Was hatte man dem "kleinen Mann" nicht alles versprochen – "das Land Utopia, den kommunistischen Zukunftsstaat, das Neue Jerusalem, selbst ferne Planeten. Er aber wollte immer nur eins: ein Haus mit Garten." Zwar keineswegs frei von Ironie, fasst der Schriftsteller G.K. Chesterton die Geschichte der Menschheit doch so knapp wie treffend zusammen. Und erlaubt sich einen Hinweis auf einen Komplex, der zumindest unterschwellig in Jedermanns Bewusstsein allgegenwärtig ist. Schließlich prägt das Wohnen auf vielfältige Weise unsere gesellschaftliche Kultur und Lebenswelt – und daran hat das digitale Zeitalter nicht das Mindeste geändert. Das Wohnen lässt sich, zum einen, mit Zahlen und Diagrammen beschreiben; kleine und große Veränderungen finden sowohl quantitativ als auch qualitativ einen Beleg. Zum anderen, und philosophisch ausgedrückt, bedeutet Wohnen soviel wie: sich die Gewissheit des Geschütztseins real und symbolisch zu bewahren.
Entwicklung der Nachfrage und der Haushalte
Wie die Haushalte in Deutschland wohnen, ist in den meisten Fällen das Ergebnis eines Suchprozesses am Wohnungsmarkt. Dabei ist es oftmals entscheidend, ob man sich einer großen Konkurrenzsituation stellen muss – die Warteschlangen bei einer Wohnungsbesichtigung bieten ein sehr eingängiges Bild –, oder ob die gewünschte Wohnung einem quasi in den Schoß fällt. Deswegen ist die Wohnsituation der Haushalte oftmals Ausdruck der zum Zeitpunkt des Einzugs herrschenden Marktkonstellation. Aktuell wächst die Zahl der Wohnungsnachfrager wieder und damit der Wettbewerb, denn Deutschland kann nach vielen Jahren leichter Bevölkerungsverluste erneut eine positive Bevölkerungsentwicklung verzeichnen – in 2012 um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Entscheidend für die Nachfrage nach Wohnraum ist das gemeinsame Wirtschaften der Menschen in einer Wohnung als Haushalt. Seit Jahren ist die Nachfrage durch eine steigende Anzahl von Hausständen geprägt, die wiederum vor allem auf den Trend zu kleineren Haushalten zurückgeht. Der Anteil der Einpersonenhaushalte liegt mittlerweile bei knapp über 40 Prozent, in den größten Städten sogar bei über 50 Prozent. Zusammen mit den Zweipersonenhaushalten machen sie inzwischen drei Viertel aller Haushalte aus. Umgekehrt halten größere Haushalte mit drei und mehr Personen (also beispielsweise Familien mit Kind/ern) nur noch einen Anteil von 25 Prozent; in den größten Städten sogar noch deutlich weniger. Besonders die quantitativ noch relevanten Vierpersonenhaushalte verbuchten in den vergangenen zehn Jahren einen Rückgang von circa 13 Prozent. Die durchschnittliche Haushaltsgröße beläuft sich in Deutschland auf 2,0 Personen.
Die immer kleiner werdenden Haushalte sind Ausdruck mehrerer Entwicklungen: zum einen der Alterung der Gesellschaft mit immer weiter zunehmender Lebenserwartung. Ältere Haushalte sind – sofern Kinder vorhanden – nach dem Auszug des Nachwuchses häufig zu zweit oder, etwa nach dem Ableben des Partners, allein in der Wohnung. Zum anderen führt die Kinderlosigkeit vieler Frauen und Männer dazu, dass Haushalte mit drei und mehr Personen zunehmend in den Hintergrund treten. Diese Entwicklungen verändern die Wohnsituation in Deutschland erheblich. Kommt in den verschiedenen Regionen noch eine selektive Abwanderung hinzu (junge Menschen wandern ab und damit auch das Potenzial für Nachwuchs), dann kulminiert der Prozess in einer weitreichenden Dominanz von älteren, kleinen Haushalten. Jeder fünfte Mensch in Deutschland ist mittlerweile älter als 64 Jahre. Aber es sind nicht nur die erreichten Anteilswerte, die die Alterung verdeutlichen, sondern auch die Geschwindigkeit, in der dieser Prozess abläuft.
