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Rüstungstransfers ins maritime Südostasien – Wettrüsten oder Proliferation? | Sicherheit in Südostasien | bpb.de

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Rüstungstransfers ins maritime Südostasien – Wettrüsten oder Proliferation?

Oliver Bräuner

/ 12 Minuten zu lesen

Antischiffsraketen aus Russland, Kampfhubschrauber aus den USA, U-Boote aus Deutschland und Schweden – der amerikanische Admiral Samuel J. Locklear III, Kommandeur der US-Streitkräfte im Pazifik, bezeichnete die Region Asien-Pazifik im Januar 2014 als "die am stärksten militarisierte Region der Welt". In der Tat sah dieser Teil der Welt in den vergangenen Jahren eine beispiellose Aufrüstung und Proliferation militärischer Kapazitäten, insbesondere im Bereich der Marine und Luftwaffe. Angetrieben wurde diese Entwicklung in erster Linie durch die rasante ökonomische, politische und auch militärische Entwicklung der Volksrepublik China.

Aus chinesischer Sicht nimmt das Land wieder den ihm zustehenden Platz der regionalen Führungsmacht in Ostasien ein – ein Anspruch, der sowohl von Chinas Nachbarn in Ostasien, vor allem Japan, aber auch Nord- und Südkorea, als auch in Südostasien mit zunehmender Skepsis betrachtet wird. Die maritime Strategie Chinas wurde in den zurückliegenden Jahren konfrontativer und zunehmend von Überlegungen bezüglich chinesischer Souveränität und Kontrolle von Inseln und Gewässern im Ost- und Südchinesischen Meer bestimmt. Pekings Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer umfassen etwa zwei Millionen Quadratkilometer. Pekings U-förmige, sogenannte Neun-Striche-Linie markiert die chinesischen Ansprüche und umfasst auch Inseln, Felsen und Gewässer, die ganz oder teilweise von Brunei, Malaysia, den Philippinen, Taiwan und Vietnam beansprucht werden (siehe Interner Link: Karten). Aus chinesischer Sicht handelt es sich dabei um "historisches chinesisches Territorium", über das China die "unbestreitbare Souveränität" ausübt. Dessen Rückgewinnung ist einerseits militärisch bedeutsam, soll andererseits aber empfundene historische Ungerechtigkeiten während der als "Jahrhundert der Schande und Erniedrigung" bezeichnete Phase der militärischen Schwäche und der Kontrolle durch Japan und den Westen (von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts) wiedergutmachen. Basierend auf einem Geschichtsverständnis als "Opfer-Nation", das seit den 1990er Jahren verstärkt in China propagiert wird, sieht Peking sich in einer defensiven Rolle – auch gegenüber deutlich kleineren und schwächeren Nachbarn wie Vietnam und den Philippinen. Die Verbindung von geostrategischen Überlegungen und historischen Befindlichkeiten lässt ökonomische Anreize (etwa Bodenschätze oder Fischgründe) in den Hintergrund treten und erschwert die Kompromissfindung zwischen China und seinen Nachbarn im maritimen Südostasien. Diese reagieren einerseits durch eine sicherheitspolitische Annäherung an die USA und andererseits durch eine Stärkung der eigenen militärischen Kapazitäten, insbesondere im Bereich der Marine.

Waffenimporte und Militärausgaben im maritimen Südostasien

In den vergangenen zehn Jahren sind die Militärausgaben im maritimen Südostasien (ohne China) um rund 41 Prozent von 20,7 Milliarden auf 29,1 Milliarden US-Dollar gestiegen. Zum Vergleich: Die Militärausgaben Chinas wurden im selben Zeitraum sogar um rund 170 Prozent von 63 Milliarden auf 171 Milliarden US-Dollar erhöht. Selbstverständlich wurde nur ein Teil dieser Ausgaben in die Ausstattung der jeweiligen Streitkräfte mit Waffen und Rüstungsgütern investiert. Die im Folgenden aufgeführten Daten bezeichnen die Militärausgaben sowie Transfers und Bestellungen von schweren konventionellen Waffen durch die Staaten im maritimen Südostasien seit 2004.

