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Südostasien im Fokus der Weltpolitik | Sicherheit in Südostasien | bpb.de

Sicherheit in Südostasien Editorial Südostasien im Fokus der Weltpolitik ASEAN, der übersehene Riese Gefährliches Souveränitätsspiel im Südchinesischen Meer Rüstungstransfers ins maritime Südostasien Menschliche und staatliche Sicherheit Machtverschiebung in Richtung Asien? China als globaler Investor Grundzüge der Geschichte Südostasiens Karten

Südostasien im Fokus der Weltpolitik

Felix Heiduk

/ 17 Minuten zu lesen

In Südostasien leben über 600 Millionen Menschen, Hunderte unterschiedliche Ethnien und Kulturen sowie Angehörige aller Weltreligionen. Die Region ist zudem eine der wirtschaftlich am stärksten wachsenden der Welt, zusammen kommt sie auf ein Bruttosozialprodukt von 2,5 Billionen US-Dollar – über eine halbe Trillion mehr als Indien – und verfügt über mehr ausländische Direktinvestitionen als China. Europa ist hierbei der größte Investor. Ein Viertel des Welthandels wird über wichtige Schifffahrtsrouten abgewickelt, die durch Südostasien verlaufen. Es verwundert daher nicht, dass sich die Region im Blickfeld der Weltpolitik befindet. Dies ist keineswegs neu: Seit Jahrhunderten schon treiben Chinesen, Inder, Portugiesen, Holländer, Franzosen, Spanier, Briten und Amerikaner intensiven Handel mit den südostasiatischen Ländern. Der externe Einfluss nahm durch die Kolonialisierung der Region, mit Ausnahme des heutigen Thailands, im 18. und 19. Jahrhundert weiter zu. Und im Kalten Krieg war Südostasien Schauplatz der Supermächtekonfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion.

Nach 1989 wurde die Wahrnehmung der Region zunehmend von ihrer rasanten wirtschaftlichen Entwicklung geprägt. Im 21. Jahrhundert verdeutlichten jedoch Asienkrise (Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise 1997/1998), Terrorismus, Bürgerkriege und territoriale Konflikte im Südchinesischen Meer ihre Fragilität. Da eine umfassende Abhandlung aller zentralen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Südostasiens in einem Artikel kaum zu leisten ist, beschränke ich mich auf eine Skizzierung der aktuell im Blickfeld der Weltöffentlichkeit stehenden sicherheitspolitischen Problemstellungen. Ich versuche hierbei Antworten auf eine Reihe von Fragen zu geben: Was sind die aktuellen, zentralen Konfliktgegenstände in Südostasien? Wer sind die wesentlichen Akteure, und was sind ihre Interessen? Wo verlaufen die dominanten Konfliktlinien in der Region? Die Beschäftigung mit diesen Fragen erfordert an vielen Stellen eine gewisse Simplifizierung; wenn im Folgenden von den USA, China oder den Philippinen die Rede ist, dann suggeriert dies eine Kohärenz, die so in ihrer Trennschärfe in der Realität fast nie auftritt. Politische Entscheidungsprozesse verlaufen in Staaten entlang von einer Vielzahl politischer Institutionen mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und Interessen. Den hier thematisierten politischen Entscheidungen ging somit stets ein vielschichtiger Aushandlungsprozess in innenpolitischen wie außenpolitischen institutionellen Komplexen voraus.

Gewachsene Rolle Chinas

Der Aufstieg Chinas und, damit verbunden, seine veränderte Rolle in Südostasien dominieren seit einiger Zeit die Debatten um die Zukunft der Region. Das in weiten Teilen Südostasiens historisch bedingte Misstrauen gegenüber China aufgrund der imperialen Einflüsse des Kaiserreichs, andauernder Territorialansprüche im Südchinesischen Meer und der Unterstützung kommunistischer Aufstände während des Kalten Krieges machte zu Beginn des 21. Jahrhunderts einem neuen Image Chinas als attraktivem Partner Platz. Durch sein Wirtschaftswachstum und seine geografische Nähe zur Region hat China seit einigen Jahren die USA als größten externen Handelspartner überholt. 2002 schloss es ein Freihandelsabkommen mit den zehn Staaten der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) ab. Neben seiner primär ökonomischen "Charme Offensive" zeigte Peking darüber hinaus Bereitschaft, sich in die bestehenden multilateralen Sicherheitsinstitutionen der Region zu integrieren. Beispielsweise unterzeichnete China 2002 die "Declaration on the Conduct of the Parties in the South China Sea", die den Grundstein für eine Beilegung der konkurrierenden Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer legen sollte.