Die hohe Zahl der Geburten bis Mitte der 1960er Jahre führte zur Herausbildung der sogenannten Babyboomer-Generation. Diese bildete im vergangenen Jahrzehnt eine stark besetzte Altersklasse der 30- bis 40-Jährigen, die nun in die Altersklasse der 50-Jährigen und älter wechselt. Damit einher geht der Verkleinerungsprozess der Haushaltsgrößen, denn die Babyboomer-Generation entlässt ihre Kinder.
Eine zunehmende Haushaltsverkleinerung kann am Wohnungsmarkt oftmals auch in Regionen mit schrumpfender Bevölkerungszahl noch zu einem positiven Verlauf der Zahl der Haushalte und damit der Nachfrage führen. Treibende Kräfte einer steigenden Wohnungsnachfrage sind zudem ein wachsender Pro-Kopf-Wohnflächenkonsum, die Wohneigentumsbildung, das heißt der Übergang von Mieter- zu Eigentümerhaushalten, Bedarfe und Präferenzen der Nachfrage nach bestimmten Gebäude- und Wohnungstypen sowie steigende Zweitwohnungsnachfrage aufgrund der Mobilitätserfordernisse des Arbeitsmarkts. Für eine realistische Einschätzung der gegenwärtigen und auch der zukünftigen Wohnungsnachfrage ist es deswegen von Bedeutung, eine schrumpfende Bevölkerungszahl nicht mit einer zurückgehenden Wohnungsnachfrage gleichzusetzen.
Struktur des Wohnungsbestands
Im Vergleich zu allen früheren Zeiten, in denen ein Großteil der Gesellschaft in vergleichsweise katastrophalen Verhältnissen lebte, wurde in den vergangenen Jahrzehnten der demokratische Traum wahr gemacht, (fast) jeder Familie eine menschenwürdige Wohnung zu verschaffen.
Weil es einen erheblichen Druck auf schnell verfügbare und preiswerte Unterkünfte gab, kann es letztlich kaum überraschen, dass mehr als die Hälfte der knapp 41 Millionen Einheiten in Deutschland Geschosswohnungen sind, während Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern mit 18,2 Millionen die Minderheit darstellen. Was die je Haushalt zur Verfügung stehende Wohnfläche anbelangt, ist diese sehr stark an den jeweiligen Gebäudetyp gekoppelt. So liegen die Wohnungsgrößen von Einfamilienhäusern mit 121 Quadratmetern deutlich über dem Durchschnitt aller Wohnungen (90,7 Quadratmeter), während Geschosswohnungen in Mehrfamilienhäusern mit 67 Quadratmetern deutlich darunter rangieren.
Insgesamt ist der Wohnungsbestand in Deutschland durch eine bemerkenswerte Stabilität geprägt – zumal Immobilien die Eigenschaft aufweisen, ein langfristiges, nicht bewegliches Gut zu sein, in deren Erstellung regelmäßig hohe Investitionssummen fließen. Der heutige Bestand ist somit das Abbild früherer Investitionsentscheidungen. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob und inwieweit die oftmals vor längerer Zeit erstellten Wohngebäude zur heutigen Wohnungsnachfrage passen. Wenn drei Viertel der Haushalte gerne im Wohneigentum leben möchten, es aber faktisch weniger als die Hälfte der Haushalte schafft, dann ist nicht zuletzt ein Anpassungsprozess des Wohnungsbestands vonnöten. Verändern kann sich der Wohnungsbestand in zweierlei Hinsicht: Zum einen kann ein ausreichend dimensionierter Wohnungsneubau dafür sorgen, dass im Zeitablauf ein verändertes, zeitgemäßes Angebot entsteht. Zum anderen kann der Wohnungsbestand durch tief greifende Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen auf einen Stand gebracht werden, der von der Nachfrage gewünscht wird. Und naturgemäß müssen die Kosten für Um- oder Neubau dann auch für den einzelnen Haushalt noch tragbar sein.
