"Aber als Schmach empfand ich es doch, daß Frauen nach wie vor von politischen Versammlungen ausgeschlossen waren", schrieb die Schriftstellerin und Lyrikerin Louise Otto 1848 über die Damengalerie in der Paulskirche, von der aus Frauen die Parlamentssitzungen verfolgen durften.
Bis heute wird die Geschichte der Demokratie, die zu Recht auch mit der Revolution von 1848 verknüpft wird, häufig auf mutige Männer und ihre Taten verkürzt. Es sind vorzugsweise Revolutionäre, Parlamentarier und angehende Politiker, an die erinnert wird, wenn es um die Demokratiegeschichte im 19. Jahrhundert geht. Die "Männerzentriertheit" von Revolutions- und Demokratieerzählungen beschränkt sich allerdings nicht auf die Ereignisse um 1848. Die Historikerin Hedwig Richter hat darauf hingewiesen, dass auch und gerade demokratische Staaten dazu neigen, alle Revolutionen als ihr Erbe zu zelebrieren. "Der zentrale Topos eines globalen Demokratienarrativs lautet: Demokratiegeschichte ist ein revolutionärer Kampf von unten gegen oben, und es liegt auf der Hand, dass diese Geschichte in aller Regel eine Männergeschichte ist."
Diese Überlegungen dienen als Ausgangspunkt für die Frage, ob das nachträgliche Revolutionsnarrativ den Blick auf die Erfolge und den partiellen Aufbruch von Frauen rund um die Revolution von 1848 verstellt hat. Hat die starke Konzentration der Forschung auf den parlamentarischen Arm der Revolution dazu geführt, dass Frauen viel stärker als ausgeschlossen gedacht werden, als sie es waren? Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Behinderungen und Diskriminierungen von Frauen als politische Bürgerinnen waren enorm. Diese fußten auf einem polar gedachten Geschlechterverhältnis, das Frauen in den unpolitisch-privaten Bereich verwies. So wurde auch der Ausschluss aus der Paulskirche begründet. Allerdings zeigt die Tatsache, dass die Verhandlungen vor den Augen und Ohren anwesender Frauen abgehalten wurden, dass Frauen als Mitglieder der Nation wichtig waren.
In diesem Artikel möchte ich aufzeigen, wo und wie Frauen an der Revolution beteiligt waren und an welchen konkreten Orten weibliches Engagement zu finden war.
Orte der Gewalt: Barrikadenkämpfe und ein Attentat
Der Barrikadenkampf scheint ein typisch männlicher Revolutionsort zu sein. Schließlich wird hier mit Waffengewalt verteidigt, und Waffen gelten als ein männliches Werkzeug. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass auch Frauen auf den Barrikaden waren. So kämpften Frauen auf den Barrikaden in Dresden und Berlin, und auch die Festung in Rastatt wurde gemeinsam von Männern und Frauen verteidigt.
Besonders "aufregend" und grenzensprengend waren Frauen, die sich entschlossen, mitzukämpfen oder Kampfhandlungen zu unterstützen. So beteiligte sich in Baden etwa Amalie Struve am sogenannten Heckerzug und erlebte auch das Gefecht auf der Scheideck bei Kandern. Sie versuchte zusammen mit ihrem Mann Gustav, beim sogenannten Struve-Putsch eine Republik auszurufen, was misslang, wurde verhaftet und musste im Freiburger Turm einsitzen. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, sich 1849 der badischen Revolutionsarmee anzuschließen, die vom preußischen Militär aufgerieben und in der Festung Rastatt eingeschlossen wurde, wo sie schließlich am 23. Juli 1849 kapitulieren musste.
Obwohl diese Frauen Ausnahmen waren, sollte ihre Bedeutung für die revolutionären Ereignisse auf einer symbolischen Ebene nicht unterschätzt werden. Ihre Handlungen dienten auf der einen Seite der Reaktion als warnendes Beispiel dafür, dass eine Frau durch die Beschäftigung mit Politik für ihren angestammten Beruf, nämlich Ehefrau und Mutter zu sein, nicht mehr infrage komme. Auf der anderen Seite befeuerten solche Aktivitäten aber auch die Hoffnungen bei denen, die sich nicht nur eine Veränderung der Staatsform wünschten, sondern auch andere Geschlechterrollen. Dazu gehörten durchaus auch manche Männer. 1848 kam es "vorübergehend – zu einer (begrenzten) Aufspaltung des Konzepts der Geschlechtseigentümlichkeiten 'des Mannes'. Demokraten und Liberale vertraten andere Vorstellungen von Männlichkeit als die Militärpartei und zivile Konservative."
