Die Gründung der europäischen Währungsunion kann als das bislang größte Experiment der Etablierung eines Währungszusammenschlusses ansonsten weiterhin souveräner Staaten gelten. Historisch war die Festlegung einer einheitlichen Währung so gut wie immer die Folge von Staatenbildung und setzte daher eine politische Union zwischen einzelnen Mitgliedsregionen sowie das Vorhandensein einer Zentralregierung voraus, die neben anderen Aufgaben insbesondere über einen eigenen Haushalt von nennenswertem Ausmaß und entsprechende Möglichkeiten der Steuererhebung verfügte.
Die Rolle, die grenzüberschreitender Arbeitsmobilität als Stabilisierungsfaktor einer Währungsunion in diesem Diskussionsprozess zugemessen wird, ist zumeist positiv, wenn auch mit wichtigen Einschränkungen. Als Konsens hat sich herausgebildet, dass Arbeitsmobilität keineswegs das bedeutendste Element einer funktionierenden Währungsunion ist, sondern dann eine wichtigere Rolle spielt, wenn die vorrangige institutionelle Gestaltung Schwachpunkte aufweist.
Grenzüberschreitende Arbeitsmobilität in einer Währungsunion
Obwohl vor dem Hintergrund des nach dem zweiten Weltkrieg installierten Bretton-Woods-Systems bereits in den 1950er-Jahren ausgiebig über die Vor- und Nachteile fixierter Wechselkurse zwischen den Währungen einzelner Staaten diskutiert wurde,
Betrachtet werden zwei Staaten, in denen jeweils ein – allerdings unterschiedliches – Produkt hergestellt wird. Beide Staaten treiben Handel miteinander, aber mit keinem anderen Land. In einer gedachten Ausgangssituation befinden sich beide Staaten in einem internen Gleichgewicht, das sich durch geringe Arbeitslosigkeit und geringe Inflation auszeichnet, und in einem externen Gleichgewicht, dessen Merkmal eine ausgeglichene Handelsbilanz ist, sodass sich Exporte und Importe in beiden Staaten jeweils wertmäßig entsprechen. In dieser Situation kommt es nun zu einem Nachfrageschock, das heißt zu einer unvorhergesehenen Zunahme der Nachfrage nach den Produkten des einen und einem Einbruch der Nachfrage nach dem Produkt des anderen Landes. Ein sich in dieser Form unterschiedlich auf verschiedene Staaten auswirkender Schock wird auch asymmetrischer Schock genannt, ein Begriff, auf den immer wieder zurückzukommen sein wird. Sind nun die Löhne in den beiden Ländern kurzfristig "rigide", passen sich also den neuen Gegebenheiten nicht sofort an, kommt es in dem einen Land zu Arbeitslosigkeit, während das andere Land einen Boom erlebt, der mittelfristig auch Preise und Löhne erhöhen und somit Inflation erzeugen wird. Beide Länder befinden sich nun offensichtlich nicht mehr im internen Gleichgewicht. Aber auch das externe Gleichgewicht ist gestört. Der boomende Staat erwirtschaftet einen Handelsbilanzüberschuss, der andere Staat ein entsprechendes Defizit. Bei flexiblen Wechselkursen wird dieser Zustand jedoch nicht lange anhalten. Die Währung des boomenden Staates wird aufwerten, sodass sein Produkt relativ teuer und weniger nachgefragt wird, für den anderen Staat gilt das Gegenteil. Am Ende des automatischen Anpassungsprozesses befinden sich beide Staaten wieder im Gleichgewicht.
Bilden beide Staaten aber nun eine Währungsunion, so ist eine Auf- beziehungsweise Abwertung der Währung nicht mehr möglich und die beschriebene Anpassung an den asymmetrischen Schock ausgeschlossen. Nach Robert Mundell ergibt sich daraus jedoch dann kein Problem, wenn Arbeitskräfte vollkommen mobil zwischen den beiden Staaten sind. Die Arbeitslosen des Krisenstaates wandern in den boomenden Staat, der dringend neue Arbeitskräfte benötigt. Dadurch sinkt im Krisenstaat die Arbeitslosigkeit, während der andere Staat von einem sinkenden Lohndruck profitiert, der inflationäre Entwicklungen verhindert. Und auch die Handelsbilanzungleichgewichte werden ausgeglichen. Denn die in den boomenden Staat ausgewanderten Arbeitskräfte kaufen auch Produkte des Krisenstaates, wodurch dieser seine Exporte erhöht. Und die zahlenmäßig dezimierten Arbeitskräfte des Krisenstaates kaufen weniger Produkte des boomenden Staates, sodass auch die Importe sinken. Im boomenden Staat ergeben sich gegenläufige Entwicklungen, sodass die Handelsbilanzen beider Staaten schließlich wieder ausgeglichen sind.