Zugespitzt lässt sich die Bedürfnislage vielleicht folgendermaßen ausdrücken: Nicht nur ausreichend groß, bezahlbar und kommod, auch flexibel soll es sein, das eigene Heim. Sich in stärkerem Maße an sich verändernde Lebenssituationen anzupassen, ist als Desiderat seit Langem erkannt und benannt. Die nicht determinierten Räume von Gründerzeitwohnungen mit ihren mehrfachen Erschließungen bieten hier fraglos mehr als die – auf die vermeintlichen Gebrauchsmuster der Kleinfamilie abzielenden – Grundrisse des (nachkriegs-)modernen Wohnungsbaus. Auch die Popularität, der sich Lofts bei einer bestimmten, meist freiberuflichen Klientel erfreuen, spricht diesbezüglich Bände. Trotzdem muss man konstatieren, dass sich im Wohnungsbau der vergangenen Jahre häufig nur im gehobenen Marktsegment etwas bewegt – und dann zumeist im Service-Bereich mit Doorman- oder in Boardinghouse-Konzepten (Zimmer und Apartments in städtischer Umgebung mit teilweise hotelähnlichen Serviceangeboten).
Niedrige Eigentumsquote
Im europäischen Vergleich ist Deutschland von einer relativ niedrigen Wohneigentumsquote geprägt. Während der Durchschnitt in der EU bei rund 60 Prozent liegt, rangiert Deutschland mit etwa 45 Prozent am Ende der Aufzählung (allerdings noch vor der Schweiz).
Aber nicht nur auf europäischer Ebene wohnen die Haushalte unterschiedlich häufig im Wohneigentum, auch innerhalb der Bundesrepublik gibt es großräumige und regionale Differenzen: Allein die jahrzehntelange Teilung Deutschlands hat zu unterschiedlichen Wohneigentumsquoten geführt, die bis heute Gültigkeit haben, wenngleich sie in der Tendenz konvergieren. In den westdeutschen Ländern stehen die Eigentümerhaushalte an der Schwelle der 50 Prozent-Marke, während in den ostdeutschen Ländern die Quote aktuell bei 35 Prozent liegt, allerdings beim jährlichen Zuwachs den Westen Deutschlands überbietet. In städtischen Regionen ist die Wohneigentumsquote wegen der hohen baulichen Dichten und des teuren Bodenpreisniveaus geringer als im Durchschnitt. Und natürlich spielt das Einkommen ein große Rolle: Haushalte mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von über 3.600 Euro wohnen zu über 70 Prozent im Eigentum und nur zu 30 Prozent zur Miete. Bei Haushaltsnettoeinkommen bis unter 1500 Euro ist die Verteilung genau anders herum: 70 Prozent wohnen zur Miete und 30 Prozent im Wohneigentum.
Zugleich darf man konstatieren, dass – auf das gesamte Bundesgebiet bezogen – sich neben den vielen selbstnutzenden Eigentümern eine große Anzahl an Wohnungen in Händen zahlreicher privater Kleinanbieter befindet. In der Immobilienwirtschaft firmieren sie häufig unter dem Zusatz "Amateurvermieter", um sie von den professionellen Wohnungsunternehmen abzugrenzen und zugleich darauf hinzuweisen, dass sie ihr laufendes Einkommen nur zu geringen Anteilen aus der Vermietung erzielen. Sie sind, neben den Selbstnutzern, die 43 Prozent der Wohnungen stellen, die größten Akteure auf dem Anbietermarkt. Knapp elf Millionen Geschosswohnungen und etwa 4,5 Millionen Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern werden in Deutschland Tag für Tag von Personen vermietet, die das Geschäft häufig eher nebenher machen und nicht unbedingt davon leben.