Brunei Darussalam:

Brunei gab 2013 rund 402 Millionen US-Dollar für sein Militär aus. Das waren 39 Prozent mehr als vor einem Jahrzehnt und 3,06 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Rüstungsimporte Bruneis waren vor allem auf die Modernisierung seiner Marine fokussiert. Unter anderem importierte das Land vier Patrouillenboote des Typs FPB-41 und drei hochseetaugliche Korvetten des Typs OPV-80 aus Deutschland, schwedische Schiffsgeschütze des Typs SAK-70 Mk-2 57mm und 12 amerikanische S-70i Black Hawk Kampfhubschrauber aus polnischer Produktion.

Indonesien:

Die indonesischen Militärausgaben betrugen 2013 rund 8,4 Milliarden US-Dollar. Das war eine Steigerung von fast 100 Prozent seit 2004 und 0,96 Prozent des indonesischen BIP. Indonesien erwarb unter anderem 103 instand gesetzte und modernisierte Leopard 2 Kampfpanzer, 42 Schützenpanzer vom Typ Marder und elf Berge- und Pionierfahrzeuge samt Munition aus Deutschland. Zudem sechs russische Mehrzwecktransporthubschrauber vom Typ Mi-8MT und acht US-amerikanische AH-64D Apache Kampfhubschrauber, die allerdings noch nicht geliefert wurden. Auch in Indonesien ist die Marine ein Modernisierungsschwerpunkt, das Land importierte unter anderem vier SIGMA-90 Fregatten aus den Niederlanden und zahlreiche deutsche Schiffsdieselmotoren, die allerdings teilweise vor Ort hergestellt wurden.

Malaysia:

Malaysia investierte 2013 rund 4,8 Milliarden US-Dollar und damit 1,54 Prozent seines BIP in das Militär, was einer Steigerung von 13 Prozent im Vergleich zu 2004 entspricht. Auch Malaysia verstärkt seine Marine mit importierten Rüstungsgütern: unter anderem mit zwei dieselelektrischen U-Booten der Scorpène-Klasse aus Frankreich und Spanien sowie mit sechs deutschen Fregatten der MEKO-100-Klasse, von denen allerdings vier unter Lizenz in Malaysia gefertigt wurden.

Philippinen:

Die Militärausgaben der Philippinen betrugen 2013 3,2 Milliarden US-Dollar. Dies waren 1,18 Prozent des BIP und eine Steigerung von 41 Prozent im Vergleich zu vor zehn Jahren. Die Philippinen, die sich auch mit Aufständischen und Terrorgruppen in den muslimischen Landesteilen auseinandersetzen müssen, importierten insbesondere Rüstungsgüter für die Luftwaffe, darunter 20 gebrauchte Bell-205/UH-1H Transporthubschrauber als Teil eines US-amerikanischen Militärhilfepakets und acht W-3A Sokol Mehrzweckhubschrauber aus polnischer Produktion. Im März unterzeichnete Manila zudem einen Kaufvertrag für 12 südkoreanische FA-50 Kampfflugzeuge im Wert von 420 Millionen US-Dollar. Für die Marine erwarb Manila unter anderem zwei gebrauchte hochseetaugliche Patrouillenboote der Chamsuri-Klasse aus Südkorea und zwei der Hamilton-Klasse aus Beständen der US-Küstenwache. Zudem erwarten die Philippinen weitere, teils gebrauchte Patrouillenboote für die Marine und Küstenwache, welche von Südkorea, Japan und den USA "gespendet" werden sollen.

Singapur:

Der Stadtstaat Singapur hatte 2013 das zweitgrößte Militärbudget in der Region (nach China) und gab 9,1 Milliarden US-Dollar für sein Militär aus. Dies waren 3,05 Prozent seines BIP und eine Steigerung von 12 Prozent gegenüber 2004. Das Land importierte eine ganze Reihe an Rüstungsgütern für alle Teilstreitkräfte: unter anderem sechs Fregatten der La Fayette-Klasse aus Frankreich, von denen allerdings fünf in Singapur gefertigt wurden. Diese Fregatten werden wiederum von deutschen MTU-800-M90 Dieselmotoren angetrieben. Ebenfalls aus Deutschland importierte Singapur 182 gebrauchte und modernisierte Kampfpanzer des Typs Leopard-2A4, zehn Bergepanzer vom Typ Büffel und zwei U-Boote des Typs 218SG, welche aber erst ab 2020 geliefert werden sollen.

