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Frauen und die Revolution | 1848/49 | bpb.de

1848/49 Editorial 1848/49 und der Ort des Revolutionären in der deutschen Geschichte 1848/49. Ursachen, Entwicklung und Erbe einer europäischen Revolution Fragen an 1848/49. Ein Forschungsüberblick Frauen und die Revolution. 1848 als Frauenaufbruch Deutsche "Forty-Eighters" in den USA Demokratiestärkung durch Demokratiegeschichte? Beispiel 1848/49

Frauen und die Revolution 1848 als Frauenaufbruch

Kerstin Wolff

/ 16 Minuten zu lesen

Bis heute wird die Geschichte der Demokratie und damit auch der Revolution von 1848 häufig auf mutige Männer und ihre Taten verkürzt. Wo und wie waren Frauen 1848 an der Revolution beteiligt und an welchen konkreten Orten war weibliches Engagement zu finden?

"Aber als Schmach empfand ich es doch, daß Frauen nach wie vor von politischen Versammlungen ausgeschlossen waren", schrieb die Schriftstellerin und Lyrikerin Louise Otto 1848 über die Damengalerie in der Paulskirche, von der aus Frauen die Parlamentssitzungen verfolgen durften. Die Enttäuschung saß tief: Sie konnte weder einen Abgeordneten für die Paulskirche wählen noch konnte sie selbst als Abgeordnete einziehen.

Bis heute wird die Geschichte der Demokratie, die zu Recht auch mit der Revolution von 1848 verknüpft wird, häufig auf mutige Männer und ihre Taten verkürzt. Es sind vorzugsweise Revolutionäre, Parlamentarier und angehende Politiker, an die erinnert wird, wenn es um die Demokratiegeschichte im 19. Jahrhundert geht. Die "Männerzentriertheit" von Revolutions- und Demokratieerzählungen beschränkt sich allerdings nicht auf die Ereignisse um 1848. Die Historikerin Hedwig Richter hat darauf hingewiesen, dass auch und gerade demokratische Staaten dazu neigen, alle Revolutionen als ihr Erbe zu zelebrieren. "Der zentrale Topos eines globalen Demokratienarrativs lautet: Demokratiegeschichte ist ein revolutionärer Kampf von unten gegen oben, und es liegt auf der Hand, dass diese Geschichte in aller Regel eine Männergeschichte ist."

Diese Überlegungen dienen als Ausgangspunkt für die Frage, ob das nachträgliche Revolutionsnarrativ den Blick auf die Erfolge und den partiellen Aufbruch von Frauen rund um die Revolution von 1848 verstellt hat. Hat die starke Konzentration der Forschung auf den parlamentarischen Arm der Revolution dazu geführt, dass Frauen viel stärker als ausgeschlossen gedacht werden, als sie es waren? Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Behinderungen und Diskriminierungen von Frauen als politische Bürgerinnen waren enorm. Diese fußten auf einem polar gedachten Geschlechterverhältnis, das Frauen in den unpolitisch-privaten Bereich verwies. So wurde auch der Ausschluss aus der Paulskirche begründet. Allerdings zeigt die Tatsache, dass die Verhandlungen vor den Augen und Ohren anwesender Frauen abgehalten wurden, dass Frauen als Mitglieder der Nation wichtig waren.

In diesem Artikel möchte ich aufzeigen, wo und wie Frauen an der Revolution beteiligt waren und an welchen konkreten Orten weibliches Engagement zu finden war.

