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Ethnische Diskriminierung – Störfaktor im Integrationsprozess | Rassismus und Diskriminierung | bpb.de

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Ethnische Diskriminierung – Störfaktor im Integrationsprozess

Jan Schneider Ruta Yemane

/ 14 Minuten zu lesen

Das Integrationsverständnis in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt: Zum einen wird nicht mehr von einer einseitigen Bringschuld der Zuwanderer ausgegangen, die sich über Spracherwerb und weitere Anpassungsleistungen einzugliedern haben, sondern von einem wechselseitigen Prozess, an dem Zuwanderer wie Mehrheitsbevölkerung in einem Sozialgefüge partizipieren. Zuwanderungs- und integrationspolitisch spiegelt sich dieses Verständnis beispielsweise im Konzept einer Willkommens- und Anerkennungskultur wider, die nicht nur attraktive Rahmenbedingungen für Neuzuwanderer bieten, sondern auch die "Anerkennung aller in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund durch die Aufnahmegesellschaft" gewährleisten soll. Zum anderen hat sich ein teilhabeorientierter Integrationsbegriff herausgebildet. Er setzt darauf, dass in einer Einwanderungsgesellschaft grundsätzlich alle Menschen die gleichen Chancen haben sollen, an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilzuhaben. Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen von Integration ist somit die weitgehende Vermeidung von Diskriminierung in Lebensbereichen wie Erziehung und frühkindliche Bildung, Schule, berufliche Ausbildung, Arbeits- und Wohnungsmarkt, aber auch bei der Teilhabe an den verschiedenen Schutz- und Fürsorgesystemen im Rechts- und Wohlfahrtsstaat oder bei der politischen Partizipation.

Integrationsprozesse können nachhaltig gestört werden, wenn Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund ihrer Herkunft wiederholt Benachteiligungserfahrungen machen. Mögliche Folgen sind Prozesse der Ethnisierung oder Reethnisierung, also eines Rückzugs in die eigene Gruppe unter möglicherweise desintegrativ wirkender Belebung herkunftsbezogener Charakteristika oder Handlungsweisen im Alltag.

Der Tatbestand der Diskriminierung wurde auf der Grundlage gemeinschaftlicher EU-Vorschriften mit dem am 18. August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im deutschen Recht spezifiziert. Diskriminierung wird als eine ungleiche, ausgrenzende und benachteiligende Behandlung von Einzelnen oder Gruppen verstanden und kann "aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität" erfolgen (§1 AGG). In diesem Beitrag konzentrieren wir uns auf Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft; gleichbedeutend wird von ethnischer Diskriminierung oder von Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen, wobei hier die Übergänge zu religiöser Diskriminierung fließend sein können.

In ihrer unmittelbaren Form äußert sich Diskriminierung darin, dass ein Individuum "eine weniger günstige Behandlung erfährt, erfahren hat oder erfahren würde als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation" (§3 Abs. 1 AGG). Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn "dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen (…) in besonderer Weise benachteiligen" (§3 Abs. 2 AGG). Wenn etwa durch eine betriebsinterne Regelung ein Kopfbedeckungsverbot am Arbeitsplatz festgelegt wird, kann dies für einzelne Arbeitnehmer eine mittelbare Form der Diskriminierung bedeuten: Denn obwohl die Regelung prinzipiell für alle Betriebsangehörigen gilt, trifft sie primär diejenigen, deren religiöses Bekenntnis eine Kopfbedeckung vorsieht. Wird einer Familie mit Migrationshintergrund als Folge eines Einschulungstests nahegelegt, ihr Kind zurückzustellen oder es auf eine Sonderschule zu schicken, weil aufgrund der nichtdeutschen Erstsprache ein sprachlicher Förderbedarf besteht, kann es sich um einen Fall institutioneller Diskriminierung handeln, insbesondere wenn dadurch der weitere Lernerfolg beeinträchtigt wird. Diskriminierung ist somit nicht nur das Resultat offenkundiger und direkter Benachteiligungen auf der Grundlage von Vorurteilen oder interpersonaler Handlungen – nicht immer gibt es einen "Täter". Sie kann auch indirekt wirken, vermittelt über bestimmte organisatorische oder institutionelle Strukturen, Verfahrensabläufe und Routinen, die – obwohl nicht intendiert – faktisch zu Benachteiligungen für ein Individuum oder eine Gruppe führen.

