Bundestagswahlen sind immer für eine Überraschung gut, das hat auch die jüngste Wahl gezeigt. Schon das Bundestagswahlergebnis 2009 hatte bewiesen, dass aus der fortschreitenden Ausdifferenzierung des Parteiensystems keineswegs das Ende klassischer Zweier-Koalitionen aus einer großen und einer kleinen Partei folgen muss. Das Wahlergebnis 2013 hat mit der Mär aufgeräumt, dass das Ende der großen Volksparteien zwangsläufig gekommen ist. Zum ersten Mal seit 1994 hat die Union wieder ein Wahlergebnis über 40% erreicht und die absolute Mehrheit der Mandate nur knapp verfehlt. Auch wenn Letzteres in erster Linie dem Scheitern der FDP und der Alternative für Deutschland (AfD) an der Fünfprozentgrenze geschuldet ist, zeigt es doch die Dimension des Triumphes von Angela Merkel und der Union auf. Anders als 2005 kann das Ergebnis, bei einem Abstand von fast 16 Prozentpunkten zwischen Union und SPD, keine Große Koalition "auf Augenhöhe" mehr zur Folge haben, gleichgültig, wie viel beschwichtigende Rhetorik der große und der kleine Koalitionspartner (in spe) noch vortragen.
Das Scheitern der FDP an der Fünfprozentklausel, ihr Verschwinden aus dem Bundestag und damit auch aus der medialen Wahrnehmung stellt eine entscheidende Zäsur in der bundesrepublikanischen Parteiengeschichte dar. Der Niedergang der Liberalen ist letztlich die konsequente Folge der Integration wesentlicher Inhalte liberaler Programmatik bei allen anderen Parteien mit Ausnahme der Linken. Liberale Positionen gibt es heute eben nicht "nur mit uns", wie es der zentrale Slogan des FDP-Wahlkampfs zu suggerieren versuchte. Der Verdrängungswettbewerb um die politische Mitte hat sein erstes sichtbares Opfer gefunden. Die verheerende Wahlniederlage haben sich die Liberalen aber überwiegend selbst zuzuschreiben. Trotz einer langen Regenerationsphase in der Opposition kamen sie 2009 mit ihrem Sensationsergebnis weitgehend unvorbereitet in die Regierungsverantwortung und hatten außer Überheblichkeit und der ideologisch motivierten Forderung nach "Steuersenkung" nicht viel zu bieten.
Dabei hätte eine aufrichtige Analyse des Wahltriumphs der FDP die Liberalen warnen müssen. Ein erheblicher Teil ihres Zuspruchs basierte nur auf der Aversion unionsnaher Wähler gegenüber einer drohenden Fortführung der damaligen Großen Koalition, nicht auf nachhaltiger Begeisterung über Positionen und Spitzenpersonal der FDP. Entsprechend schnell verfiel auch der Zuspruch für die Liberalen mit Aufnahme der Regierungstätigkeit. Viel zu lange dauerte es, bis die FDP-Führung verstanden hatte, dass die Forderung nach Steuersenkungen an den Wünschen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung vorbeiging. Die programmatischen und personellen Erneuerungsversuche waren meist halbherzig, an der Realität vorbei und vielfach schlicht dilettantisch zu nennen. Das Aus für die FDP kam also nicht von ungefähr. Schon seit April 2011 lag die FDP im Politbarometer fast bei jeder Umfrage unter 5%. Lediglich seit dem Sommer 2013 kam sie dank erkennbar koalitionstaktisch motivierter Strömungen in Teilen des Lagers der Unionswähler knapp über die alles entscheidende Hürde. Die FDP hat aber offenbar den Ernst der Lage erst nach dem Fiasko bei der Landtagswahl in Bayern verstanden und sich dann der letzten Chancen durch einen Auftritt ihres Vorsitzenden in einer Mischung aus dreister Forschheit und jammerndem Betteln um Stimmen selbst beraubt.
Partielle Wechselstimmung
Zweifelsfrei gab es am Ende der Legislaturperiode eine partielle Wechselstimmung: Eine klare Mehrheit der Bevölkerung wollte zwar die Union weiter in der Regierung sehen (54% gut, 20% egal, 23% schlecht), die FDP aber nicht (26% gut, 28% egal, 44% schlecht). Entsprechend schwach war auch die Präferenz für eine schwarz-gelbe Koalition. Auch wenn diese gegen Ende des Wahlkampfs noch an Zuspruch zulegte, bewerteten letztlich nur 36% ein solches Bündnis als "gut". Viele Kommentatoren haben der schwarz-gelben Regierung ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Bevölkerung hat das nicht ganz so dramatisch gesehen. Anders als beispielsweise die zweite rot-grüne Bundesregierung, die in keinem einzigen Monat ihrer dreijährigen Regierungstätigkeit auf eine positive Leistungsbeurteilung gekommen war, erreichte die Bewertung der Bundesregierung seit Anfang 2012 durchweg bescheiden positive Bewertungen, die sich mit Herannahen des Wahltermins kontinuierlich verbesserten. Allerdings fiel dabei das Urteil der Bevölkerung über die Regierungstätigkeit der Union wesentlich positiver aus als das über die FDP, die über die ganze Legislaturperiode hinweg negative Bewertungen erhielt (vgl. Abbildung 1 in der PDF-Version).