Orte der Gewalt: Barrikadenkämpfe und ein Attentat

Der Barrikadenkampf scheint ein typisch männlicher Revolutionsort zu sein. Schließlich wird hier mit Waffengewalt verteidigt, und Waffen gelten als ein männliches Werkzeug. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass auch Frauen auf den Barrikaden waren. So kämpften Frauen auf den Barrikaden in Dresden und Berlin, und auch die Festung in Rastatt wurde gemeinsam von Männern und Frauen verteidigt. Von den Berlinerinnen etwa ist bekannt, dass sie Steine als Wurfgeschosse beschafften und auf Hausdächer und Kirchen hochtrugen – auf der Liste der Märzgefallenen sind elf Frauen mit Namen bekannt. Auch in Trier, Elberfeld und Frankfurt am Main beteiligten sich Frauen aktiv am Barrikadenbau, ebenso in Wien. Dabei handelte es sich sowohl um Bürgerliche als auch um Frauen aus der Unterschicht. Dass das gemeinsame Wachen an den Barrikaden Vorstellungen von Geschlechterrollen erheblich störte, zeigt die Tatsache, dass es in Wien zu massiven Abwertungen in der Presse kam. Die in den Berichten formulierten Ängste beziehungsweise sexuellen Fantasien spiegeln dabei nicht nur die Irritation der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung wider, sondern vor allem die ansonsten strenge Trennung der Geschlechter in der Öffentlichkeit und außerhalb von Familien.

Besonders "aufregend" und grenzensprengend waren Frauen, die sich entschlossen, mitzukämpfen oder Kampfhandlungen zu unterstützen. So beteiligte sich in Baden etwa Amalie Struve am sogenannten Heckerzug und erlebte auch das Gefecht auf der Scheideck bei Kandern. Sie versuchte zusammen mit ihrem Mann Gustav, beim sogenannten Struve-Putsch eine Republik auszurufen, was misslang, wurde verhaftet und musste im Freiburger Turm einsitzen. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, sich 1849 der badischen Revolutionsarmee anzuschließen, die vom preußischen Militär aufgerieben und in der Festung Rastatt eingeschlossen wurde, wo sie schließlich am 23. Juli 1849 kapitulieren musste. Es waren nicht viele Frauen, die sich Kampfhandlungen zutrauten, und auf ihre Sonderposition innerhalb der Revolution ist immer wieder hingewiesen worden. Doch was bedeutet es auf lange Sicht betrachtet, dass es die reitenden, schießenden und kämpfenden Revolutionärinnen gab – und diese auch ihren Zeitgenoss:innen sehr gut bekannt waren?

Obwohl diese Frauen Ausnahmen waren, sollte ihre Bedeutung für die revolutionären Ereignisse auf einer symbolischen Ebene nicht unterschätzt werden. Ihre Handlungen dienten auf der einen Seite der Reaktion als warnendes Beispiel dafür, dass eine Frau durch die Beschäftigung mit Politik für ihren angestammten Beruf, nämlich Ehefrau und Mutter zu sein, nicht mehr infrage komme. Auf der anderen Seite befeuerten solche Aktivitäten aber auch die Hoffnungen bei denen, die sich nicht nur eine Veränderung der Staatsform wünschten, sondern auch andere Geschlechterrollen. Dazu gehörten durchaus auch manche Männer. 1848 kam es "vorübergehend – zu einer (begrenzten) Aufspaltung des Konzepts der Geschlechtseigentümlichkeiten 'des Mannes'. Demokraten und Liberale vertraten andere Vorstellungen von Männlichkeit als die Militärpartei und zivile Konservative."

Dass männliche Vorurteile gegen "politisierende Frauen" in und vor allem nach der Revolution einen breiten Raum einnahmen, zeigt sich auch an dem Fall der Henriette Zobel, die als "schirmschwingende 'Megäre', 'Furie' und mutmaßliche Fürstenmörderin in die Frankfurter Geschichte" einging. Dieses Bild zeichnete Christian Reinhold Köstlin, der 1853 als Gerichtsgutachter über die Ermordung der beiden Abgeordneten Hans Adolf Auerswald, preußischer Generalmajor, und Fürst Felix von Lichnowsky 1848 in Frankfurt am Main einen Bericht vorlegte. Mit ihrem Regenschirm soll die Ehefrau des Lithografen Karl Zobel auf die beiden Abgeordneten eingeprügelt und so ihren Tod mit verursacht haben. Die Tat trug sich am 18. September 1848 zu, bereits am nächsten Tag wurde sie verhaftet und 1853, nach Jahren in Untersuchungshaft, wegen Teilnahme an einem Komplott zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt. Es ist im Nachhinein nicht zu rekonstruieren, ob und wie Henriette Zobel in die Ermordung der beiden Abgeordneten verwickelt war – aber darum ging es damals auch nicht. Vielmehr sollte ein Exempel statuiert werden, denn Zobels politisches Engagement wurde im Gerichtsgutachten dezidiert geschildert und ihr zulasten ausgelegt. So führte der Gutachter aus: "Um Politik will sich die Angeschuldigte gar nicht bekümmert haben. Allein der Vertheidiger führte (…) sehr treffend aus, daß dieser ihrer Behauptung ganz und gar nicht zu glauben sei, vielmehr zusammentreffende Gründe für das gerade Gegentheil sprechen, und zwar namentlich: das (…) über sie im Umlauf gewesene Gerücht, daß sie täglich die Paulskirche besucht habe, ihr Zugeständniß am Sonntag (17. Sept.) auf der Pfingstwaide bei den Reden von Zitz und Genossen anwesend gewesen zu sein." Die Beschäftigung von Frauen mit Politik im Kontext der Revolution von 1848 konnte also strafverschärfend wirken.

