Seit der Kinderzeit sind wir von Monstern umgeben. Sie begleiten uns in Gestalt von Plüschtieren und Plastikspielfiguren, wir sehen sie in Bilderbüchern und Computerspielen – und in späteren Jahren sorgen Unterhaltungsindustrie, Massenmedien und Kunst dafür, dass uns die Monster nie verlassen. Entsprechend viel "wissen" wir über sie. Zum Beispiel über das Krümelmonster und seine Leidenschaft für Kekse, aber auch über monströse Gewaltverbrecher, wie sie uns von Tageszeitungen und Nachrichtensendungen, Krimis und Fantasyfilmen vorgestellt werden. Aber worin gründet unser Monsterwissen?
"Monstren" zwischen Imagination und Empirie
Das Wort "Monster" selbst wurde von lateinischen Verben abgeleitet, die unter anderem "zeigen" und "warnen" bedeuten (monstrare, monere).
Vor allem zwei Sorten von Wesen pflegen als Monstren etikettiert zu werden: erstens seltsam gestaltete Fabelwesen (aus aufgeklärter Sicht sind sie Produkte der Imagination) sowie zweitens Individuen im Menschen-, Tier- und Pflanzenreich, die von der als normal angesehenen körperlichen Gestalt abweichen und als miss- oder fehlgebildet gelten. Für den barocken Lexikografen Johann Heinrich Zedler sind monstra Letztere. Der Rest gehört in den Bereich haltloser Fantasien. "MONS(T)RA oder Monstrum heißt in den Rechten überhaupt alles dasjenige, was wider die Natur ist oder gebohren wird, oder welches gleichsam den wahren Ursprung seiner Geburt durch Annehmung einer fremden Gestalt verläugnet, oder verändert. (…) Als wenn z.B. von rechten natürl. Menschen Kinder mit Pferde- und Kuh-Füssen oder andern mehr dem Viehe, als Menschen ähnlichen Gliedmassen gebohren werden, oder wenn eine Wölffin junge Schaffe, eine Stutte Hasen, eine Kuh Löwen, u.d.gl. wirfft (…): so heißt und ist dieses sodenn in wahren und eigentl. Verstande ein Monstrum (…)."
Lassen sich imaginierte und empirisch anschaubare Monster theoretisch auch durchaus unterscheiden, so gehen sie in der Geschichte der Monstervorstellungen selbst doch allerlei Verbindungen ein. Wichtige Quellen der teilweise bis heute noch geläufigen Vorstellungen über Monstren sind neben mythischen Überlieferungen auch antike Reisebeschreibungen und die naturalis historia des älteren Plinius (1. Jh. n. Chr.).
Dem Erscheinungsbild nach sind die Monstren der kollektiven und individuellen Imagination oft Misch- und Zwischenwesen: Werwölfe, Sirenen, teilanthropomorphe Tiere und Aliens, Wolfsmänner und Katzenfrauen, humanoide Roboter und riesen- oder gnomenhafte Fabelwesen, Hybridgeschöpfe wie Batman und Spiderman. Wie Michel Foucault darlegt, sind aber auch die als "Monster" etikettierten empirisch erfahrbaren Wesen Zwischenwesen, Wesen im Übergang: zwischen Tier und Mensch, zwischen Mann und Frau, zwischen Leben und Tod.
Versuche, diese "Monster" naturwissenschaftlich zu begreifen, laufen darauf hinaus, das auf den ersten Blick Unnatürliche in die Ordnung der Natur zu integrieren, das vordergründig Abweichende auf eine verborgene, aber existente Gesetzlichkeit zurückzuführen, also eine geheime, aber erschließbare Ordnung der Monstren zu finden. Ein solches Interesse an einer Ordnung der Monstren, an einer Einordnung des Devianten, motiviert und prägt viele Monsterdarstellungen: Sammlungen naturkundlicher Kuriosa, Kabinette, in denen Menschen und Tiere mit Missbildungen ausgestellt wurden, aber auch naturkundliche Lehrwerke mit entsprechenden Illustrationen und Schautafeln. Gerade die Beschäftigung mit devianten Sonderphänomenen ist für neuzeitliche Naturkundler, die sich für die Gesetze natürlicher Entwicklungen (der Individuen und der Arten) interessierten, ein relevantes Untersuchungsfeld. Lässt sich doch die Abweichung alternativ als Produkt eines Entwicklungssprungs oder einer unterbrochenen normalen Entwicklung deuten, in jedem Fall aber als Phänomen, das Rückschlüsse auf individualgenetische wie auf gattungsgeschichtliche Prozesse zulässt.