Das extrem gute Ergebnis für die Union ist umso erstaunlicher, als die Kanzlerin mit einer eindeutigen Koalitionsaussage zugunsten der FDP in den Wahlkampf gezogen ist, die die Wähler eigentlich nicht mehr in der Regierung haben wollten. Insofern lag die eigentliche Leistung der Kanzlerin darin, ihren von der Bevölkerung ungeliebten Koalitionspartner in Vergessenheit geraten zu lassen. Dies unterstreicht die zentrale Bedeutung der Wertschätzung Merkels als Regierungschefin für das Unionsergebnis. Sie hat bereits kurz nach der Nominierung von Peer Steinbrück als Kandidat für die SPD bei der Kanzler-Frage das Feld dominiert. Anders als 2005 und 2009 hat sie das TV-Duell zu ihren Gunsten entschieden (besser geschlagen: Merkel 40%, Steinbrück 33%, kein Unterschied 27%) und wurde auch bis zur Wahl fast unverändert von 60% der Bevölkerung als künftige Regierungschefin gewünscht (vgl. Abbildung 2 in der PDF-Version).
Das Ergebnis ist aber nicht nur ihrem Ansehen als Regierungschefin geschuldet, sondern auch einem taktisch optimal angelegten Wahlkampf und einer strategischen Meisterleistung der Parteivorsitzenden in Bezug auf die längerfristige programmatische Positionierung der CDU. War der von Merkel betriebene Modernisierungskurs von vielen Kritikern innerhalb der Partei – gerade nach dem Wahlergebnis der Union 2009, bei dem sie die Zeche für den Sieg von Schwarz-Gelb zahlen musste – als verheerend für die zukünftige Stärke der Union bewertet worden, so erbrachte das jetzige Ergebnis den Nachweis, dass mit einer solchen Positionierung der Union in der Mitte der Gesellschaft sehr wohl auch in der heutigen Zeit ein Ergebnis von über 40% zu erzielen ist. Auch wenn das hervorragende Wahlergebnis für Merkel auf den zweiten Blick wie ein Pyrrhussieg aussehen mag, bietet es ihr die Gelegenheit, an der Seite der Sozialdemokraten den Modernisierungskurs der Union weiter zu betreiben und ihn erfolgreich zu Ende zu bringen.
Das erneut außerordentlich schlechte Ergebnis für die Sozialdemokraten hat gezeigt, dass das Fiasko für die SPD 2009 nicht nur an der Rolle als Juniorpartner in der Großen Koalition lag, sondern tiefer liegende Ursachen hatte. Auch jetzt, nachdem die SPD vier Jahre Gelegenheit hatte, sich in der Opposition zu regenerieren, fiel es nur deshalb marginal besser aus als 2009, weil der potenzielle Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen auf den letzten Metern nicht zuletzt wegen der Pädophilie-Debatte schwächelte, wovon die SPD profitieren konnte. Dennoch blieb es beim zweitschlechtesten Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte der SPD.
Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Ein Grund liegt in dem noch immer schwelenden Konflikt um den Erneuerungskurs der SPD in Gestalt der Agenda 2010 unter Gerhard Schröder. Des Weiteren hat die SPD-Führung versucht, sich vor einer strategischen Grundsatzentscheidung in ihrem Verhältnis zur Linkspartei zu drücken. Spätestens als sichtbar wurde, dass es für Rot-Grün alleine nicht reichen wird, holte sie die durch Aussitzen und Ignorieren verschleppte Debatte wieder ein. Diese Entwicklung wäre bei etwas realistischer Lagebeurteilung vorhersehbar gewesen. Sie hat wie 2009 dazu geführt, dass die SPD in den letzten Wochen vor der Wahl keine wirkliche Machtperspektive mehr anzubieten hatte.
Zu den strategischen Defiziten trat ein katastrophaler Wahlkampf, der sich besonders deutlich in Auswahl und Präsentation des Kanzlerkandidaten manifestierte. Anstatt langfristig in der Opposition eine Führungsperson zu etablieren, die dann als gesetzte Alternative zur Kanzlerin auch im Wahlkampf hätte fungieren können, hat man sich aus Angst vor einer frühzeitigen Demontage lange bedeckt gehalten, und dann der Partei überraschend einen Kandidaten präsentiert, der denkbar schlecht zum grundsätzlich Erfolg versprechenden Hauptthema des Wahlkampfs "Soziale Gerechtigkeit" passte. Vor seiner Nominierung verfügte Steinbrück aufgrund seiner Verdienste als Finanzminister der Großen Koalition unter Merkel bis weit in die Unionsreihen hinein über großes Ansehen in der Bevölkerung. In ökonomischen Fragen wäre er im Wahlkampf ein gefährlicher Gegenspieler für die Kanzlerin geworden, wenn die SPD ihm die "Beinfreiheit", die er für sich reklamiert hatte, tatsächlich gelassen hätte. Da Steinbrück aber wie kaum ein anderer neben Schröder für die Agenda 2010 steht, musste zunächst in der eigenen Partei für Akzeptanz gesorgt werden – umso mehr nach Bekanntwerden der Höhe seiner Vortragshonorare.