Orte des Handelns: Vereine und Feste

Vereine, gesellschaftliche Zusammenschlüsse und Parteien waren sowohl im Vorfeld als auch während und nach der Revolution wichtige politische Orte. Deshalb ist es nicht weiter erstaunlich, dass auch Frauen während der Revolution Vereine gründeten. Einer der wichtigsten und bekanntesten dürfte der von Kathinka Zitz gegründete Mainzer Frauenverein Humania gewesen sein. Der Verein wollte politisch Verfolgte unterstützen, Verwundete pflegen und Geld sammeln, um weitere Waffen zu kaufen. Trotz und vielleicht auch gerade wegen dieses klar politischen Programms war die Beteiligung an der Gründungsversammlung am 17. Mai 1848 enorm. Viele Frauen fühlten sich angesprochen, vermutlich auch deshalb, weil Zitz es verstand, ihnen eine Möglichkeit aufzuzeigen, die Revolution zu unterstützen, ohne ihren angestammten Platz in der Gesellschaft völlig aufgeben zu müssen, da die Ziele des Vereins mit der bürgerlichen Frauenrolle in Einklang zu bringen waren. Trotzdem sprach Zitz Frauen als Staatsbürgerinnen an und machte ihnen ihre politische Rolle in diesen Zeiten klar. Ihr ging es "vorrangig um einen weiblichen Zusammenschluss, der den Bürgerinnen bei der Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Pflichten helfen, ihnen aber auch ein Engagement in der Revolution ermöglichen sollte. Auf diese Weise wollte sie die Frauen befähigen, nicht nur ihre Pflichten als Hausfrau, Mutter und Ehefrau zu erkennen und zu erfüllen, sondern auch diejenigen als 'Bürgerin' und 'Vaterlandsfreundin'." Der Gründung in Mainz folgten weitere Frauenvereinsgründungen, so in Kastel, Alzey, Bonn, Darmstadt, Frankfurt am Main und Worms.

Durch diese Vereinsgründungen eroberten Frauen den öffentlichen Raum. Sie überschritten damit die ihnen zugesprochene Sphäre und begannen, als Staatsbürgerinnen zu handeln. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Erfahrung bei einigen der Frauen dazu führte, dass sie sich auch in den zahlreichen Frauenvereinen engagierten, die ab den 1860er Jahren entstanden.

