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Wirtschaftliche Aspekte der Zusammenarbeit in der Euroregion Elbe/Labe

Christian Schramek

/ 15 Minuten zu lesen

Die deutsch-tschechische Euroregion hat sich auch der Förderung der grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen auf ihrem Gebiet verschrieben. Die hiermit verbundenen Herausforderungen, Hindernisse und bisherigen Erfolge werden bilanziert.

In einem zunehmend entgrenzten Europa gewinnen die Grenzregionen als Nahtstellen der europäischen Gesellschaftssysteme zusehends an Bedeutung. Beim Versuch, die Entwicklung in diesen nationalen Randbereichen zu steuern, kommt unter anderem den Europaregionen eine wichtige Funktion zu. Bei diesen handelt es sich um freiwillige Zusammenschlüsse von öffentlichen und oftmals auch privaten Akteuren, die das gemeinsame Ziel verfolgen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in ihrem Einflussbereich effektiver zu gestalten. Die ersten dieser transnationalen Zusammenschlüsse entstanden in den 1950er-Jahren durch regionale Initiativen an der deutschen Westgrenze. Erst seit dem Ende des Kalten Krieges kann man eine entsprechende Entwicklung auch im Osten der Bundesrepublik beobachten, wobei die älteren westdeutschen Euregios den Neugründungen im Osten als Vorbild dienten. Gestärkt wurde die Entwicklung der Europaregionen seit Beginn der 1990er-Jahre zudem durch die Europäische Union, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rahmen ihrer Regionalpolitik finanziell förderte. Auch die Euroregion Elbe/Labe, die sich im sächsisch-tschechischen Grenzgebiet entlang der Elbe erstreckt, ist ein derartiger Zusammenschluss. Im Folgenden soll beleuchtet werden, inwieweit dieser zum wirtschaftlichen Zusammenwachsen an den Randbereichen der beiden Nationalstaaten beitragen konnte und welchen Herausforderungen er dabei begegnete.

Räumlich umfasst das deutsche Gebiet der Euroregion Elbe/Labe mit dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und der Landeshauptstadt Dresden Teile des Freistaates Sachsen, tschechischerseits gehören der Organisation Teile des Bezirks Ústí nad Labem/Aussig an der Elbe an, wobei sich die Mitgliederbasis aus Städten und Gemeinden der Landkreise Litoměřice/Leitmeritz, Ústí nad Labem/Aussig an der Elbe, Teplice/Teplitz-Schönau sowie Děčín/Tetschen zusammensetzt. Insgesamt leben in der Euroregion rund 1,3 Millionen Menschen, davon etwa 800.000 im deutschen und 500.000 im tschechischen Teil. Naturräumlich ist die Region geprägt durch die Elbe, tschechisch Labe, die die Europaregion in Süd-Nord-Richtung durchfließt sowie durch das in Ost-West-Richtung verlaufende Elbsandsteingebirge. Die zentralen Gebiete stehen größtenteils unter Naturschutz (in Summe fast die Hälfte der Euroregion), 17.250 Hektar haben sogar Nationalparkstatus und bilden Teile des Nationalparks Sächsisch-Böhmische Schweiz. Dieser dient als Erholungs- und Ausgleichsraum für die nördlich und südlich der Gebirgszüge liegenden Siedlungs- und Industriezentren: Auf der deutschen Seite ist dies Dresden, eine der wirtschaftsstärksten Regionen der Bundesrepublik, auf der tschechischen Seite Ústí nad Labem mit seiner ausgeprägten Chemieindustrie.

Abbildung: Geografische Lage der Euroregion Elbe/Labe (© GeoBasis-DE/BKG 2007 (Daten verändert).)

