"Tiefe Genugtuung über den großen Erfolg der gemäßigten über die radikalen Parteien sowie über die völlige Niederlage der Kommunisten, Nazis und Neutralisten" äußerte die französische Regierung einem Zeitungsbericht zufolge nach der Bundestagswahl 1953.
Endgültiges Ende des Rechtsradikalismus 1953? Nicht nur aus der Perspektive des Jahres 2023 wird die Realitätsferne dieser Diagnose deutlich. Sie war weniger einer genauen Beobachtung der westdeutschen Gesellschaft geschuldet als vielmehr Teil einer politischen Deutungsstrategie, die sich auch aus der französischen Erklärung ablesen lässt: Die Bundesregierung wie auch ihre westlichen Verbündeten hatten ein Interesse daran, die Bundesrepublik als verlässlichen Partner mit gefestigter Demokratie zu charakterisieren. In Frankreich ging es darum, das Parlament für die Ratifizierung der Verträge zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu gewinnen und Gegnern einer Wiederbewaffnung der Bundesrepublik den Wind aus den Segeln zu nehmen.
1953, so lautete daher die politische Botschaft beider Stellungnahmen, war die Bundesrepublik in ruhigem Fahrwasser angekommen: die Westbindung stabil, Gegner der Demokratie marginalisiert, "gemäßigte" Politik an der Tagesordnung. Nicht alles an diesem Bild war falsch: Aufgrund der erstmals eingesetzten Fünfprozenthürde schafften es weder die Kommunisten (KPD) noch die rechtsextreme Deutsche Reichspartei (DRP) ins Parlament; die ebenfalls rechtsextreme Sozialistische Reichspartei (SRP) war 1952 verboten worden. Der deutliche Sieg der CDU galt als Plebiszit auch zur Westintegration. All das bot eine Grundlage für Stabilitätsdiagnosen. Bis heute erscheint die Wahl als Schritt zu einer inneren wie äußeren Stabilisierung der Bundesrepublik und zugleich zur langjährigen Dominanz der CDU in den "konservativen" 1950er Jahren, einer Dekade der Konformität und der Suche nach Stabilität, Harmonie und Konsens. So sehr das in mancher Hinsicht zutrifft, so sehr ist dieses Bild doch auch von den zitierten zeitgenössischen, strategischen Deutungen geprägt. Die westdeutsche Gesellschaft war 1953 in vielen Fragen polarisiert, zerrissen, fragmentiert; sie trug heftigen politischen Streit aus.
Die Schärfe dieser Konfliktlinien wird bereits deutlich, wenn man nicht nur auf das Wahlergebnis des Jahres 1953, sondern auch auf den Wahlkampf blickt. Zwar war dieser friedlicher als jener 1949, der von zahlreichen Saalsprengungen, von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der KPD und jenen der Deutschen Partei (DP) und von verbalen Entgleisungen geprägt gewesen war. Aber auch 1953 war der Wahlkampf nicht nur von persönlichen Verunglimpfungen und kruden Nazivergleichen gekennzeichnet, auch gab es Faustkämpfe zwischen Plakatklebern konkurrierender Parteien, in denen Beteiligte Verletzungen wie Nasenbeinbrüche oder Gehirnerschütterungen davontrugen.
Die Grenzen des legitimen Konfliktaustrags in der Demokratie wurden 1953 vielfach weit ausgelegt; die Delegitimierung körperlicher Gewalt war noch kein Konsens. Verbal wie manchmal auch körperlich wurde der Wahlkampf 1953 mit harten Bandagen ausgefochten. Mit der DP und dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) wurden schließlich zwei rechtsnationale Parteien Teil der Regierungskoalition, die ebenso wie die FDP zahlreiche ehemalige Funktionäre der NSDAP in Parteiämtern hatten.
Keine Schlägereien, aber doch "Tumulte" gab es auch bei CDU-Wahlkundgebungen. Theodor Blank etwa, als Sonderbeauftragter Adenauers zuständig für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, wurde im Frühsommer 1953 "mit minutenlangen Pfui-Rufen empfangen" und seine Rede durch das "Gröhlen eines Teils der etwa 500 Zuhörer verzögert". Blank begründete die Notwendigkeit einer deutschen Wiederbewaffnung unter anderem mit dem Argument, "die östlichen Armeen sollten nicht Gelegenheit bekommen, Frauen und Kinder zu vergewaltigen", und erntete damit wütende Zwischenrufe wie "wir haben die Knarre lange genug getragen". Vor dem Saal protestierten Jugendliche mit Transparenten.