Eine weitere Möglichkeit, sich für die Revolution zu engagieren und das bestehende Geschlechterverhältnis zu akzeptieren, boten die ausgesprochen beliebten Fahnenweihen. Dabei stickten die meist bürgerlichen Frauen für die überall entstehenden Bürgerwehren Fahnen, die diesen dann in feierlichen Prozessionen überreicht wurden. Die Organisation lag dabei vollständig in den Händen von Frauen, wobei sich ihnen "für ein paar Stunden Türen zu Räumen [öffneten], die lange der bürgerlich-männlichen Öffentlichkeit vorbehalten gewesen waren", etwa Rathäuser oder Bürgergesellschaften. Auch hierbei lernten Frauen das Agieren in der Öffentlichkeit kennen und schätzen. Zusätzlich konnten sie sich mit Schwestern im Geiste vernetzen und damit die Grundvoraussetzung für weitere politische Frauenarbeit schaffen. Bei den feierlichen Fahnenübergaben, die meistens nach dem Morgengottesdienst stattfanden, holten die Bürgerwehren die Frauen von einem zentralen Gebäude ab, beispielsweise vom Rathaus, und gemeinsam marschierte die Gruppe zum Festplatz. Dabei waren die Frauen mit schwarz-rot-goldenen Bändern geschmückt und nahmen auf dem Festplatz besondere Ehrenplätze ein. Der Höhepunkt war dann die feierliche Übergabe der Fahne und der Treueschwur auf diese, der vor den Augen der anwesenden Frauen abgelegt wurde. Darin verpflichteten sich die Männer der Bürgerwehr, das Vaterland, die Nation und die Freiheit zu verteidigen und die Frauen zu beschützen. Hierbei wurde das Geschlechterverhältnis "von weiblicher Ehre und männlichem Schutz" festgeschrieben. Viele Frauen identifizierten sich bei diesen Feiern mit den nationalen Zielen der Revolution. Sie versuchten, sich – gemäß ihrer festgeschriebenen Rolle – politisch selbstständig einzubringen und unterstützten so den Willen zur Veränderung. Allerdings stabilisierten sie durch dieses Engagement auch das Geschlechterverhältnis, das Frauen aus dem öffentlich-politischen Raum ausschloss.

Orte des Schreibens: Zeitungen, Briefe, Erlebnisberichte

Die revolutionären Erhebungen der 1830er und vor allem der 1840er Jahre sind ohne die Entwicklung einer freieren Presselandschaft nicht denkbar. Und so steht neben der Forderung nach einer Verfassung, nach Vereins- und Versammlungsfreiheit vor allem die Idee der Pressefreiheit. Der Historiker Günter Wollstein geht von rund 1.700 Zeitungen aus, die die revolutionären Umbrüche begleiteten, kommentierten und befeuerten. Dabei waren diese Blätter sehr unterschiedlich, von sehr großen auflagenstarken Organen bis hin zu "improvisierten Blättern mit wenigen Erscheinungsnummern". Bei der Einschätzung darüber, wie einflussreich sie waren, muss bedacht werden, dass das Lesen vor allem in der Öffentlichkeit stattfand. Die Blätter zirkulierten in Lesegesellschaften, Lesehallen und auch in Kneipen; Maueranschläge wurden teilweise laut vorgelesen, sodass auch Analphabet:innen, die in der damaligen Bevölkerung geschätzt etwa 20 Prozent ausmachten, mit den neuen Inhalten vertraut waren.

In dieser Medienrevolution kam es sowohl zum Aufbruch von Frauen als Herausgeberinnen eigener Zeitungen als auch zu Debatten um die Frauenfrage in der allgemeinen Presse. Das bekannteste Beispiel einer solchen Debatte ist in den "Sächsischen Vaterlandsblättern"
nachzulesen. 1843 reagierte die damals bereits bekannte Louise Otto auf einen dort erschienenen Artikel des Demokraten und Publizisten Robert Blum, der in seinem Beitrag "Über die Theilnahme der weiblichen Welt am Staatsleben" nach der politischen Partizipation von Frauen fragte und sich von seinen Lesern und Leserinnen wünschte, darüber in der Zeitschrift zu debattieren. Neben Louise Otto, die sich für eine selbstverständliche Teilnahme von Frauen am Staatsleben aussprach und damit auch das Frauenwahlrecht meinte, antworteten noch andere Frauen und ein Mann, meist anonym, die sich ebenfalls für ein politisches Engagement von Frauen aussprachen. Daraus ist zu folgern, "daß Frauen die politische Aufbruchstimmung im Vormärz nutzten und sich in den öffentlichen Kommunikationsprozeß einmischten".

