Die Zahl transnationaler Unternehmen hat in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen. Als Global Player können sie nicht nur auf weltwirtschaftliche, sondern auch auf politische und soziale Entwicklungen maßgeblichen Einfluss nehmen. Als zentrale Akteure der Globalisierung sind Unternehmen einerseits mitverantwortlich für die Entstehung und Verschärfung von globalen Problemlagen, sie tragen jedoch andererseits im Rahmen sogenannter neuer Formen des Regierens auch zur Bearbeitung derselben bei. Dieser Beitrag zielt darauf, die ambivalente Rolle von Unternehmen zu beleuchten, indem er sie einerseits als Problemverursacher betrachtet, und andererseits ihr verstärktes Corporate-social-responsibility-Engagement im Rahmen von global governance in den Blick nimmt.
Die Liberalisierung des Welthandels und die Entstehung sogenannter Global Player, also global tätiger und politisch mächtiger Unternehmen, sind zwei Seiten der gleichen Medaille.
Die Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) definiert transnationale Unternehmen als solche, die neben dem Hauptsitz in einem Land Kontrolle über im Ausland ansässige Tochterunternehmen ausüben. Ihre Zahl stieg etwa seit Mitte der 1980er Jahre stetig und immer schneller an, bis sie mit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise 2008 erstmals ins Stocken kam. Waren im Jahr 1990 noch 35.000 Unternehmen solch transnationaler Natur, stieg die Zahl im Jahr 2000 bereits auf 63.000 und erreichte 2008 ihren bisherigen Höchststand mit 82.000 transnationalen Firmen mit mehr als 800.000 Tochterunternehmen.
Als Global Player werden transnationale Unternehmen zumeist wegen ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht bezeichnet. Sie werden häufig ressourcen- oder finanzbasiert definiert, das heißt auf Basis ihres Kapitals, ihres Marktwertes oder ihres Umsatzes. Aufgrund dieser Kennzahlen wird ihnen ein gewisser Einfluss auf politische Prozesse sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene unterstellt. Ein beliebtes Instrument zur Darstellung ist ein Vergleich zwischen dem Jahresumsatz globaler Unternehmen und dem Bruttoinlandsprodukt verschiedener Länder. Unter den so bemessenen 100 größten "Volkswirtschaften" der Welt befanden sich im Jahr 2011 insgesamt 17 Unternehmen. Royal Dutch Shell landete als umsatzstärkstes Unternehmen vor Taiwan und Argentinien auf Platz 24.
Unternehmen als Problemverursacher
Aus politikwissenschaftlicher Sicht sind diese Indikatoren, die den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Global Player widerspiegeln, weniger relevant als die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen dieses Trends. Aus einer solchen Perspektive ist zunächst festzuhalten, dass weder die Internationalisierung des Handels noch die der unternehmerischen Tätigkeit global einheitlich verlaufen. Im Gegenteil: Auch wenn sich in jüngster Zeit leichte Gegentendenzen verzeichnen lassen, kommt die weitaus größte Zahl transnationaler Unternehmen nach wie vor aus hoch entwickelten Ländern, und auch der Grad der Verflechtung (durch Direktinvestitionen) ist zwischen diesen weiterhin am höchsten.
Eine der großen Konfliktlinien resultiert in diesem Kontext aus der Frage, welchen Nutzen Direktinvestitionen für die jeweiligen Zielländer haben. Skeptiker gehen davon aus, dass dieser stark begrenzt ist, gerade weil der Zweck der Investition durch das Mutterunternehmen die Nutzung von Kostenvorteilen und der daraus resultierende Abzug von Profiten ist. Da Direktinvestitionen häufig dazu dienen, Zugang zu Primärgütern zu erlangen oder Lohnkosten zu verringern, scheint dieser Einwand höchst berechtigt. Insbesondere der Rohstoffsektor ist durch einen "Enklavencharakter" gekennzeichnet: Er operiert weitgehend autark, bezieht wenige Inputs aus der lokalen Wirtschaft und trägt demzufolge nur begrenzt zum Wachstum der Volkswirtschaft des Gastlandes insgesamt bei. Eine weit verbreitete politische Forderung zur Einhegung der negativen Folgen der Globalisierung ist daher die Schaffung verlängerter Wertschöpfungsketten in den Zielländern von Direktinvestitionen.