In der Folge musste sich Steinbrück stärker als jeder andere SPD-Politiker bei sozialpolitischen Themen mit eher linken Positionen profilieren. Das hat ihn einerseits seine wirtschaftspolitische Reputation im bürgerlichen Lager gekostet, andererseits konnte er in seiner Rolle als Vorkämpfer für die sozial Benachteiligten nicht wirklich überzeugen. Am Schluss dieses Prozesses hielten ihn direkt vor der Wahl nur 13% für glaubwürdiger, während dies 40% von Merkel sagten (kein Unterschied: 45%) (vgl. Abbildung 3 in der PDF-Version). Selbst bei der Frage, wer eher für soziale Gerechtigkeit steht, war sein Vorsprung vor Merkel für einen Sozialdemokraten sehr bescheiden (34% zu 26%) (vgl. Abbildung 4 in der PDF-Version).
Während sich die SPD dank einer Zunahme von 2,7 Prozentpunkten (aber kommend von einem Minus von 11,2 Prozentpunkten bei der Bundestagwahl 2009) zum zweiten Wahlsieger erklärte, fühlten sich die Grünen als die großen Verlierer der Wahl. Diese Bewertung angesichts eines Verlustes von lediglich 2,3 Prozentpunkten wird nur verständlich angesichts einer Erwartungshaltung, die in der Mitte der Legislaturperiode, schon vor Fukushima, entstanden war und im Wahlsieg in Baden-Württemberg und dem ersten grünen Ministerpräsidenten gipfelte. Damals wurden die Grünen in den Medien schon als dritte Volkspartei gefeiert. Der zeitweilige Höhenflug der Grünen basierte neben der eindeutigen Positionierung in der Atomkraftfrage aber gerade in der erfolgreichen Ansprache aufgeschlossener bürgerlicher Wähler. Diesem erfolgreichen Vorstoß in bisher für die Grünen nicht erreichbare Wählerschichten lief die dezidiert linke programmatische Profilierung im Wahlkampf entgegen. Hier werden die Grünen programmatische Klarheit schaffen müssen, die im aktuellen Parteiensystem mit dauerhaft etablierter Linke und schwacher SPD auf der einen und einer dominierenden Union mit existenziell bedrohter FDP auf der anderen Seite von wachsender Bedeutung sein wird.
Mit dem Achtungserfolg für die neu angetretene AfD ist das bundesrepublikanische Parteiensystem noch unübersichtlicher geworden. Wie sich die AfD entwickeln wird, bleibt abzuwarten; für eine abschließende Beurteilung ist es zu früh. Es lässt sich aber feststellen, dass sich die Mitgliederstruktur der AfD, bei der sich eine Reihe ehemaliger Unions- und FDP-Mitglieder eingefunden haben, deutlich von ihrer Wählerschaft unterscheidet. Mag sich die AfD in Programmatik und Mitgliedschaft als überwiegend konservativ und national-liberal kennzeichnen lassen, so bekam sie bei der Wahl Zulauf aus allen politischen Richtungen, selbst von ehemaligen Wählern der Linken. Dies hängt damit zusammen, dass sie zu einem großen Teil vorhandenen Protest und Unzufriedenheit auch jenseits ihrer programmatischen Orientierung kanalisierte. Ähnliches haben früher die Republikaner, die Statt-Partei, die Linke im Westen oder auch die Piraten geschafft, was ihren kometenhaften Aufstieg bei einzelnen Wahlen erklärt. Ein solcher Achtungserfolg bedeutet aber noch lange nicht, dass damit eine dauerhafte Etablierung verbunden ist, auch wenn die kommende Europawahl grundsätzlich eine gute Plattform für den nächsten Wahlerfolg der AfD bieten könnte.
