Eine der grundlegendsten Formen eines gesellschaftlichen Statements besteht darin, Grenzen zu ziehen. Wie wir dies tun, hängt vor allem von unserem Selbstverständnis ab und davon, wie wir uns in der Welt definieren und voneinander abgrenzen, mit welchen Menschen wir uns identifizieren, welche Regeln wo und unter welchen Umständen gelten. Wir leben in einer Gesellschaft, die im Laufe des vergangenen Jahrhunderts eine Reihe radikaler gesellschaftlicher Veränderungen erfahren hat und in der zahlreiche gesellschaftliche "Grenzen" infrage gestellt und neu definiert wurden. Diese Veränderungen betreffen beispielsweise neue Arbeitsteilungen, einen Aufschwung urbanen Lebens und die Entvölkerung ländlicher Gebiete.
Noch immer sind jedoch materielle Grenzen vorhanden – etwa in Form von Zäunen und Hecken um Villengärten, Wohnblocks sowie öffentliche Plätze –, und sie nehmen mancherorts sogar zu. Von Menschen errichtete Grenzen scheinen daher nach wie vor zu den normalerweise als selbstverständlich betrachteten sozialen und physikalischen Bausteinen einer Gesellschaft zu gehören. Doch wann haben wir angefangen, Grenzen, wie die in unseren modernen Gesellschaften, zu errichten? Warum wurden sie entwickelt? Und welche Konsequenzen ergaben sich auf lange Sicht daraus?
Im Folgenden werden einige der frühesten Formen von Menschen gezogener Grenzen betrachtet, die während der ausgehenden Bronze- und beginnenden Eisenzeit, also etwa um die Wende des ersten Jahrtausends v. Chr., in Nordwesteuropa errichtet wurden. Zu diesen gehören Feldsysteme, die aus kleinen länglichen Parzellen bestehen und, umgeben von Erdwällen, Hecken oder Steinmauern, zusammen mit angrenzenden Ackerflächen größere Systeme bilden. Man nennt sie auch keltische Felder.
Verschiedene Aspekte an ihnen sind besonders interessant: Trotz unterschiedlicher Größen und ihrer Verbreitung innerhalb einer enormen Zeitspanne wurden sie in weiten Teilen Südskandinaviens und Norddeutschlands sowie in Holland, Nordbelgien und Südengland entdeckt. Bis ins östliche Baltikum sowie weit im Westen, in Irland, ist ihr Vorkommen nachgewiesen. Manchmal scheinen sich Feldsysteme in Westjütland in Dänemark von denen in der holländischen Provinz Drenthe nicht zu unterscheiden, obwohl sie 600 Kilometer weit voneinander entfernt liegen. Und oftmals markieren sie den Beginn der Entwicklung weiterer Grenzsysteme – etwa umfriedeter Bauernhöfe und Dörfer, Befestigungsanlagen, Mobilitätsschranken, Geländedämme, Grubenreihen und Landschaftsgliederungen.
An einigen Orten verbreiteten sich diese Grenzziehungen – aus archäologischer Perspektive zumindest – sehr schnell. Mit der Zeit entwickelten sich aufwendige Konstruktionen, denen in manchen Fällen bisherige Grenzen wichen; andere wiederum erscheinen in Größe und Form standardisiert. So ermöglicht die Erforschung archäologischer Grenzen nicht nur Einblicke in die Entwicklung bestimmter Strategien der Subsistenzwirtschaft und Formen der Aneignung von Land.
Diese Grenzen bildeten auf lange Sicht auch ein Vehikel für grundlegende gesellschaftliche und politische Veränderungen. Zum Beispiel wurden mancherorts die Umzäunungen von Gehöften zum Angelpunkt für komplexe juristische Institutionen wie Haushalte oder Eigentumsrechte.
Zugleich zeichnen sich diese Grenzen durch zum Teil große Unterschiede im Baumaterial, in ihrer Morphologie sowie ihrer Nutzung aus. In dieser Hinsicht lässt sich daher nicht von einem Nordwesteuropa sprechen. Dennoch werden hier einige generelle Tendenzen, die sich in weiten Gebieten antreffen lassen, aufgezeigt und interessante Aspekte dieser spezifischen Form von Grenzziehung dargestellt.