Dass männliche Vorurteile gegen "politisierende Frauen" in und vor allem nach der Revolution einen breiten Raum einnahmen, zeigt sich auch an dem Fall der Henriette Zobel, die als "schirmschwingende 'Megäre', 'Furie' und mutmaßliche Fürstenmörderin in die Frankfurter Geschichte" einging.
Orte des Handelns: Vereine und Feste
Vereine, gesellschaftliche Zusammenschlüsse und Parteien waren sowohl im Vorfeld als auch während und nach der Revolution wichtige politische Orte. Deshalb ist es nicht weiter erstaunlich, dass auch Frauen während der Revolution Vereine gründeten. Einer der wichtigsten und bekanntesten dürfte der von Kathinka Zitz gegründete Mainzer Frauenverein Humania gewesen sein. Der Verein wollte politisch Verfolgte unterstützen, Verwundete pflegen und Geld sammeln, um weitere Waffen zu kaufen. Trotz und vielleicht auch gerade wegen dieses klar politischen Programms war die Beteiligung an der Gründungsversammlung am 17. Mai 1848 enorm. Viele Frauen fühlten sich angesprochen, vermutlich auch deshalb, weil Zitz es verstand, ihnen eine Möglichkeit aufzuzeigen, die Revolution zu unterstützen, ohne ihren angestammten Platz in der Gesellschaft völlig aufgeben zu müssen, da die Ziele des Vereins mit der bürgerlichen Frauenrolle in Einklang zu bringen waren. Trotzdem sprach Zitz Frauen als Staatsbürgerinnen an und machte ihnen ihre politische Rolle in diesen Zeiten klar. Ihr ging es "vorrangig um einen weiblichen Zusammenschluss, der den Bürgerinnen bei der Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Pflichten helfen, ihnen aber auch ein Engagement in der Revolution ermöglichen sollte. Auf diese Weise wollte sie die Frauen befähigen, nicht nur ihre Pflichten als Hausfrau, Mutter und Ehefrau zu erkennen und zu erfüllen, sondern auch diejenigen als 'Bürgerin' und 'Vaterlandsfreundin'."
Durch diese Vereinsgründungen eroberten Frauen den öffentlichen Raum. Sie überschritten damit die ihnen zugesprochene Sphäre und begannen, als Staatsbürgerinnen zu handeln. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Erfahrung bei einigen der Frauen dazu führte, dass sie sich auch in den zahlreichen Frauenvereinen engagierten, die ab den 1860er Jahren entstanden.
Eine weitere Möglichkeit, sich für die Revolution zu engagieren und das bestehende Geschlechterverhältnis zu akzeptieren, boten die ausgesprochen beliebten Fahnenweihen. Dabei stickten die meist bürgerlichen Frauen für die überall entstehenden Bürgerwehren Fahnen, die diesen dann in feierlichen Prozessionen überreicht wurden. Die Organisation lag dabei vollständig in den Händen von Frauen, wobei sich ihnen "für ein paar Stunden Türen zu Räumen [öffneten], die lange der bürgerlich-männlichen Öffentlichkeit vorbehalten gewesen waren", etwa Rathäuser oder Bürgergesellschaften.
Orte des Schreibens: Zeitungen, Briefe, Erlebnisberichte
Die revolutionären Erhebungen der 1830er und vor allem der 1840er Jahre sind ohne die Entwicklung einer freieren Presselandschaft nicht denkbar. Und so steht neben der Forderung nach einer Verfassung, nach Vereins- und Versammlungsfreiheit vor allem die Idee der Pressefreiheit. Der Historiker Günter Wollstein geht von rund 1.700 Zeitungen aus, die die revolutionären Umbrüche begleiteten, kommentierten und befeuerten. Dabei waren diese Blätter sehr unterschiedlich, von sehr großen auflagenstarken Organen bis hin zu "improvisierten Blättern mit wenigen Erscheinungsnummern".
In dieser Medienrevolution kam es sowohl zum Aufbruch von Frauen als Herausgeberinnen eigener Zeitungen als auch zu Debatten um die Frauenfrage in der allgemeinen Presse. Das bekannteste Beispiel einer solchen Debatte ist in den "Sächsischen Vaterlandsblättern"
nachzulesen.
Noch deutlicher wird diese weibliche Einmischung, wenn man die vier eigenständigen Frauenzeitschriften dieser Zeit bedenkt.