Aus wirtschaftlicher Sicht stellte die Region lange Zeit einen Verflechtungsraum dar: Insbesondere mit der im 18. Jahrhundert einsetzenden Industrialisierung hatten sich die Austauschbeziehungen zwischen Sachsen und Böhmen intensiviert. Zu bedeutenden Wirtschaftszweigen in den Mittelgebirgsregionen entwickelten sich vor allem der Steinkohlebergbau und die Hüttenindustrie. Einher ging die Industrialisierung mit einer Verbesserung der infrastrukturellen Verbindungen, insbesondere der Eisenbahnverbindungen wie auch der Dampfschifffahrt auf der Elbe. Letztere stellte auch die Grundlage für die Erschließung der Sächsisch-Böhmischen-Schweiz als Tourismusgebiet dar. Mit der zunehmenden Nationalisierung der deutsch- und tschechischsprachigen Bevölkerungsteile in Böhmen im 19. Jahrhundert nahmen allerdings auch die Konflikte zwischen den Nationalitäten zu, was schließlich im Münchener Abkommen, der Besetzung der Tschechoslowakei durch das nationalsozialistische Deutschland sowie der anschließenden Zwangsaussiedelung eines Großteils der deutschsprachigen Bevölkerung Böhmens kulminierte. Hierdurch wurden neben der nachhaltigen Störung der deutsch-tschechischen Beziehungen im Allgemeinen auch die Wirtschaftsbeziehungen in der Region beeinträchtigt, wobei auch die anschließende beiderseitige Zugehörigkeit zum sozialistischen Lager keine positiven Impulse für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen der DDR und der Tschechoslowakei brachte.

Die Gründung der Euroregion Elbe/Labe zu Beginn der 1990er-Jahre ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass durch das Ende des Kalten Krieges die Beziehungen zwischen Sachsen und Tschechien auf eine völlig neue Basis gestellt wurden: Nach einer langen Zeit staatlicher Abschottungspolitik ergaben sich nun Möglichkeiten für vielfältige Austauschbeziehungen. Gerade in der Gründungsphase war dabei die Wiederbelebung beziehungsweise der Neuaufbau der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen ein wichtiges Moment, wobei man weniger auf die Kooperation im Großen abzielte, wie sie etwa zwischen Volkswagen und Škoda stattfindet, sondern in erster Linie auf die regionale Zusammenarbeit. Der Gründung der Organisation selbst ging dabei die Konstituierung zweier landesspezifischer Basiseinheiten voraus. Dabei handelt es sich um die Kommunalgemeinschaft Euroregion Oberes Elbtal/Osterzgebirge e.V. auf der deutschen und den Klub Euroregion Labe auf der tschechischen Seite. Die offizielle Gründung der gemeinsamen Euroregion wurde am 24. Juni 1992 in Ústí nad Labem durch Zusammenschluss der beiden Basisorganisationen begangen. Seit diesem Zeitpunkt arbeiten sächsische und tschechische Kommunalpolitiker sowie Experten der angegliederten Behörden in Fachgremien zusammen, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Euroregion aktiv zu gestalten. Unterstützt werden Sie dabei von zwei Sekretariaten in den jeweiligen Teilräumen, die mit hauptamtlichen Mitarbeitern besetzt sind.

Die Zielsetzung der Euroregion Elbe/Labe besteht vorwiegend in der Unterstützung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Entwicklung in fast allen gesellschaftlichen Teilgebieten: Neben der Förderung der Wirtschaft und des Tourismus betrifft dies beispielsweise auch die Bereiche Regionalplanung, Natur und Umwelt, Ausbau der Infrastruktur, Katastrophenschutz und Rettungswesen, Verkehr, Kultur, Bildung und Sport. Um die Ziele einer gemeinschaftlichen Entwicklung zu erreichen sollen gemeindliche und andere Einzelvorhaben mit grenzüberschreitendem Bezug unterstützt und gefördert werden. Als Mittel zur Realisierung der Ziele dient in erster Linie die grenzüberschreitende Projektarbeit, wobei einige Projekte von der Euroregion selbst durchgeführt werden, andere hingegen von Dritten realisiert und von der Euroregion lediglich unterstützend begleitet werden. Zur Finanzierung der einzelnen Projekte wird vorwiegend auf die Förderkulisse der Europäischen Union zurückgegriffen: Von 1992 bis 2012 unterstützte die EU die Projektarbeit in der Euroregion Elbe/Labe mit nahezu 143 Millionen Euro an Fördergeldern. Zusätzlich wurde die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit über 18 Millionen Euro aus dem Förderprogramm "Regionenarbeit" des Freistaates Sachsen unterstützt. Vor dem Hintergrund der eingesetzten Finanzmittel soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Euroregion in den gut 20 Jahren ihres Bestehens zum Zusammenwachsen im wirtschaftlichen Bereich beitragen konnte.