Auch wenn die Eigentumsquote hierzulande recht niedrig ausfällt, zeigen Erhebungen, dass Wohneigentum bei den Deutschen sehr hoch im Kurs steht: Rund drei von vier Befragten streben das Wohnen in den eigenen vier Wänden an. Allerdings gibt es zahlreiche Hindernisse, die die Umsetzung erschweren. In der Regel sind es finanzielle Gründe – zu wenig Eigenkapital, um kreditfähig zu sein, oder die (nachvollziehbare) Scheu vor einer zu hohen monatlichen Belastung aufgrund eines großen Fremdfinanzierungsanteils. Daneben führen viele Haushalte das gute Mietwohnungsangebot in Deutschland als Faktor an, der sie bei der Bildung von Wohneigentum zögern lässt. Etwas seltener – aber insbesondere von jüngeren Generationen angeführt – wird Wohneigentum für die Mobilitätsanforderungen der heutigen Zeit als hinderlich angesehen. Beobachter und Akteure am Wohnungsmarkt sehen die niedrige Eigentumsquote (nicht nur) aus vermögenspolitischer Sicht als Makel, und Forderungen nach Maßnahmen, um die Zahl der Eigenheimer zu erhöhen, sind insbesondere in Wahlkampfzeiten beliebt. Die Abwägung zwischen Wohneigentum und Wohnen zur Miete ist jedoch in erster Linie als ein Vorrecht der Haushalte in Deutschland zu sehen, die zur Realisierung bestimmter Wohnvorstellungen nicht von vorneherein einen bestimmten Wohnstatus ausschließen müssen. Deutschlands Mietwohnungsmarkt bietet ein reiches Sortiment an Angeboten, was nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken ist, dass sich die (gesamtstaatliche) Politik im vergangenen Jahrhundert immer wieder intensiv damit befasst hat.
Veränderungen bei den Wohnungsanbietern
Dass größere Kommunen, insbesondere jede Großstadt, über einen Eigenbestand an Wohnungen verfügen müsse, um aktiven Einfluss auf die Entwicklung innerhalb ihrer Gemarkung ausüben zu können, galt über lange Zeit als ausgemacht. Sie sollten die Grundversorgung der Bevölkerung mit erschwinglichem Wohnraum sicherstellen. Nach wie vor sind Wohnungsgenossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen mit zusammen gut 4,5 Millionen Wohnungen wichtige Wohnungsanbieter, die zugleich bestimmte soziale Aufgaben übernehmen. Insbesondere in den größten Städten stellen sie zentrale Akteure dar: in Berlin beispielsweise mit etwa 270.000 (mittelbar) eigenen Wohnungen oder in Hamburg mit rund 130.000 Wohnungen.
Doch seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts hat sich das Spektrum der Wohnungsanbieter sukzessive verändert. Durch bundesweit beachtete Transaktionen wurden zeitweise über eine Viertelmillion Wohnungen pro Jahr von ausländischen Kapitalanlegern erworben (insbesondere Wohnungen von Bund, Ländern und Kommunen). Mit diesen neuen Eigentümern gewinnt der privatwirtschaftliche professionell-gewerbliche Anbieterkreis immer mehr an Bedeutung.
Wenngleich die Finanzmarktkrise das Transaktionsgeschehen in Deutschland vorübergehend erlahmen ließ und erst ab 2011 wieder größere Verkäufe (insbesondere Wiederverkäufe) anstanden,
Rolle des Sozialen Wohnungsbaus
Seit annähernd hundert Jahren hat der Wohnungsbau eine recht prominente Stellung in der deutschen (Gesellschafts-)Politik inne. Auch in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg spielte der Soziale Wohnungsbau – sowohl für den Wiederaufbau der Städte als auch für die Wohnraumversorgung der Haushalte – eine zentrale Rolle. Der Staat förderte den Bau von Wohnungen in einem Ausmaß, dass bis zur deutschen Einheit etwa 4,3 Millionen Wohneinheiten allein in Westdeutschland entstanden. Das 2002 in Kraft getretene Gesetz über die Soziale Wohnraumförderung stellte dann einen Paradigmenwechsel dar. Fortan richtet sich die Förderung nicht mehr an breite Schichten, sondern an "Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind". Neben der Schaffung von neuem Wohnraum, der bis dahin im Mittelpunkt gestanden hatte, wurde nun auch die qualitative Anpassung der Wohnungsbestände an zeitgemäße Wohnbedürfnisse weiter gestärkt. Anlass dafür war, dass gegen Ende der 1990er Jahre der Wohnungsmarkt als in großen Teilen ausgeglichen galt. Gleichwohl existierten weiterhin in Teilräumen und bei bestimmten Nachfragegruppen Probleme bei der selbstständigen Versorgung mit Wohnraum.