Die Globalisierung, hier in erster Linie verstanden als Liberalisierung des Handels, bietet global tätigen Unternehmen nicht nur Potenziale zur Kostenoptimierung. Sie führt auch dazu, dass Unternehmen mit neuen Problemlagen konfrontiert werden oder zu deren Verschärfung beitragen. Dies wird insbesondere in der vor allem von zivilgesellschaftlichen Akteuren getragenen globalisierungskritischen Debatte betont. Problemfelder, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, sind etwa die Nichteinhaltung von Arbeits- und Sozialstandards, Menschenrechts-, Umwelt- und Anti-Korruptionsnormen, die Zunahme und Verschärfung von innerstaatlichen Gewaltkonflikten, aber auch die Vermeidung von Steueraufkommen. Die Probleme, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, stellen sich von Branche zu Branche, je nach Position des Unternehmens in der Wertschöpfungskette und nach der Unternehmensstruktur, sehr unterschiedlich dar. Damit einhergehend haben auch nicht alle Unternehmen in gleichem Maße die Möglichkeit, auf die Bearbeitung von Problemen Einfluss zu nehmen.
So sind etwa Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie insbesondere mit der Nichteinhaltung von grundlegenden Arbeits- und Sozialstandards, die in Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verankert sind, in ihren Zulieferunternehmen konfrontiert. Einzelhandelsunternehmen tätigen keine ausländischen Direktinvestitionen, sie sind Käufer von Ware, die in sogenannten Sweatshops vor allem in asiatischen Ländern gefertigt wird. Zu den Problemen in diesen Firmen gehören etwa geringe Löhne, unbezahlte Überstunden, mangelnde Arbeitsschutzmaßnahmen oder auch Kinderarbeit. Auch als Käufer sind transnationale Unternehmen für diese Probleme mitverantwortlich. Sie haben einerseits ein Interesse an möglichst geringen Stückpreisen und kurzen Lieferfristen, andererseits können sie durch ihre Marktmacht die Arbeitsbedingungen – zum Guten oder zum Schlechten – in ihren Zulieferbetrieben maßgeblich beeinflussen.
Mit völlig anderen Problemen sind Global Player der extraktiven Industrie (Öl, Gas, Bergbau) konfrontiert. Hier sind negative Folgen für die Umwelt ein wichtiger Problembereich, so sind zum Teil große Flächen in den betroffenen Regionen nicht mehr anderweitig, etwa für die Landwirtschaft, nutzbar. Menschenrechtliche Probleme entstehen beispielsweise im Umgang mit lokalen Bevölkerungsgruppen oder durch die Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Sicherheitskräften. Da Global Player, wie Shell oder auch Rio Tinto, durch ihre Tochterunternehmen vor Ort in der Förderung der Rohstoffe tätig sind, sind ihre direkten Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf die lokale Situation ungleich größer.
Unternehmen als Ko-Regulierer
Die bislang verfolgte Perspektive, die Unternehmen vor allem als Verursacher von Problemen betrachtet, ist im vergangenen Jahrzehnt zunehmend durch eine zweite Perspektive ergänzt worden, die den Blick darauf richtet, welche Beiträge transnationale Unternehmen – aufgrund ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht – im Rahmen von global governance zur Problemlösung leisten können. Global governance meint in diesem Kontext die regelbasierte Bearbeitung von Problemen, die das öffentliche Interesse betreffen, durch eine Vielzahl von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren.
Die zunehmend an Unternehmen gerichteten Erwartungen resultieren auch daher, dass die staatlichen Strukturen in vielen Ländern des globalen Südens, in die Unternehmen investieren oder aus denen sie Rohstoffe oder Produkte beziehen, schwach sind. Der Staat ist also selbst häufig nicht in der Lage oder willens, geltende Gesetze und Regulierungen, zum Beispiel zum Schutz von Arbeitnehmern oder der Umwelt, einzuführen oder durchzusetzen. Unternehmen, so die These, könnten jedoch – auch aufgrund des Drucks von Konsumenten oder der Zivilgesellschaft – auch ohne staatliche Regulierung freiwillig höhere Umwelt- und Arbeitsstandards einhalten.
Transnationale CSR- und Governance-Initiativen
Tatsächlich gibt es keine umfassende beziehungsweise rechtlich verbindliche Regulierung der Aktivitäten transnationaler Unternehmen. Versuche, eine solche zu schaffen, sind gescheitert. Im Jahr 1975 nahm in den Vereinten Nationen das Centre for Transnational Corporations ihre Arbeit auf. Dieses hatte unter anderem den Auftrag, einen Verhaltenskodex für multinationale Unternehmen auszuarbeiten. Entwicklungsländer favorisierten zunächst eine rechtlich verbindliche Lösung, sozialistische Staaten wollten eine solche nur für privatwirtschaftliche und nicht für Unternehmen im Staatseigentum akzeptieren, und Industrieländer (und Unternehmen) wollten nur eine freiwillige Lösung.
