Was heißt Peripherie in einem Krieg, der ebenso im südlichen Finnland wie im Jemen ausgetragen wurde? Zählt zur Peripherie, wenn Japan nicht nur die deutschen "Schutzgebiete" in Ostasien eroberte, sondern mit Kriegsschiffen sogar im Mittelmeer eingriff?
Unter Peripherie soll hier die Politik beider Kriegsfraktionen verstanden werden, entweder neutrale Staaten zur offenen Parteinahme zu bewegen oder Aufstände in den Kolonien des Gegners zu provozieren. Im Wettbewerb um die Parteinahme neutraler Staaten waren die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn zunächst in vielen Weltgegenden im Vorteil, da sie dort als Gegengewicht zu den britischen oder französischen Imperialbestrebungen geschätzt wurden. Im Laufe des Krieges erhöhte sich jedoch der wirtschaftliche Druck auf jene, die nicht mit der Welthandelsmacht Großbritannien und den USA (Kriegseintritt 1917) sympathisierten. Zudem beschädigte der unbeschränkte deutsche U-Boot-Krieg das Image der Mittelmächte in der neutralen Welt erheblich. Ein gutes Beispiel dafür ist das südostasiatische Siam, das heutige Thailand, dessen ursprünglich durchaus deutschfreundliche Regierung im Juli 1917 an der Seite der Alliierten in den Krieg eintrat. Sie entsandte sogar ein kleines Expeditionskorps auf den französischen Kriegsschauplatz. Es nahm zwar nicht mehr an den Kämpfen teil, war aber später an der alliierten Besetzung des Rheinlandes beteiligt.
Deutsche und jungtürkische Revolutionierungsideen
In den Kriegsszenarien der Großmächte spielte die außereuropäische Welt nur eine marginale Rolle. Selbst für einen Krieg zwischen den jeweiligen Kolonien gab es keine Pläne. Das änderte sich allerdings bereits mit Fortschreiten der Julikrise. Angesichts des drohenden Zweifrontenkrieges konkretisierten sich in Deutschland nun die bislang eher verschwommenen Ideen von einer forcierten "inneren Zersetzung" des Gegners. Dazu zählte die mögliche Instrumentalisierung sozialrevolutionärer russischer Gruppen oder die Unterstützung georgischer und finnischer nationalistischer Bewegungen in Russland sowie irischer Nationalisten in Großbritannien.
Die Revolutionierungsidee gewann nicht zuletzt durch die Annäherung des Deutschen an das Osmanische Reich an Dynamik. Am 2. August 1914 schlossen beide ein Bündnis, drei Monate später trat das Reich am Bosporus offen in den Krieg ein. Tonangebend beim neuen Verbündeten war seit 1913 der extremistische, turknationalistische Flügel der heterogenen Reformbewegung der Jungtürken.
Die Jungtürken verfolgten eine ehrgeizige Modernisierungspolitik im Inneren und propagierten eine panislamische Politik nach außen. Dabei unternahmen sie große Anstrengungen, ihren Einfluss besonders in Ägypten und Libyen auszubauen. Zentrales Instrument dabei war die Geheimorganisation Teşkliât-ı Mahsusa, die panislamische Propaganda, aber auch kleinere militärische Operationen und Spionage organisierte. Ihr Ziel war es, "die islamische Union und die Vereinigung der außerhalb der Türkei lebenden Türken unter dem Türkismus" zu verwirklichen.
Aus deutscher Perspektive lag es nur nahe, die panislamischen Visionen der Jungtürken zu nutzen. Politisch bot sich zudem die Chance, bei einem Sieg den deutschen Einfluss in der persisch-arabischen Welt auf Kosten Großbritanniens beträchtlich auszubauen. Treibende Kraft wurde die eigens dafür gegründete Nachrichtenstelle für den Orient (NfO) unter Leitung des Islamwissenschaftlers Max von Oppenheim, in die sich bald viele namhafte Orientalisten und Forschungsreisende einbinden ließen. In Berlin wurde zudem versucht, unter den dortigen Ausländern für die Propaganda nutzbar zu machende Komitees ins Leben zu rufen (etwa das "Komitee für die Unabhängigkeit Georgiens", das "Persische Komitee" oder das "Indische Unabhängigkeitskomitee").