Wahlergebnis
Im Gegensatz zu 2009 brachte die Bundestagswahl 2013 Zuwächse für die beiden großen Parteien und Einbußen für FDP, Linke und Grüne – wenn auch bei Gewinnern und Verlierern jeweils in sehr unterschiedlicher Höhe. Während die CDU/CSU (41,5%) mit 7,7 Prozentpunkten die größten Zugewinne seit 1953 und erstmals seit 1994 wieder ein Ergebnis von mehr als 40% erzielen konnte, erholte sich die SPD nach ihrem Rekordeinbruch von 2009 zwar leicht, blieb aber mit 25,7% weit hinter ihren Erwartungen zurück. Und nachdem sowohl Linke, Grüne als auch FDP vor vier Jahren ihre jeweils besten Resultate verbuchen konnten, fielen Erstere mit 8,6% beziehungsweise 8,4% auf ihr Niveau von 2005 zurück, und Letztere (4,8%) scheiterte mit fast zweistelligen Verlusten erstmals bei einer Bundestagswahl an der Fünfprozenthürde. Die AfD (4,7%) verpasste nur knapp den Einzug in den Deutschen Bundestag, während die Piratenpartei fast unverändert zu 2009 auf lediglich 2,2% kam.
Insgesamt entfielen fast 16% der abgegebenen Stimmen auf Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind – so viel wie bisher noch nie. Aufgrund des neuen Sitzzuteilungsverfahrens wurde im Vorfeld mit einer starken Aufblähung des Bundestags gerechnet. Angesichts dieser Erwartungshaltung fällt die Gesamtgröße, bei einer regulären Sitzzahl von 598, mit jetzt 631 Mandaten eher moderat aus. Zum Vergleich: 2009 zogen 622 Abgeordnete in den Bundestag ein. Aufgrund überhängender Landeslisten beträgt die Mindestsitzzahl jetzt 602, und der Ausgleich nach Zweitstimmen erfordert zusätzliche 29 Mandate. CDU (255) und CSU (56) fehlen mit insgesamt 311 Mandaten, darunter 236 der insgesamt 299 Direktmandate, nur fünf Sitze zur absoluten Mehrheit. Die SPD zieht mit 193 (58 Direktmandate) Abgeordneten ins Parlament ein, die Linke mit 64, darunter nur noch vier Direktmandate, nachdem sie 2009 noch 16 Wahlkreise geholt hatte, und die Grünen mit 63 Abgeordneten (ein Direktmandat).
Trotz breit angelegter wahlbegleitender Projekte und Kampagnen stieg die Wahlbeteiligung, die 2009 einen Tiefstwert erreicht hatte, nur minimal auf 71,5% an. Auch wenn die Beteiligungsrate im Osten mit 67,6% (2009: 64,7%) weiterhin geringer ausfällt als im Westen (72,4%; 2009: 72,2%), ist dieses Gesamt-Plus fast ausschließlich den östlichen Bundesländern geschuldet. In den westlichen Bundesländern war die Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Hessen, Bayern und dem Saarland sogar rückläufig.
Zum Teil große Unterschiede gibt es auch beim Ergebnis der einzelnen Parteien in West und Ost, insbesondere natürlich bei der Linken. Im Westen nur bei gut über 5%, liegt sie im Osten, trotz jeweils deutlicher Verluste, in allen Ländern bei gut 20%. Die SPD bleibt im Osten unverändert historisch schwach und kommt im Westen – aus dem allein ihre Zugewinne resultieren – jetzt auf ein fast zehn Prozentpunkte besseres Ergebnis als in den ostdeutschen Bundesländern. Dagegen verringert sich der West-Vorsprung der Grünen, bei höheren Verlusten in West als in Ost, im Vergleich zur Vorwahl geringfügig. Auch die FDP fährt im Westen nominal höhere Verluste ein als im Osten, schrumpft damit in den westlichen Ländern auf ein Drittel ihres Vorwahlergebnisses, in den östlichen aber auf ein Viertel, womit sie in Ersteren knapp über der Fünfprozenthürde bleibt, diese in Letzteren aber deutlich verfehlt. Im Gegensatz dazu schneidet die AfD im Osten mit 5,9% besser ab als im Westen mit 4,5%. Die relativ geringsten West-Ost-Differenzen zeigen sich bei der CDU/CSU, die mit 42,2% (Westen) und 38,5% (Osten) in beiden Landesteilen bei ähnlich großen Zuwächsen mit deutlichem Abstand stärkste Partei wird. Der Anteil der sonstigen Parteien fällt, ähnlich wie 2009, im Osten etwas höher aus als im Westen.
Im Detail und zusätzlich mit Nord-Süd-Perspektive sind das überdurchschnittliche Abschneiden der SPD in den nördlichen sowie umgekehrt die traditionell besseren Ergebnisse der Union in den südlichen Bundesländern hervorzuheben. So kommt die SPD in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen auf über 30%, daneben auch in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. In den beiden Stadtstaaten liegt sie damit vor der CDU. Ihre größten Gewinne hat die SPD mit einem Plus von 6,3 Prozentpunkten im Saarland, während die Linke hier, nach dem bundespolitischen Rückzug ihres früheren Vorsitzenden Oskar Lafontaine, zweistellig einbricht. Dennoch kommt die Linke im kleinsten Flächenstaat auf 10,0% und erzielt damit hier und in Bremen (10,1%) ihre besten Resultate im Westen. Am schwächsten bleibt sie, mit Ergebnissen unter 5%, in Bayern und Baden-Württemberg. Im Osten unterscheiden sich die Ergebnisse für die Linke nur wenig, an der Spitze liegt weiterhin Sachsen-Anhalt mit 23,9%, obwohl sie hier überdurchschnittlich einbüßt.