Monster im Spiegel kulturwissenschaftlicher und ästhetischer Interessen
Aus kulturwissenschaftlicher und mentalitätsgeschichtlicher Perspektive besteht hinsichtlich des Themas "Monster" kein Anlass, sich auf empirisch verifizierbare Monster zu beschränken. Im Gegenteil: Aus den Imaginationen von kulturellen Gemeinschaften, einzelnen Gruppen oder Individuen über Monster lassen sich viel weitläufigere Rückschlüsse ziehen als aus dem bloßen Umgang mit "Missgeburten". Ethnologen, Psychologen, Historiker, Kulturhistoriker, Kunstwissenschaftler, Literaturwissenschaftler und Mythenforscher interessieren sich für Vorstellungen über Monster, die sich in unterschiedlichen Formen der Darstellung manifestieren – vor allem in sprachlichen und in bildlichen.
Der Germanist Hans Richard Brittnacher erörtert das Monströse mit Blick auf seine physische Gestalt, die unterschiedlichen Epochen und Kulturen als faszinierend und abstoßend zugleich gilt.
Das Hässliche, der monströse Körper, das Schreckerregende kann als solches jedenfalls durchaus im Zentrum ästhetischen Interesses stehen. Viele Monster erregen als Gegenstände der Vorstellung und der Darstellung schaurige Lust. Der Literaturwissenschaftler Rolf Parr spricht von verschiedenen "Faszinationstypen" des Monströsen.
Monster-Konzepte 1: Fabelwesen
Monströse Fabelwesen treffen wir in antiken Mythen, in Sagen, Legenden und Märchen, in antiken und mittelalterlichen Reiseberichten und naturkundlichen Schriften. Die Gestalt mancher dieser Monster ist der des Menschen ganz unähnlich. Andere wiederum sind teilanthropomorph. Monströs sind teilweise auch Götter und Halbgötter: Hephaistos hat einen Klumpfuß und ist hässlich, der Zyklop ist einäugig, die Kentauren sind halb Mensch, halb Pferd, der Minotaurus ist halb Mensch, halb Stier. In der antiken Geschichts- und Reiseliteratur, in Epen und in naturkundlichen Werken wie der naturalis historia des Plinius sowie in theologischen, literarischen und künstlerischen Zeugnissen des Mittelalters werden vielfältige Ungeheuer erwähnt und beschrieben, so beispielsweise ein Volk der Hundsköpfigen (kynokephaloi), eine Rasse von Wesen mit Riesenfüßen, die ihnen Schatten spenden, wenn sie sie in die Luft halten (Skiapoden), Wesen mit Riesenköpfen (makrokephaloi), Einäugige und Zwerge (Pygmäen). Antik-mittelalterlichen Vorstellungen zufolge sind diese Wesen an den Rändern der Welt angesiedelt, wie auch mittelalterliche Weltkarten verdeutlichen. John Mandeville berichtet in seiner mittelalterlichen Reisebeschreibung von allerlei sagenhaften Wesen in fernen Ländern, so von Greifen, die es im (legendären) Land Baktrien geben soll. Halb tiergestaltige Gottheiten wie der ziegenfellige und bocksbeinige Pan und der hundköpfige Anubis, aber auch geläufige Beinamen der Hera ("kuhäugig") und der Athene ("eulenäugig") scheinen die Hypothese zu stützen, dass sich entsprechende Vorstellungen in einer Phase des Wechsels von tiergestaltigen zu menschengestaltigen Götterbildern herausbilden. Für antike Autoren wie Plinius ist die Vielzahl von unterschiedlichen Wesen Indikator für die Erfindungskraft der Natur;
Bereits in der christlich geprägten Spätantike werden allerdings viele Wesen aus der mythischen und exotischen Vorstellungswelt der vorchristlichen Kulturen dämonisiert. Die Fabelwesen der "Heiden" werden zu Repräsentanten der außerchristlichen Sphäre – und damit verdächtig, mit dem Diabolischen zumindest im Bunde zu sein. Konzepte des Bösen werden für den Monsterdiskurs prägend. Betroffen sind neben Fabelwesen auch Normabweichungen im Bereich der natürlichen Wesen ("Missgeburten"), wobei zwischen diesen ja ohnehin kategorial nicht unterschieden wird. Augustinus betrachtet die vom Vertrauten abweichenden hässlichen Wesen als Störfaktoren in der göttlichen Schöpfung. In seinen Überlegungen spielt bereits erkennbar die Frage eine leitende Rolle, woraus sich die "Monster" herleiten lassen – und das erscheint bei ihm dann als ein Widerstand gegen den göttlichen Willen, wenn Monstren hässlich und unordentlich sind, während Gott doch eine schöne und geordnete Welt will. Die "Monster" werden unter anderem von mittelalterlichen Theologen als Nachfahren des Noah-Sohnes Ham (Cham) interpretiert, der von Noah verflucht wurde, weil er sich seinem Vater gegenüber unehrerbietig zeigte.