Hohe Arbeitsmobilität ist daher nach Mundell das entscheidende Kriterium für eine funktionierende Währungsunion. Und obwohl die Annahmen seines Modells hochabstrakt sind, wird es heute so gut wie immer angeführt, wenn für eine höhere Arbeitsmobilität im Euroraum als Mittel zur Abmilderung der Krise geworben wird.
Obwohl Mundell annimmt, dass in beiden Staaten jeweils ein unterschiedliches Produkt mit entsprechend unterschiedlicher Technologie hergestellt wird, geht er davon aus, dass Arbeitskräfte kein Problem haben, nach erfolgreicher Wanderung in den neuen Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden. Sie sind somit nicht nur räumlich, sondern auch beruflich vollkommen mobil, sodass strukturelle Arbeitslosigkeit ausgeschlossen wird. Der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Ronald McKinnon, ein weiterer Urvater der Theorie optimaler Währungsräume, wies daher bereits 1963 darauf hin, dass unter der realistischen Bedingung, dass in Staaten eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen hergestellt wird, berufliche wichtiger als räumliche Mobilität ist.
Wie wir noch sehen werden, entspricht allerdings die Annahme vollkommener beruflicher Mobilität für das Gros der Beschäftigten der Eurozone ohnehin nicht der Realität und strukturelle Arbeitslosigkeit spielt eine große Rolle. Damit wird aber zugleich auch räumlicher Mobilität eine Grenze gesetzt. Bereits aus dem Grundmodell von Mundell lassen sich durchaus ambivalente Auswirkungen von Arbeitsmobilität ableiten. Denn zwar befinden sich beide Staaten nach Beendigung der Migrationsbewegungen wieder im Gleichgewicht. Aber das Erreichen eines Gleichgewichts bedeutet auch, dass der negativ vom asymmetrischen Schock betroffene Staat seine Arbeitskräfte für immer verloren hat. Anders ausgedrückt: Nicht nur Arbeitskräfte, auch Jobs emigrieren.
Das ist dann kein Problem, wenn im Zeitverlauf mal der eine, mal der andere Staat negativ von einem begrenzten Schock betroffen ist. Mit der Einseitigkeit, der Größe und der Länge asymmetrischer Schocks nehmen jedoch auch einseitige Migrationsbewegungen im Ausmaß und an Dauerhaftigkeit zu und können zu erheblichen Bevölkerungsverlusten führen, die negative Auswirkungen auf die fiskalische Situation und das Wachstumspotenzial des negativ betroffenen Staates haben. Der US-amerikanische Ökonom Peter Kenen, dritter Urvater der Theorie optimaler Währungsräume, verwies daher in einem 1969 veröffentlichten Beitrag darauf, dass eine funktionierende Währungsunion ein hinreichend großes föderales Budget benötigt, das über automatische Transfers das Ausmaß asymmetrischer Schocks in negativ betroffenen Regionen ebenso abmildert wie die Auswirkung des dauerhaften Verlustes von Arbeitskräften – und damit Steuerzahlern – auf die fiskalische Situation einzelner Mitgliedstaaten. Eine "Fiskalunion" dient somit zum einen – im Sinne einer Versicherung auf Gegenseitigkeit – der Abschwächung asymmetrischer Schocks, zum anderen – im Sinne solidarischer Transfers – der langfristigen Umverteilung von Ressourcen zwischen den Mitgliedstaaten einer Währungsunion. Robert Mundell geht in seinem Modell – jedenfalls implizit – davon aus, dass die von ihm betrachteten Staaten ein ähnliches Entwicklungs- und Einkommensniveau aufweisen. Er kann damit ausschließen, dass Arbeitskräfte nicht nur aufgrund von Arbeitslosigkeit, sondern auch wegen starker Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Staaten wandern. Langfristige Krisen können jedoch auch zum Entstehen erheblicher Lohnunterschiede zwischen Mitgliedstaaten einer Währungsunion führen und somit zusätzlichen Migrationsdruck erzeugen. Gleiches gilt, wenn Staaten mit sehr unterschiedlichem Entwicklungsniveau in eine Währungsunion aufgenommen werden.