Noch deutlicher wird diese weibliche Einmischung, wenn man die vier eigenständigen Frauenzeitschriften dieser Zeit bedenkt. Diese waren die "Frauen-Zeitung" von Mathilde Franziska Anneke, die im September 1848 das erste Mal erschien und nur zwei Nummern umfasste; ferner "Der Freischärler", herausgegen von Louise Aston, der es 1848 immerhin auf sechs Nummern brachte; die "Soziale Reform" von Louise Dittmar, die zwischen Januar und April 1849 erschien; und schließlich die "Frauen-Zeitung" von Louise Otto, die zwischen 1849 und 1852 erscheinen konnte. In Letzterer publizierten übrigens auch Männer. Louise Otto begründete dies damit, dass es nicht darum gehen könne, ein Blatt nur für Schriftstellerinnen aufzubauen. Vielmehr gelte es, Frauenrechte zu verteidigen, und dies könne tun, "wer es will und kann". Diese Briefpassage, die Otto vermutlich zu Beginn des Jahres 1848 an den Schriftsteller Julius Schanz schrieb, verdeutlicht sehr gut, dass für sie politische und gesellschaftliche Frauenrechte ein selbstverständlicher Teil der liberalen Forderungen der Vormärzzeit und der Revolution waren. Sie setzte zuversichtlich auf die Unterstützung von liberalen und fortschrittlichen Männern – eine Unterstützung, die jedoch nicht immer gewährt wurde.

Die Frauenzeitungen der 1840er und beginnenden 1850er Jahre wurden alle verboten. Bis auf die "Frauen-Zeitung" von Louise Otto konnten sie nur wenige Nummern lang erscheinen, bevor sie eingestellt werden mussten oder die Herausgeberinnen durch Ausweisung oder Flucht an der weiteren Veröffentlichung gehindert wurden. Trotzdem sind diese Publikationen wichtige Zeugnisse eines erwachenden weiblichen politischen Bewusstseins. Durch ihre Mitarbeit an diesen frühen Zeitschriften hatten Frauen "einen der wichtigsten Schritte auf dem Weg zu ihrer Selbstbestimmung" getan. "Sie schufen sich nicht nur durch die Forcierung ihrer Bildung und die damit verbundene Vereinsbewegung neue Handlungsräume, sondern ihre Freiheit begann bereits mit der aktiven Beteiligung an der 'Frauen-Zeitung'."

Eine besonders spannende Quelle sind die nachträglichen Berichte der Zeitgenoss:innen, die damit begannen, das Bild der Revolution zu prägen. Unter ihnen waren auch Frauen. Vor allem Emma Herwegh, Amalie Struve und Mathilde Franziska Anneke sind hier zu nennen. Wie viele der liberalen Männer auch, versuchten Frauen in diesen Werken ihr Engagement zu rechtfertigen. So geht es Emma Herwegh in ihrer Schrift vorzugsweise darum, die Entscheidungen ihres Mannes Georg, der Vorsitzender der Deutschen Demokratischen Legion war und mit einer kleinen bewaffneten Gruppe im April 1848 den Heckerzug unterstützen wollte, zu erklären und den von konterrevolutionärer Seite "verfälschenden" Darstellungen entgegenzutreten: "daß es mir im Interesse der Wahrheit nicht unwichtig scheint, die Sache in ihrem rechten Lichte hinzustellen, so wies eben nur der vermag, der wie ich vom Anfang bis zum Schluß dem ganzen Unternehmen Schritt für Schritt mit Sympathie und thätiger Theilnahme gefolgt ist". Sie agiert hier "typisch" weiblich, stützt und stärkt ihren Mann, nimmt sich selbst zurück und stellt ihr eigenes Dabeisein beim bewaffneten Feldzug nicht in den Vordergrund. Die weibliche Charaktereigenschaft der Unterstützung des geliebten Mannes wurde auch in ihren Nachrufen präsentiert, etwa im "Neues Wiener Journal", in dem 1904 anlässlich ihres Todes eine Passage aus den Erinnerungen des Otto von Corvin zitiert wurde, der zusammen mit den Herweghs das Gefecht bei Dossenbach erlebt hatte. "Für sich fürchtete, für sich sorgte sie nie, nur für ihren Mann, den sie mit außerordentlicher Zärtlichkeit liebte und auf dessen Talent und Ruf sie mit Recht stolz war."