Die Frauenzeitungen der 1840er und beginnenden 1850er Jahre wurden alle verboten. Bis auf die "Frauen-Zeitung" von Louise Otto konnten sie nur wenige Nummern lang erscheinen, bevor sie eingestellt werden mussten oder die Herausgeberinnen durch Ausweisung oder Flucht an der weiteren Veröffentlichung gehindert wurden. Trotzdem sind diese Publikationen wichtige Zeugnisse eines erwachenden weiblichen politischen Bewusstseins. Durch ihre Mitarbeit an diesen frühen Zeitschriften hatten Frauen "einen der wichtigsten Schritte auf dem Weg zu ihrer Selbstbestimmung" getan. "Sie schufen sich nicht nur durch die Forcierung ihrer Bildung und die damit verbundene Vereinsbewegung neue Handlungsräume, sondern ihre Freiheit begann bereits mit der aktiven Beteiligung an der 'Frauen-Zeitung'."
Eine besonders spannende Quelle sind die nachträglichen Berichte der Zeitgenoss:innen, die damit begannen, das Bild der Revolution zu prägen. Unter ihnen waren auch Frauen. Vor allem Emma Herwegh, Amalie Struve und Mathilde Franziska Anneke sind hier zu nennen. Wie viele der liberalen Männer auch, versuchten Frauen in diesen Werken ihr Engagement zu rechtfertigen. So geht es Emma Herwegh in ihrer Schrift vorzugsweise darum, die Entscheidungen ihres Mannes Georg, der Vorsitzender der Deutschen Demokratischen Legion war und mit einer kleinen bewaffneten Gruppe im April 1848 den Heckerzug unterstützen wollte, zu erklären und den von konterrevolutionärer Seite "verfälschenden" Darstellungen entgegenzutreten: "daß es mir im Interesse der Wahrheit nicht unwichtig scheint, die Sache in ihrem rechten Lichte hinzustellen, so wies eben nur der vermag, der wie ich vom Anfang bis zum Schluß dem ganzen Unternehmen Schritt für Schritt mit Sympathie und thätiger Theilnahme gefolgt ist".
Die Liebe zu einem Revolutionär war das zeitgenössische Argument, sich das politische Handeln von Frauen zu erklären. Es ist spannend zu sehen, dass dies sogar von der unerschrockenen Revolutionärin Emma Herwegh in ihren Erinnerungen selbst vorgebracht wurde. Mit dieser Diskursfigur "unterschätzte oder verkannte sie (…) die Bedeutung einer spezifisch weiblichen Interessenvertretung (…). [Sie] vertrat damit im Grunde eine Position, mit der sie zwar ihrem partnerschaftlichen Ideal von den Geschlechterbeziehungen verhaftet blieb (…), aber eine Verrechtlichung der weiblichen Gleichstellung offenbar nicht, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt, in Erwägung zog."
Mit dieser Literatur eng verbunden sind die teilweise publizierten Briefe, die die Achtundvierziger in einem ausgefeilten Netzwerk miteinander verband. Briefe waren "das geeignetste Kommunikationsmittel zwischen den versprengten Achtundvierzigern, zumal sie häufig nicht weiter an ihren Heimat- oder ursprünglichen politischen Wirkungsorten leben konnten, sondern inhaftiert waren, sich versteckten, innerhalb des Deutschen Bundes in liberalere Staaten ausgewichen waren oder in die Nachbarländer Schweiz, Frankreich oder Belgien emigriert und von dort meist weiter nach Großbritannien und in die USA vertrieben worden waren".
Exemplarisch kann dies an den Briefen der Frankfurterin Clotilde Koch-Gontard gezeigt werden, die 1969 herausgegeben wurden.
ist."
Vorbereitung der organisierten Frauenbewegung
Nicht viele Frauen standen 1848 auf den Barrikaden, nahmen ein Gewehr in die Hand oder schwangen den Regenschirm. Nicht viele gaben Zeitungen heraus, schrieben Erinnerungen oder beteiligten sich am Briefnetzwerk der Achtundvierziger. Und auch nicht alle gründeten Vereine, sammelten Geld für die Hinterbliebenen oder stickten Fahnen für den Freiheitszug. Aber es gab sie, sie waren öffentlich wahrnehmbar, über sie wurde – bewundernd oder ablehnend – gesprochen, und sie zeigten deutlich auf, dass es viele Wege gab, sich politisch zu engagieren. Die Erfahrungen, die diese Frauen in der Revolution von 1848 machten, trugen reichlich Früchte. Denn in den 1860er Jahren gründete die ehemalige Revolutionärin Louise Otto-Peters in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Frauenverein und stieß damit die organisatorische Phase der bürgerlich-liberalen Frauenbewegung an. Überspitzt gesagt: Das vielfältige weibliche Engagement in den 1840er Jahren hatte die Gründung der Frauenbewegung vorbereitet – der Kampf um die weibliche Seite der Demokratie ging in eine neue Runde.