Bemühungen zur Stärkung der regionalen Wirtschaft

Von Beginn an wollte man durch eine Aktivierung der endogenen Potenziale der Region zur ökonomischen Entwicklung im Grenzgebiet beitragen. Wirtschaftliche Gesichtspunkte waren bei der Zusammenarbeit somit von großer Bedeutung und spielten bereits bei der Gründung der Organisation eine nicht zu unterschätzende Rolle. Insbesondere hoffte man im tschechischen Teil nach der Wende darauf, durch die Anbahnung von grenzüberschreitenden Kooperationen von der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen profitieren zu können. Zwar war die ökonomische Ausgangslage in beiden Teilräumen zu Beginn der 1990er-Jahre ähnlich: Hüben wie drüben galt es, die negativen Folgen der sozialistischen Planwirtschaft zu überwinden. Es zeichnete sich jedoch bereits sehr früh ab, dass durch die Wiedervereinigung ein starker wirtschaftlicher Aufschwung auf dem deutschen Gebiet der Euroregion Elbe/Labe stattfinden würde. Hiervon erhoffte sich auch die tschechische Seite Vorteile: Zu Beginn der 1990er-Jahre war laut einem hauptamtlichen Akteur der Europaregion die Vorstellung sehr präsent, dass eine Verbesserung des Lebens- und Wirtschaftsstandards in Sachsen auch zu einer positiven Entwicklung im tschechischen Grenzland führen würde. Aber auch deutscherseits wurde von Anfang an das Ziel angestrebt, im wirtschaftlichen Bereich mit der tschechischen Seite zusammenzuarbeiten.

Die Hoffnung, dass durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit die tschechische Seite einen ähnlichen wirtschaftlichen Aufschwung erleben würde wie das deutsche Teilgebiet, hat sich in den darauf folgenden Jahren allerdings nicht erfüllt: Die wirtschaftliche Entwicklung verlief sehr unterschiedlich und es tat sich hinsichtlich des Wohlstandsniveaus schnell eine Lücke zwischen den beiden Teilräumen auf. Ausgehend von einer ähnlichen wirtschaftlichen Lage zu Beginn der 1990er-Jahre entstand somit zwischen den Gebieten der beiden ehemaligen sozialistischen Staaten ein ausgeprägtes Wohlstandsgefälle, das auch auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit Auswirkungen hatte: Aufgrund der Preisunterschiede waren laut eines Akteurs der Euroregion im deutschen Grenzgebiet zur Tschechischen Republik viele Gewerbetreibende und Betriebe besorgt, dass Aufträge eher an tschechische als an deutsche Unternehmen vergeben werden könnten. Von Bedeutung war dabei auch der Umstand, dass sich die tschechischen Unternehmen nach dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik 2004 in vielen Branchen auf die Dienstleistungsfreiheit berufen konnten. Die letzten branchenbezogenen Einschränkungen wurden in Deutschland am 1. Mai 2011 aufgehoben. Auch das Ende bei den Übergangsregelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Mai 2011 weckte die Befürchtung, tschechische Arbeitnehmer könnten massenhaft nach Sachsen emigrieren beziehungsweise pendeln und zur Verbreitung von Dumpinglöhnen beitragen. Es kann somit davon gesprochen werden, dass aufgrund des Wohlstandsgefälles eine wirtschaftliche Konkurrenzsituation entstand, die sich im ökonomischen Bereich negativ auf die Kooperationsvoraussetzungen in der Europaregion auswirkte.

Dabei waren die Akteure der Organisation äußerst bestrebt, durch eine Förderung der regionalwirtschaftlichen Zusammenarbeit auf eine Angleichung der entsprechenden Unterschiede hinzuwirken. Diese Bemühungen waren allerdings nicht von Erfolg gekrönt, was neben der vorhandenen wirtschaftlichen Konkurrenzsituation auch auf Diskrepanzen in den ökonomischen Strukturen zurückgeführt werden kann. Ein natürlicher Ansprechpartner beim Versuch der Stärkung der endogenen Wirtschaftspotenziale waren für die Akteure der Euroregion beispielsweise die jeweiligen Wirtschaftsverbände wie die Industrie- und Handelskammer in Deutschland oder die Wirtschaftskammer in Tschechien. Diese sind aber auf sächsischer und tschechischer Seite höchst unterschiedlich strukturiert, sodass eine Zusammenarbeit nur schwer möglich ist. Wie ein Präsidiumsmitglied der Euroregion berichtete, bereitete beispielsweise der Umstand große Probleme, dass die Industrie- und Handelskammer in Dresden ein hochprofessioneller Verband ist, der aufgrund der Zwangsmitgliedschaft auch über eine entsprechende Machtbasis mit mehreren tausend Mitgliedern verfügt, während auf der tschechischen Seite die Wirtschaftskammer in Ústí nad Labem lediglich rund 30 freiwillige Mitglieder hat. Es handelt sich somit um zwei sehr unterschiedliche Einrichtungen, die man nur sehr schwer miteinander ins Gespräch bringen kann, da sie verschiedene Problemstellungen haben. Vor diesem Hintergrund ist es nicht gelungen, eine Zusammenarbeit zwischen beiden Kammern einzufädeln und sie zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu animieren.