Von der Bronze- zur Eisenzeit
Die Gesellschaften entlang der Nordseeküste sahen sich beim Übergang der Bronze- zur Eisenzeit gravierenden Veränderungen in vielerlei Hinsicht ausgesetzt. Zunächst wurde das Klima feuchter und kälter. Die Landschaft wird vielerorts aus Weideflächen und Heideland mit einem Bewuchs aus Gräsern, Kräutern, Sträuchern sowie einzelnen Waldflächen bestanden haben. Der Beginn einer verstärkten Waldrodung zwecks Ackerbaus zog in den sandigen Regionen ernste Probleme wie Sandtreiben und die Auszehrung der Böden nach sich. Von Belgien bis nach Mittelschweden wurden die Grundrisse der Häuser kleiner, und Bauten wurden durch eine auffallend einheitliche Architektur verbunden – zu einem rechteckigen Langhaus, bestehend aus separatem Wohnbereich und angrenzenden Ställen: das sogenannte Wohnstallhaus. Diese Gebäude galten üblicherweise als Häuser für Kernfamilien, die weitgehend autark wirtschafteten.
Die Gesellschaften bestanden meist aus kleineren Gemeinden, die eine gemischte Landwirtschaft betrieben: mit dem Anbau einer Reihe von Feldfrüchten sowie der Haltung von Kühen, Schafen, Ziegen, Schweinen und Pferden. Die Gesellschaften Nordwesteuropas unterschieden sich von denen in Mitteleuropa auch durch das Fehlen feudaler Ländereien und urbaner Siedlungen (bis weit ins erste Jahrtausend v. Chr. hinein), die für das Europa der Hallstatt- und Latènezeit (die zweite Hälfte der Eisenzeit) so charakteristisch sind. Stattdessen lagen die Gehöfte üblicherweise weit verstreut – nicht zuletzt aufgrund der extensiven Wirtschaftsweise mit großen Weideflächen, die es mit sich brachte, dass immer weitere Teile der Landschaft landwirtschaftlich angeeignet werden mussten.
Während die Architektur und das Wohnmodell eine generelle Betonung des individuellen Haushalts widerspiegeln, gibt es gleichzeitig Belege dafür, dass die Menschen in weit umfassenderen sozialen Gemeinschaften lebten, die gewiss eine aktive Einbindung und Kooperation mehrerer Haushalte erforderten. Von Zeit zu Zeit taten sich also Bauernhöfe zu kleinen, dorfähnlichen Gemeinden zusammen; dennoch weiteten sich erst im letzten vorchristlichen Jahrhundert Dörfer – manchmal mithilfe einer gemeinsamen Umfriedung – in größerem Maßstab und überregional aus.
Wenn Menschen starben, wurden sie meistens verbrannt und notdürftig bestattet – das macht es sehr schwer, Geschlecht, Alter, Gesundheit und Grabausstattung in dieser Zeit näher zu bestimmen. Anders als zuvor entwickelten sich riesige Urnenfelder von manchmal bis zu mehreren Tausend Gräbern. In Norddeutschland sowie in Westjütland wurden Menschen bisweilen in kleinen Stein- und Hügelgräbern bestattet; andere beerdigte man in Grabhügeln aus vergangenen Epochen.
Schätzungen über Bevölkerungszahlen kommen nicht ohne eine nahezu endlose Reihe von Unsicherheitsfaktoren aus und variieren daher für dieses Gebiet beträchtlich. Die Entstehung großer, gemeinsamer Gräberfelder gilt jedoch als Indiz für Bevölkerungswachstum. Auch ist der Übergang zur Eisenzeit mit der Ausdehnung von Siedlungen sowie der Aneignung von bisher unbewohnten oder nur spärlich bewohnten Gebieten durch Warften (künstlich aus Erde aufgeschüttete Siedlungshügel) verbunden.
Ein weiteres Kennzeichen sind Spuren linearer, von Menschen errichteter Grenzen in den Landschaften Nordwesteuropas mit dem Ziel einer Sichtbehinderung oder Bewegungseinschränkung. Mit Blick auf das erste Jahrtausend v. Chr. haben wir es hierbei mit Formen von Grenzverläufen zu tun, die den gebauten nationalen oder formal administrativen Grenzziehungen vorausgingen. Sie wurden vielmehr im Zusammenhang mit individuellen Höfen, Dörfern oder einem relativ begrenzten Gelände vorgenommen, um so einzelne Gruppen von Menschen oder Teile der Landschaft zu trennen und voneinander abzugrenzen. Sie hängen von einer gewissen Bevölkerungsgröße beziehungsweise -zahl ab, orientieren sich jedoch nicht an einer materiellen Kultur, Sprache oder ethnischen Gruppe.