Mittelalterliche Teufelsvorstellungen nähren sich aus Vorstellungen über Monströses. Teufel und Monstren werden als Widersacher der göttlichen Ordnung begriffen und darum miteinander identifiziert, Dämonen und höllische Versucher vorzugsweise im Bild fabelhafter Ungeheuer dargestellt. Die kollektive Vorstellungswelt um Monster wird erheblich angereichert in vielfältigen Darstellungen der Hölle oder solcher Dämonen, die Menschen nachstellen, um sie in Versuchung zu führen, wie etwa den Heiligen Antonius.
Einen noch wichtigeren Schritt fort von der Verurteilung der hässlichen, als monströs betrachteten Erscheinungen gehen jene Theologen des Mittelalters, die das Hässliche unter dem Aspekt seines latenten Zeichencharakters innerhalb menschlicher Zeichensprachen erörtern. Hier geht man so weit, das Hässliche zu legitimieren (wie vor allem Umberto Eco in seiner "Geschichte der Häßlichkeit" in Erinnerung ruft), und zwar mit dem Argument, es eigne sich besonders zur Darstellung des Göttlichen (gemeint ist: durch den Menschen). Da sich das Göttliche nicht angemessen durch die notgedrungen endlichen Zeichen der Menschen ausdrücken lasse, seien solche Zeichen vorzuziehen, die ihren defizitären Charakter erkennen lassen, statt sich fälschlicherweise als adäquate Darstellungen des Göttlichen auszugeben.
In der Frühen Neuzeit greift man die These vom spezifischen Bezeichnungswert des Hässlich-Monströsen auf und bezieht sie auf die diesseitige Welt. Einflussreich wird die wirkungspsychologisch-pragmatische These, dass man sich ungewöhnliche Erscheinungen besser einprägen könne als gewöhnliche – je ungewöhnlicher (also monströser), desto besser.
Monster-Konzepte 2: "Missgeburten"
Neben den Fabelwesen (als Produkten der Imagination, wie wir heute sagen würden) waren seit jeher Tiere und Menschen mit Abweichungen und Fehlbildungen, "Missgeburten" genannt, von prägender Bedeutung für die Vorstellungen über Monstren und die ihnen zugeschriebenen Bedeutungen. Vorstellungen und Sinnzuschreibungen unterliegen dem historischen Wandel. Sie stehen in engem Zusammenhang mit den Umgangsweisen der sich wandelnden Kulturen mit physischen Ausnahmeerscheinungen.
In klassisch-antiker Zeit sind Darstellungen missgebildeter Menschen ungebräuchlich. Man orientiert sich an kanonischen Schönheitsvorstellungen und stellt idealisierte Körper dar. Im sogenannten hellenistischen Realismus öffnet sich der Blick für individuelle Körpermerkmale und so auch für Spuren von Alter, Krankheit, Fehlbildung. Der Bezug der christlichen Theologie zu "Missgeburten" ist ambivalent und schwankend. Im Mittelalter begegnet man ihnen mit Misstrauen, da das Augustinische Verdikt über Monströses als Störung der göttlichen Ordnung über ihnen liegt und man das Wirken des Teufels vermutet. Mittelalterliche Legenden und Bilddarstellungen wiederum fordern allerdings oft dazu auf, sich Kranken und Missgebildeten gegenüber karitativ zu verhalten.
