinter ihnen verbergen konnte, war und ist die EU. Es muss jedoch betont werden, dass sich Deutschland innerhalb der Union zunehmend als Fürsprecher der Belange Israels entwickelt hat.
Die Bilanz auf der praktischen Ebene der bilateralen Beziehungen ist eindrucksvoll. Der deutsche Beitrag fiel zunächst aus verständlichen Gründen wesentlich größer aus. Die Zusammenarbeit intensivierte sich und war auch für Deutschland von großem Nutzen – sei es im verteidigungspolitischen Bereich oder im hochtechnologischen Sektor. Doch führte hier der deutsche Versuch, die eigenen Nahostinteressen durchzusetzen, zu Unmut bei den Israelis, weil in ihrer historisch bedingten Erwartungshaltung inbegriffen ist, dass Deutschland Israel durch seine Politik nicht gefährdet.
Der Politologe Friedemann Büttner hat auf die Aussichtslosigkeit des deutschen Unterfangens hingewiesen, im Nahen Osten eine Politik der Ausgewogenheit verfolgen zu wollen: Die deutsche Nahostpolitik könne diesen Vorsatz nicht durchhalten, weil die Beziehungen zu Israel nie Teil "normaler" außenpolitischer Beziehungen gewesen seien und dies auch in absehbarer Zukunft nicht sein könnten. Sie seien vielmehr Gegenstand deutscher Innenpolitik, die ihnen eine Priorität verleihe, die mit einer Außenpolitik gegenüber der arabischen Seite nicht in Einklang gebracht werden könne.
Im Rückblick auf die Beziehungen werden die Konturen eines Musters erkennbar, demzufolge jedes Jahrzehnt von einer Vertrauenskrise heimgesucht wurde. Auslöser in den 1950er Jahren waren die deutschen Reparationszahlungen an Israel, die nur eine schmale Unterstützung in Deutschland fanden – was die israelische Seite wiederum enttäuschte. In den 1960er Jahren waren es die deutschen Ingenieure, die Israels damaligem Feind Ägypten zur Raketenentwicklung verhalfen. In den 1970er Jahren war es die Unterbindung der US-Waffenlieferungen aus Deutschland während des Jom-Kippur-Krieges. In den frühen 1980er Jahren war es der deutsche Plan, Leopard-Panzer an Saudi-Arabien zu verkaufen, die eine persönlich geführte Fehde zwischen Premierminister Menachem Begin und Bundeskanzler Helmut Schmidt zur Folge hatte. In den 1990er Jahren waren es die deutschen Firmen im Irak des Saddam Hussein, die am Aufbau der chemischen Industrie beteiligt und infolgedessen in die Entwicklung chemischer Waffen verstrickt waren. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts waren es die unerfüllten deutschen Erwartungen an Israels Regierung, den Friedensprozess weiter zu betreiben. Und im aktuellen Jahrzehnt war es die übermäßig erscheinende Gewaltanwendung Israels gegen die Palästinenser, die zu Unmutswellen in Deutschland führte. Bis 2000 waren die meisten Vertrauenskrisen auf die Enttäuschung israelischer Erwartungen zurückzuführen, da realpolitischer Nutzen die moralischen Verpflichtungen ins Hintertreffen gerieten ließ. Bei den Krisen im 21. Jahrhundert ist es bislang andersherum: Israelisches Verhalten hielt deutschen Erwartungen nicht stand.
Langfristige bilaterale Beziehungen, die noch dazu ausbaufähig sind, stehen auf zwei Pfeilern – dem politischen und dem zivilgesellschaftlichen. Eine deutsche Politik, der die historisch-moralische Verpflichtung gegenüber den Juden und dem Staat Israel nach wie vor bewusst ist, hat ihren Beitrag zum Aufbau und zur Vertiefung der Beziehungen geleistet. Deutsche Regierungen, von Konrad Adenauer bis heute, haben aus der moralischen Verpflichtung für die Sicherheit Israels heraus einen wichtigen Beitrag geleistet, und zwar in manchen Fällen trotz innerer und äußerer Widerstände. Dies gilt ebenso für die israelische Seite, die sich der realpolitischen Notwendigkeiten bewusst war und entsprechend handelte.
Zivilgesellschaftliche Ebene
In der Zivilgesellschaft waren es auf beiden Seiten die "Eingeschworenen", die aus unterschiedlichen Gründen einen Beitrag leisteten, um Brücken über den historischen Abgrund zu errichten. Der Jugendaustausch und die Städtepartnerschaften sind zukunftsweisend konzipiert worden und waren wichtige Säulen beim Aufbau der intensiven Beziehungen. Nur waren es auf beiden Seiten nicht allzu viele Eingeschworene. Die Themen Israel und Juden sind für eine Mehrheit der Deutschen keine Herzensangelegenheiten. Der Historiker Michael Wolffsohn etwa schrieb: "Nicht wegen, sondern trotz der Bemühungen aller verantwortlichen Parteien geht seit Jahren die öffentliche Meinung Deutschlands auf Distanz zu Israel."