An dieser Stelle zeigt sich ein grundlegendes strukturelles Problem bei der Kooperation zwischen den beiden Teilräumen: Während nach dem Ende des Sozialismus die westdeutsche Verbändelandschaft praktisch auf das Gebiet der DDR ausgedehnt wurde, ist der Organisationsgrad der tschechischen Gesellschaft vor dem Hintergrund des Fehlens entsprechender Anbindungsmöglichkeiten als weitaus geringer einzuschätzen. Dies hat für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik gravierende Folgen, da auf der tschechischen Seite mögliche Projektpartner für die deutschen Organisationen oftmals nur schwer zu finden oder überhaupt nicht vorhanden sind.

In der Summe bleibt die Entwicklung bei der regionalwirtschaftlichen Zusammenarbeit somit weit hinter den Erwartungen der euregionalen Akteure zurück. Zwar waren schon vor der Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der Europäischen Union viele große deutsche Firmen in Tschechien tätig – beispielhaft sei hier nochmals auf die Kooperation zwischen Volkswagen und Škoda verwiesen. Von einem hauptamtlichen Akteur der Euroregion wird jedoch der Umstand sehr negativ gesehen, dass es sich dabei fast ausschließlich um international agierende Unternehmen handelt, die regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit hingegen auch heute noch kaum stattfindet. Wie das Beispiel des mexikanisch-amerikanischen Grenzraums mit seinen wirtschaftlich sehr erfolgreichen Twin Cities oder auch die Zusammenarbeit zwischen Wien und Bratislava zeigen, kann bei entsprechend gestalteten Rahmenbedingungen die Kooperation im Grenzgebiet und die damit einhergehende Nutzung von Synergieeffekten in der Tat zu Wohlstandsgewinnen auf beiden Seiten führen. Dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor Ort im wirtschaftlichen Bereich auch über 20 Jahre nach der Grenzöffnung noch nicht funktioniert, wird von den Akteuren der Euroregion Elbe/Labe daher auch außerordentlich bedauert.

Kleingewerbe im unmittelbaren Grenzgebiet

Positive ökonomische Auswirkungen hat das Wohlstandsgefälle zwischen dem deutschen und tschechischen Teil der Euroregion dagegen auf der Ebene unterhalb der mittelständischen Betriebe im Bereich der Kleingewerbetreibenden. So führte etwa der sich seit Beginn der 1990er-Jahre schnell entwickelnde Unterschied in der Kaufkraft dazu, dass in einigen tschechischen Gemeinden direkt an der Grenze verschiedene wirtschaftliche Unternehmungen im Einzelhandel möglich wurden, die für die Einwohner heute die Lebensgrundlage darstellen: "In unserer 580-Einwohnerstadt gibt es elf prosperierende Gaststätten, sechs oder sieben Friseursalons und was weiß ich wie die Dienstleistungen alle heißen, die hier angeboten werden." Nach der Aussage dieses tschechischen Bürgermeisters würde es in der Gemeinde normalerweise nur eine Gaststätte, einen Tante-Emma-Laden mit Lebensmitteln und vielleicht einen Friseursalon geben. Alle darüber hinaus vorhandenen Einrichtungen seien entstanden, weil eine entsprechende Nachfrage seitens der deutschen Besucher vorhanden war. Für die vietnamesischen Betreiber der verschiedenen Verkaufsstände ("Vietnamesenmärkte"), aber auch für viele alteingesessene Einwohner stellt dies heute die Lebensgrundlage dar. Hinzu kommen die Tankstellen, die trotz einer Angleichung der Preise noch immer von deutschen Autofahrern aufgesucht werden. Aufgrund der ökonomischen Vorteile für die Bevölkerung wird diese Entwicklung von dem Bürgermeister der Gemeinde auch keineswegs negativ gesehen, sondern weitgehend begrüßt.