Die Liebe zu einem Revolutionär war das zeitgenössische Argument, sich das politische Handeln von Frauen zu erklären. Es ist spannend zu sehen, dass dies sogar von der unerschrockenen Revolutionärin Emma Herwegh in ihren Erinnerungen selbst vorgebracht wurde. Mit dieser Diskursfigur "unterschätzte oder verkannte sie (…) die Bedeutung einer spezifisch weiblichen Interessenvertretung (…). [Sie] vertrat damit im Grunde eine Position, mit der sie zwar ihrem partnerschaftlichen Ideal von den Geschlechterbeziehungen verhaftet blieb (…), aber eine Verrechtlichung der weiblichen Gleichstellung offenbar nicht, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt, in Erwägung zog."

Mit dieser Literatur eng verbunden sind die teilweise publizierten Briefe, die die Achtundvierziger in einem ausgefeilten Netzwerk miteinander verband. Briefe waren "das geeignetste Kommunikationsmittel zwischen den versprengten Achtundvierzigern, zumal sie häufig nicht weiter an ihren Heimat- oder ursprünglichen politischen Wirkungsorten leben konnten, sondern inhaftiert waren, sich versteckten, innerhalb des Deutschen Bundes in liberalere Staaten ausgewichen waren oder in die Nachbarländer Schweiz, Frankreich oder Belgien emigriert und von dort meist weiter nach Großbritannien und in die USA vertrieben worden waren". Wenn man sich den hinterlassenen Briefen von Frauen zuwendet, die noch weit weniger erforscht sind als die der Männer, ist es interessant zu sehen, dass darin nicht zwischen "öffentlich" und "privat", zwischen Geschäftsbrief oder Privatbrief und auch nicht zwischen "öffentlicher Person" und "privater Person" unterschieden wird. Allerdings werden hier auch keine reinen Freundschaftsbriefe ausgetauscht. Vielmehr werden alle Bereiche miteinander verbunden und dezidiert politische Positionen verhandelt.

Exemplarisch kann dies an den Briefen der Frankfurterin Clotilde Koch-Gontard gezeigt werden, die 1969 herausgegeben wurden. In diesen Briefen beschrieb die Unternehmergattin und politische Saloniere ihr leidenschaftliches Engagement für die Paulskirche. Sie hatte den "Deidesheimer Kreis" kennen gelernt, in dem führende Vertreter des rheinisch-südwestdeutschen Liberalismus und der deutschen Einheitsbewegung zusammengeschlossen waren. Neben sehr dezidierten politischen Stellungnahmen, die sie als Besucherin der Paulskirche abgab, schilderte sie in diesen Briefen auch den Haushalt, den Gesundheitszustand von Familienangehörigen oder andere scheinbar "private" Angelegenheiten. Dass diese Passagen lange nicht als das erkannt wurden, was sie sind, nämlich der gesellschaftliche "Klebstoff", der die Beziehungen der Protagonist:innen zusammenhielt, zeigt die Tatsache, dass sie nicht wortgetreu in die Briefsammlung aufgenommen wurden, sondern zusammengefasst: "Familienverhältnisse Gagerns; Ausflug nach Eppstein; Besuch in Hornau; dankt für Pfirsiche und Trauben". Diese Auslassungen verkennen aber auch lebenspraktische Bezüge, die für jede Art von (politischer) Handlung zwingend notwendig sind, etwa die Frage nach Unterbringung und Verpflegung. Im Hause Koch-Gontard wohnte fast der gesamte Deidesheimer Kreis und wurde hier auch verpflegt. Damit wurde praktische Politik in Frankfurt für diese Männer möglich – durch eine Frau, die sich und ihre Familienressourcen in den Dienst der Revolution stellte. Dies tat sie aus Überzeugung als Demokratin, obwohl sie selbst immer wieder darüber reflektierte, dass es ihr eigentlich nicht zustehe, sich politisch zu engagieren. So schreibt sie am 22. März 1848 an Karl Mittermaier: "Jetzt weniger als jemals noch mag ich meine Stellung in dieser Beziehung begreifen, und es macht mir recht viel Mühe, die Küche als den Hauptschauplatz meiner Tatkraft anzusehen." Oder am 20. Juni 1848 an Josefine Buhl: "Ich habe es in den letzten Zeiten recht schmerzlich empfunden, nur eine Frau sein zu müssen, die das Zusehen hat, und doch mit Gefühl und Tatkraft im Leben begabt
ist."