Die Modellwelt von Robert Mundell kennt nicht nur keinen Handel mit Staaten außerhalb der Währungsunion, es gibt auch keine Migrationsbewegungen zwischen der Währungsunion und Drittstaaten. Für die Eurozone ist diese Modellwelt denkbar ungeeignet, denn Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt in der gesamten EU. Wie wir noch sehen werden, haben die Wanderungsbewegungen von EU-Bürgern, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Eurozone besitzen, erheblichen Einfluss auf die Anpassung der Eurozonen-Arbeitsmärkte an wirtschaftliche Booms und Krisen.
In einer Reihe von Veröffentlichungen wurden in den Jahren nach Mundells Beitrag weitere Eigenschaften herausgearbeitet, die eine funktionsfähige Währungsunion besitzen sollte, um asymmetrische Schocks abfedern zu können und die Kosten der Aufgabe einer eigenen Währung für die Mitgliedstaaten möglichst klein zu halten. Nach Ronald McKinnon sollten Mitglieder einer Währungsunion möglichst offene Volkswirtschaften sein. Peter Kenen betonte neben der bereits erwähnten Notwendigkeit eines ausreichenden föderalen Budgets, dass Staaten dann Kandidaten für eine Währungsunion sind, wenn sie ähnliche Produktionsstrukturen aufweisen – denn nur dann bieten sich für Arbeitskräfte tatsächlich Gelegenheiten, im Falle von Arbeitslosigkeit durch Wanderung in einen anderen Staat einen ihrer Ausbildung und Erfahrung entsprechenden Job zu finden. Ähnliche Produktionsstrukturen setzen voraus, dass die Mitgliedstaaten einer Währungsunion nicht übermäßig auf die Produktion bestimmter Güter spezialisiert sind. Der australische Ökonom Warner Max Corden vertrat die Ansicht, dass die wichtigsten Eigenschaften der Mitglieder einer Währungsunion flexible Löhne und Preise sind, die nach dem Eintreten asymmetrischer Schocks eine schnelle Anpassung an die neuen Gegebenheiten ermöglichen.
Die europäische Währungsunion – ein unvollkommener Währungsraum
Im Zuge der langjährigen Diskussionen um die Gründung einer europäischen Währungsunion wurden die theoretischen Vorüberlegungen der Theorie optimaler Währungsräume zur Kenntnis genommen, wenn sie auch nicht unbedingt praktische Folgen hatten. Bekannt war, dass die Arbeitsmobilität in Europa trotz Arbeitnehmerfreizügigkeit im Vergleich zu anderen Währungsunionen wie denen von USA, Kanada und Australien ausgesprochen gering war.
Der New Yorker Wirtschaftswissenschaftler Dominick Salvatore – als Beispiel für viele andere Ökonomen – fasste zwei Jahre vor dem Startschuss des Euros im Jahr 1999 die Gründe zusammen, warum die Eurozone kein optimaler Währungsraum sei:
Aber nicht alle Ökonomen vertraten diese pessimistische Auffassung und Mitte der 1990er-Jahre entwickelte sich eine "neue" Theorie optimaler Währungsräume, die viele der Kritikpunkte der alten Theorie an der Konstruktion der Eurozone zu widerlegen oder wenigstens abzuschwächen versuchte. Ihr Hauptansatzpunkt war, dass die alte Theorie in dem Sinne statisch und allein "rückblickend" sei, als sie die Eigenschaften einer Währungsunion und ihrer potenziellen Mitglieder vor Einführung der gemeinsamen Währung betrachte. Da jedoch angenommen werden kann, dass ein gemeinsamer Währungsraum eine Vielzahl von Prozessen in Gang setzt, die zu einer schrittweisen Veränderung der einzelnen Mitgliedstaaten, ihrer Beziehungen zueinander und der Regeln und Institutionen der Währungsunion führen, könnte sich im Laufe der Zeit ein stärkeres Zusammenwachsen der Eurozone ergeben. Paul De Grauwe und Francesco Mongelli zählen vier solcher Veränderungen auf:
Eine zunehmende ökonomische Integration der Mitgliedstaaten, die zu einer Ausweitung des Handels führt.