Ob dabei ein positiver Effekt für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit darin gesehen werden kann, dass durch die in deutsch-tschechischer (aber auch in tschechisch-deutscher) Richtung verlaufenden Einkaufsfahrten die Anzahl der grenzüberschreitenden Begegnungen erhöht wird, ist schwer zu beantworten. Zwar werden die Kontakte über die Grenze hinweg durch solche Fahrten gesteigert und so die Voraussetzungen für Begegnung und Kennenlernen verbessert. Allerdings muss dies nicht zwangsläufig zu einem besseren Verständnis zwischen Deutschen und Tschechen im Grenzgebiet führen. Wenig positive Impulse für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ergeben sich vor allem dann, wenn solche Fahrten – wie von einer Befragungsteilnehmerin einer Studie des Centrums für angewandte Politikforschung in München beschrieben – im grenznahen Supermarkt enden. Bei einem Aufenthalt ausschließlich im unmittelbaren, oftmals von Casinos und Straßenstrich geprägten tschechischen Grenzland, ohne eine tiefere Beschäftigung mit Land und Leuten, wäre beispielsweise sogar zu befürchten, dass der Bildung oder Verstärkung von Vorurteilen Vorschub geleistet wird.

Über die Kultur zur Wirtschaft

Trotz der als unbefriedigend angesehenen Zusammenarbeit im regionalwirtschaftlichen Bereich sind es oftmals gerade ökonomische Aspekte, die die Akteure zu grenzüberschreitenden Projekten motivieren – auch wenn diese selbst eher kulturellen Charakter aufweisen. So erklärt ein Bürgermeister einer mittelgroßen tschechischen Stadt seine Motivation zur Veranstaltung von grenzüberschreitenden Projekten mit Kindern damit, dass in einer globalisierten Welt Sprachkenntnisse sowie Kenntnisse von anderen Kulturen von großer Bedeutung sind und den Heranwachsenden im späteren beruflichen Leben von großer Hilfe sein können. Kinder seien neuen Informationen und Denkweisen gegenüber aufgeschlossen und könnten aufgrund ihrer Lernfähigkeit am meisten von den gemeinsamen Projekten profitieren. Der entsprechende Akteur ermutigt deshalb insbesondere die Schulen zur Teilnahme an den grenzübergreifenden Vorhaben.

Dabei sei es nicht von Bedeutung, ob man eine Kinderolympiade veranstalte, sich gegenseitig zu einem Konzert einlade oder gemeinsame Theatervorstellungen durchführe. Für die Sprachkenntnisse und das bessere Verständnis der anderen Mentalität seien derartige Veranstaltungen auf jeden Fall ein Gewinn. Dass der Akteur bei der Auflistung der unterschiedlichen grenzüberschreitenden Aktivitäten aber dennoch wirtschaftliche Aspekte vor Augen hat, zeigt sich darin, dass er den Lerneffekt wiederum vor allem im Bereich der Ökonomie verortet: In Deutschland hätten sich kleingewerbliche Strukturen nach dem Zweiten Weltkrieg eher erhalten, als in der Tschechischen Republik, wo diese gerade erst im Entstehen seien. Durch die Teilnahme an grenzüberschreitenden Projekten und entsprechenden Aufenthalten erhofft man sich daher auch ein besseres Verständnis der entsprechenden Wirtschaftskultur. Besonders bedeutend sei der Lerneffekt dabei wiederum bei Projekten mit Kindern.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Förderung des fremdsprachlichen Unterrichts in den Schulen ein zentrales Thema: Kenntnisse der jeweiligen Landessprache stellen nämlich eine unabdingbare Voraussetzung für die wirtschaftliche Kooperation über nationalstaatliche Grenzen hinweg dar. Die deutsch-tschechische Fachgruppe der Europaregion für Wirtschaftsförderung/Tourismus beschloss daher auf einer ihrer Sitzungen, ein gemeinsames Schreiben an für den Sprachunterricht verantwortliche Stellen zu adressieren, um auf die Problematik des mangelhaften beziehungsweise teilweise gänzlich fehlenden Sprachunterrichts im Grenzgebiet aufmerksam zu machen. Nur mit entsprechenden Sprachkenntnissen würde sich für Jugendliche die Möglichkeit eröffnen, eine Ausbildung im anderen Teilraum zu machen.

Wohlstandsgrenze

Betrachtet man einige zentrale wirtschaftliche Kenndaten der Euroregion, so fällt insbesondere das bereits angesprochene Wohlstandsgefälle auf: Im ersten Quartal 2011 betrug der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst in Sachsen 2561 Euro, während im Bezirk Ústi nad Labem lediglich 20564 Kronen beziehungsweise 838 Euro verdient wurden. In Sachsen ist der Bruttomonatsverdienst somit in etwa drei Mal so hoch wie in den angrenzenden Bezirken der Tschechischen Republik. Zu Recht sprechen daher einige Autoren davon, dass Deutsche und Tschechen durch eine Wohlstandsgrenze getrennt werden.

Vor dem Hintergrund dieser Unterschiede im Lohnniveau könnte vermutet werden, dass tschechische Arbeitnehmer in großer Anzahl die Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme in Deutschland wahrnehmen. Seit dem 1. Mai 2011 haben tschechische Staatsbürger aufgrund des Auslaufens der Übergangsregelungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit unbeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt allerdings, dass sie von der Möglichkeit der Arbeitsaufnahme in Deutschland trotz der geografischen Nähe nur sehr eingeschränkt Gebrauch machen. So waren in der Bundesrepublik im September 2012 landesweit lediglich 25632 tschechische Staatsbürger beschäftigt, während der entsprechende Wert für polnische Staatsangehörige 239954 betrug und somit in etwa zehn Mal so hoch war. Auch die geografisch wesentlich weiter entfernten Ungarn nutzten die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme mit 37268 gemeldeten Personen intensiver als die tschechischen Nachbarn. Die Befürchtungen, dass der deutsche Arbeitsmarkt mit tschechischen Arbeitnehmern überschwemmt werden könnte, haben sich somit nicht bewahrheitet. Der Grund für diese relativ niedrigen Zahlen kann in erster Linie in einer hohen Heimatverbundenheit sowie in entsprechenden Perspektiven auf dem heimischen Arbeitsmarkt gesehen werden. Als ähnlich unbegründet erwiesen sich die Sorgen mit Blick auf das Ende der Übergangsregelungen bei der Dienstleistungsfreiheit.

Ausblick

Vor dem Hintergrund der langjährigen Trennung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wie auch aufgrund der vorhandenen Sprach- und Wohlstandsbarriere kann die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums in der Euroregion Elbe/Labe kurz- und mittelfristig wohl kaum realisiert werden. Als weniger ambitioniert kann die Bildung eines "Kommunikations- und Kooperationsraums" angesehen werden, wie er in der Euroregion etwa durch die gemeinsame Arbeit im Rahmen des Kleinprojektefonds verwirklicht werden soll. Legt man in der Euroregion Elbe/Labe bei der Erstellung einer Leistungsbilanz dieses Ziel zu Grunde, so kann sicherlich ein positives Fazit der bisherigen Anstrengungen gezogen werden. Wie anlässlich der Feier des 20-jährigen Bestehens der Organisation festgestellt wurde, sind seit deren Gründung in der Region rund 1350 Projekte initiiert worden, an denen mehr als 3000 Partner beiderseits der Grenze beteiligt waren. Die Koordinierung der grenzüberschreitenden Projektarbeit und die diesbezügliche Unterstützung der Projektpartner werden von den Akteuren der Euroregion selbst auch als eine ihrer herausragenden Leistungen eingeschätzt. Über diese Projektarbeit werden nicht nur Partner beiderseits der Grenze zusammengebracht, sondern es wird insbesondere auch das Bewusstsein für das Zusammenleben in einem gemeinsamen Raum geschärft: Die Euroregion habe – so ein deutscher Bürgermeister – zum Bewusstsein beigetragen, dass man im Grenzland lebe und entsprechend miteinander kommunizieren und sich kennen lernen müsse. In diesem Sinne sind auch die zukünftigen Aufgabenstellungen der Euroregion Elbe/Labe zu sehen: Nur durch eine beständige Fortsetzung der bisherigen Arbeit in ganz unterschiedlichen Bereichen – unter anderem auch der Sprache und der Kultur – kann dazu beigetragen werden, dass ein Fundament für die Kooperation im Grenzland auch in anderen Bereichen wie etwa der regionalen Wirtschaft gelegt wird.

Dr. phil., geb. 1980; Geschäftsführer der Unternehmensberatung PERSANIS International GmbH & Co. KG, Von-Gluck-Str. 1, 92665 Altenstadt. E-Mail Link: cs@persanis.de
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