Die Union ist, trotz leicht unterdurchschnittlicher Zuwächse, erneut in Bayern mit 49,3% am erfolgreichsten. Aber auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schneidet sie besser ab als in den westlichen Bundesländern insgesamt, bei weit überdurchschnittlichen Gewinnen im Südwesten. Zweistellig zulegen kann die CDU auch in Brandenburg, wo die SPD gegen den Trend verliert, sowie in Sachsen-Anhalt. In beiden Ländern wird sie, anders als 2009, stärkste Kraft vor der Linken. Neben Sachsen-Anhalt kommt die CDU in den östlichen Bundesländern auch in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auf über 40%.
Besonders herbe Verluste von fast 13 Punkten verzeichnet die FDP in Baden-Württemberg, trotzdem bleibt sie hier aber mit 6,2% am relativ erfolgreichsten, während sie in den westdeutschen Bundesländern im Saarland, in Bremen sowie in Hamburg und Niedersachsen bei unter 5% landet. Die Grünen erreichen in Baden-Württemberg, dem Bundesland mit dem ersten grünen Ministerpräsidenten, ein Ergebnis deutlich über ihrem Bundesschnitt. Überdurchschnittlich viel Unterstützung erfahren die Grünen auch in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie in Berlin, wo sie jeweils auf über 12% kommen. Die AfD, im Westen nur in Hessen, Baden-Württemberg und im Saarland bei über 5%, erreicht ihre besten Ergebnisse in Sachsen, Thüringen und Brandenburg mit jeweils über 6,0%. In Sachsen und Thüringen kann erneut die NPD mit Ergebnissen über 3% Erfolge verbuchen.
Parteien und Sozialstruktur
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 2009 sind im Wahljahr 2013 nur noch partiell auszumachen. Vor allem die Union und die Grünen schneiden erneut bei den Frauen etwas besser ab. Die Union kommt bei den Frauen auf 44% und bei den Männern auf 39%, und kann in beiden Gruppen gleichermaßen (plus 8) zulegen. Die Grünen erreichen bei den Frauen 10% und bei den Männern 7%. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Grünen sind lediglich auf die westlichen Bundesländer zurückzuführen. Die SPD kommt 2013 bei Wählerinnen mit 24% auf ein unterdurchschnittliches Ergebnis und schneidet bei den Männern mit 27% etwas besser ab. Bei der Wahl 2009 erhielten die FDP und die Linke von Männern noch deutlich höhere Unterstützung als von Frauen. 2013 trifft dies nicht mehr zu. Die AfD wurde von Männern mit 6% etwas häufiger gewählt als von Frauen mit 4%. Größere Unterschiede im Wahlverhalten sind weiterhin zwischen jüngeren und älteren Wählerinnen auszumachen, und nach wie vor wird die Wahlentscheidung vom formalen Bildungsgrad beeinflusst.
Bei der Union, die zu längst vergangen geglaubter Volksparteistärke zurückgefunden hat, ist vor allem die Frage interessant, bei welchen Bevölkerungsgruppen sie Wähler dazugewinnen konnte. Hat sie es geschafft, in Analogie zum Begriff der Volkspartei, auch quer durch die Bevölkerung gewählt zu werden? Bei der Union gab es bei den letzten Landtags- wie auch Bundestagswahlen ein eindeutiges altersspezifisches Wählermuster. Die CDU/CSU erzielte ihre besten Ergebnisse bei älteren Wählern, ihre schlechtesten, von alt nach jung linear abfallend, bei den Jungen. Dies ist auch bei der Bundestagswahl 2013 der Fall, jedoch mit dem Unterschied, dass die Diskrepanz zu den unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern deutlich abgenommen hat. Die Union schneidet zwar wie gewohnt sowohl gesamtdeutsch mit 49% (plus 7), als auch in Ost (42%, plus 9) und West (50%, plus 6), bei den über 60-Jährigen am besten ab. Aber auch bei den jüngeren Altersgruppen hat sie gegenüber 2009 Zugewinne. Bei den unter 30-Jährigen erhält sie mit 34% der Zweitstimmen (Ost 31%, West 34%, jeweils plus 7) zwar das schlechteste Ergebnis, kann aber auch in dieser jüngsten Wählergruppe 7 Punkte zulegen. Bei den 30- bis 44-Jährigen kommt sie insgesamt auf 41% (plus 8) und kann in dieser Alterskategorie vor allem erneut im Osten (39%, plus 10), aber auch im Westen (41%, plus 8) dazugewinnen. Bei den 45- bis 59-Jährigen erreicht die Union gesamtdeutsch 39% (plus 8). Betrachtet man zusätzlich zum Alter noch den formalen Bildungsgrad, so schneidet die Union bei den über 35-Jährigen mit Hauptschulabschluss mit 47% am besten ab. Generell sinkt der Anteil der Union mit steigendem formalem Bildungsgrad der Wähler. So kommt die Union bei der großen Gruppe mit Hauptschulabschluss auf einen Zweitstimmenanteil von 46%, bei den Wählern mit mittlerer Reife erreicht sie 43%, während sie bei der Gruppe mit Hochschulreife beziehungsweise Hochschulabschluss lediglich 39% beziehungsweise 37% erhält.