Vietnam:

Hinter China verzeichnete Vietnam die dramatischste Steigerung der Militärausgaben in den vergangenen zehn Jahren. 2013 betrugen diese 3,2 Milliarden US-Dollar und damit 1,87 Prozent des BIP. Das war eine Steigerung um 113 Prozent im Vergleich zu 2004. Im Gegensatz zu anderen Staaten in der Region importierte Vietnam traditionell insbesondere Rüstungsgüter aus Russland. Darunter sechs dieselelektrische U-Boote der Kilo-Klasse (Projekt-636), zwei Gepard 3 Fregatten und sechs hochseetaugliche Patrouillenboote der Svetlyak-Klasse (Projekt-10412). In den vergangenen Jahren öffnete sich das Land allerdings zunehmend für Produzenten aus anderen Ländern: So importierte Vietnam deutsche MTU-8000 Dieselschiffsmotoren und sechs DHC-6 Twin Otter Transportflugzeuge aus Kanada. Außerdem plant Hanoi den Kauf zweier niederländischer Fregatten vom Typ SIGMA-90, von denen vermutlich eine vor Ort produziert werden soll. In den nächsten Jahren möchte Vietnam zudem 543 Millionen US-Dollar in den Kauf von 32 Küstenwach- und Aufklärungsschiffen investieren. In den zurückliegenden Monaten haben sich die Beziehungen zwischen Hanoi und Peking weiter verschlechtert, insbesondere nachdem China auf der Suche nach Öl probeweise unter Gewässern bohren ließ, die auch Vietnam beansprucht. In der Folge kam es in Vietnam zu schweren antichinesischen Ausschreitungen. Gleichzeitig gibt es eine stetige Annäherung zwischen Vietnam und dem ehemaligen Kriegsgegner USA. Einige amerikanische Spitzenpolitiker sprachen sich im Sommer 2014 sogar für eine Modifizierung des US-Waffenembargos gegen Vietnam aus, um das Land in seinem Konflikt mit China zu unterstützen. Ob dies letztendlich tatsächlich zu amerikanischen Rüstungstransfers an Hanoi führen wird, bleibt abzuwarten.

China:

Wie erwähnt, investierte China 2013 171,4 Milliarden US-Dollar in sein Militär und damit 170 Prozent mehr als vor einem Jahrzehnt. Dies entsprach 1,85 Prozent des chinesischen BIP. Die Rüstungsindustrie Chinas hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, sodass das Land seine Abhängigkeit von Rüstungsimporten aus dem Ausland deutlich verringern konnte. China ist immer weniger am Kauf kompletter Waffensysteme interessiert, sondern fokussiert sich stattdessen auf die Anschaffung einzelner Komponenten, um Technologielücken bei den selbst entwickelten Waffensystemen zu schließen. Beispiele hierfür sind vor allem Flugzeugtriebwerke, Schiffsmotoren und neue Werkstoffe. Daher blieb China im Zeitraum von 2009 bis 2013 der zweitgrößte Importeur konventioneller Rüstungsgüter (nach Indien).

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entwickelte sich Russland zum wichtigsten Waffenlieferanten für China: Zwischen 1991 und 2013 kamen über 80 Prozent der chinesischen Rüstungsimporte aus Russland. Im selben Zeitraum gingen fast 30 Prozent aller russischen Rüstungsexporte nach China. Darunter Su-27/Su-30 Kampfflugzeuge, U-Boote der Kilo-Klasse und eine Reihe unterschiedlicher Raketentypen. Die russischen Exporte nach China erreichten im Jahre 2005 einen Höhepunkt, fielen bis 2007 allerdings um die Hälfte und blieben seitdem auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Dies lag sowohl an der sinkenden Nachfrage auf chinesischer Seite als auch an der russischen Angst vor illegalen Kopien russischer Produkte durch die chinesische Rüstungsindustrie. Außerdem bestellte China vier ukrainische Luftkissen-Landungsschiffe der Zubr-Klasse, von denen zwei unter Lizenz in China hergestellt werden sollen, sowie fünf gebrauchte Il-76M Transportflugzeuge aus Weißrussland. Trotz des Waffenembargos der Europäischen Union, das nach dem Tiananmen-Massaker (4. Juni 1989) verhängt wurde, führt China auch weiterhin Rüstungsgüter aus der EU ein. Darunter insbesondere Komponenten wie französische und deutsche Dieselmotoren für Kriegsschiffe und U-Boote, sowie britische Mantelstromtriebwerke (turbofan) für Kampfflugzeuge.