Mit der Föderalismusreform 2006 ging die Zuständigkeit für die Soziale Wohnraumförderung vom Bund auf die Länder über. Begründet wurde dies damit, dass sich der Wohnungsbedarf regional sehr unterschiedlich entwickelt habe und deshalb spezifische Konzepte für die Schaffung günstigen Wohnraums erforderlich seien. Seit eben diesem Jahr blieb der geförderte Wohnungsneubau – trotz einer insgesamt rückläufigen Wohnungsbautätigkeit – auf einem relativ stabilen Niveau. Und auch die Investitionen in den Bestand erreichten nach einer Phase des Rückgangs wieder das relativ hohe Anfangsniveau von 2002.
Bundesweit kommen jedoch weniger neue Sozialwohnungen hinzu als aus der Bindung fallen. Trotz der erneut zunehmenden Förderintensität geht die Zahl der Sozialwohnungen im Saldo deutlich zurück – allein zwischen 2002 und 2009 um rund ein Viertel. Nach Ablauf der Tilgung der öffentlichen Darlehen verwandeln sich die Sozial- in ganz normale Mietwohnungen. Ohne eine weitere Ausweitung der Sozialen Wohnraumförderung wird das Angebot gebundener Wohnungen deswegen auch in Zukunft deutlich sinken. Zugleich aber muss von einem steigenden Bedarf an Wohnraum für die Versorgung von einkommensschwachen Haushalten und Problemgruppen ausgegangen werden. Dies betrifft insbesondere die Wachstumsregionen mit angespannter Wohnungsmarktsituation. Darüber hinaus bestehen auf allen Wohnungsmärkten qualitative Erfordernisse zur Anpassung des preiswerten Wohnungsbestands – insbesondere an energetische und altersgerechte Anforderungen. Solche Adaptionen können in Beständen, die von einkommensschwachen Haushalten bewohnt werden, nur erfolgen, wenn eine wirksame soziale Flankierung gewährleistet ist. Vor diesem Hintergrund zielen die Aussagen des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD zur Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus auf eine verbesserte Förderung einkommensschwacher Haushalte.
Wohnungsneubau: Über Quantitäten und Qualitäten
Die zumeist aus Stein oder Beton gebaute Immobilienlandschaft unterliegt in ihrer Struktur nur graduellen Veränderungen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Neubau von Wohnungen im vergangenen Jahrzehnt – bildhaft gesprochen – in die Knie gegangen ist. Noch nie in der jüngsten Vergangenheit wurden mit etwa 150.000 so wenige Wohnungen gebaut wie zum Ausgang des vergangenen Jahrzehnts. Insbesondere der Mietwohnungsbau ging bis Mitte der 2000er Jahre sehr stark zurück und erreichte 2009 ein sehr niedriges Niveau. In den früheren Jahrzehnten der deutschen Wirtschaftsgeschichte waren es häufig Arbeitnehmer mit überdurchschnittlichem Einkommen, aber auch Handwerker oder der Bäckermeister von nebenan, die ihr Geld in den Bau von Mietshäusern investierten. Seinerzeit war es lukrativ, (Anfangs-)Verluste aus Vermietung und Verpachtung von der Steuer abzusetzen, vor allem da der Spitzensteuersatz damals bei 53 Prozent lag. Seither sind die steuerlichen Anreize für bestimmte private Investoren deutlich zurückgegangen. Mehrheitlich wird in Deutschland nun zur Selbstnutzung gebaut oder aber in großen Dimensionen (Bauträgergeschäft mit Eigentumswohnungen). In den Jahren des massiven Rückgangs des Mietwohnungsbaus tendierte die Eigenheimquote beim Wohnungsneubau Richtung 70 Prozent, was in etwa dem oben genannten Präferenzanteil entspricht. Mitte der 2000er Jahre wurde auch die massive Eigentumsförderung (Eigenheimzulage) zurückgefahren, was die Fertigstellungen dann auch im Eigenheimbau zurückgehen ließ.