Vorbereitung der organisierten Frauenbewegung

Nicht viele Frauen standen 1848 auf den Barrikaden, nahmen ein Gewehr in die Hand oder schwangen den Regenschirm. Nicht viele gaben Zeitungen heraus, schrieben Erinnerungen oder beteiligten sich am Briefnetzwerk der Achtundvierziger. Und auch nicht alle gründeten Vereine, sammelten Geld für die Hinterbliebenen oder stickten Fahnen für den Freiheitszug. Aber es gab sie, sie waren öffentlich wahrnehmbar, über sie wurde – bewundernd oder ablehnend – gesprochen, und sie zeigten deutlich auf, dass es viele Wege gab, sich politisch zu engagieren. Die Erfahrungen, die diese Frauen in der Revolution von 1848 machten, trugen reichlich Früchte. Denn in den 1860er Jahren gründete die ehemalige Revolutionärin Louise Otto-Peters in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Frauenverein und stieß damit die organisatorische Phase der bürgerlich-liberalen Frauenbewegung an. Überspitzt gesagt: Das vielfältige weibliche Engagement in den 1840er Jahren hatte die Gründung der Frauenbewegung vorbereitet – der Kampf um die weibliche Seite der Demokratie ging in eine neue Runde.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zit. nach Johanna Ludwig, Eigener Wille und eigene Kraft. Der Lebensweg von Louise Otto-Peters, Leipzig 2014, S. 175.

  2. Hedwig Richter/Kerstin Wolff, Demokratiegeschichte als Frauengeschichte, in: dies. (Hrsg.), Frauenwahlrecht. Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa, Hamburg 2018, S. 7–32, hier S. 7.

  3. Vgl. Henning Türk, "Ich gehe täglich in die Sitzungen und kann die Politik nicht lassen." Frauen als Parlamentszuschauerinnen und ihre Wahrnehmung in der politischen Öffentlichkeit der Märzrevolution 1848/49, in: Geschichte und Gesellschaft 43/2017, S. 497–525.

  4. Dieser Artikel kann auf zahlreiche Vorarbeiten zurückgreifen. Siehe z.B. Sylvia Paletschek, Frauen im Umbruch. Untersuchungen zu Frauen im Umfeld der deutschen Revolution 1848/49, in: Beate Fiesler/Birgit Schulz (Hrsg.), Frauengeschichte gesucht – gefunden? Auskünfte zum Stand der historischen Frauenforschung, Köln u.a. 1991, S. 47–64; Gabriella Hauch, Frau Biedermann auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848, Wien 1990; Marion Freund, "Mag der Thron in Flammen glühn!" Schriftstellerinnen und die Revolution von 1848/49, Königstein/Ts. 2004.

  5. Vgl. Ute Gerhard, Über die Anfänge der deutschen Frauenbewegung um 1848. Frauenpresse, Frauenpolitik, Frauenvereine, in: Karin Hausen (Hrsg.), Frauen suchen ihre Geschichte. Historische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, München 1983, S. 200–224, hier S. 202.

  6. Vgl. Dokument 94, in: Gerlinde Hummel-Haasis (Hrsg.), Schwestern, zerreißt eure Ketten. Zeugnisse zur Geschichte der Frauen in der Revolution von 1848/49, München 1982, S. 105.

  7. Vgl. Hauch (Anm. 4).

  8. Vgl. ebd., S. 120ff.

  9. Zu Amalie Struve siehe z.B. Freund (Anm. 4).

  10. Vgl. z.B. Susanne Asche, Hinter schwarz-rot-gelben Tüchern – Die Bedeutung der Frauen in der Revolution 1848/49, in: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.), 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten in Baden, Baden-Baden 1998, S. 332–339.