Arbeitsmarkt als wichtiger Schauplatz

Neben der Diskriminierung im Bildungssystem sind Benachteiligungen im Erwerbsleben integrationspolitisch besonders folgenschwer, da sie einen unmittelbaren negativen Einfluss auf die materiellen Teilhabechancen von Menschen haben können. Eine grundlegende dichotome Unterscheidung der Ursachen von Diskriminierung am Arbeitsmarkt geht auf den US-amerikanischen Ökonomen Gary Becker zurück: Ausgehend von der Annahme, dass Diskriminierung bei marktförmigem Wettbewerbsgeschehen und gleicher Produktivität nicht auftreten dürfte, führt er diskriminierendes Handeln von Arbeitgebern auf deren individuelle Präferenzen zurück; Ressentiments gegenüber einer Person oder (Herkunfts-)Gruppe werden handlungsleitend für eine Ungleichbehandlung. Folgt ein Arbeitgeber seiner – auf Vorurteilen oder Rassismen basierenden – Diskriminierungsneigung, ist dies für ihn unter Umständen mit zusätzlichen Kosten verbunden, die er bereit ist in Kauf zu nehmen.

Tritt dagegen Ungleichbehandlung auch ohne entsprechende Neigung seitens des Arbeitgebers auf, ist sie – so Becker – das Resultat von Unkenntnis oder Irrtum und kann durch Aufklärung vermieden werden. Die Diskriminierung ist dann auf (unzutreffende) Annahmen über kollektive Eigenschaften einer bestimmten Gruppe zurückzuführen und wird als "statistische Diskriminierung" bezeichnet. Die diskriminierende Person handelt nicht aufgrund einer unmittelbaren negativen Haltung gegenüber der diskriminierten Person. Vielmehr ist ein "Mangel an Informationen" über einen Bewerber ausschlaggebend dafür, dass dieser benachteiligt wird. Der Personalverantwortliche lässt sich – bewusst oder unbewusst – von vermeintlich repräsentativen "statistischen Annahmen" über eine Gruppe leiten, der dieser Bewerber angehört. Schätzt er etwa eine bestimmte Gruppe als durchschnittlich produktiver, pünktlicher oder zuverlässiger ein, so wird er ein Mitglied dieser Gruppe auch eher einstellen oder zu einem Vorstellungsgespräch einladen – der Arbeitgeber handelt rational und reduziert dadurch vermeintliche Risiken.

Eine Ungleichbehandlung kann aber auch das Ergebnis bestimmter Annahmen über Dritte sein: Wenn beispielsweise ein Hotelier davon ausgeht, dass eine Person dunkler Hautfarbe an der Rezeption für einen großen Teil seiner Kunden nicht akzeptabel ist, wird er zu diskriminierendem Einstellungsverhalten neigen.

Die verschiedenen, sich zum Teil überlagernden Diskriminierungsgründe lassen sich modellhaft am Prozess der Rekrutierung neuer Mitarbeiter oder Auszubildenden über Stellenausschreibungen verdeutlichen. Um aus einer Fülle von Bewerbern eine Auswahl für Vorstellungsgespräche zu treffen, durchlaufen die schriftlichen Bewerbungen ein Screening. Dabei müssen zunächst die formalen und qualifikationsbezogenen Voraussetzungen erfüllt sein: Wer nicht den nötigen (Schul-)Abschluss besitzt oder nicht die geforderten Unterlagen eingereicht hat, bleibt in der Regel unberücksichtigt. Darüber hinaus können verschiedene Faktoren zur Ursache von Diskriminierung durch den Personalverantwortlichen werden, wenn aus der Bewerbung entsprechende Informationen hervorgehen. Neben manifesten Vorurteilen oder stereotypen Zuschreibungen, unbewussten Assoziationen oder Tendenzen zur Bevorzugung bestimmter (ethnischer) Bezugsgruppen führen auch Risikoerwartungen durch antizipierte Vorbehalte bei Kunden oder bei der eigenen Belegschaft zu Ungleichbehandlung. Trotz gleicher Qualifikationen und gleicher Bewerbungsqualität erhalten dadurch bestimmte Personen aufgrund ihrer (ethnischen) Merkmale keine Einladung zum Vorstellungsgespräch – und sind im Hinblick auf die Stelle chancenlos (vgl. Abbildung in der PDF-Version).