Konsenssuche und überwölbender Konservatismus im Wahlergebnis einerseits, Protestkundgebungen, verbale und körperliche Attacken andererseits – in drei Schlaglichtern möchte ich im Folgenden das Spannungsfeld von Konflikt und Konformität ausloten, das die westdeutsche Gesellschaft des Jahres 1953 kennzeichnete.
Präsenz der Vergangenheit
Das Jahr begann mit einer Szene wie aus einem politischen Thriller; so stellte es zumindest "Der Spiegel" dar. Mitten beim Abendessen, so berichtete das Magazin am 21. Januar 1953, sei der "Arzt und Geburtshelfer" Dr. Haselmayer gewesen, als es bei ihm klingelte. Nachdem ihm zwei Beamte der britischen Militärregierung einen Haftbefehl gezeigt hätten, seien "15 mit Maschinenpistolen bewaffnete Militärpolizisten" im "Laufschritt" nähergekommen. Anschließend sei das Haus durchsucht worden. Haselmayer, so hielt "Der Spiegel" fest, "wurde nicht mehr satt". Die vier Kinder des Arztes seien in ein ungeheiztes Nebenzimmer "verfrachtet" und damit ihres Nachtschlafs beraubt worden. Die "Bedürfnisse der vierjährigen Christiane" hätten gar unter Aufsicht erledigt werden müssen; Haselmayer wurde abgeführt. Anschließend gab "Der Spiegel" ausführlich Haselmayers Ehefrau das Wort und berichtete von der Mühsal des Aufräumens bis in die frühen Morgenstunden.
Was hier als willkürlicher Überfall einer Besatzungsmacht dargestellt wurde, war Teil des gezielten Zugriffs der britischen Behörden auf zentrale Köpfe eines Netzwerkes alter Nationalsozialisten, das als Naumann-Kreis bezeichnet wird.
Die Reaktion der westdeutschen Medien auf die Verhaftungen unterstreicht zunächst das Bild einer hohen Meinungskonformität: In zahlreichen Artikeln wurde die britische Aktion als illegitim oder übertrieben gewertet; auch die Reaktionen aus der deutschen Politik waren distanziert. Spekulationen über die vermeintlich wahren Motive der Briten beherrschten die mediale Diskussion, nicht die Frage nach dem Einfluss nationalsozialistischer Netzwerke auf die deutsche Politik. Der Umgang mit der Vergangenheit erschien nicht selten nachrangig gegenüber deutschen Interessen der Gegenwart, etwa in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und im "Spiegel". Die Berichterstattung in der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) hingegen war differenzierter, obgleich auch sie einer entlang von Nationsgrenzen gedachten "Wir gegen Die"-Logik nicht entging. Die "Frankfurter Rundschau" schließlich zeigte sich erschreckt über das "Nazi-Komplott zur Machtübernahme", begrüßte seine Aufdeckung und unterstrich die Notwendigkeit des Zugriffs.
Ein Spannungsfeld zwischen nationalem Konsens und Pluralität der Meinungen zeigte sich auch in der Berichterstattung über den Oradour-Prozess, dessen Hauptverhandlung am 12. Januar 1953 in Bordeaux begonnen hatte. Verhandelt wurde über das Massaker vom 10. Juni 1944 in dem französischen Dorf Oradour-sur-Glane. Fast die gesamte Dorfbevölkerung – über 600 Männer, Frauen und Kinder – war von einer Einheit der Waffen-SS ermordet worden. Da zu dieser Einheit auch elsässische Soldaten gehört hatten, wurde der Prozess ein Politikum in Frankreich. Die deutschen Medien kommentierten den Umgang mit den deutschen Angeklagten mit "teils larmoyante[m], teils fordernde[m] Ton";
Die nationale Rhetorik vieler Zeitungsartikel überdeckte die Schrecken der Vergangenheit nur mit dünnem Firnis. Zwar bemühten westdeutsche Journalisten vielfach das Argument, es sei bereits eine lange Zeit vergangen seit den Verbrechen, zugleich aber holten die Prozessaussagen von Überlebenden die Vergangenheit mit Wucht in die Gegenwart hinein. Hier erschien nichts abgeschlossen oder weit zurückliegend; das gilt auch für die Berichterstattung über andere Prozesse im selben Jahr. Liest man Zeitungen aus dem Frühjahr 1953, wird unmittelbar deutlich, wie präsent und unabgeschlossen die Vergangenheit war, auch wenn viele Politiker danach strebten, sie aus der Gegenwart herauszudrängen. Erinnerung an und Verfolgung von Verbrechen galten als bedrohlich für das äußere Ansehen der Bundesrepublik, für die Politik der Westbindung und für die innere Befriedung. Amnestie- und Schlussstrichpolitik waren Ausdruck dieser Haltung.