Die genannten Zahlen und Beispiele verweisen auf drei wichtige aktuelle rüstungspolitische Trends im maritimen Südostasien:

  1. Der Fokus liegt zunehmend auf der Modernisierung der Marine und der Antischiffskapazitäten (zum Beispiel durch Flugzeuge und Antischiffsraketen), der aus den wachsenden Spannungen in Territorialkonflikten resultiert.

  2. Es ist eine Zunahme an Militärhilfe und "Spenden" von Kriegsschiffen zu verzeichnen, durch die externe Akteure (USA, Japan und Südkorea) versuchen, die Machtbalance in der Region zu beeinflussen.

  3. Ein Schwerpunkt liegt auf Technologietransfers (sogenannte defence offsets) in die Region und dem Aufbau eigener nationaler Rüstungsindustrien durch die Empfängerstaaten im maritimen Südostasien.

Rolle der Exporteure

In den Jahren von 2004 bis 2013 zeichnete die EU für mehr als ein Drittel (39 Prozent) der Rüstungstransfers ins maritime Südostasien verantwortlich, gefolgt von Russland mit 29 Prozent und den USA mit 22 Prozent. Damit stammten insgesamt 90 Prozent aller in die Region importierten Rüstungsgüter aus diesen drei Regionen.

Während die Rüstungsexporte der USA nach Südostasien im Rahmen der im Oktober 2011 von der Obama-Administration verkündeten "Pivot-to-Asia"-Politik vielfach diskutiert wurde, erregten europäische Transfers in die Region bislang vergleichsweise wenig Aufsehen – und das obwohl die EU der größte Waffenlieferant für die Region war. Die größten Exporteure innerhalb der EU waren dabei Frankreich, Deutschland und die Niederlande. Als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise stagnieren die Verteidigungsausgaben in Europa und Nordamerika auch weiterhin. Der Druck auf europäische Rüstungsunternehmen, neue Exportmärkte zu erschließen bleibt daher unvermindert hoch, und das maritime Südostasien ist mit seinen steigenden Militärausgaben sicherlich besonders interessant. Anders als die USA oder China haben die EU und auch Russland dabei deutlich geringere direkte Sicherheitsinteressen zu beachten, was es den Exporteuren aus diesen Ländern ermöglicht, praktisch in alle Länder der Region zu exportieren. Wie erwähnt, werden zudem die europäischen Rüstungstransfers nach China durch das EU-Waffenembargo zwar eingeschränkt, aber keinesfalls vollständig unterbunden.

Das maritime Südostasien bleibt somit ein dynamischer und umkämpfter Markt, auf dem sich neben den Europäern, Russen und US-Amerikanern zunehmend auch neue aufstrebende Waffenexporteure etablieren: Insbesondere Südkorea entwickelt sich derzeit sowohl auf einem globalen Level als auch in der Region zu einem bedeutenden Lieferanten von Rüstungsgütern. In den vergangenen zehn Jahren lieferte es fast vier Prozent der ins maritime Südostasien exportierten Waffen – die Tendenz ist weiter steigend. Japan dagegen spielte aufgrund seiner restriktiven Exportpolitik keine Rolle. Es bleibt abzuwarten, ob sich das durch die Reform der japanischen Verteidigungspolitik unter Premier Shinzo Abe in den nächsten Jahren ändert. Die erwähnten "Spenden" japanischer Küstenwachboote an die Philippinen könnten ein Vorbote eines solchen Politikwechsels sein.

Auch China trat bislang nicht als wichtiger Waffenlieferant in der Region hervor: Obwohl die Volksrepublik im Zeitraum von 2009 bis 2013 zum viertgrößten Waffenexporteur der Welt hinter den USA, Russland und Deutschland aufgestiegen ist, spielt es im maritimen Südostasien nur eine untergeordnete Rolle. Hier zeichnete China in den zurückliegenden zehn Jahren für weniger als ein Prozent der Transfers schwerer konventioneller Waffen verantwortlich. Hauptabnehmer chinesischer Rüstungsgüter waren dabei Indonesien und Malaysia, also Staaten, mit denen China entweder keine (Indonesien) oder nur minimale Territorialkonflikte (Malaysia) hat. Aufgrund der sich weiterhin verschlechternden Beziehungen zu anderen Staaten in der Region dürften diese für Peking auch weiterhin keinen attraktiven Absatzmarkt darstellen.