Deutsche Interessen am Hindukusch
Zu den bekanntesten Operationen der NfO zählte der vom jungtürkischen Kriegsminister Enver Pascha initiierte Plan, über Afghanistan die britische Herrschaft in Indien ins Wanken zu bringen. Allerdings waren die Kenntnisse über das Land am Hindukusch in Deutschland mehr als dürftig. Entsprechend zeigte sich bald, wie schwierig es war, für ein solches Unternehmen geeignete Teilnehmer zu finden. Darüber hinaus kam es sowohl zu Kompetenzgerangel zwischen Generalstab und Auswärtigem Amt als auch zwischen Berlin und Istanbul. Die im September 1914 überhastet gestartete Expedition kam dadurch zunächst nicht über Bagdad hinaus. Anfang Januar 1915 zog sich die jungtürkische Führung, nicht zuletzt wegen des selbstherrlichen Auftretens der entsendeten Deutschen, ganz aus dem Unternehmen zurück. Stattdessen konzentrierte sie sich auf das neutrale Persien.
Im Februar 1915 kam neuer Schwung in das festgefahrene Unternehmen, als sich indische Exilpolitiker anboten, zusammen mit einer deutschen Expedition nach Afghanistan zu reisen, um von dort eine Revolution in Indien zu organisieren.
Afghanistan hatte in den vorangegangenen Jahrzehnten einen beträchtlichen Teil seines Gebietes an Britisch-Indien abtreten müssen. Entsprechend gab es eine starke Fraktion in der afghanischen Hauptstadt, die einem Zusammengehen mit dem Deutschen Reich nicht abgeneigt war.
Operationen in Ägypten und Abessinien
Eine andere deutsch-jungtürkische Hoffnung richtete sich auf Nordafrika, insbesondere Ägypten. Das Land am Nil war bereits seit 1882 von britischen Truppen besetzt und die Macht des ägyptischen Khediven Abbas II. immer stärker beschnitten worden. Mit ganz ähnlichen Ideen, wie sie die Jungtürken im Osmanischen Reich hatten, entwickelte sich in diesem Umfeld eine spürbare, wenn auch zersplitterte ägyptische Nationalbewegung. Unmittelbar nach dem osmanischen Kriegseintritt setzten die Briten Abbas II. unter dem Vorwand ab, mit antibritischen Nationalisten in Kontakt zu stehen. An seiner Stelle installierten sie den machtlosen Sultan Hussein Kamil. Von ihm erzwangen sie die Umstellung der ägyptischen Wirtschaft auf britische Bedürfnisse, was zu einer Verarmung breiter Bevölkerungsschichten führte. Dieser soziale und politische Sprengstoff, so die Hoffnungen in Berlin und Istanbul, musste explodieren, wenn es gelänge, militärisch über den Suezkanal hinweg vorzustoßen.
Bereits im August 1914 hatten die deutsche und jungtürkische Diplomatie versucht, sich sowohl die Unterstützung des zu diesem Zeitpunkt noch im Amt befindlichen Abbas II. zu sichern, als auch ihre Kontakte zur jungägyptischen Bewegung zu intensivieren. Allerdings kam man bald zu der Einschätzung, dass Abbas II. zu unzuverlässig sei und auch die Jungägypter nicht über ausreichend Rückhalt im Land verfügten. Zudem scheiterte Anfang Februar 1915 der osmanische Angriff in Richtung Suezkanal. Anders als nach Ausrufung des "Heiligen Krieges" erhofft, kam es zu keinen Rebellionen unter den muslimischen Soldaten der britisch-indischen Truppen in Ägypten. Ebenso blieb die einkalkulierte Erhebung der arabischen Beduinenstämme auf dem Sinai auf Seiten der Osmanen aus. Ohne eine Destabilisierung Ägyptens, so wurde klar, konnte der Suezkanal nicht unter Kontrolle gebracht werden.
An dieser Stelle kam ein bis dahin von Deutschland wenig beachteter neutraler Staat ins Blickfeld, das nordostafrikanische Kaiserreich Abessinien. Dieses alte christliche Reich im äthiopischen Hochland hatte in den Jahrzehnten zuvor die imperialistischen Rivalitäten zwischen Frankreich (Djibuti, Zentralafrika), Großbritannien (Nordsomalia, Ostafrika) und Italien (Eritrea, Somalia) geschickt zu nutzen gewusst, um seine Unabhängigkeit zu verteidigen. Ja mehr noch, unter der Herrschaft von Menelik II. (1889–1913) hatte Abessinien selbst eine Rolle als expandierende Regionalmacht eingenommen. Der Sieg über italienische Kolonialtruppen in der Schlacht von Adwa 1896 hatte nicht zuletzt in Deutschland dazu geführt, Menelik als den "Bismarck Afrikas" zu verklären. Wenn auch in seinen Möglichkeiten stark überschätzt, so stellte Abessinien doch einen ernstzunehmenden Faktor an der Peripherie dar. Walter Zechlin, der vor dem Krieg deutscher Gesandter in Addis Abeba gewesen war und später als Konsul in Tétouan die deutschen Revolutionierungsversuche in Marokko steuerte, schätzte 1912 die Schlagkraft der abessinischen Streitkräfte auf immerhin 200.000 Mann.