Dass solche Diskriminierungsmechanismen etwa bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen eine wichtige Rolle spielen, zeigen Befragungen von Unternehmen. Eine Studie im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald über Präferenzen der Betriebe bei der Auswahl von Auszubildenden ergab, dass neben der Qualifikation und der Einhaltung formaler Bewerbungskriterien für die Hälfte der befragten Unternehmen im nichttechnischen Dienstleistungssektor auch der kulturelle Hintergrund eines Bewerbers eine maßgebliche Rolle spielte. Zudem wurde eine islamische Religionszugehörigkeit von 15 Prozent, das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen sogar von 41,7 Prozent der befragten Unternehmen als relevantes Ausschlusskriterium angeführt; Kundenerwartungen und Sorgen um das Betriebsklima wurden als weitere Motive für die bevorzugte Einstellung von deutschstämmigen Bewerbern genannt. Eine weitere Studie zeigt, dass auch Unternehmen selbst von einem erheblichen Ausmaß ethnisch begründeter Ungleichbehandlungen ausgehen: Unter 745 befragten Betrieben im Einzugsbereich der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein hielten 62,1 Prozent die Berichte von Jugendlichen mit Migrationshintergrund über Diskriminierungserfahrungen am Ausbildungsmarkt für ein realistisches Bild der tatsächlichen Situation. Für die von Diskriminierung betroffenen Personen ist es indes unerheblich, ob ihre Benachteiligung auf rassistischen Einstellungen oder einer "statistischen" Fehlannahme seitens des Arbeitgebers beruht: Ihnen bleiben integrationsrelevante Teilhabechancen versperrt.

Wie kann man Diskriminierung messen?

Diskriminierende Ungleichbehandlung tatsächlich nachzuweisen, ist sowohl im Einzelfall als auch statistisch im Hinblick auf bestimmte Gruppen schwierig. Die meisten Erkenntnisse über Auftreten und mögliches Ausmaß von Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen ergeben sich aus der Survey-Forschung: Eine repräsentative Auswahl von Personen wird im Hinblick auf ihre Benachteiligungserfahrungen untersucht ("Betroffenenbefragung"). Die für Deutschland verfügbaren Forschungsergebnisse zur Diskriminierung von Personen mit Migrationshintergrund entspringen vorrangig breiter angelegten Befragungen, die nur bestimmte Herkunftsgruppen abdecken oder in denen wahrgenommene Benachteiligung nur eines von vielen Befragungsthemen ist.

Im Rahmen der für das SVR-Integrationsbarometer geführten Befragungen berichten Menschen mit Migrationshintergrund signifikant häufiger von erlebter Diskriminierung als Menschen ohne Migrationshintergrund, auch wenn das gemessene Diskriminierungsniveau insgesamt vergleichsweise niedrig bleibt. Die Zuwandererbevölkerung in Deutschland nimmt demnach vor allem in vier von acht abgefragten Lebensbereichen eine starke Benachteiligung wahr: Bei der Wohnungssuche fühlten sich in den zwölf Monaten vor der Befragung 9,4 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund "sehr stark" oder "eher stark" benachteiligt, auf dem Arbeitsmarkt waren es 10 Prozent, im Bildungsbereich 6,5 Prozent und auf Ämtern und Behörden 9 Prozent. In der Kontrollgruppe der Personen ohne Migrationshintergrund lag der Anteil wahrgenommener Diskriminierungen bei 3,6 Prozent bei der Wohnungssuche, 7,7 Prozent auf dem Arbeitsmarkt, 1,9 Prozent im Bildungsbereich und 4,3 Prozent auf Ämtern und Behörden.

Betroffenenbefragungen legen nahe, dass Diskriminierung vorkommt. Sie beschränken sich jedoch auf die subjektive Dimension erfahrener Benachteiligung, bilden also das Ausmaß tatsächlicher Diskriminierung nicht exakt ab, weil die Ergebnisse durch die individuell unterschiedliche Sensibilität für Benachteiligung und deren Wahrnehmung verzerrt sind. Eine Form der empirisch-statistischen Analyse ist die Residualmethode, mit der Ungleichgewichte etwa in der Arbeitsmarktbeteiligung von Personen mit Migrationshintergrund anhand größerer Datensätze untersucht werden. Dabei werden zentrale Einflussfaktoren wie Humankapital, Sprachkenntnisse oder Qualifikationsniveau statistisch konstant gehalten. Verbleiben zwischen den Gruppen dennoch Unterschiede in der Positionierung ("Restvarianzen"), die sich nicht auf die oben genannten Faktoren zurückführen lassen, ist dies ein Hinweis für Diskriminierung. Allerdings können auch unbeachtete Faktoren für solche Residuen mitverantwortlich sein, wodurch eine objektive Feststellung und Quantifizierung von Diskriminierung erschwert wird.