Seit 2010 findet eine Trendwende im Wohnungsneubau statt. Zunächst sehr zögerlich, sind die jährlichen Steigerungsraten nun durchaus ansehnlich; die Schwelle von 200.000 Wohnungen pro Jahr ist mittlerweile überschritten. Und mit 270.000 Baugenehmigungen mit Ablauf 2013 könnte der Wohnungsbau auf einem Niveau ankommen, das in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr erreicht wurde. Der Aufschwung vollzieht sich in allen Segmenten, vornehmlich freilich im Geschosswohnungsbau: Hier sind es die Eigentumswohnungen, die neben den selbstgenutzten Eigenheimen nun anscheinend am häufigsten nachgefragt werden.
Aus einer anderen Warte allerdings scheint man sich wieder in einer Situation zu befinden, die jener vor 90 Jahren gleicht. Erneut wird – verhalten und unsicher – nach Lösungen gesucht, die möglichst viele Bedürfnisse abdecken. Ungenügend ist der Wohnungsbau in der Breite schon deshalb, weil er trotz des enormen Wandels, den unsere Gesellschaft durchläuft, die Möglichkeit, neue Wohnweisen auszuprobieren, kaum zulässt. Erprobt werden müsste indes ein Wohnungsprogramm, das seine Maßordnung in den Bedürfnissen des Menschen findet; ein Raumreservoir, das, im Interesse des Benutzers, zur Veränderung freisteht, das verlockt zu eigenen Einfällen, freien Entscheidungen und bewusster Selbstbestimmung. Und das insgesamt finanzierbar, zugleich für den Einzelnen bezahlbar ist.
Die Tendenz zur weiteren Individualisierung wird das künftige Wohnen prägen, wobei der Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft – weg vom einseitigen Wirtschaftswachstum, hin zu mehr Lebensqualität – eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Allerdings mit ambivalenten Wirkungen. Denn Familien und Haushalte verlangen heute nach immer mehr Wohnfläche; statistisch sind es in Deutschland pro Kopf bereits 46 Quadratmeter. Zwar spiegeln sich darin politische und kulturelle Grundwerte unserer Gesellschaft – das private Eigentum und die Abgeschlossenheit und Unabhängigkeit einer privaten Sphäre –, und diese sind wiederum aufs engste verknüpft mit der Hoffnung auf individuelle Autonomie (Virginia Woolf hat ihrem Buch zur Frauenfrage ja nicht zufällig den Titel gegeben: "Ein Zimmer für sich allein"). Die zunehmende Flächeninanspruchnahme aber steht im Widerspruch zu Zielen der nachhaltigen Entwicklung. So zeigt sich am Beispiel des Wohnens, dass ökologische Maximen durchaus in Konflikt geraten mit den emanzipatorischen Gehalten der Kultur. Und dieser Zwiespalt hat immer noch Bestand.
Renaissance des Stadtwohnens?
Wenn es in Deutschland eine Renaissance des Wohnens in der Stadt gibt, dann wurden die Weichen dafür wohl in den ostdeutschen Ländern gestellt. Den Hintergrund dafür bildeten ein entspannter Wohnungsmarkt und ein vorhandenes Überangebot, die neue Möglichkeiten in den Innenstädten boten. Das sogenannte Bodenpreisgebirge hatte in Westdeutschland das Wohnen immer weiter in das Umland gelenkt; an die City war für Durchschnittshaushalte, insbesondere diejenigen mit Kindern, kaum zu denken. Die niedrigen Mieten und Grundstückspreise in den Städten der Länder im Osten Deutschlands hingegen führten nach einer kurzen Phase der Suburbanisierung – gewissermaßen ein Einheitsreflex – dann zu neuem Wohnstandortverhalten und zu einem relativen Bedeutungsgewinn der Innenstädte.