Zudem waren die Beziehungen zu Großbritannien seit Jahren stark belastet, da Abessinien eine wichtige Basis für Waffenschmuggler in den unruhigen Sudan und zu der seit 1899 sehr erfolgreichen muslimischen Aufstandsbewegung von Mohammed Abdullah Hassan ("Mad Mullah") in Somalia darstellte.
Zünglein an der Waage?
Deutschland stand nicht im Verdacht, imperiale Interessen gegenüber Abessinien zu verfolgen. Hinzu kam der günstige Umstand, dass Iyasu V., der junge Enkel des verstorbenen Meneliks, der 1913 die Herrschaft in Abessinien übernommen hatte, deutliche Sympathien für das Deutsche und Osmanische Reich zeigte. Während die Senussi durch deutsche Waffenlieferungen und jungtürkische Offiziere unterstützt wurden, nahmen nun auch die deutschen Bemühungen zu, den jungen Herrscher zu einem Kriegseintritt zu bewegen. Zu diesem Zweck entsandte das Auswärtige Amt, ähnlich der Afghanistan-Expedition, im November 1914 unter Leitung des Ethnologen Leo Frobenius eine geheime Mission in Richtung des äthiopischen Hochlands. Allerdings endete diese in Eritrea, wo ihr die italienischen Kolonialbehörden die Weiterreise verweigerten.
Die gegnerische Spionageabwehr war über derartige Versuche indes genug erschreckt, um die Regierungen zum Handeln zu veranlassen. In den deutschen Gesandtschaftsberichten fanden sich bald vermehrt Beobachtungen, wonach vor allem die britische Gesandtschaft ihre Bemühungen intensivierte, die antiroyalistische Opposition in Abessinien durch große Geldschenkungen für sich zu gewinnen. Zusätzlich wurden Gerüchte geschürt, dass Iyasu V. das alte christliche Kaiserreich islamisieren wolle.
Im Spätsommer 1916 kam es schließlich zum Sturz Iyasus: Zusammen mit einem Großteil der Minister erklärten die höchsten Kirchenvertreter ihn für abgesetzt. Zum vorläufigen Regenten und zukünftigen Thronerben erklärten die Putschisten den 18-jährigen Sohn eines einflussreichen Provinzgouverneurs, Tafari Makonnen, später bekannt als der letzte äthiopische Kaiser Haile Selassie I. Die deutschen Staatsbürger im Land wurden interniert. Zwar führte der abgesetzte Iyasu noch über mehrere Jahre mit Unterstützung somalischer Stämme einen Kleinkrieg, spielte aber als Machtfaktor keine Rolle mehr. Sollte die britische Diplomatie jedoch Hoffnungen auf einen aktiven Kriegseintritt Abessiniens unter der neuen Führung gehegt haben, so wurden diese enttäuscht. Der neue Regent Tafari Makonnen bewahrte Distanz zu den ausländischen Mächten und lockerte sogar schon bald die Internierungsbedingungen für die deutsche Gesandtschaft. Auf das wiederholte Drängen der Entente auf eine unmittelbare Kriegsbeteiligung und Entsendung abessinischer Truppen an die syrische Front ging er nicht ein.
Revolutionierungspolitik: Geschichte des Scheiterns?
Zum Zeitpunkt des Sturzes von Iyasu V. waren die jungtürkisch-deutschen Ambitionen in Nordafrika eigentlich bereits gescheitert. Spätestens seit der Gallipoli-Schlacht 1915 war das osmanische Militär nicht mehr in der Lage, an der Sinai-Front größere Operationen zu unternehmen. Hinzu kamen die zunehmend erfolgreichen Bemühungen des von Kairo aus operierenden britischen Geheimdienstes, Aufstände auf der Arabischen Halbinsel gegen das jungtürkische Regime zu schüren.