Als Königsweg zum Nachweis von Diskriminierung gelten daher experimentelle Prüfverfahren. Hier wird unter "Realbedingungen" beobachtet, ob Personen, die sich mit Ausnahme eines einzigen Merkmals – nämlich des diskriminierungsrelevanten – in ihren Eigenschaften und Kompetenzen gleichen, in einer bestimmten Situation unterschiedlich behandelt werden. Der methodische Ansatz des experimentellen Tests kann zwei verschiedenen Zwecken dienen: der wissenschaftlichen Forschung über Vorkommen und Ausmaß von Diskriminierung oder der Durchsetzung von Recht, wenn auf der Grundlage des AGG Schadensersatz für erlittene Diskriminierung beantragt wird, etwa bei diskriminierender Einlasspraxis von Diskotheken gegenüber bestimmten ethnischen Gruppen.

Die Ergebnisse von Testing-Verfahren spielen in der bisherigen Rechtsprechung zum AGG allerdings kaum eine Rolle. Bedeutend sind quantitative experimentelle Tests vor allem im Bereich der Wissenschaft. Die aufwändigere Form sind sogenannte audit testings, bei denen sich Testpersonen in telefonischen oder Face-to-face-Situationen um eine Wohnung oder eine Arbeitsstelle bewerben. Seit einigen Jahren kommen verstärkt correspondence testings zum Einsatz, bei denen die experimentelle Situation auf eine schriftliche Bewerbung zweier fiktiver Kandidaten reduziert wird und dadurch leichter zu standardisieren ist. Mithilfe von Korrespondenztests konnte weltweit in einer Vielzahl von Branchen und für Stellen mit unterschiedlichsten Qualifikationsniveaus und Einstellungsvoraussetzungen ethnische Arbeitsmarktdiskriminierung nachgewiesen werden.

Empirische Erkenntnisse

Für nahezu alle Teilbereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens lassen sich potenzielle Diskriminierungssituationen aufgrund der ethnischen Herkunft identifizieren. Es sind jedoch insbesondere die Bereiche Bildung, Wohnen und Arbeitsmarkt, die im Zentrum des Forschungsinteresses zu Diskriminierung stehen.

Bildung.

Besonders im Bildungsbereich ist in Deutschland bislang strittig, inwieweit die ungleiche Positionierung junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund das Resultat von direkter oder institutioneller Diskriminierung ist. Weder für den vorschulischen Bereich noch für die allgemeinbildenden Schulen oder für den Hochschulbereich liegen eindeutige repräsentative Erkenntnisse vor. Qualitative Studien konnten Mechanismen der ethnischen Diskriminierung auf der Grundlage schulischer Routinen, die etwa dem Ziel dienen, homogene Lerngruppen zu bilden, klar identifizieren (institutionelle Diskriminierung). Allerdings mangelt es bislang an Erkenntnissen darüber, welches Ausmaß solche Formen der Benachteiligungen in der Breite haben. Wissenschaftliche Studien zu ethnischer Diskriminierung als Folge der Beurteilung durch Lehrkräfte (typischerweise im Hinblick auf Notenvergabe oder Übergangsempfehlungen) belegen keine systematische Diskriminierung von Kindern aus Zuwandererfamilien. Allenfalls ergeben sich vereinzelt Hinweise auf Formen ethnisierender Ungleichbehandlung. Dabei muss jedoch die Aussagekraft der Daten meist als eingeschränkt bewertet werden.

Insbesondere die Schullaufbahnempfehlungen scheinen sich nicht an ethnischen Kriterien zu orientieren: Bei gleichen Leistungen werden Schüler mit Migrationshintergrund ähnlich bewertet und zeigen ähnliche Übergangsmuster wie solche ohne Migrationshintergrund. Eine Analyse der erweiterten Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung aus dem Jahr 2001 (IGLU-E) führt die signifikante Benachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund bei Noten und Übergangsempfehlungen vor allem auf den schwächeren sozioökonomischen Hintergrund des Elternhauses zurück. Bislang mangelt es in Deutschland insbesondere an substanziellen Forschungsergebnissen zu Diskriminierungen in der unmittelbaren Lehrer-Schüler-Interaktion (wie zu Lehrererwartungen aufgrund von Stereotypen, Pauschalisierungen und Zuschreibungen von Defiziten sowie zu entsprechenden Reaktionen von Schülern mit Migrationshintergrund).