Entdeckung prähistorischer Grenzen
Archäologen stehen vor dem grundlegenden Dilemma, dass sie die Überreste von bereits gelebtem Leben erforschen – und nur in äußerst seltenen Fällen sind Grenzen auch nur annähernd so erhalten, wie sie in der Urgeschichte vorkamen. In einigen Brachlandschaften wie alten Heidelandschaften, Gemeindewiesen und Wäldern lassen sich bis heute mehrere Tausend Jahre alte Feldsysteme erkennen. Einige der am besten erhaltenen Systeme aus Erdwällen, niedrigen Steinmauern und Gräben, die vor mehr als 3500 Jahren errichtet wurden, finden sich in Südengland – in den Dartmoor Reaves und im Salisbury Plain. Darüber hinaus werden in seltenen Fällen Überreste von Zäunen bei Ausgrabungen in Feuchtgebieten und Sümpfen entdeckt – dort, wo die natürlichen Bedingungen das Holz konserviert haben.
Der größte Teil früher Umzäunungen und Grenzziehungen jedoch wurde schon vor langer Zeit durch moderne Pflug- und Bauarbeiten sowie den natürlichen Verfallsprozess zerstört. Deshalb stützt sich die Wiedererkennung archäologischer Überreste von Grenzziehungen in erster Linie auf andere Indizien. Im Zuge der Konvention von La Valletta (auch bekannt als die Konvention von Malta) – einer 1992 verabschiedeten Europäischen Übereinkunft zum Schutz des archäologischen Erbes – erlebte Europa seit Mitte der 1990er Jahre einen enormen Anstieg groß angelegter Ausgrabungen, die einen regelrechten Boom in der Entdeckung von Grenzverläufen mit sich brachten.
Bei Ausgrabungen werden Überreste von Zäunen oftmals durch Unterschiede in der Farbe und der Beschaffenheit der Erde entdeckt, die als Resultat eines natürlichen Verfallsprozesses zutage treten. So lässt sich etwa anhand der Tiefe von Grenzpfostenlöchern rekonstruieren, wie hoch die Zäune gewesen sein könnten. Auch deshalb sind in jüngster Zeit Luftaufnahmen (vgl. Abbildung 1) und geophysikalische Prospektionsmethoden (dazu gehören etwa Verfahren zur Messung der Geomagnetik und des Bodenwiderstands) sowie neue Methoden der Fernerkundung wie Airborne-Laserscan-Verfahren (mithilfe von Flugzeugen und Hubschraubern) unter Archäologen beliebt. Diese Verfahren bieten hochauflösende digitale Oberflächenmodelle eines Gebiets, selbst dichter Wälder. Schon geringe Höhenunterschiede, die das menschliche Auge nicht erkennt, können auf diesen Modellen entdeckt werden – und das, ohne einen Spaten in die Erde zu stechen (vgl. Abbildung 2).
Ein fossiles Feldsystem aus der Eisenzeit in Øster Lem Hede (Dänemark), dessen Erdwälle auf einer LIDAR-Karte (LIDAR ist eine Methode für optische Abstands- und Fernmessungen mithilfe von Laserstrahlen) erkennbar sind. Die kleinen "Punkte", etwa unten links im Bild, zeigen verstreute Hügelgräber am Rande des Feldsystems. (© GST)
Ein fossiles Feldsystem aus der Eisenzeit in Øster Lem Hede (Dänemark), dessen Erdwälle auf einer LIDAR-Karte (LIDAR ist eine Methode für optische Abstands- und Fernmessungen mithilfe von Laserstrahlen) erkennbar sind. Die kleinen "Punkte", etwa unten links im Bild, zeigen verstreute Hügelgräber am Rande des Feldsystems. (© GST)
Archäologische Daten zeichnen für den Verlauf der gesamten Vorgeschichte Grenzen und Landschaftslinien auf. Oft tauchen solche Grenzen in hoch ritualisierten Kontexten auf – etwa in Verbindung mit Bestattungsritualen; bisweilen erheben sie sich über älteren Gräbern oder weisen auf bedeutende Plätze in der Landschaft hin. Darüber hinaus sind einige sehr frühe Landschaftsunterteilungen bereits aus dem Neolithikum bekannt – und zwar in einigen der abgelegensten Regionen Europas.