Fazit: Welche Rolle für Europa?

Angesichts der massiven Expansion und Modernisierung der chinesischen Volksbefreiungsarmee kann man kaum von einem Wettrüsten in der Region sprechen. Den anderen Staaten im maritimen Südostasien fehlen schlichtweg die finanziellen und technologischen Ressourcen, um mit China mithalten zu können. Dies hält sie jedoch nicht davon ab, verstärkt in ihre Streitkräfte zu investieren, insbesondere im Bereich der asymmetrischen Kriegsführung, beispielweise in Antischiffsraketen und in die Anschaffung von U-Booten. Dies gilt vor allem für Vietnam. Eine immer bedeutendere Rolle spielen auch die leicht bewaffneten paramilitärischen Küstenwachen, deren Einsatz zur Verteidigung territorialer Ansprüche von den Staaten in der Region als weniger gefährliche Alternative zu schwerbewaffneten Kriegsschiffen gesehen wird. Insgesamt erhöht jedoch der Einsatz einer immer größeren Anzahl von Kriegs- und Küstenwachschiffen in der Region die Gefahr von ungeplanten bewaffneten Auseinandersetzungen, welche im Extremfall rasch eskalieren können.

Diese Risiken erhöhen sich zusätzlich durch das Fehlen von Kommunikationsmechanismen und Verhaltensregeln (rules of engagement) sowie durch einen Mangel an Koordination zwischen den Akteuren, auch innerhalb einzelner Staaten. Angesichts dieses Bedrohungsszenarios setzen viele Staaten in der Region verstärkt auf die USA als Gegengewicht zu einem zunehmend konfrontativ auftretenden China. Daran ändern auch die engen Handelsbeziehungen zwischen China und dem maritimen Südostasien nichts. Insbesondere die Philippinen, welche nur über sehr begrenzte militärische Ressourcen verfügen, scheinen eine solche Strategie zu verfolgen. Allerdings hegen viele Beobachter und Regierungsvertreter in der Region Zweifel daran, ob die USA im Ernstfall Manila wirklich militärisch gegen China zur Seite stehen würden.

Die Entwicklungen im maritimen Südostasien stellen dabei auch die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und der EU vor neue Herausforderungen. Obwohl Deutschland und Europa besonders im Vergleich zu den USA dort nur deutlich geringere Sicherheitsinteressen haben, ist die strategische Bedeutung der maritimen Handelswege und Volkswirtschaften in der Region unbestritten. Auch wenn europäische Politiker sich regelmäßig über ihren mangelnden sicherheitspolitischen Einfluss in Asien beklagen, so haben die EU und ihre Mitgliedsstaaten als gemeinsam größter Exporteur schwerer konventioneller Waffen ins maritime Südostasien doch zahlreiche Möglichkeiten, zur Beibehaltung der Stabilität und des Friedens in der Region beizutragen.

Bislang scheinen die europäischen Rüstungstransfers nur schwach abgestimmt und in erster Linie auf der Basis nationalstaatlicher ökonomischer – und nicht etwa gemeinsamer sicherheitspolitischer – Interessen zu erfolgen. Die derzeitigen Krisen in der Ukraine und im Irak werden die europäische Aufmerksamkeit noch weiter von den Entwicklungen im maritimen Südostasien ablenken. Andererseits passt das Thema der deutschen Rüstungstransfers nach Südostasien auch gut in die deutsche Debatte über die Fragen, ob Waffenlieferungen ein Mittel der Sicherheitspolitik darstellen und ob man Rüstungsgüter in (potenzielle) Krisenherde liefern sollte. Deutschland und die EU sollten diese Gelegenheit nutzen, um auch die eigenen Rüstungstransfers ins maritime Südostasien einer gemeinsamen europäischen Strategie zu unterwerfen, die sowohl den europäischen Sicherheitsinteressen als auch dem Erhalt des Friedens in der Region dient.

M.A., geb. 1982; Wissenschaftlicher Mitarbeiter im China and Global Security Project des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), Signalistgatan 9, 16970 Solna/Schweden. E-Mail Link: oliver.brauner@sipri.org