Wohnen.

Für den Wohnungsmarkt in Deutschland liegen erste – allerdings regional begrenzte und hinsichtlich der Fallzahl beschränkte – wissenschaftliche Ergebnisse von Audit- beziehungsweise Korrespondenztests vor. Im Rahmen einer in München erstellten Studie, bei der fiktive Personen mit deutschem und türkischem Namen per E-Mail auf 637 Wohnungsinserate reagierten, zeigte sich eine signifikante Benachteiligung für Interessenten mit türkischem Namen: In 358 Fällen (56,2 Prozent) wurden beide E-Mails beantwortet, in 90 Fällen (14,1 Prozent) nur die E-Mail des Interessenten mit deutschem Namen und in 34 Fällen (5,3 Prozent) nur die E-Mail des Interessenten mit türkischem Namen. Daraus ergibt sich eine sogenannte Netto-Diskriminierung von 8,8 Prozentpunkten.

In einer ähnlichen Studie in einer deutschen Metropolregion reagierten Anrufer mit deutschem beziehungsweise türkischem Namen sowie mit beziehungsweise ohne Akzent telefonisch auf Wohnungsanzeigen in den einschlägigen regionalen Zeitungen. Gemessen wurde die Chance der Anrufer, einen Besichtigungstermin für die ausgeschriebene Wohnung zu erhalten. Akzentfreie Anrufer mit türkischem Namen wurden nicht messbar diskriminiert; ein türkischer Name mit Akzent ging dagegen mit einer deutlich geringeren Erfolgsquote einher. Bei einem Teil der Anrufe wurde zusätzlich angegeben, man "ziehe beruflich" in die Stadt; dieses auf Mietsicherheit hindeutende Zusatzsignal kompensierte zum Teil die Nachteile der Anrufer mit Akzent.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes lässt derzeit eine größere wissenschaftliche Untersuchung zu Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt anfertigen, deren Ergebnisse über einzelne Regionen hinausgehen und in der zweiten Jahreshälfte 2014 vorliegen sollen. Wichtig erscheint insbesondere, in Zukunft den Zusammenhang zwischen Diskriminierung und wohnräumlicher Segregation zu erforschen.

Arbeitsmarkt.

In Deutschland wurden bislang zwei Studien veröffentlicht, die mithilfe eines Korrespondenztests ethnische Diskriminierung am Arbeits- und Ausbildungsmarkt nachgewiesen haben. Das diskriminierungsrelevante Merkmal, das in beiden Studien variiert wurde, war der über einen Namen angedeutete türkische Migrationshintergrund von Stellenbewerbern.

Im Rahmen einer SVR-Studie wurde im Jahr 2013 ein bundesweiter Korrespondenztest mit über 1600 Unternehmen gemacht, die mindestens einen Ausbildungsplatz für die Berufe KFZ-Mechatroniker/in oder Bürokaufmann/frau zu besetzen hatten. Schüler der zehnten Klasse mit einem türkischen Namen erhielten trotz gleicher Qualifikation und Eignung mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit eine Rückmeldung auf ihre Bewerbung als Schüler mit einem deutschen Namen. Die Ungleichbehandlung trat besonders deutlich in Kleinunternehmen sowie in den Betrieben mit dem Ausbildungsgang KFZ-Mechatroniker/in auf. Mit dem Nachweis diskriminierenden Auswahlverhaltens durch Ausbildungsbetriebe bietet die Studie eine Erklärung für die etablierten Befunde der Berufsbildungsforschung, nach denen in Deutschland Jugendliche mit Migrationshintergrund gegenüber Jugendlichen ohne Migrationshintergrund deutlich schlechtere Chancen haben, einen Ausbildungsplatz im dualen System zu bekommen – und zwar selbst dann, wenn Faktoren wie Schulnoten, Abschlüsse, Elternhaus oder das Bewerbungsverhalten berücksichtigt werden. Ähnliche Ergebnisse förderte eine Studie zum Berufseinstieg für angehende Wirtschaftswissenschaftler zutage. Dabei wurden 528 Ausschreibungen für Praktikumsplätze für Studierende der Volks- und Betriebswirtschaftslehre mit Bewerberpaaren getestet, die mit Ausnahme ihrer ethnischen Herkunft (ebenfalls operationalisiert über einen türkischen beziehungsweise deutschen Namen) identisch waren. Bewerber mit deutschem Namen erhielten mit 14 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit eine Antwort auf ihr Bewerbungsschreiben als Bewerber mit türkischem Namen. Bei kleineren Unternehmen lag der Unterschied sogar bei 24 Prozent.