Bei der SPD gab es bei den gesamtdeutschen Bundestagswahlen vor 2009 kaum altersspezifische Unterschiede. 2009 hatte die SPD erhebliche Verluste vor allem bei den unter 30-Jährigen und erzielte, wie die Union, bei den über 60-Jährigen ihr bestes Ergebnis. Das unterschiedliche Abschneiden in den Altersgruppen hat sich bei dieser Wahl im Vergleich zu 2009 wieder etwas relativiert. Bei den unter 30-Jährigen kann die SPD am meisten dazugewinnen und erreicht nun 24% (plus 7), wobei die Zugewinne bei den jungen Wählern im Westen (25%, plus 8), und da mehr bei den jungen Männern (27%, plus 10) als bei den jungen Frauen (23%, plus 5), deutlicher ausfallen als bei denjenigen im Osten (17%, plus 3). In den mittleren Altersgruppen hat sie gesamtdeutsch nur geringe Zugewinne und kommt bei den 30- bis 44-Jährigen auf 22% (plus 2) und bei den 45- bis 59-Jährigen auf 27% (plus 3). Die SPD erzielt, wie auch 2009, bei den über 60-Jährigen sowohl gesamtdeutsch mit 29% als auch in Ost (20%, minus 6) und West (30%, plus 1) ihr bestes Ergebnis. Die Unterschiede in den Bildungsgruppen fallen im Vergleich zu 2009 moderater aus, dennoch nimmt die Zustimmung zur SPD, wie auch zur CDU/CSU, mit steigendem Bildungsgrad ab. So kommen die Sozialdemokraten bei den Hauptschulabsolventen auf überdurchschnittliche 30% (plus 2), während sie mit 25% (plus 3) bei den Wählern mit mittlerer Reife, mit 24% (plus 4) bei den Wählern mit Abitur und mit 23% (plus 3) bei den Hochschulabsolventen unter ihrem Gesamtergebnis bleibt. Die abnehmende Anteilsstärke der SPD bei zunehmendem Bildungsgrad ist auf den Westen zurückzuführen. In den östlichen Bundesländern gibt es kaum Bildungsunterschiede, und den höchsten Anteil erhält die SPD dort unter Wählern mit Hochschulabschluss.
Bei der Linken bestehen bei gesamtdeutscher Betrachtung keine nennenswerten Alters-, Geschlechts- oder Bildungsunterschiede. Lediglich in den ostdeutschen Bundesländern wird die Wahlentscheidung zugunsten der Linken weiterhin noch maßgeblich vom Alter beeinflusst. Auch bei dieser Bundestagswahl steigt der Zweitstimmenanteil der Linken in Ostdeutschland mit zunehmendem Alter. Die Linke erreicht dort mit 16% (minus 7) bei den unter 30-Jährigen ihren geringsten Anteil, bei den 30- bis 44-Jährigen und 45- bis 59-Jährigen kommt sie auf 19% (minus 8) und 24% (minus 10). Bei den über 60-Jährigen erreicht sie mit 27% (minus 1) ihren höchsten Anteil und hat die niedrigsten Verluste zu verzeichnen. Weiterhin hat die Linke die geringste Unterstützung bei jungen ostdeutschen Wählerinnen und Wählern mit hohem Bildungsgrad, während es bei Wählern ab 35 Jahren kaum Bildungsunterschiede gibt.