Diese allerdings überdeckten Konfliktlinien in der westdeutschen Gesellschaft nur, sie machten sie nicht obsolet. Auch wenn sich die SPD wahlstrategisch einer Schlussstrichpolitik annäherte, blieb ihre Linie vielfach kritischer als jene der CDU und unterschied sich deutlich von jener der Rechtsparteien; innerhalb der SPD war diese Annäherung zudem umstritten.
Gegenwart des Kalten Krieges
Die Gegenwart, der viele Politiker die Vergangenheit unterzuordnen suchten, war 1953 geprägt von Sicherheitsfragen. Auf der politischen Tagesordnung stand die Ratifizierung der im Mai 1952 unterzeichneten Verträge für eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Sie war in der Bundesrepublik – ebenso wie in Frankreich – alles andere als unumstritten.
Die SPD machte mit scharfen Worten Wahlkampf gegen die EVG und stützte sich dabei vor allem auf nationale Ressentiments gegen "den Westen". "Wer diesem Generalvertrag zustimmt, hört auf, ein Deutscher zu sein", hatte gar SPD-Vorsitzender Kurt Schumacher im Vorfeld der Unterzeichnung von EVG- und Deutschlandvertrag polemisiert.
Auf konservativer Seite wurde die staatspolitische Notwendigkeit der EVG herausgestrichen, was jedoch nicht davon abhielt, ebenfalls mit Ressentiments zu operieren. So sah der ehemalige Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern (und zukünftige baden-württembergische Ministerpräsident) Gebhard Müller von der CDU die Verhaftung des Naumann-Kreises und den Oradour-Prozess als "gegenseitig abgestimmten Generalangriff auf den EVG-Vertrag".
In der Debatte um die EVG ging es nicht nur um die politische Konsolidierung der Westintegration, sondern darüber hinaus um ein Verteidigungsbündnis und die Frage militärischer Sicherheit der Bundesrepublik. In der Hochphase des Kalten Krieges erschien es keineswegs selbstverständlich, dass dieser ein "kalter" bleiben würde. Ob das geplante Westbündnis aber für Sicherheit stand, war in der westdeutschen Öffentlichkeit strittig. Die 23 Jahre alte "Hausfrau Elisabeth A." etwa, die von Journalisten im Rahmen der Aktion "Junge Journalisten sprechen mit jungen Lesern" der SZ befragt wurde, befand zwar die Einigung Europas für wichtig, befürchtete aber zugleich, dass die EVG "der erste Schritt zum nächsten Weltkrieg sei."
Es war die Gegenwart des Kalten Krieges, die nicht nur Vergangenheitsdebatten strukturierte, sondern die westdeutsche Gesellschaft und Kultur umfassend prägte. Sie schuf eine "prekäre Konstellation aus Mißtrauen, Bedrohungsgefühlen und einer latenten Konfliktsituation".
Unterhalb dieses Konsenses aber tobte ein hitziger Kampf um die Deutungsmacht. "Westberlin" habe "in der Sowjetzone wie eine geistige Atombombe gewirkt", argumentierte der Oberbürgermeister West-Berlins, Ernst Reuter, noch am 17. Juni und vereinnahmte den Aufstand in der Logik des Kalten Krieges damit als Erfolg des Westens.
Vergangenheitsdebatten, EVG-Beitritt und 17. Juni – sie alle offenbaren strategische Bemühungen, tiefe Differenzen durch Symbolik, Sprache und nationale Rhetorik zu übertünchen. Sie stehen damit für beides: für eine polarisierte, verunsicherte, streitende Gesellschaft, und für eine, die immer wieder mit dem Pathos des Nationalen nach Gemeinschaft suchte.
Geschlecht und Demokratie
"Jedermann weiß, daß zwischen den Partnern der Regierungskoalition tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten weltanschaulicher Art über die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau bestehen", urteilte Friederike Nadig, SPD-Bundestagsabgeordnete und eine der vier "Mütter des Grundgesetzes" Ende März 1953.
In buchstäblich letzter Minute debattierte der Bundestag auf Antrag der Regierungskoalition daher, ob man die grundgesetzliche Frist verlängern könne. Für eine solche Verfassungsänderung bedurfte es der Stimmen der Opposition. Einer Verlängerung werde man nicht zustimmen, stellte Nadig für die SPD klar, da man "ernstlichen Grund zu der Befürchtung" habe, dass die Reform sonst "auf den Sankt-Nimmerleins-Tag" verschoben werde. "Verlieren können die Ehefrauen kaum etwas; denn schlechter, als ihre Stellung zur Zeit nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist, kann sie nicht werden." Johannes Kunze, Abgeordneter der CDU, schleuderte ihr daraufhin ins Gesicht: "Davon verstehen Sie aber nichts!"