Beide Studien belegen, dass die schlechtere Positionierung von Türkeistämmigen zum Teil auf Diskriminierung seitens der Arbeitgeber bei der Personalrekrutierung zurückgeführt werden kann. Allerdings besteht hier weiterer Forschungsbedarf. Denn zum einen sagen die Experimente nichts darüber aus, welche Rolle Arbeitsmarktdiskriminierung bei anderen Herkunftsgruppen spielt – hier wären weitere Tests nötig, in denen die ethnische Herkunft der Bewerber variiert und in denen der Effekt moderierender Variablen wie Religionszugehörigkeit bestimmt wird. Zum anderen fehlen vertiefende qualitative Erkenntnisse über die Beweggründe von Personalverantwortlichen für die Ungleichbehandlung. Schließlich wären Studien wünschenswert, die dabei helfen, die aus diskriminierendem Einstellungsverhalten resultierenden (volks-)wirtschaftlichen Kosten zu ermitteln.

Fazit

Die verfügbaren Forschungsergebnisse zeigen, dass für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ein chancengleicher Zugang zu zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens noch nicht erreicht ist. Die Freiheit von Diskriminierungen gehört jedoch zu den Versprechungen eines von meritokratischen Prinzipien geleiteten Bildungssystems, einer leistungsorientierten Arbeitswelt sowie eines fairen Wohnungsmarkts. Daher können sich ethnisch begründete Ungleichbehandlungen zu einem bedeutenden Störfaktor im Integrationsprozess entwickeln – indem sie die emotionale Integration in Form gefühlter Akzeptanz und Anerkennung untergraben oder die strukturelle Desintegration in den Bereichen Bildung, Wohnen und Arbeit verschärfen. Die Bekämpfung von ethnischer Diskriminierung sollte daher zu den vordersten Zielen einer modernen Integrationspolitik zählen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.), Willkommens- und Anerkennungskultur, Nürnberg 2013, S. 4.

  2. Vgl. SVR (Hrsg.), Einwanderungsgesellschaft 2010, Berlin 2010, S. 13.

  3. Vgl. ebd., S. 21.

  4. Vgl. Haci-Halil Uslucan/Cem Serkan Yalcin, Wechselwirkung zwischen Diskriminierung und Integration, Essen 2012; Jan Skrobanek, Wahrgenommene Diskriminierung und (Re)Ethnisierung bei jugendlichen Zuwanderern, Halle 2007, S. 41.

  5. Vgl. dazu auch den Beitrag von Aleksandra Lewicki in dieser Ausgabe.

  6. Vgl. zur Problematik der Begrifflichkeiten: Ralph Göbel-Zimmermann/Liisa Marquardt, Diskriminierung aus Gründen der "Rasse" und wegen der ethnischen Herkunft im Spiegel der Rechtsprechung zum AGG, in: Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, 32 (2012) 10, S. 370.

  7. Vgl. Mechtild Gomolla/Frank-Olaf Radtke, Institutionelle Diskriminierung, Wiesbaden 20093.

  8. Vgl. Mario Peucker, Ethnic discrimination in the labour market, Bamberg 2009, S. 6–10; Ulrike Hormel, Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft, Wiesbaden 2007, S. 63–133.

  9. Vgl. Gary S. Becker, The Economics of Discrimination, Chicago 19712, S. 14.

  10. Vgl. ebd., S. 16; Edmund S. Phelps, The Statistical Theory of Racism and Sexism, in: American Economic Review, 62 (1972) 4, S. 659ff.

  11. Vgl. SVR-Forschungsbereich (Hrsg.), Diskriminierung am Ausbildungsmarkt, Berlin 2014, S. 28–33.

  12. Vgl. Albert Scherr/René Gründer, Jugendliche mit Migrationshintergrund auf dem Ausbildungsmarkt im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, Freiburg/Br. 2011.