In der Renaissancezeit überlagern sich differente Konzepte des Monströsen. Sie beruhen einerseits auf neuen wissenschaftlichen Interessen am immanenten Funktionieren der Natur, andererseits aber auf weiterhin wirkungsmächtigen abergläubischen Vorstellungen – wie die des "Wechselbalgs", die sich etwa auch bei Luther findet und derzufolge missgebildete Säuglinge in Wahrheit Kinder von Hexen oder Teufeln seien, die diese gegen das echte Kind der Mutter ausgetauscht haben. Ungewöhnliche Erscheinungen faszinieren durch ihr Anderssein, das einem Interesse an der Vielgesichtigkeit und Wandelbarkeit der Natur entgegenkommt. Man beginnt, Missbildungen genauer zu beobachten, zu beschreiben und voneinander zu unterscheiden.
So gibt es aus dem 16. Jahrhundert Sammlungen mit Darstellungen solcher Phänomene. Im Allgemeinen gilt ein "Sich-Versehen" der Mütter als Ursache, bei dem die Mutter durch einen verstörenden Anblick, etwa von Leichen oder wilden Tieren, erschreckt wird und sich dieser Eindruck auf die Entwicklung des Säuglings auswirkt. Manche Naturforscher differenzieren zwischen verschiedenen Typen von Ausnahmeerscheinungen, gemäß den verschiedenen sie bedingenden Ursachen. So unterscheidet der französische Chirurg Ambroise Paré ("De monstres et prodiges", 1573) zwischen Missbildungen, die auf physische Ursachen zurückzuführen sind, und solchen, die durch das Wirken der (mütterlichen) Einbildungskraft zustande kommen. Generell zeichnet sich eine Tendenz ab, deformierte Wesen auf natürliche Ursachen zurückzuführen. Damit werden sie zu einem wichtigen Thema der Medizin.
Dennoch sind fehlgebildet Geborene in der frühen Neuzeit noch oft mit Schande und Sünde konnotiert, mit Gottlosigkeit und Undankbarkeit. Erst im Zeitalter der Aufklärung wird das Monströse naturalisiert.
Im 18. Jahrhundert erstellt man umfangreiche Verzeichnisse von Wesen, die mit ungewöhnlichen Organen und Körperteilen geboren werden, und betrachtet sie dabei statt als "Wunderwesen" als natürliche Individuen, die körperlich verunstaltet sind und sich nicht "normal" entwickelt haben. Einzelne Naturwissenschaftler experimentieren mit Tieren, um deren Gestalt aktiv zu verändern. Hinter all dem steht die Grundüberzeugung von der Gesetzlichkeit natürlicher Phänomene, auch wenn, wie im Fall der "Missgeburten", auf der Erscheinungsebene eine Abweichung vom "Normalen" vorliegt.
Aber woher rühren Normabweichungen? Handelt es sich um etwas, das die Natur selbst, einer ihr immanenten Möglichkeit entsprechend, hervorbringt? Ist das Abnorme demnach auf randständige, aber konstitutive Weise Bestandteil des Natürlichen? Oder ist es das Produkt von Unfällen, die keinem Naturgesetz entsprechen? Diese Alternative – von unterschiedlichen Schulen unterschiedlich beantwortet – läuft auf die Frage hinaus, ob es in der Natur selbst angelegt sei, sich zu verwandeln (und das heißt zumindest lange Zeit: sich zu erneuern, sich zu optimieren), oder ob Modifikationen des Natürlichen nur von außen stattfinden, als Folge großer oder kleiner Katastrophen. Insbesondere gibt es konkurrierende Meinungen darüber, wie es individualgenetisch zu "Missgeburten" kommt. Ist die Deformation in den betroffenen Einzelwesen von vornherein angelegt oder kommt sie durch äußere (pränatale) Einflüsse zustande – wie etwa durch das "Sich-Versehen" der Mütter? Kontrovers diskutiert wurde unter anderem die Frage nach der Plausibilität der sogenannten Epigenesis-Theorie, derzufolge das einzelne Individuum nach seiner Zeugung einen Entwicklungsgang durchläuft, der aus verschiedenen Gründen unterbrochen und gestört werden kann.