Grenzen, wie wir sie heute kennen
Beim Übergang zur Bronzezeit wurden große Teile der Flachlandregionen und Südskandinaviens einer intensiven Untergliederung der Landschaft unterzogen; dieser Prozess markiert das Aufkommen der keltischen Felder.
Da keltische Felder in Landschaften angelegt wurden, die sich als Weideland eignen, nimmt man an, dass die Begrünung zum System gehörte. Zudem kennen wir aus Küstenregionen besonders unregelmäßige Feldsysteme, die den Charakter von Gemeinde-Viehweiden aufweisen oder aber deren Feldgrenzen der Entwässerung dienten. Feldsysteme stellten jedoch nicht nur eine ökonomische Nische jenseits des Lebens und der Fantasien der Menschen dar. Sie wurden auch für Rituale und verschiedene Begräbnisarten genutzt.
Relativ häufig finden sich Siedlungsspuren auch innerhalb eines Feldsystems – obwohl eine exakte chronologische Beziehung sich oft nur schwer nachweisen lässt. Zudem spricht die Tatsache, dass Feldsysteme in erster Linie auf sandigen Böden zu finden sind – wo Nährstoffe schnell ausgewaschen werden –, für eine relativ kurze, intensive Landbauperiode mit zusätzlicher Düngung, der Perioden der Weidenutzung oder Brache folgten.
In den dänischen Orten Grøntoft, Klegod und Øster Lem Hede konnten zwischen Bewohnung und Bebauung wechselnde Nutzungsmuster nachgewiesen werden.
Szenarien, in denen Viehhaltung das vorherrschende Merkmal einer Landschaft darstellt, sind kaum ohne Zäune oder Ähnliches vorstellbar – sie hielten die Tiere davon ab, die bebauten Felder zu verwüsten. Eine erste Umgehung dieser Gefahr bestand darin, Pfosten zum Anbinden der Tiere sowie natürliches Dickicht zu nutzen. Das in der englischen Stadt St. Ives, in der Grafschaft Cornwall, gefundene wasserdurchtränkte Holz von Sträuchern und Hecken stützt die These einer intensiven Landschaftsunterteilung mithilfe von Hecken, die entlang von Grubenreihen verliefen.
Vehikel für gesellschaftliche und politische Veränderungen
Landschaftsunterteilungen in keltische Felder markieren die frühesten Grenzziehungen in Nordwesteuropa. Umfriedete Feldsysteme wurden zum mächtigen Instrument einer gleichmäßigen Landverteilung und der Etablierung gemeinsamer Regeln. Zugleich muss dies aber auch ein extrem anfälliges Element gewesen sein, das relativ leicht Konflikte, etwa über den Zugang oder das Erbrecht, mit sich brachte – und aus dem, als zunächst räumlichem Prinzip, sich in anderen Zusammenhängen Vorteile ziehen ließen.
Deshalb sollen an dieser Stelle solche Grenzen nicht unerwähnt bleiben, die als Nachfolger der keltischen Felder errichtet wurden sowie offensichtlich als Vehikel für gesellschaftliche und politische Veränderungen dienten. Zu diesen Grenzziehungen gehören Gehöftzäune und durch Palisaden oder Wälle verstärkte Dörfer – bis hin zu groß und querfeldein angelegten Gräben und Schanzen. In zahlreichen Fällen wird deutlich, dass diese nicht nur der funktionalen Trennung eines Innen und Außen, sondern zugleich dem Ausdruck von Rechten und gesellschaftlicher Zugehörigkeit dienten. Grenzen waren bedeutsam und bildeten – wie heute – Brennpunkte für eine Reihe von Konflikten.
Symbole der Macht.
Zahlreiche Beispiele zeigen, wie Grenzen dem Ausdruck von Macht dienten. In Südskandinavien sind Bauernhofumfriedungen bereits aus dem Übergang der späten Bronze- zur frühen Eisenzeit bekannt, sie verbreiteten sich aber erst in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten. Manche dieser Bauernhöfe waren von über 1,80 Meter hohen Palisadenzäunen umgeben. Diese Zäune waren gewiss äußerst arbeitsaufwendig – nicht nur im Bau, sondern auch in deren Erhaltung – und werden sich von vorangegangenen unterschieden haben. Bei dem aufwendig umzäunten Dorf Hodde in der Nähe der Kleinstadt Varde auf Jütland (Dänemark) vermutet man einen Zusammenhang mit dem auf der höchsten Erhebung gelegenen Hof – der den größten Stall und die feinsten Keramiken besaß.