Dass Nadigs Bedenken nicht unbegründet waren, zeigte die Debatte sehr deutlich. Der DP-Abgeordnete Hans Ewers argumentierte mit biologischen Unterschieden zwischen Mann und Frau gegen die Gleichberechtigung und prognostizierte "Chaos", eine "Katastrophe" und ein "ungeheures Risiko für die Demokratie", wenn man die Frist nicht aufschiebe. Der Justizminister Thomas Dehler von der FDP verwies auf eine lange Reihe von Gesetzen, die dringender gewesen seien, und offenbarte damit sein begrenztes Interesse. Grete Thiele von der KPD schließlich verwarf alle bisherigen Reformansätze als verfassungsfeindlich, forderte als Einzige gleichen Lohn für gleiche Arbeit – und sah einen möglichen Aufschub als "weiteren" Schritt der Regierung auf dem "Wege des Staatsstreichs". Was genau Demokratie für Geschlechterverhältnisse bedeutete, war grundlegend umstritten; von rechts wurde den Frauen im Parlament gar noch ihre politische Kompetenz abgestritten.
Außerhalb des Parlaments waren die Fronten nicht weniger verhärtet. Die Katholische Kirche hatte im Vorlauf des Gesetzgebungsprozesses bereits mehrfach interveniert; im Januar 1953 betonte Kardinal Frings erneut, der Gesetzgeber sei vom "göttlichen Willen" eingeschränkt und somit nicht frei, die Rechtsverhältnisse in der Familie neu zu ordnen. In einer interessanten Verquickung religiöser und naturrechtlicher Argumentationen kam den Bischöfen zufolge "gemäß der natürlichen Ordnung" die Entscheidungsgewalt in der Familie dem Manne zu.
In Ermangelung eines Kompromisses verloren die alten Gesetze zum 1. April 1953 tatsächlich ihre Gültigkeit, was Ende des Jahres vom Verfassungsgericht bestätigt wurde. Das prophezeite Chaos blieb aus. Im Vergleich zur Frage der Wiederbewaffnung oder der Konflikte um die Vergangenheit zeigten die Medien hingegen nur begrenztes Interesse; Blätter wie die SZ oder "Der Spiegel" blieben dem Gleichberechtigungsprojekt distanziert gegenüber. Vehemente Plädoyers für den Wandel sucht man in ihren Leitartikeln vergebens. Hier zeigen sich die Grenzen der Pluralität westdeutscher Öffentlichkeit und Politik in den 1950er Jahren, die nicht zuletzt damit in Zusammenhang standen, dass Frauen in den Redaktionen wie auch im Parlament nur schwach vertreten waren. Vereinzelte Demonstrationen pro Reform und gegen die Verzögerung gab es; aber wer nicht das Interesse der Medien fand, hatte es schwer, seine Anliegen in der westdeutschen Demokratie einzubringen.
Es sollte bis in die 1970er Jahre dauern, bis alternative Medienprojekte wie die Frauenbewegungszeitschriften das veränderten. So entwickelten um 1953 manche Konflikte weniger Sprengkraft, als denkbar gewesen wäre. Medien wie Politiker (und wenige Politikerinnen) entwarfen wirkmächtige Bilder einer nationalen Gemeinschaft, Visionen einer stabilen Zukunft und Plädoyers für die Einhegung der Vergangenheit. Zugleich aber liefen in vielen Feldern tiefe Konfliktlinien durch die Gesellschaft. Nicht zuletzt lebten Verfolgte des NS-Regimes in dieser Gesellschaft neben jenen, die sich an nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt hatten, und vielen anderen, die in unterschiedlichen Graden und Formen am NS-Staat mitgewirkt hatten. Neue, tiefe Konfliktlinien, die sich häufig mit Deutungen der Vergangenheit verwoben, brachte der Kalte Krieg hervor. Zeichen eines begrenzten Normenwandels mit Blick auf das Verhältnis von Demokratie und Geschlecht schließlich lösten Hoffnungen bei den einen, scharfe Gegenreaktionen bei anderen aus. Bei aller Rhetorik nationaler Einheit waren Zukunft und Ausgestaltung der westdeutschen Demokratie alles andere als unumstritten. Diese Debatten, Konfliktlinien und die Schärfe des Streits gehören zum Bild der westdeutschen 1950er Jahre.