Es gab auch Jahre der großen Begeisterung für Israel, wie zum Beispiel unmittelbar nach dem Sechstagekrieg 1967. Wahrscheinlich kompensierte diese Bewunderung zum Teil auch, dass ein martialisches Auftreten Deutschlands nicht mehr legitim war. So erhielt Israel damals auch Beifall aus der falschen Ecke. Heute kann die öffentliche Meinung in Deutschland zu Israel als indifferent und eher negativ beschrieben werden. Seit der ersten Intifada 1987 scheint die Einstellung der deutschen Bevölkerung von der jeweiligen israelischen Regierungspolitik gegenüber den Palästinensern geprägt zu sein. Meinungsumfragen von Globescan im Auftrag der BBC weisen im Laufe des vergangenen Jahrzehnts auch global auf ein angeschlagenes Ansehen von Israel.
Die israelische Politik spielt auch eine zentrale Rolle bei der Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit. Bei dem Versuch, sich von eigenen Schuldgefühlen zu entlasten, ist es für manche nämlich hilfreich, auf Israels Verhalten hinzuweisen und vereinfachend zu konstatieren, dass auch Opfer bisweilen zu Tätern werden können. Einigen Deutschen ist auch eine genuine Enttäuschung über die Entwicklung Israels – einst ein Pionierstaat mit Modellcharakter – nicht abzusprechen.
Was die öffentliche Meinung in Israel über Deutschland angeht, zeichnet sich in den demoskopischen Ergebnissen des israelischen PORI-Instituts seit etwa 15 Jahren eine klare Tendenz für eine normalisierte Haltung ab.
Staatsräson und Erinnerung
Was die Beziehungen einzigartig macht, ist die Shoah beziehungsweise die Erinnerung daran als Staatsräson.
Ein zentraler Begriff ist in diesem Zusammenhang Erinnerung – und die hat im Gegensatz zur Realpolitik mit Gefühlen zu tun, mit Trauer, Freude, Schuld oder Dank. Solche Kategorien bestimmen normalerweise nicht die Beziehungen zwischen Staaten, doch lassen sie sich aus dem Verhältnis zwischen Deutschland und Israel nicht wegdenken. Interessen – und erst recht Erinnerung – sind Dinge, die sich ändern. Insofern bleibt es spannend, wie künftige Generationen mit Fragen der Erinnerung und Identität umgehen werden.
Angesichts des wachsenden zeitlichen Abstandes zum Zweiten Weltkrieg, des Abschieds von Zeitzeugen und der sich verändernden Erinnerungskultur ist aber zu befürchten, dass – wie etwa die israelische Historikerin Yfaat Weiss meint – die Einzigartigkeit der deutschen Geschichte durch den sich wandelnden Charakter der Debatte heruntergespielt wird. Weiss argumentiert, dass es einen Prozess der Universalisierung der Shoah gebe, der dazu führe, dass aus einer konkreten historischen Verantwortung auf der Grundlage einer ganz bestimmten deutschen Erfahrung eine politisch-moralische, in universell gültiger Sprache formulierte Verantwortung werde. Wie nie zuvor relativiere diese neue Formel die tatsächlichen Ereignisse. Man kann nur erahnen, welche grundlegenden Folgen dieser Prozess haben und wie er die deutsch-israelischen Beziehungen beeinflussen könnte. Das Bild, das sich die Deutschen von ihrer eigenen Vergangenheit machen werden, kann uns Israelis nicht gleichgültig sein, wenn wir unseren langfristigen politischen Beziehungen mit Deutschland weiterhin hohe Bedeutung beimessen wollen.
Mit Blick auf den sich verändernden Diskurs sollte gefragt werden, wie die deutsch-israelischen Beziehungen noch ausgebaut werden könnten. Deutschland wird als führendes Mitglied der Europäischen Union ein entscheidender und strategischer Partner für Israels Zukunft bleiben. Doch wird Israel für Deutschland von Bedeutung sein? Es gibt keine Zwangsläufigkeit, dass sich das, was in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten herangewachsen ist, auch weiterhin so gut entwickeln wird. Die Aufarbeitung der Shoah als tragender, wenn nicht gar einziger Pfeiler der Beziehungen wird in Zukunft nicht ausreichen. Der Wandel der Erinnerungskultur könnte sich womöglich als Beitrag zur Normalisierung erweisen. Ob diese Entwicklung in Israel konsensfähig sein wird, bleibt abzuwarten.
Trotz aller Schwierigkeiten sollte betont werden, dass es schon einem Wunder gleichkommt, was sich in den Jahrzehnten seit der Shoah zwischen Deutschen und Juden ereignet hat. Um die historische Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren, sollten wir uns das Jahr 1492 ins Gedächtnis rufen, als die Juden aus Spanien vertrieben wurden, woraufhin das jüdische Volk Spanien 500 Jahre lang boykottierte. Hingegen fanden bereits kurze Zeit nach der Shoah die ersten Gespräche zwischen Deutschen und Juden statt, und Überlebende trafen die Entscheidung, in Deutschland wieder Fuß zu fassen. Sicherlich waren es auch realpolitische Überlegungen, die eine entscheidende Rolle spielten. Und dennoch: Angesichts des Abgrunds, der sich zwischen Deutschen und Juden aufgetan hatte, hätte es zu diesem eindrucksvollen Aufbau nicht unbedingt kommen müssen. Allerdings soll man sich nach einem präzedenzlosen Ereignis wie der Shoah nicht wundern, dass die dunkle Wolke, die uns permanent verfolgt, sich kaum vertreiben lässt. Sie wird uns vorerst noch begleiten, was auch immer geschieht.