Heute lässt sich tatsächlich ein zahlenmäßiger Anstieg der Bevölkerung in einer Vielzahl deutscher Großstädte belegen. Nach wie vor offen ist freilich, ob der nachweisbare Rückgang der Wanderungsverluste der Kernstädte eine echte Trendwende bedeutet – also eine neue Lust auf Stadt widerspiegelt –, oder ob er lediglich ein Effekt der demografischen Welle und des gesellschaftlichen Alterungsprozesses ist. Erst aus der längerfristigen Analyse werden vollständige Bewertungen möglich. Eine Renaissance des innerstädtischen Wohnens auf breiter Front zu sehen, einen "Triumph der City", wie es das Magazin "Der Spiegel" bereits vor einigen Jahren ausdrückte,
Auch die räumlich differenzierte Betrachtung zeigt, dass eine neue Konjunktur des Stadtwohnens
Zugleich gibt es – aufgrund des nach wie vor bestehenden Preisgefälles – eine starke Randwanderung von jungen Familien aus Städten ins Umland. Wenn – wie aktuell feststellbar – die Mehrheit der Neubautätigkeit in das Ein- und Zweifamilienhaus geht, spricht das Bände. Hier ist das frei stehende Einfamilienhaus immer noch die beliebteste Wohnform, die für viele Einkommensklassen bezahlbar nur im suburbanen Raum realisiert werden kann. Allerdings wird auch berichtet, dass es Familien mit Kindern wieder zunehmend in die Stadt zieht. Hierbei ist bereits zu beobachten, dass junge Familien und junge Paare, die kurz vor der Familiengründung stehen, vermehrt am Innenstadtrand oder direkt in der Innenstadt verbleiben oder sogar bewusst dorthin ziehen. Statistisch gesehen also ein recht indifferentes Bild. Die meisten Menschen sind auf der Suche nach bestimmten Lebensqualitäten und wollen sich verschiedene Optionen sichern – Wohnraumgröße, unmittelbarer Gartenbezug, Spielmöglichkeiten in "sicherer Nähe", Kindertagesstätten, Erreichbarkeiten. Und sie richten ihr Verhalten nicht zuletzt danach aus, wo sie dieses Angebot – mit für sie tragbaren Konditionen – bekommen. Die meisten Wohnungssuchenden müssen sich in der Regel den Verhältnissen anpassen und in teureren Städten entweder ihre Ansprüche an den Wohnraum (Größe, Lage, Qualität) herunterschrauben oder eine höhere Wohnkostenbelastungsquote in Kauf nehmen.
Einmal unterstellt, dass es zahlreiche Zielgruppen der sich demografisch wandelnden Gesellschaft gibt, die eine zunehmende Affinität zum städtischen Wohnen aufweisen, dann stellt sich die Frage nach den stadtentwicklungspolitischen Implikationen. Hierzu vier Schlaglichter:
Wohnbauland:
Vielerorts wird berichtet, dass es bereits jetzt kaum mehr Flächenpotenziale in der Stadt beziehungsweise der inneren Stadt gibt. Die Reaktivierung innerstädtischer Grundstücke für das Wohnen ist in der Regel aufwendig und damit kostenintensiv: Hier schlagen zunächst die Grundstückspreise zu Buche. Hinzu kommen Vorbelastungen wie Gebäudereste oder Kontaminationen sowie Nachbarschaftskonflikte und baurechtliche Schwierigkeiten. Wenn verfügbare Flächen für Immobilienentwickler nicht interessant sind, müssen die Kommunen selbst in die Grundstücksaufbereitung und in die Beratung von Baugemeinschaften investieren, damit eine funktionierende Nachbarschaft entsteht. Mithin ist das "Wohnen im Zentrum" durchaus kein Selbstläufer, sondern verlangt nach differenzierten ortsbezogenen Strategien und häufig hohem finanziellen Investment.
Verdrängung:
Je beliebter die Städte als Wohnort (wieder) werden, desto mehr Konflikte und Verteilungskämpfe wird es geben. Dass die vormaligen, unsanierten, vielfach von Migranten, Studenten und Künstlern bewohnten "problematischen" Innenstadtgebiete seit etwa zehn Jahren von Teilen des Mittelstands wiederentdeckt werden, zeitigt neue Probleme ("Gentrifizierung"). Berlin darf man als eine Art Labor dieses Veränderungsprozesses lesen. Jeder fünfte Mensch in Deutschland lebt allein – an der Spree ist es schon jeder Dritte: weil der Partner gestorben ist oder weil bei den Jungen eine hochmobile Lebensweise mit abnehmender Bindungsfähigkeit einhergeht. In Berlin wird es in den kommenden Jahren älter, enger und einsamer werden, die Reibung wird zunehmen. Der Mietanstieg gibt einen Vorgeschmack. Viele Ökonomen und Bauunternehmer sprechen schon davon, dass Wohnungen kleiner werden müssen, damit die Mieten erschwinglich bleiben. Beim Kampf um die knappe Ressource Wohnraum aber könnten Familien unterliegen; eine Studenten-WG mag sich die Vier-Zimmer-Wohnung noch leisten können, eine Familie nur schwer.