Monster-Konzepte 3: Wahnsinnige, Verbrecher, "Sittenmonster"
Körperlich Missgebildete, Verrückte und Narren gelten bis in die Aufklärungszeit hinein gleichermaßen als Wundererscheinungen.
Neben dem Geisteskranken wird auch der Verbrecher als Monster gedeutet. Akzentuiert wird dabei die von ihm repräsentierte Bedrohung für das soziale Leben, dessen Normen, Institutionen und Werte.
Verbrechertum gilt einem weit verbreiteten Konsens zufolge als degenerative Abweichung von der Norm. Die Annahme, für die Verbrecherlaufbahn sei vor allem eine psychische Disposition entscheidend, verbindet sich dabei mit der Vorstellung, auch an physischen Merkmalen lasse sich das (degenerierte) soziale "Monster" erkennen. Vor allem der italienische Kriminologe Cesare Lombroso glaubt an eine angeborene Disposition zum Verbrechen als degenerativer Spielform des Menschen. Verbrecher sind demnach lebende Anachronismen, auf ihre Gesellschaft nicht abgestimmt. Unkultiviertes, Unzivilisiertes gilt als dem Bösen affin; diese Vorstellung prägt noch Robert Louis Stevensons Figur des Mr. Hyde, der als verborgene Kehrseite aus Dr. Jekyll heraus bricht (darauf deutet das in Hydes Namen anklingende Verb to hide, Englisch für verstecken). Naturhaftigkeit wird als Triebhaftigkeit und Wildheit beschrieben. Vor allem Lombroso prägt das Modell vom Straftäter als Monster – als "Missgeburt" – in wirkungsmächtiger Weise. Er muss zwar seine verallgemeinernde These vom angeborenen Verbrechertum revidieren, hält aber an der These fest, es gebe den geborenen Verbrecher als Typus.
Der sich im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts verwissenschaftlichende Blick auf abweichende Körpererscheinungen nimmt diesen zumindest teilweise ihre Schauerlichkeit. Dafür intensiviert sich das Interesse am Verbrecher als Sittenmonster. Erinnert sei an die großen Verbrechererzählungen Schillers ("Verbrecher aus verlorener Ehre", auch "Der Geisterseher"), Kleists ("Michael Kohlhaas") sowie die Schauerliteratur mit dem Typus des Schurken als Zentralfigur. In seiner vierten Vorlesung über "Die Anormalen" erörtert Michel Foucault entsprechend Erscheinungsformen des Monströsen, die nicht über physische Missbildungen oder hybride Körperlichkeit bestimmt sind: monstre moral nennt er den neuen Typus des Monsters, der in der Moderne entsteht und das Körpermonster als dominanten Monstertyp gleichsam ablöst.
Das heißt natürlich nicht, dass die physisch monströsen Figuren verschwinden, sie bleiben vielmehr ein Faszinosum, aber die moralischen Monster ziehen als Indikatoren der Auseinandersetzung mit den Abgründen der Seele doch zunehmend größere Aufmerksamkeit auf sich. Zu ihnen gehören der Straftäter, der Tabuverletzer, aber auch der skrupellose Egoist.
Monster und Menschwerdung
Den Menschen "gibt" es nicht; er muss sich selbst erfinden – in einem Prozess der Anthropogenese.
Ähnlich erfinden wir uns auch mithilfe der Monster. Auch und gerade sie sind Spiegelbilder, mittels derer historisch-kulturell variierende Entwürfe des Menschen umstellt und "eingefangen" werden können. Die damit verbundenen Abgrenzungsversuche sind jedoch zum Scheitern verurteilt: Der Spiegel zeigt das Andere und das Eigene; und in der reflexiven Brechung durch verschiedene Spiegelbilder zeigt sich, wie vielgestaltig und wandelbar der Mensch selbst ist.