Im Gegensatz zu den 1970er Jahren haben die Rufe nach einer verbindlichen internationalen Regulierung der Aktivitäten transnationaler Konzerne jedoch nachgelassen. Vielmehr werden seit den 1990er Jahren zunehmend Governance-Mechanismen als adäquate Lösung für die Bearbeitung globaler Probleme propagiert, die oft auf freiwilliger unternehmerischer Selbstregulierung beruhen. Diese Mechanismen unterscheiden sich bezüglich der in ihnen mitwirkenden Akteursgruppen. In Multi-Stakeholder-Initiativen sind sowohl staatliche als auch zivilgesellschaftliche und privatwirtschaftliche Akteure an der Normsetzung und -implementierung beteiligt. In zivilgesellschaftlichen oder privatwirtschaftlichen Selbstregulierungsinitiativen findet Regulierung qua Definition ohne staatliche Akteure statt. Fast alle dieser Mechanismen zeichnen sich dadurch aus, dass Unternehmen keine passiven Adressaten, sondern zumeist bereits in der Phase der Norm- oder Standardentwicklung aktive Teilnehmer sind. Sanktionsmöglichkeiten bei Regelverstößen sind jedoch entweder nicht vorhanden oder relativ weich. Die Zahl solcher Governance-Mechanismen ist kaum überschaubar; das Bild eines Flickenteppichs der Regulierung ist diesbezüglich sehr passend. Insofern kann auch von einer Fragmentierung von Standards und Initiativen gesprochen werden. Diese Maßnahmen zur Förderung verantwortlichen Unternehmensverhaltens können sowohl branchenübergreifend als auch industriespezifisch sein, sie können problemfeldübergreifende Standards bereitstellen oder auch sehr spezifische Themen aufgreifen.
Die wohl wichtigsten branchenübergreifenden Initiativen zur Förderung verantwortlichen Unternehmenshandelns sind der Global Compact der Vereinten Nationen (UNGC), die Global Reporting Initiative (GRI) und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die thematisch eher breit angelegt sind. Im Gegensatz dazu wenden sich etwa die Leitsätze der Vereinten Nationen zu Unternehmen und Menschenrechten zwar an Unternehmen aller Branchen, sie sind jedoch speziell für das Problemfeld der Menschenrechte entwickelt worden.
Der Global Compact wurde 1999 ins Leben gerufen und fordert von Unternehmen eine Orientierung an zehn Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Sozial- und Umweltstandards sowie Anti-Korruption.
Nach dem Global Compact ist die GRI die weltweit zweitgrößte Initiative zur Förderung verantwortlichen Unternehmensverhaltens. Ziel ist die Verbreitung und Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen.
Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen wurden in ihrer ursprünglichen Fassung bereits 1976 verabschiedet. Bis zu einer grundlegenden Überarbeitung im Jahr 2000 galten sie als weitgehend wirkungslos.
Die Leitprinzipien der Vereinten Nationen zu Unternehmen und Menschenrechten sind der jüngste, alle Branchen übergreifende Regulierungsansatz. Sie wurden in einem aufwendigen Recherche- und Konsultationsverfahren vom Sonderberichterstatter für Unternehmen und Menschenrechte erarbeitet und 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen angenommen. Die Prinzipien sind unter dem Rahmen "Schutz, Achtung und Abhilfe" in drei Abschnitte gegliedert. Sie betonen einerseits verbindliche Staatenpflichten, alle Menschen vor Verletzungen ihrer Menschenrechte, auch durch Unternehmen, zu beschützen. Andererseits setzen sie aber auch auf eine freiwillige Unternehmensverantwortung, Menschenrechte zu achten und insbesondere das Prinzip der "unternehmerischen Sorgfaltspflicht" (due diligence) zu beachten. Zum dritten werden beide Akteursgruppen, Staaten wie Unternehmen, angehalten, Zugang zu Beschwerdemechanismen juristischer und nicht-juristischer Art zu ermöglichen.