Ab 2009 geriet die chinesische Charme-Offensive jedoch ins Stocken, als Peking begann, sein zunehmendes wirtschaftliches Gewicht auch auf politischer Ebene einzusetzen. Entlang der auf historischen chinesischen Karten und Dokumenten basierenden "Zehn-Punkte-Linie" (eine Fortschreibung der "Neun-Striche-Linie", siehe Interner Link: Karten) beansprucht China fast das gesamte Südchinesische Meer. Dem stehen konkurrierende Ansprüche von vier südostasiatischen Staaten (Vietnam, Philippinen, Malaysia, Brunei) und Taiwan gegenüber. Konfliktgegenstände sind hierbei vor allem die Paracel- und Spratley-Inseln. Die Auseinandersetzungen um die zumeist unbewohnten Atolle haben zuletzt deutlich an Schärfe gewonnen: Peking errichtete eine eigene Präfektur (Shansha) für die beanspruchten Gebiete, rüstete seine Marine massiv auf, hielt Flottenmanöver in den umstrittenen Gebieten ab und ließ durch seine Küstenwache vietnamesische und philippinische Fischerboote aufbringen. Vietnam und die Philippinen reagierten mit einer Verschärfung der Rhetorik, Verhaftungen chinesischer Fischer und der Aufrüstung ihrer Seestreitkräfte. Mehrfach kam es bereits zu Zusammenstößen auf See zwischen der chinesischen Küstenwache und philippinischen und vietnamesischen Marinebooten.

In dem Konflikt geht es um mehr als eine Reihe größtenteils unbewohnter Inseln und Riffe. Asiens rascher ökonomischer Aufstieg wird begleitet von einem steigenden Rohstoffbedarf. Unter den Ozeanböden werden große Öl- und Gasvorkommen vermutet, zudem sind die Gewässer sehr fischreich. Der Besitz der entsprechenden Inseln garantiert daher in der Wahrnehmung der Konfliktparteien den direkten Zugriff auf diese Ressourcen. Der ansteigende Nationalismus in der Region ist bei der Betrachtung der Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer ebenfalls zu berücksichtigen. Durch die gezielte Instrumentalisierung nationalistischer Diskurse als politisches Legitimationsinstrument stehen die Regierungen in Peking, Manila und Hanoi unter wachsendem innenpolitischem Druck, nach außen Stärke zu demonstrieren. So kam es beispielsweise in der Folge des Eindringens einer chinesischen Ölbohrplattform in von Hanoi beanspruchte Gewässer zu massiven antichinesischen Demonstrationen und Ausschreitungen in Vietnam. Die Demonstranten forderten eine härtere Gangart der Regierung gegenüber China und attackierten vermeintlich chinesische Fabriken und Läden.