  13. Vgl. ebd., S. 23ff., S. 31f.

  14. Vgl. Albert Scherr/Caroline Janz/Stefan Müller, Diskriminierungsbereitschaft in der beruflichen Bildung, in: Soziale Probleme, 24 (2013) 2, S. 248f.

  15. Vgl. Christian Babka von Gostomski, Repräsentativbefragung "Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland 2006/2007" (RAM), Nürnberg 2007; Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Zuwanderer in Deutschland, Gütersloh 2009; Martina Sauer, Partizipation und Engagement türkeistämmiger Migrantinnen und Migranten in Nordrhein-Westfalen, Essen 2010.

  16. Vgl. SVR (Anm. 2), S. 45ff.

  17. Vgl. dies. (Hrsg.), Benachteiligungserfahrungen von Personen mit und ohne Migrationshintergrund im Ost-West-Vergleich, Berlin 2012.

  18. Vgl. Mario Peucker, Diskriminierung aufgrund der islamischen Religionszugehörigkeit im Kontext Arbeitsleben, Berlin 2010, S. 23ff.; Arnfinn H. Midtbøen/Jon Rogstad, Discrimination – Methodological Controversies and Sociological Perspectives on Future Research, in: Nordic Journal of Migration Research, 1 (2012) 1, S. 1–10.

  19. Vgl. R. Göbel-Zimmermann/L. Marquardt (Anm. 6), S. 377f.; Alexander Klose/Kerstin Kühn, Die Anwendbarkeit von Testing-Verfahren im Rahmen der Beweislast, Berlin 2011, S. 8ff.

  20. Vgl. für die erste derartige Studie auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Andreas Goldberg/Dora Mourinho/Ursula Kulke, Arbeitsmarkt-Diskriminierung gegenüber ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland, Essen–Genf 1996.

  21. Vgl. OECD (Hrsg.), International Migration Outlook 2013, Paris 2013, S. 197ff.

  22. Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) (Hrsg.), Diskriminierung im Bildungsbereich und im Arbeitsleben, Berlin 2013.

  23. Vgl. M. Gomolla/F.-O. Radtke (Anm. 7).

  24. Vgl. Ulrike Hormel, Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Bildungssystem, in: dies./Albert Scherr (Hrsg.), Diskriminierung, Wiesbaden 2010, S. 178ff.

  25. Vgl. Cornelia Kristen, Ethnische Diskriminierung im deutschen Schulsystem?, Berlin 2006.

  26. Vgl. Elke Lüdemann/Guido Schwerdt, Migration Background and Educational Tracking, in: Journal of Population Economics, 26 (2013) 2, S. 455–481.

  27. Vgl. Katrin Auspurg/Thomas Hinz/Laura Schmid, Contexts and Conditions of Ethnic Discrimination, Konstanz 2011.

  28. Vgl. Clemens Kroneberg, Motive und Folgen sozialer Grenzziehungen, in: APuZ, 63 (2014) 4–5, S. 12f.

  29. Vgl. Externer Link: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Forschung/
    laufende_Forschung/laufende_Forschung_node.html#Start
    (19.2.2014).

  30. Vgl. SVR-Forschungsbereich (Anm. 11).

  31. Vgl. Ursula Beicht/Mona Granato, Ausbildungsplatzsuche, BIBB-Report 15/2010; Ursula Beicht, Junge Menschen mit Migrationshintergrund, BIBB-Report 16/2011.

  32. Vgl. Leo Kaas/Christian Manger, Ethnic Discrimination in Germany’s Labour Market, in: German Economic Review, 13 (2012) 1, S. 1–20. Wurden den fiktiven Bewerbungen Empfehlungsschreiben beigelegt, konnte keine Ungleichbehandlung mehr gemessen werden. Dies kann als ein Indiz für das Auftreten statistischer Diskriminierung gewertet werden, die auf Informationsmängeln seitens der Personalverantwortlichen über die Bewerber beruht.

  33. Vgl. Doris Weichselbaumer, Diskriminierung von Frauen mit Migratonshintergrund, Vortrag bei der Tagung "Femigration" in Linz am 18.10.2013.

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Dr. rer. soc., geb. 1974; Leiter des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Neue Promenade 6, 10178 Berlin. E-Mail Link: schneider@svr-migration.de

M.A., geb. 1986; Junior Researcher des SVR-Forschungsbereichs (s.o.). E-Mail Link: yemane@svr-migration.de