Neben diesen branchenübergreifenden Initiativen gibt es eine Vielzahl von Mechanismen, die sich auf einzelne Industrien beziehen und sich teilweise ergänzen oder auch in Konkurrenz zueinander stehen. Die wohl prominenteste Initiative für den extraktiven Sektor ist die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), die Staaten und Unternehmen dazu auffordert, Finanzströme transparent zu machen. Neben der EITI gibt es in jüngster Zeit vermehrt Bestrebungen, Berichterstattungspflichten rechtlich verbindlich zu regeln, hierfür stehen sowohl der Paragraf 1504 des US-amerikanischen Dodd Frank-Act wie auch die jüngst in Kraft getretene EU-Transparenzrichtlinie. Die Voluntary Principles on Security and Human Rights zielen als Multi-Stakeholder-Initiative darauf ab, die Zusammenarbeit von Unternehmen mit staatlichen und privaten Sicherheitskräften so auszugestalten, dass Menschenrechtsverletzungen an der lokalen Bevölkerung vermieden werden.
In der Bekleidungsindustrie versuchen mehrere Regulierungsinitiativen arbeitsrechtliche Mindeststandards – wie angemessene Löhne und Arbeitszeiten oder auch gewerkschaftliche Rechte – durch freiwilliges unternehmerisches Engagement durchzusetzen.
Beispiele für Mechanismen und Initiativen dieser und weiterer Arten lassen sich in nahezu allen Branchen finden. Häufig existieren mehrere Regulierungsansätze, die sich jedoch anhand ihrer Mitglieder, dem Glied der Wertschöpfungskette, an dem sie ansetzen, oder auch der Schärfe ihrer Standards unterscheiden.
Freiwillige Mechanismen als Lösung?
Transnationale Unternehmen können einerseits zumindest teilweise für die "Schattenseiten der Globalisierung" mitverantwortlich gemacht werden. Sie haben ein grundlegendes Interesse an einem möglichst freien Welthandel sowie in vielen Fällen an einem niedrigen Niveau verbindlicher Regulierung in ihren Zielländern, für das sie in vielen Fällen auch bei politischen Entscheidungsträgern Lobbying betreiben. Sie sind andererseits aber auch wichtige Partner in der Problemlösung. Ein und dasselbe Unternehmen kann in einem bestimmten Kontext Problemverursacher, im nächsten Problemlöser und in anderen beides zugleich sein. Aus dieser ambivalenten Rolle erwächst in erster Linie ein komplexes Beurteilungsproblem, eben die Frage, wann Unternehmen für Fehlverhalten zur Verantwortung zu ziehen und wann sie eher Teil der Lösung sind. Diese Beurteilung wird durch die regelrechte Proliferation von Selbstregulierungsinitiativen erschwert, denen sich transnationale Unternehmen anschließen können, in denen aber oft kein transparentes Monitoring stattfindet, sodass die Regeleinhaltung beziehungsweise -verletzung kaum überprüfbar ist. Viele Kritiker betrachten den Aufstieg von CSR daher als eine Form von Verschleierungstaktik, die übertünchen soll, dass in den globalen Unternehmen dieser Welt weiterhin business as usual herrscht, sich also an ihren Praktiken nichts geändert habe. Aus dieser Perspektive wird insbesondere die weitverbreitete Freiwilligkeit der Selbstregulierung als Problem identifiziert. Aber auch die zunehmende Fragmentierung durch immer neue Initiativen führt zu Intransparenz und mangelnder Nachvollziehbarkeit.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist nicht zweifelsfrei klar, ob verbindliche Mechanismen zur effektiveren Verhaltenssteuerung von Unternehmen führen würden – zumal wenn die Schaffung und Umsetzung verbindlicher Gesetze in die Hände der Staaten zurückverwiesen wird, deren Untätigkeit die Schaffung dieser Initiativen ursprünglich bewirkt hat. Demnach besteht für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft eine große Aufgabe darin, zu prüfen, welche Initiativen tatsächlich zur Problemlösung beitragen, welche vielleicht aufgrund eines defizitären Designs reformiert werden müssen und welche reine Greenwashing-Maßnahmen sind. Ob und wie gegebenenfalls der "Wucher" von Initiativen wieder eingefangen werden kann, ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar. Der verbreitete "schlichte" Ruf nach dem Staat kann jedoch bei Weitem nicht immer eine Lösung für die komplexen Problemlagen sein – weil Staaten in einer globalisierten Welt häufig ähnlich eigeninteressenorientiert handeln wie Unternehmen. Es gibt also keine leichten Antworten auf die großen Fragen und Probleme, die aus der Globalisierung entstanden sind. Es gibt nur den Weg, Unternehmen – wie Staaten – weiterhin kritisch auf die Finger zu sehen.