Ausgangspunkt für neue gesellschaftliche Institutionen.
In zahlreichen Fällen bilden Grenzen offensichtlich den Ausgangspunkt für neue gesellschaftliche Institutionen. In den Flachlandregionen sowie in Südskandinavien lässt sich eine besonders starke Betonung individueller Bauernhöfe feststellen. Hier erweist sich die Hofeinfriedung als Demarkationsprinzip – insbesondere mit Blick auf das Wohnhaus, die dazugehörigen Gebäude mit jeweils umzäunten Eingängen, einer separaten Scheune. Im Laufe der letzten vorchristlichen Jahrhunderte wurden solche individuellen Haushaltsumzäunungen manchmal jedoch zugunsten weiträumiger Einfriedungen ganzer Siedlungen aufgegeben.
Verteidigungsinstrumente.
In wieder anderen Fällen wurden Umzäunungen dieser Art nicht nur auf optisch beeindruckende Weise, sondern auch mit einer eindeutigen Verteidigungsfunktion errichtet. Zu den bekanntesten Beispielen gehören die Heidenschanze und Heidenstadt genannten Wallburgen der Ringwallanlage aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. bei Sievern im Landkreis Cuxhaven, die mit sogenannten Pfostenschlitzmauern umgeben wurden.
Vehikel für Veränderungen in der Subsistenzwirtschaft.
Schließlich scheint eine Reihe von Grenzen in direkter Verbindung mit Veränderungen in der Subsistenzwirtschaft zu stehen. Im Gebiet des späteren Königreichs Wessex – und insbesondere in der Hochebene des Salisbury Plain – waren zum Ende der Bronzezeit große Teile der englischen Landschaft von Gräben und Wällen durchzogen. Viele davon weisen durch eine Reihe von Merkmalen auf eine Überlagerung vorangegangener keltischer Feldsysteme hin.
Grenzen in historischer Sicht
In bestimmten Gebieten wird so das Vorfinden linearer Grenzen zum gemeinsamen Charakteristikum großer Teile der nordwesteuropäischen Landschaften – und zwar solcher, in denen sich die Mobilität und der Zugang zu bestimmten Gebieten, Ressourcen und Siedlungsplätzen durch diese Grenzziehungen entscheidend verändert haben.
In Südskandinavien findet sich eine generelle Tendenz zu wachsender Standardisierung in der Organisation der Bauernhöfe – die zunehmend homogene Grundrisse aufwiesen, auch wenn sie im Laufe der Zeit größer wurden. Immer häufiger wurden Zäune errichtet, um so die Grenzen des Gehöfts und die Einbindung dazugehöriger Gebäude und Arbeitsgelände bis hin zum Anspruch des religiösen Monopols in den angeschlossenen Kultstätten zu markieren.
Warum aber wurden diese Grenzen erstmalig gezogen? An dieser Stelle muss betont werden, dass es keine einheitliche Entwicklung irgendwelcher Arten von Grenzen gegeben hat, sondern dass sie zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Stellen in Nordwesteuropa – und unabhängig voneinander – auftauchten. An einigen Orten kamen sie als eigentümliches Phänomen auf, das relativ bald wieder verschwand; an anderen wurden sie zum Bestandteil einer sich zunehmend formalisierenden Langzeitentwicklung.
Vielleicht gibt es aber auch etwas in den generellen Landschaftsmerkmalen sowie den kulturellen Strömungen und Phasen, das eine Herausbildung von Grenzen an einem bestimmten Punkt der Entwicklungen wahrscheinlicher machte als zu anderen Zeiten. Entlang der Nordseeküstenlinien zeigen sich in dieser Periode vielerorts ähnliche Probleme – wie eine wachsende Bevölkerungsdichte sowie eine generelle Tendenz zu mehr Sesshaftigkeit. Solche Entwicklungen werden die Notwendigkeit einer expliziteren Unterscheidung zwischen "ihr" und "wir" sowie einer Klärung von Rechten und Beziehungen verstärkt haben. Hier boten sich Grenzziehungen als mögliche Lösung für eine Fülle von Problemen an – und schufen zugleich neue. Waren solche Grenzen erst einmal errichtet, ließen sie sich nicht mehr ignorieren: Man musste irgendwie damit umgehen.