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Editorial

Anne-Sophie Friedel

/ 2 Minuten zu lesen

Im späten 19. Jahrhundert ringen in den USA die Verleger Joseph Pulitzer und William Randolph Hearst um die Vorherrschaft auf dem Zeitungsmarkt. Aus dem Auflagenkampf gehen farbige Unterhaltungsbeilagen mit gezeichneten Darstellungen komischer Situationen hervor, deren Humor neue, weniger gebildete Leserschichten erschließen soll: die funny pages. Auf diesen Seiten fasst der Zeichner Richard Felton Outcault in Pulitzers "New York World" am 25. Oktober 1896 seinen Scherz mit dem bei der Leserschaft beliebten Yellow Kid erstmals in eine Abfolge einzelner Bilder und verwendet Sprechblasen – und schafft so den ersten modernen Comic. Das neuartige Erzählen in Sequenzen aus Bild und Schrift wird bald aufgegriffen und verbreitet sich als beliebtes Unterhaltungsformat.

Was vor über hundert Jahren mit kurzen Zeitungsstrips zur Erheiterung eines US-amerikanischen Massenpublikums begann, ist heute ein globales, komplexes Phänomen der Populärkultur. Längst sind Comics nicht mehr ausschließlich der Komik verschrieben, sondern bieten eine künstlerische und erzählerische Vielseitigkeit, die jener in Literatur und Film in nichts nachsteht. Anders als in den USA und später auch in Frankreich oder Belgien, wo sich früh eine lebendige Comickultur entwickelte, die Phasen der Ächtung und strengen Reglementierung im Namen des Jugendschutzes überdauerte, hatten Comics in Deutschland jedoch lange einen schweren Stand – obwohl sich Vorläufer wie Wilhelm Buschs Bildergeschichten auch in der deutschen Kultur finden.

Erst seit einigen Jahren trägt ein mit dem Aufkommen der sogenannten Graphic Novel veränderter Comicmarkt dazu bei, dass der Comic auch in Deutschland das ihm anhaftende Etikett der trivialen Unterhaltung für Kinder ablegt. In Feuilletons diskutiert, in Museen ausgestellt, an Universitäten erforscht und im Schulunterricht eingesetzt, sind Comics heute weitgehend kulturell akzeptiert. Was sind Comics eigentlich? Wie wird in Comics erzählt und welche Anforderungen stellen sie an ihre Leserinnen und Leser? Welche Ästhetik wohnt ihnen inne? Die wissenschaftlichen Zugänge zu diesen Fragen sind so vielfältig wie das Medium selbst.