Eine Verstärkung der Finanzmarktintegration der Mitgliedstaaten, die, wie von Robert Mundell 1973 vermutet, eine Versicherung der Mitgliedstaaten untereinander gegen die Folgen asymmetrischer Schocks zum Ergebnis hat.
Eine durch den vermehrten Handel und die Finanzmarktintegration ausgelöste Angleichung der Produktionsstrukturen der Mitgliedstaaten, wodurch ihre Konjunkturzyklen synchroner verlaufen, asymmetrische Schocks seltener auftreten und mobilen Arbeitskräfte mehr Wanderungsziele zur Verfügung stehen. Durch letzteren Effekt würde auch die Arbeitsmobilität zunehmen.
Eine durch verstärken Wettbewerb untereinander verursachte Zunahme der Produkt- und Arbeitsmarktflexibilität, wodurch die Auswirkungen asymmetrischer Schocks – insbesondere über Lohnanpassungen – abgefedert werden können.
Die endogenen Entwicklungen könnten im Ergebnis dazu führen, dass eine Währungsunion und ihre Mitgliedstaaten, die bei Einführung der gemeinsamen Währung nicht die Kriterien einer optimalen Währungsunion im Sinne der alten Theorie optimaler Währungsräume erfüllt haben, diese ex post erfüllen. Paul De Grauwe und eine Vielzahl anderer Forscher fanden in den 2000er-Jahren Hinweise, die ihre These zum Teil stützten
Wie sich nach Ausbruch der Finanzmarktkrise zeigen sollte, erwiesen sich die Ansätze der neuen Theorie optimaler Währungsräume jedoch nicht nur als zu optimistisch, sie teilten zudem ein gemeinsames Schicksal mit den älteren Ansätzen: Sie hatten wichtige Aspekte, die einen gemeinsamen Währungsraum funktionsfähig machen, übersehen – und damit auch wichtige Ursachen asymmetrischer Schocks.
So wurde zwar viel über denkbare positive Auswirkungen verstärkter Finanzmarktintegration diskutiert, jedoch weit weniger über die Voraussetzungen eines stabilen Finanzsystems. Nur einige wenige Autoren dachten darüber nach, dass es in der aufstrebenden europäischen Peripherie zu spekulativen Kapitalzuflüssen kommen könnte, die dort zum Entstehen von Spekulationsblasen und zu überproportional steigenden Löhnen und Preisen führen und einen schleichenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit zur Folge haben könnten – eine Entwicklung, die bereits für sich ein asymmetrischer Schock ist.
Die Finanzkrise legte schrittweise all diese Schwachpunkte offen und führte dazu, dass die Eurozone von einer ganzen Reihe asymmetrischer Schocks getroffen wurde. Staaten wie Irland und Spanien sahen sich gezwungen, ihre übergroßen Banken zu retten, was eine massive Erhöhung der Staatsschuldenquoten zur Folge hatte. Nachdem sich in Griechenland gezeigt hatte, dass Staatsinsolvenzen im Euroraum nicht ausgeschlossen werden können, waren auch die Peripheriestaaten spekulativen Angriffen ausgesetzt, die eine geordnete Refinanzierung ihrer Haushalte am Markt zeitweise unmöglich machten. Zu diesen Problemen gesellte sich ihre verlorene Wettbewerbsfähigkeit, die ein Herauswachsen aus der Krise erschwerte. Rettungspakete wurden aufgelegt, die zur Sanierung der Staatshaushalte mit drastischen Sparauflagen verbunden wurden, und die einen weiteren asymmetrischen Nachfrageschock in der Eurozone auslösten. Die Arbeitslosenquoten drifteten auseinander. Betrug der Unterschied zwischen der niedrigsten und höchsten Arbeitslosenquote im Euroraum 2007 noch 5,1 Prozentpunkte, wuchs er bis 2013 auf 22,4 Prozentpunkte an.