Die exakten Gründe für die zunehmend aggressive chinesische Außenpolitik in Südostasien sind bislang unklar. Von Beobachtern werden abwechselnd der wachsende Hunger nach natürlichen Ressourcen, die Instrumentalisierung eines chinesischen Nationalismus für den Machterhalt der Kommunistischen Partei, ein Machtzuwachs des Militärs innerhalb der chinesischen Führung und das Ausnutzen der durch die Kriege im Irak und Afghanistan geschwächten USA als mögliche Erklärungsfaktoren ins Feld geführt. Gesichert erscheint in jedem Fall die Beobachtung, dass diese Politik in China selbst nicht so sehr als aggressive Expansion, sondern als Konsolidierung berechtigter Machtansprüche betrachtet wird. Aus dieser Wahrnehmung heraus ist es China, das über Jahrzehnte hinweg in punkto Gebietsansprüchen und Einflusszonen aufgrund der eigenen wirtschaftlichen und militärischen Schwäche ins Hintertreffen geraten war und nunmehr die rechtmäßigen Ansprüche geltend machen kann. Dazu passt, dass China Medienberichten zufolge derzeit die Errichtung einer Luftverteidigungszone (Air Defense Identification Zone, AIDZ) für das Südchinesische Meer plant. Demnach ist vorgesehen, dass alle in diese Zone eindringenden Flugzeuge dem chinesischen Verteidigungsministerium ihre Flugpläne und Nationalität mitteilen sowie Funkkontakt halten müssen. Allerdings ist Peking bislang darum bemüht, eine Eskalation in Richtung bewaffneter Auseinandersetzungen zu vermeiden. Mit wenigen Ausnahmen waren in die oben beschriebenen Vorfälle auf chinesischer Seite nur nichtmilitärische Akteure involviert – beispielsweise die Küstenwache.

Neuausrichtung der US-Außenpolitik

In den vergangenen Jahren hat ein strategischer Wettlauf um Einflusszonen in Südostasien eingesetzt, in den nicht nur die Staaten der Region und China, sondern in zunehmendem Maße auch die USA involviert sind. Nach Jahren der nahezu ausschließlichen Fokussierung auf Irak und Afghanistan ist Südostasien im Kontext des unter Präsident Barack Obama ins Leben gerufenen "Pivot to Asia" wieder verstärkt in den Fokus amerikanischer Außenpolitik geraten. Aus einem Selbstverständnis als "pazifische Macht" heraus ist aus US-Sicht der asiatisch-pazifische Raum für die politischen und ökonomischen Entwicklungen der nächsten Jahre von zentraler Bedeutung. Allerdings stellen die USA, anders als China, keine territorialen Ansprüche in der Region und haben auch bislang keinerlei Partei in den Territorialkonflikten ergriffen. Vielmehr ist es seit Jahren ein Teil der US-Strategie, eine direkte Involvierung in die territorialen Streitigkeiten zu vermeiden. Entsprechend haben die USA wiederholt erklärt, dass die von den Philippinen beanspruchten Inseln im Südchinesischen Meer nicht Teil des 1951 abgeschlossenen gegenseitigen Verteidigungsabkommens sind. Ob das Abkommen jedoch im Falle einer direkten Konfrontation zwischen chinesischer und philippinischer Marine auf hoher See greift, haben die USA bislang offen gelassen. Während sich die US-Position hinsichtlich der Territorialkonflikte auch im Rahmen des "Pivot to Asia" nicht grundlegend verändert hat, hat eine Reihe von Zwischenfällen die Befürchtungen der USA hinsichtlich der Aufrüstung der chinesischen Flotte und ihrer zunehmenden Aggressivität genährt. So zwang beispielsweise eine chinesische Fregatte 2009 das US-Überwachungsschiff "Impeccable" vor der Südküste Chinas zu einem Nothalt. Zum Ärger Pekings erklärte Washington daraufhin die "Navigationsfreiheit" der im Pazifik stationierten 7. Flotte im Südchinesischen Meer zum nationalen Interesse. Wiederholt betonten seitdem US-Offizielle, etwa Verteidigungsminister Robert Gates, dass sich die USA jeglicher Einschränkung ihrer Navigationsfreiheit entgegenstellen würden.

Die strategische Orientierung der USA auf Asien sieht auf dem Papier eine Reihe von Handlungsweisen vor: die Stärkung bestehender Allianzen, die Vertiefung der Beziehungen zu aufstrebenden Mächten (insbesondere China), den Ausbau des US-Handels und US-Investitionen, die Verbreiterung der US-Militärpräsenz, die Stärkung multilateraler Institutionen zur Konfliktbeilegung und die Förderung von Menschenrechten und Demokratie. Bislang allerdings lag der Schwerpunkt des "Pivot to Asia" auf der Vertiefung und der Modernisierung bestehender militärischer Allianzen mit Thailand und den Philippinen und damit eng verbunden auf dem Ausbau der US-Militärpräsenz in der Region. Beispielsweise stimmte das philippinische Parlament, das in den 1990er Jahren noch die Schließung der US-Militärbasen im Land veranlasst hatte, zu Beginn des Jahres 2014 einem neuen Sicherheitsabkommen (Enhanced Defense Cooperation Agreement) zu, welches den Zugang des US-Militärs zu Militärbasen, Häfen und Flughäfen ermöglicht.

Neben der Vertiefung der militärischen Beziehungen mit den Philippinen kündigten die USA 2011 die Stationierung von 2500 Marines in Darwin an der Nordküste Australiens und von vier Kriegsschiffen in Singapur an. Zudem sollen bis 2020 60 Prozent der US-Marine permanent im Pazifik stationiert sein (derzeit sind es 50 Prozent). Weiterhin kommt aus US-Sicht der Erschließung neuer Partnerschaften wichtige strategische Bedeutung zu. Die Reise Präsident Obamas im November 2012 nach Thailand, Kambodscha und Myanmar wurde von Beobachtern als deutlicher Ausweis für die Bestrebungen gesehen, neue Partner in der Region zu erschließen. Auch mit Indonesien und Vietnam wurden in den vergangenen Jahren die bilateralen Beziehungen intensiviert. Andere angekündigte Aspekte des "Pivot to Asia", zum Beispiel ein stärkeres Engagement in multilateralen Institutionen in der Region, sind aber bislang weitgehend ausgeblieben. Auch haben die finanziellen Engpässe im amerikanischen Staatshaushalt der strategischen Rückorientierung auf Südostasien relativ enge Grenzen gesetzt. So musste Obama aufgrund der Staatshaushaltskrise seine groß angekündigte Asienreise zum Forum der APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation) 2013 in Indonesien absagen. Auch wies eine vielbeachtete Studie auf die Diskrepanz zwischen den ehrgeizigen strategischen Zielen des "Pivot to Asia" und den bislang tatsächlich dafür bereitgestellten geringen Ressourcen hin.

Auch wenn der "Pivot to Asia" von offizieller Seite nie als Teil einer Strategie zur Eindämmung des wachsenden chinesischen Einflusses in Südostasien dargestellt wurde, so wird er als genau das in Peking wahrgenommen. Die Stationierung von US-Truppen auf den Philippinen und in Australien sowie die Pläne, weitere Partner in der Region zu gewinnen, werden als Einmischung einer externen Macht in regionale Angelegenheiten und als "Einkreisung" Chinas abgelehnt. Insbesondere die Erklärung von freedom of navigation im Südchinesischen Meer zum nationalen Interesse der USA rief in Peking Verstimmungen hervor, wenngleich der Forderung offiziell nie widersprochen wurde.

Gespaltene ASEAN

Das immer forschere Machtgebaren Chinas hat in vielen ASEAN-Staaten großes Misstrauen hervorgerufen. Daneben gibt es die Befürchtung, die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China um Einflusszonen in Südostasien könnte die Region in zwei Lager spalten. Selbst eng mit den USA verbundene Staaten wie die Philippinen, die den "Pivot to Asia" der USA dezidiert begrüßt haben, wollen einen Großmächtekonflikt in Südostasien unter allen Umständen vermeiden. Denn neben den katastrophalen sicherheitspolitischen Auswirkungen wären auch die ökonomischen Folgen für die Region fatal. Fast ein Drittel aller philippinischen Exporte geht mittlerweile nach China (nur 15 Prozent in die USA), und eine stetig wachsende Anzahl chinesischer Unternehmen investiert in die philippinische Wirtschaft. Um der Gefahr einer Spaltung der Region in eine US-amerikanische und eine chinesische Einflusszone zu entgehen, haben die ASEAN-Staaten versucht, Zusammenhalt zu demonstrieren und die USA und China in regionale Sicherheitsinstitutionen wie das ARF (ASEAN Regional Forum) und den EAS (East Asia Summit) einzubinden. Chinesischen Bemühungen, die Territorialkonflikte allein als bilaterale Angelegenheiten darzustellen, sollte so begegnet werden, zugleich sollten multilaterale Mechanismen zur Konfliktlösung zur Anwendung kommen. Sämtliche Versuche in diese Richtung blieben bislang jedoch ergebnislos. Dies ist zum einen dem Widerstand Chinas gegenüber "externen Einmischungen" geschuldet, zum anderen dem geringen Institutionalisierungsgrad sowie der Uneinigkeit der ASEAN-Staaten selbst.

Die schwach ausgebildeten regionalen sicherheitspolitischen Institutionen wie das ARF und der EAS haben ihren Auftrag der Vertrauensbildung zwischen den ASEAN-Staaten sowie zwischen den USA und China bislang nicht über rechtlich unverbindliche Konsultationen hinaus erfüllen können. Der regionale Integrationsprozess ist durch die sehr stringenten Interpretationen nationaler Souveränität und des Prinzips der Nichteinmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten sowie konsensualer Entscheidungsfindung weitaus weniger institutionalisiert, als dies zum Beispiel in der Europäischen Union der Fall ist. Nach wie vor haben die entsprechenden Institutionen kein ausreichendes Mandat, regionale Konfliktlösung zu betreiben und werden daher häufig als talk shops kritisiert.

Weiterhin sind trotz wiederholter Betonung der "ASEAN unity" im Kontext der Konflikte im Südchinesischen Meer Risse innerhalb des Verbandes zutage getreten. Besonders deutlich wurde dies 2012, als es zum ersten Mal in der Geschichte der Organisation kein gemeinsames Kommuniqué nach dem gemeinsamen Gipfel in Phnom Penh verabschiedet werden konnte. Zu groß waren die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Interessenlagen zwischen eng an China angebundene Staaten wie Kambodscha und Laos auf der einen Seite, und Staaten wie den Philippinen und Vietnam auf der anderen.

Die wachsende Verunsicherung in der Region selbst hat zudem dazu geführt, dass die Verteidigungsausgaben fast aller südostasiatischen Staaten in den vergangenen Jahren merklich angestiegen sind. Ein Beispiel hierfür ist der Kauf von sechs russischen Jagd-U-Booten durch Vietnam 2009. Wenngleich Beobachter derzeit noch nicht von einem Rüstungswettlauf in Südostasien sprechen, so haben die gewachsenen Rüstungsausgaben insbesondere im Marinebereich das gegenseitige Misstrauen in der Region weiter verstärkt.

Bürgerkrieg, Vertreibung, Terror

Neben dem Konflikt im Südchinesischen Meer bestehen in einer Reihe südostasiatischer Länder zudem innerstaatliche Konflikte. In den Blickwinkel der Weltöffentlichkeit traten diesbezüglich zuletzt die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen in Myanmar. Kämpfe zwischen von ethnischen Minderheiten wie den Kachin oder den Wa gebildeten Guerillagruppen und dem burmesischen Militär gibt es bereits seit Jahrzehnten, zuletzt ist es im an Bangladesch angrenzenden Bundesstaat Rakhine zu Unruhen gekommen. Der Großteil der dort lebenden Muslime gehört zur ethnischen Gruppe der Rohingas, die in Myanmar nicht als einheimische Bevölkerungsgruppe anerkannt werden, daher keine Staatsbürgerschaft erhalten und seit Jahrzehnten Opfer von Diskriminierung sind. Landkonflikte und eine hohe Armutsrate befeuern die entlang religiöser Zugehörigkeiten ausgetragenen Unruhen, die bislang mehr als tausend Menschen das Leben kosteten und zur Vertreibung von mehr als 100000 Rohingas führten. Insbesondere durch die große Beachtung dieser Konflikte in den mehrheitlich muslimischen Staaten Indonesien und Malaysia sowie in den arabischen Staaten erfuhren die Unruhen eine rasche Internationalisierung. Die Organisation Islamischer Staaten entsandte einen Sondergesandten, und Saudi-Arabien versprach humanitäre Hilfe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar. Auch eine Reihe westlicher Staaten versuchte Druck auf die Regierung Myanmars unter Präsident Thein Sein auszuüben. Trotz internationalen Druckes bleibt die Situation allerdings angespannt, da es seitens der Regierung bislang keine kohärente Konfliktlösungsstrategie gibt.

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Buddhisten dauern auch im muslimischen Süden Thailands an. Mehrere Guerillagruppen fordern hier die Unabhängigkeit der von Muslimen malaiischer Abstammung bewohnten drei südlichsten Provinzen und haben seit 2004 mit einer Reihe von Anschlägen auf Militär- und Polizeiposten sowie auf buddhistische Mönche und Schulen von sich Reden gemacht. Auslöser der Auseinandersetzungen waren die Zentralisierung politischer Macht unter der seit 2001 amtierenden Thaksin-Regierung in Bangkok und die damit einhergehende Marginalisierung lokaler politischer Institutionen und Eliten. Der Konflikt wurde weiter angeheizt durch eine Reihe von Militäroperationen, die in Massakern von Guerillas und deren vermeintlichen Unterstützern durch Regierungstruppen endeten. Versuche der Konfliktbeilegung scheiterten bislang aber sowohl an der Fragmentierung der Rebellen sowie an der mit dem Militärputsch 2006 einsetzenden generellen politischen Instabilität im Land.

Auch in Indonesien fehlt für den Konflikt zwischen der Zentralregierung und der für die Unabhängigkeit Papuas kämpfenden OPM (Organisation Freies Papua) bislang eine kohärente Lösungsstrategie. Fehler der Regierung in Jakarta bei der Umsetzung der geltenden Autonomieregelungen sowie eine gleichzeitige Militarisierung Papuas haben die Spannungen in den vergangenen Jahren verschärft.

Auch der südliche Teil der Philippinen (Mindanao) ist durch die dort weiterhin vorherrschenden Gewaltkonflikte wiederholt in den Blick der Weltöffentlichkeit geraten. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der MILF (Miro Islamic Liberation Front) und Manila, die bislang mehrere Tausend Tote forderten und zur Vertreibung von mehr als einer halben Million Menschen führten, konnte 2012 durch einen Friedensvertrag beendet werden. Dieser muss allerdings noch vom philippinischen Kongress und Verfassungsgericht bestätigt werden. Die vor allem auf dem im Westen Mindanaos gelegenen Sulu-Archipel aktive Untergrundorganisation Abu Sayyaf ist allerdings nicht Teil des Friedensabkommens und kämpft für Errichtung eines islamischen Kalifats. Der US-amerikanische Auslandsnachrichtendienst CIA und die philippinische Armee sagen der geschätzt 200 bis 500 Kämpfer starken Organisation Verbindungen zu den islamistischen Terrornetzwerken al-Qaida und Jemaah Islamiyah (JI, "Islamische Gemeinschaft") nach. In Erscheinung getreten ist Abu Sayyaf bislang primär durch Dutzende Entführungen von Touristen, Reportern, Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen sowie Fischern, von denen die meisten gegen Lösegeld freigelassen wurden. Weiter verkompliziert wird die Situation durch die Überlagerung des Konfliktes zwischen der politische Selbstbestimmung fordernden MILF und der Zentralregierung mit lokalen Landkonflikten, Konflikten zwischen verschiedenen Lokalpolitikern anhängigen Milizen sowie zwischen der in Mindanao sowie ebenso nördlichen Landesteilen immer noch aktiven kommunistischen NPA (New People’s Army) und dem philippinischen Militär.

Allerdings haben nicht nur kriegerische Gewalt und Vertreibung die Region ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt. Nach den 2002 auf der Insel Bali durch die Jemaah Islamiyah verübten Terroranschläge auf zwei Nachtclubs wurde Südostasien inoffiziell als nach Afghanistan "zweite Front" im "Krieg gegen den Terrorismus" bezeichnet. Die USA und Australien waren daher ab 2002 aktiv am Aufbau einer in der Terrorismusbekämpfung trainierten Spezialeinheit der indonesischen Polizei (Detasemen Khusus 88) beteiligt. Diese führte in den folgenden Jahren erfolgreich Antiterroroperationen durch, die zur Verhaftung oder zum Tod einer Reihe führender JI-Mitglieder führten.

Wenngleich es in den zurückliegenden Jahren daher keine größeren Terrorattentate mehr in Indonesien gegeben hat, so bleibt die Terrorgefahr weiterhin bestehen. 2010 wurde beispielsweise ein Ausbildungscamp der JI ausfindig gemacht und zerstört, und 2012 konnten Attentate auf die US-amerikanische und die australische Botschaft sowie den Minenkonzern Freeport verhindert werden. Auch kommt es immer wieder zu Anschlägen auf Polizeistationen, Kirchen und andere Institutionen. Zudem hat sich eine Reihe von Splittergruppen gebildet, denen es gelungen ist, neue Rekruten anzuwerben. Die größte dieser Splittergruppen, gegründet vom derzeit inhaftierten radikalislamischen Geistlichen Abu Bakar Ba’asyir, sorgte im Juli 2014 für internationale Schlagzeilen, als Ba’asyir aus dem Gefängnis dazu aufrief, die in Syrien und Irak operierende Terrororganisation IS ("Islamischer Staat") zu unterstützen. Die Entdeckung lokaler IS-Ableger in mehreren Städten Indonesiens in den darauffolgenden Wochen nährte Befürchtungen über eine Ausbreitung der Organisation nach Südostasien und führte zum offiziellen Verbot der IS und ihrer Ableger in Indonesien.

Ausblick

War die internationale Wahrnehmung Südostasiens in den 1990er Jahren primär durch den beeindruckenden wirtschaftlichen Aufstieg geprägt, so geriet die Region spätestens mit den Terroranschlägen auf Bali 2002 verstärkt unter sicherheitspolitischen Vorzeichen ins globale Blickfeld. Wenngleich konzertierte Polizeiaktionen zu einer Eindämmung der operativen Kapazitäten der Jemaah Islamiyah geführt haben, so zeigen eine Reihe kleinerer Anschläge und die Neugründungen militanter Gruppen, dass die Gefahr keineswegs gebannt ist. Auch bestehen weiterhin eine Reihe von Bürgerkriegen entlang ethnischer und religiöser Konfliktlinien in der Region fort, für die bislang keine tragfähigen Konflikttransformationsmechanismen entwickelt wurden.

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden Krieges im Südchinesischen Meer derzeit als gering eingeschätzt wird, so sind Beobachter in Sorge, dass die Kombination aus wachsendem Misstrauen zwischen den Konfliktparteien und strategischen Fehleinschätzungen eine Eskalationsspirale in Gang setzen könnte, an deren Ende eine militärische Konfrontation zwischen China und den USA stünde. In der Region hat dies neben einer engeren Anbindung an die USA (Philippinen, Vietnam) oder China (Kambodscha, Laos) außerdem zur Aufrüstung vor allem der Seestreitkräfte geführt. Allerdings wächst mit der regionalen Aufrüstung die Wahrscheinlichkeit ungewollter Zwischenfälle beziehungsweise geplanter kleinerer Provokationen, die dann in einer Eskalationsspirale münden könnten, da dies zum einen schlichtweg die Anzahl der in einem bestimmten Seegebiet patrouillierenden Schiffe erhöht, zum anderen Konfliktteilnehmern das Gefühl verleiht, mit neuen Schiffen, U-Booten oder anderen Waffensystemen alten Forderungen nun neuen Nachdruck verleihen zu können. Um dies zu vermeiden, müsste sich eine Vielzahl bilateraler und multilateraler Beziehungen verbessern; dies betrifft sowohl die sino-amerikanischen Beziehungen als auch die zwischen China und den ASEAN-Staaten. Solange jedoch keine Anzeichen für eine Bereitschaft aller Akteure zu einer über regelmäßige Konsultationen hinausreichenden regionalen Sicherheitskooperation zu erkennen sind, solange wird Südostasien ob seiner Fragilität im weltpolitischen Blickfeld verbleiben.

Dr. phil., geb. 1976; Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Ludwigkirchplatz 3–4, 10719 Berlin. E-Mail Link: felix.heiduk@swp-berlin.org