Meinungsforschung hat heute einen festen Platz in der politischen Öffentlichkeit. Die mediale Präsenz von Umfragen, Stimmungsbildern und Beliebtheitsranglisten ist enorm; es gibt kaum ein Thema, das demoskopisch nicht begleitet, kaum eine Frage, die nicht gestellt wird. Weil die Politik durch Meinungsforschung vermeintlich imstande ist, den "Puls" der Bevölkerung permanent zu tasten, erkannten Pioniere wie George Gallup in ihr die "demokratische Wissenschaft" schlechthin. Kritiker dagegen sehen in der heutigen Omnipräsenz von Erhebungen eine Gefahr für die Qualität der Demokratie, sollten politische Entscheidungsträger sich zu sehr von Umfrageergebnissen leiten lassen.
Auch um die Effekte von Meinungsumfragen auf Wahlentscheidungen entzünden sich immer wieder Debatten, insbesondere bei knappen oder unerwarteten Wahlergebnissen. Um Beeinflussungen auszuschließen, haben deutsche Medien und Umfrageinstitute lange Zeit freiwillig darauf verzichtet, in der Woche vor der Wahl neue Umfragen zu veröffentlichen. Zur Bundestagswahl 2013 wurde diese Selbstverpflichtung erstmals aufgegeben. Ob das allerdings ausschlaggebend etwa dafür war, dass die FDP den Einzug ins Parlament knapp verpasste – letzte Umfragen hatten die Liberalen über fünf Prozent gesehen – muss offen bleiben.
Ein Blick auf die Methoden der Demoskopie verdeutlicht die Notwendigkeit, ihre Ergebnisse mit der gebotenen Nüchternheit zu interpretieren. Umfragen sind keine exakten "Messungen" der öffentlichen Meinung. Statistische Unsicherheiten etwa um plus/minus drei Prozentpunkte bei der "Sonntagsfrage" sind nicht ungewöhnlich. Frageformulierung, Stichprobe, Gewichtung und Auftraggeber sind ergebnisrelevante Faktoren, die nicht übersehen werden sollten. Wünschenswert wäre daher nicht nur größtmögliche methodische Transparenz seitens der Institute, sondern auch eine aufrichtige mediale Präsentation, die der naheliegenden Versuchung, aus kleinen Schwankungen Nachrichten zu produzieren, widersteht und bestehende Unsicherheiten deutlicher kommuniziert.