Die Eurozone befindet sich infolgedessen in genau jener Situation, vor der die Urväter der Theorie optimaler Währungsräume gewarnt hatten. Sie wurde von einem massiven asymmetrischen Schock getroffen. Ihr fehlen aber weitgehend alle Mechanismen, diesen abzumildern. Die Anpassungslast trifft daher weitgehend die Arbeitnehmer. Viele sind arbeitslos geworden und in den Krisenstaaten mussten zum Teil erhebliche Lohnsenkungen hingenommen werden. Als Ausweg aus dieser Situation bleibt, Robert Mundell folgend, die Möglichkeit, aus Staaten mit hoher Arbeitslosigkeit in Gebiete mit einer besseren wirtschaftlichen Situation zu emigrieren.
Grenzüberschreitende Arbeitsmobilität und die europäische Wirtschaftskrise
Vom Ideal einer hohen Arbeitsmobilität ist die Eurozone – wie auch die EU insgesamt – trotz der Krise noch weit entfernt. 2013 waren nur 3,3 Prozent der Arbeitskräfte der EU "mobile EU-Bürger", das heißt in einem anderen als ihrem heimatlichen EU-Staat beschäftigt.
Nach Ausbruch der Krise wurden diese Migranten überproportional von den negativen Auswirkungen getroffen, da sie in den am meisten unter der Krise leidenden Wirtschaftssektoren – insbesondere der Baubranche – gearbeitet hatten, häufig nur Zeitverträge besaßen oder in der Schattenwirtschaft tätig waren.
Tatsächlich erwiesen sich Migranten aus den östlichen Beitrittsstaaten als der funktionsfähigste Puffer beim partiellen Abbau von Arbeitsmarktungleichgewichten im Euroraum.
Die Länge und das Ausmaß des Wirtschaftseinbruchs in den südlichen Peripheriestaaten führen jedoch zunehmend dazu, dass auch Staatsbürger der Krisenstaaten ihre Heimat verlassen oder eine Auswanderung in Betracht ziehen. 2012 verließen 57.000 Spanier, 50.000 Italiener, 126.000 Griechen, 49.000 Portugiesen und 45.000 Iren ihre Heimat.
Auch wenn die Mobilität von Staatsbürgern der Krisenstaaten zugenommen hat, sollte der dadurch erzielte Entlastungseffekt auf die heimischen Arbeitsmärkte nicht überschätzt werden. So entspricht beispielsweise der zwischen März 2013 und März 2014 in Deutschland zu verzeichnende Beschäftigungszuwachs von Spaniern zahlenmäßig gerade 0,1 Prozent der spanischen Arbeitslosen. Für die anderen Krisenstaaten sind die entsprechenden Verhältnisse mit 0,5 Prozent (Italiener und Portugiesen) und 0,7 Prozent (Griechen) etwas höher.
Damit werden jedoch zwei grundsätzliche Fragen aufgeworfen. 1. Ist eine fortgesetzte Wanderung aus der südlichen Peripherie in die europäischen Kernstaaten – gerade aus Sicht der Herkunftsländer – überhaupt wünschenswert? 2. Ist eine fortgesetzte Wanderung vor dem Hintergrund der Aufnahmefähigkeit der kerneuropäischen Arbeitsmärkte und dem strukturellen Unterschied zwischen nachgefragten und angebotenen Arbeitskräften überhaupt möglich?
Die Wanderung von Staatsbürgern aus der Südperipherie ist bislang in absoluten Zahlen noch so geringfügig, dass Befürchtungen eines eventuellen brain drains und eines Verlustes an Steuer- und Beitragszahlern verfrüht wären. Es dürfte jedoch auch klar sein, dass sich hoch entwickelte Eurostaaten, die über ein ausgedehntes Netz an sozialer Infrastruktur und einen ausgebauten Wohlfahrtsstaat verfügen und zudem hoch verschuldet sind, keinen dauerhaften Exodus gerade der jungen und gut ausgebildeten Bürger leisten können. So sehr einzelne Eurostaaten, beispielsweise Deutschland, vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des beginnenden Fachkräftemangels von einer weiteren Zuwanderung aus den Krisenstaaten profitieren könnten, sollte nicht vergessen werden, dass die Krisenstaaten vor den gleichen demografischen Herausforderungen stehen und Fachkräfte benötigen, um irgendwann wieder aus der Krise herauswachsen zu können.
Die Antwort auf die zweite Frage fällt nach einer Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts aus dem Jahr 2014 recht eindeutig aus: