Was ist zu tun, damit sich Bürgerinnen und Bürger mit ihren Anliegen und Interessen in den Parlamenten besser vertreten fühlen? Im aktuellen öffentlichen Diskurs wird diese Grundfrage der demokratischen Repräsentation meist auf die derzeitige Konstellation im Deutschen Bundestag bezogen: Angesichts der numerisch übermächtigen Großen Koalition hat das Parlament bereits einige Änderungen der Geschäftsordnung zur Stärkung der Rechte und Handlungsoptionen der Opposition beschlossen. Doch genügt das? Es lohnt sich, die Instrumente der parlamentarischen "Minderheitsmacht" sowohl in nationaler als auch in internationaler Perspektive zu erörtern. Bereits die Große Koalition der 1960er Jahre hatte erwogen, solche ungleichen Kräfteverhältnisse mit einer Änderung des Wahlrechts in Richtung relativer Mehrheitswahl auszuhebeln.
Wie wäre überdies dem grundsätzlichen Missstand der mittlerweile unübersehbaren Repräsentationslücke in Parlamenten zu begegnen? Hat die Idee eines Losverfahrens zur Bestimmung eines Teils der Abgeordneten eine Zukunft? Lässt sich das Dilemma der "Gegenwartspräferenz" mittels einer neuen Definition des Demos unter Einbeziehung zukünftiger Generationen und der Überwindung des klassischen Modells der Gewaltenteilung aufheben?
Auf Ebene des Europäischen Parlaments stellt sich die Frage der Repräsentation noch dringlicher. Gemessen an der Beteiligung an den Wahlen im Mai 2014 scheinen sich die europäischen Wahlberechtigten mit ihren Anliegen und Interessen in Straßburg und Brüssel nicht besonders gut aufgehoben zu fühlen. Und dies, obwohl das Parlament kontinuierlichen Machtzuwachs erfahren hat und nunmehr faktisch und erstmals den Kommissionspräsidenten wählen durfte. Insofern ist Reformvorschlägen, die die Demokratisierung des Entscheidungssystems der Europäischen Union voran bringen, breite Resonanz zu wünschen.