Zwar hatte sich der Herrscher des Fur-Sultanats Sultan Ali Dinar Ende 1915 offen dem "Heiligen Krieg" gegen die Briten angeschlossen, war allein aber zu schwach. Zwischen Mai und November 1916 wurde der Widerstand Darfurs mit einer britischen Interventionstruppe gebrochen. Ähnlich erging es den Senussi. Diese hatten – nach einigen Erfolgen gegen die Italiener in Libyen – den britischen Truppen seit Ende 1915 mehrere Niederlagen in Westägypten und im Sudan beigebracht. Auf Dauer waren sie jedoch militärisch zu schwach. Da halfen auch die spärlichen Waffenlieferungen mittels deutscher U-Boote wenig.
Auch die Entente betrieb Ansätze einer Revolutionierungspolitik, sei es mit der Unterstützung von arabischen Aufständen (Lawrence von Arabien) oder von nationalistischen Kräften gegen den habsburgischen Vielvölkerstaat.
Die deutsche und die jungtürkische Politik waren zwar hoch ambitioniert, doch mangelte es nicht nur an einer in sich stimmigen Strategie, sondern auch an den personellen und materiellen Mitteln. Besonders das Deutsche Reich verfügte über nur wenige orienterfahrene Spezialisten. Hinzu kam das nicht minder große Problem der Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten. Die Entfernungen waren riesig. Alle wichtigen Telegrafenleitungen waren in der Hand von Gesellschaften aus gegnerischen Staaten. Telegramme von Berlin bis in die Hauptstadt des neutralen Persiens dauerten fast eine Woche. Ost- und Südpersien oder gar Afghanistan waren damit so gut wie nicht erreichbar. Eine Alternative wurde in der neuen Funktechnik gesucht. Ausgehend von der ab 1916 stark ausgebauten Großfunkstelle im brandenburgischen Nauen wurde eine zweite Großfunkstation am Bosporus errichtet. Diese wiederum wurde gekoppelt mit Telegrafenstationen und kleinen, neu errichteten Funkeinrichtungen im Nahen Osten. 1917 existierten zudem mobile Funkstationen in Westpersien, die eine brüchige Nachrichtenübermittlung nach Afghanistan erlaubten. Das Bemühen, eine dauerhafte Kommunikation bis Mittelasien, Arabien und Nordostafrika aufzubauen war aber nicht von Erfolg gekrönt.
Ohnehin erwies sich die bereits in den Vorkriegsjahren aufkeimende Vorstellung eines Zusammenbruchs der britischen und französischen Kolonialherrschaft in den muslimischen Regionen durch einen "Heiligen Krieg" als Wunschtraum. Weder politisch noch religiös war das Osmanische Reich noch in der Lage, mit der Ausrufung eines Ğihād Einfluss zu nehmen. Der Aufruf verpuffte weitgehend wirkungslos und hatte auch nichts mit dem religiös motivierten antikolonialen Widerstand in Libyen oder Somalia zu tun. Entsprechend wertet auch der Historiker und zeitweilige deutsche Botschafter in Kabul Hans-Ulrich Seidt die Revolutionierungspolitik als "Krieg der Amateure".
Militärisch mögen die Geheimoperationen an der Peripherie kaum entscheidend zum Verlauf des Krieges beigetragen haben, doch waren die Folgen vielfältig. Die vom britischen Geheimdienst in Arabien geschürte Aufstandsbewegung entwickelte eine starke Eigendynamik und prägte die politischen Verhältnisse im Nahen Osten nachhaltig mit. Afghanistan verweigerte sich zwar dem deutschen Drängen zu einem Kriegseintritt, suchte aber seit 1919 immer wieder engere Kontakte nach Deutschland. In Abessinien provozierten die deutschen Aktivitäten in erheblichem Maße den dortigen Putsch im Herbst 1916 mit, wodurch die sich abzeichnende Annäherung des Herrscherhauses an die große islamische Bevölkerung des Reiches ein abruptes Ende fand. Stattdessen begann der Aufstieg des späteren Kaisers Haile Selassie I., der versuchte, Abessinien in einen modernen, christlich-amharischen Nationalstaat zu transformieren. Weiter im Westen erlosch das Sultanat von Darfur und wurde nun Teil des anglo-ägyptischen Sudans. Auch dieses Erbe sollte noch Folgen haben. Bis heute konnte Darfur nicht in den Sudan integriert werden; seit der Eskalation 2003 bleibt der Darfur-Konflikt ein ständiger Brandherd.
Insgesamt jedoch zeigt die Kriegspolitik an der Peripherie, dass ein neuer Typus des modernen Krieges heranwuchs. Dank neuer Kommunikationsmittel, moderner Propaganda und neuer Waffen wie dem U-Boot und bald auch der Luftstreitkräfte entstand eine globale Kriegsführung, der sich zukünftig auch Kolonien und neutrale Staaten nicht mehr entziehen konnten.