Die Grünen werden traditionell häufiger von Frauen gewählt. Auch bei dieser Wahl schneiden sie mit 10% (minus 3) bei Wählerinnen besser ab als bei Wählern mit 7% (minus 2). Allerdings haben sie bei den Frauen, und darunter vor allem bei Frauen unter 30 Jahren, auch die höchsten Verluste. Trotz Einbußen bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern gibt es erneut deutliche Altersunterschiede in der Wählerschaft der Grünen. So lässt sich wiederholt eine klare Linie zwischen Wählerinnen und Wählern unter beziehungsweise über 60 Jahren ziehen. In den Altersgruppen unter 60 Jahren kommen die Grünen auf 10%, während sie bei den über 60-Jährigen mit 4% (minus 1) am schlechtesten abschneiden. Diese Altersgrenze lässt sich für West und Ost nachzeichnen. Die Grünen schneiden, trotz höchster Verluste, bei den unter 30-jährigen Frauen mit 13% (minus 5) am besten ab, bei den gleichaltrigen Männern erreichen sie lediglich 8% (minus 3). Bei den Grünen existieren auch 2013 die deutlichsten Bildungsunterschiede. Die Grünen erreichen bei den formal höher Gebildeten ihr bestes Ergebnis, sowohl in West wie in Ost. Bei den Hochschulabsolventen kommen sie trotz Verlusten noch auf überdurchschnittliche 15% (minus 3), bei Wählerinnen und Wählern mit Hochschulreife auf einen Anteil von 12% (minus 4). Bei Wählerinnen und Wählern mit mittlerem Bildungsgrad erzielen sie nur noch 6% (minus 3) und in der Gruppe mit Hauptschulabschluss lediglich 4% (minus 1).
Die FDP hat im Wahljahr 2013 die größten Verluste bei den unter 45-jährigen Wählerinnen und Wählern, also bei den Jungen und der Gruppe mittleren Alters, bei denen sie 2009 deutlich besser abschneiden konnte als bei den Älteren. Bei den unter 30-Jährigen und bei den 30- bis 44-Jährigen erreicht sie jetzt jeweils 5% der Stimmen (je minus 12). Im Wahljahr 2013 bestehen keine nennenswerten Alters- und Geschlechtsunterschiede mehr im Wahlverhalten zugunsten der FDP. Geringe Bildungsunterschiede bei der Wählerschaft bleiben allerdings erhalten. Bei Wählerinnen und Wählern mit formal höherem Bildungsgrad konnte die FDP etwas besser abschneiden.
Das Parteiensystem der Bundesrepublik und die interessenpolitischen Ausrichtungen der beiden großen Parteien konnten bis in die 1980er Jahre hinein noch relativ stabile politische Loyalitäten zu Wählergruppen auslösen. Die Bindungen zwischen kirchlich gebundenen Katholiken und der Union sowie gewerkschaftlich organisierten Arbeitern und der SPD waren in den westlichen Bundesländern historisch geprägt und jahrzehntelang von großer Bedeutung. Quantitativ spielen beide Wählergruppen innerhalb des Elektorats nunmehr eine immer geringere Rolle.
Nachdem die SPD 2002 und 2005 innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen unter den Arbeitern noch ihr bestes Ergebnis erzielen konnte (44% und 37%), hatte sie bei der Bundestagswahl 2009 auch bei dieser Berufsgruppe ihren Tiefpunkt und wurde nur von einem Viertel der Arbeiter (25%) gewählt (vgl. Tabelle in der PDF-Version). Erstmals wurde die Union im Jahr 2009 unter den Arbeitern stärkste Partei, auch die Linke konnte auf 16% zulegen und selbst die FDP kam auf 13%. Auch im Wahljahr 2013 schafft die Union bei den Arbeitern noch einen weiteren Zuwachs von 7 Prozentpunkten und erfährt mit 38% die meiste Unterstützung. Die SPD kann bei den Arbeitern zwar wieder etwas Boden gutmachen, bleibt aber erneut mit 30% (plus 5) auf dem zweiten Platz. Die Linke kann mit 12% (minus 5) nicht mehr an die hohe Unterstützung von 2009 anknüpfen und die FDP bekommt nur noch 3% (minus 10). Die Union ist nun sowohl in den westlichen wie auch in den östlichen Bundesländern bei den Arbeitern stärkste Partei (West 38%, plus 6; Ost 36%, plus 8). Die Linke wird in Ostdeutschland bei den Arbeitern mit 26% (minus 6) nur noch zweitstärkste Partei. Die SPD verbessert sich nur unwesentlich und bleibt bei ostdeutschen Arbeitern mit 18% (plus 1) schwach. Unter westdeutschen Arbeitern erfährt die SPD im Vergleich zu 2009 mehr Unterstützung und kommt auf 33% (plus 6).