  11. Vgl. z.B. Monica Marcello-Müller (Hrsg.), Frauenrechte sind Menschenrechte! Schriften der Lehrerin, Revolutionärin und Literatin Amalie Struve, Herbolzheim 2002, S. IXff.

  12. Rüdiger Hachtmann, "…nicht die Volksherrschaft auch noch durch Weiberherrschaft trüben" – Der männliche Blick auf die Frauen in der Revolution von 1848, in: Werkstatt Geschichte 20/1998, S. 5–30, hier S. 25.

  13. Zit. nach Andreas Franke, Henriette Zobel, geb. Pfaff (1813- um 1865), 2015, Externer Link: http://www.frankfurterfrauenzimmer.de/ep10-detail.html?bio=da.

  14. Christian Reinhold Köstlin, Auerswald und Lichnowsky. Ein Zeitbild, nach den Akten des Appelations-Gerichtes zu Frankfurt am Main. Mit Genehmigung dieses h. Gerichtshofes, Tübingen 1853.

  15. Ebd., S. 197.

  16. Derja Özdemir, Die "Beschützerin aller Demokraten". Kathinka Zitz (1801–1877) und die Revolution von 1848/49, in: Ariadne 79/2023 (i.E.).

  17. Vgl. Stanley Zucker, Kathinka Zitz-Halein and Female Civic Activism in Mid-Nineteenth-Century Germany, Carbondale–Edwardsville 1991, S. 133.

  18. Tamara Citovics, Bräute der Revolution und ihre Helden. Zur politischen Funktion des Fahnenstickens, in: Carola Lipp (Hrsg.), Schimpfende Weiber und patriotische Jungfrauen. Frauen im Vormärz und in der Revolution 1848/49, Baden-Baden 1986, S. 339–352, hier S. 342.

  19. Ebd., S. 347.

  20. Günter Wollstein, Entstehung einer pluralistischen Öffentlichkeit, 2006, Externer Link: http://www.bpb.de/9885.

  21. Siehe Ulla Wischermann, "Das Himmelskind, die Freiheit – wir ziehen sie gross zu Haus". Frauenpublizistik im Vormärz und in der Revolution von 1848, in: Elke Kleinau/Claudia Opitz (Hrsg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, Frankfurt/M.–New York 1996, S. 35–50.

  22. Zit. nach ebd., S. 39.

  23. Ausführlich zu diesen vier Publikationen Freund (Anm. 4), S. 25–186.

  24. Zit. Nach Ludwig (Anm. 1), S. 196.

  25. Anna Stadelmann, "Helft mir […] zunächst durch diese Zeitung zu wirken!" Die "Frauen-Zeitung" von Louise Otto, in: Johanna Ludwig/Gerlinde Kämmerer/Susanne Schötz (Hrsg.), Louise Ottos Frauen-Zeitung im Kontext von Frauenpresse und Frauenbewegung, Leipzig 2010, S. 12–27.

  26. Horst Brandstätter (Hrsg.), Emma Herwegh: Im Interesse der Wahrheit. Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris von einer Hochverräterin. Nach dem unzensierten Handexemplar der Autorin, Konstanz 1998, S. 8.

  27. Zit. nach Emma Herwegh, in: Neues Wiener Journal, 31.3.1904, S. 3.

  28. Freund (Anm. 4), S. 334f.

  29. Christian Jansen, Briefnetzwerke von Achtundvierzigern nach dem Scheitern der Revolutionen, in: Marie Isabel Matthews-Schlinzig et al. (Hrsg.), Handbuch Brief. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Berlin 2020, S. 1267–1273, hier S. 1267.

  30. Clotilde Koch-Gontard an ihre Freunde. Briefe und Erinnerungen aus der Zeit der deutschen Einheitsbewegung 1843–1869, bearbeitet von Wolfgang Klötzer, Frankfurt/M. 1969.

  31. Ebd., S. 69.

  32. Ebd., S. 57, S. 64.

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ist promovierte Historikerin und leitet die Forschungsabteilung im Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel.
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