Adaption:
Dass 70-Jährige Marathon laufen, 80-Jährige ehrenamtlich Firmen beraten und 90-Jährige über Skype mit ihren Enkeln telefonieren, mag heute noch die Ausnahme sein. In 20 Jahren, wenn jeder dritte Deutsche über 60 ist, wird die Welt ohne diese gesunden, aktiven Alten nicht mehr vorstellbar sein. In kaum einem anderen Bereich wäre eine Anstoßwirkung so sinnvoll wie beim Wohnen beziehungsweise im Wohnungsbau. Mehr noch: Mit ihrer Dichte an Mietwohnungen und sozialen Einrichtungen ist die Großstadt prädestiniert dafür, die Pilotregion für neue Wohnmodelle zu werden. Nicht einmal ein Prozent der Wohnungen in Deutschland sind heute altersgerecht.
Kleinteiligkeit:
Ein Grundproblem von Wohnungsneubauvorhaben liegt in der Frage der Größenordnung oder andersherum in der städtebaulichen Körnung. Wenn man unter Stadt urbane Vielfalt und Lebendigkeit versteht, dann braucht sie eine gewisse Kleinteiligkeit. Genau die aber spielt in den Strategien der Immobilienwirtschaft keine oder doch nur eine geringe Rolle. Mehr noch: Kleinteiligkeit wird von Investoren zumeist als kontraproduktiv wahrgenommen. Und dieser Trend ist nur schwer zu durchbrechen. Betriebswirtschaftlich handelt es sich um die Nutzung positiver Skaleneffekte, um Strategien der Kostenminderung, die bei der Projektierung größerer Gebäudekomplexe zu erzielen sind. Diese Mechanismen bilden sich in der Struktur und im Bild der Städte ab. Um aus diesem Problemkreis herauszukommen, bräuchte es vielleicht so etwas wie die Mischkalkulation in vielen Shopping Malls, die einem Blumenladen oder Friseursalon – zur Arrondierung des Angebots – günstigere Konditionen einräumen. Kann man ein solches Prinzip auch gleichsam ins Öffentliche heben?
Wie werden wir weiter wohnen?
Ob künftig, was den Wohnungsneubau anbelangt, mehr Aufmerksamkeit für Qualität einkehrt, ob das Schlagwort von der "Masse statt Klasse" sich umkehrt: Diese Frage bleibt ebenso virulent und offen wie die Gegenfrage, ob man damit rechnen muss, dass die vielerorts neu entfachte Nachfrage bloß durch billigere Bauproduktion bedient wird. Augenscheinlich ist zumindest beim städtischen Neubau (zumal im Eigentumswohnungsbau) der Trend zu höherwertigem Bauen mit recht hohen Erstellungskosten dominierend. Folgerichtig zielt der jedoch auf eine entsprechend betuchte Klientel.
Bezüglich der Wohnungsnachfrage sind erhebliche Verschiebungen zu erwarten.
Wenn, wofür vieles spricht, das Wohnen in der größeren Stadt populär(er) wird, dann dürfte jedenfalls ein vorhandenes, günstiges und ausreichendes Wohnungsangebot kaum der Antrieb dafür sein. Zumal mit der wachsenden Attraktivität innerstädtischer Wohnlagen Mietanstiege einhergehen, die erstmals seit langer Zeit wieder als solche bezeichnet werden können (das heißt deutlich über der Inflationsrate).
Allen Knappheiten und Mietpreissteigerungen zum Trotz: Perspektivisch und auf den Gesamtstaat bezogen wird der Leerstand deutlich zunehmen. Selbst bei weiterer Zuwanderung und Bautätigkeit wird ein Teil des Wohnungsbestands nicht mehr nachgefragt (entweder quantitativ oder wegen Qualitätsmängeln). Wie damit – oder mit der gegenläufigen Dynamik, den Gentrifizierungstendenzen in manchen Großstädten – umzugehen ist, bleibt eine Frage von eminenter gesellschaftlicher Bedeutung.