Betrachtet man zusätzlich zur beruflichen Stellung noch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, so kann die SPD unter Gewerkschaftsmitgliedern in Westdeutschland mit 39% (plus 3) im Vergleich zu 2009 wieder etwas zulegen und wird stärkste Partei, aber die Union kann in dieser Gruppe deutlich mehr hinzugewinnen und kommt auf 32% (plus 8). An die Ergebnisse der Wahlen 2002 (52%) und 2005 (50%), bei denen die Hälfte ihrer Stammwählerschaft noch erreicht werden konnte, kann die SPD auch 2013 nicht mehr anknüpfen. Unter gewerkschaftlich organisierten Arbeitern im Westen kann sich die SPD im Vergleich zu 2009 mit 43% (plus 6) nun etwas verbessern. Die Union bleibt zwar mit 31% (plus 7) deutlich dahinter, kann aber auch in dieser Wählergruppe geringfügig mehr zulegen als die Sozialdemokraten. Der Linken, die 2009 deutlich vom angespannten Verhältnis zwischen den Gewerkschaften und der SPD profitieren konnte, gelingt es nicht mehr, eine ähnlich große Unterstützung wie bei der Bundestagswahl 2009 zu generieren. Sie erhält bei westdeutschen gewerkschaftlich organisierten Arbeitern nur noch 8% (minus 7) der Stimmen, bei den relativ wenigen gewerkschaftlich organisierten ostdeutschen Arbeitern kommt die Linke unverändert auf 32% und landet auf Augenhöhe mit der Union (32%, plus 5). Die SPD kommt hier nur auf 21% (minus 2). Die vor Jahren noch selbstverständliche Allianz zwischen gewerkschaftlich organisierten Arbeitern und der SPD, als eine deren Interessen artikulierende Partei, gehört offenbar immer mehr der Vergangenheit an. Der Versuch der SPD, im Wahlkampf 2013 wieder vermehrt den thematischen Schulterschluss mit den Gewerkschaften zu suchen und mit Klaus Wiesehügel einen Gewerkschaftsvorsitzenden und Agenda 2010-Gegner ins Schattenkabinett Steinbrück zu berufen, hat weit weniger gefruchtet als erwartet.
In den beiden großen und auch recht heterogenen Gruppen der Angestellten und Beamten erzielten die Parteien auch bei dieser Wahl nur wenig vom Gesamtergebnis abweichende Resultate. Bei den Selbstständigen, die 2009 noch mit 24% überdurchschnittlich stark die FDP unterstützten, kann die Union offenbar bei dieser Wahl von den jetzigen Verlusten der Liberalen profitieren. Sie wird mit 48% (plus 12) stärkste Partei, aber auch die FDP erreicht bei dieser Berufsgruppe mit 10% (minus 14) noch ein überdurchschnittliches Ergebnis. Die Linke wurde 2009 von einem Drittel der arbeitssuchenden Wählerinnen und Wähler unterstützt. Auch bei dieser Wahl kann die Linke bei dieser Wählergruppe mit 21% (minus 11) ein stark überdurchschnittliches Ergebnis einfahren, hat aber Einbußen. Zulegen können die Union (22%, plus 6) und die SPD (25%, plus 6), die jetzt beide vor der Linken liegen. Die AfD kommt in dieser Gruppe auf 7%. In Ostdeutschland wird die Linke noch von 35% (minus 9) der Arbeitssuchenden gewählt, die Union kommt auf 24% (plus 7) und die SPD mit 16% (plus 2) nur auf Platz drei.
Bei Auszubildenden und Studierenden können Union (30%, plus 6) und SPD (25%, plus 7) gleichermaßen zulegen. Vor allem die SPD verlor bei der Wahl 2009 in dieser Wählergruppe massiv an Unterstützung, und die Grünen hatten ein Rekordergebnis von 19%, was sie 2013 nicht wiederholen können. Dennoch können die Grünen erneut mit 13% (minus 6) bei diesen noch relativ jungen Wählerinnen und Wählern ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielen. Bei den ostdeutschen Auszubildenden und Studierenden kann hauptsächlich die Union mit 31% (plus 11) im Vergleich zu 2009 zulegen. Die SPD kann mit 16% (plus 2) geringfügig dazugewinnen, bleibt aber bei den jungen Wählerinnen und Wählern in Ostdeutschland hinter der Linken zurück, die trotz Verlusten 21% (minus 6) der Zweitstimmen erzielen kann.
Konfessionsunterschiede, aber vor allem die Stärke der Kirchenbindung spielen beim Wahlverhalten weiterhin eine große Rolle. Bei einer zwar über die Zeit in beiden Konfessionen deutlich abnehmenden Kirchenbindung zeigt sich weiterhin eine klare Tendenz der kirchlich gebundenen Katholiken zugunsten der Union: So wählen mehr als die Hälfte der westdeutschen Katholiken (53%, plus 9) die Union. Bei Katholiken mit Kirchenbindung kommt sie sogar auf beachtliche 72% (plus 5). Die SPD schafft in dieser Gruppe wiederholt nur 12%. Diese treue Anhängerschaft der Union verliert jedoch immer mehr an Bedeutung, da der Anteil der Katholiken mit starker Kirchenbindung stetig sinkt. Die SPD büßte bereits 2009 ihren Vorsprung bei den Protestanten ein und kommt nun auf 32% (plus 4), die Union wird erneut mit 40% (plus 8) auch hier stärkste Partei. Bei den westdeutschen Konfessionslosen sind Union (30%, plus 9) und SPD (29%, plus 5) nun auf Augenhöhe, jedoch erzielen die Grünen (13%, minus 3) und die Linke (10%, minus 3) bei dieser Gruppe überdurchschnittliche Zweitstimmenanteile. In den neuen Bundesländern ist die Union erstmals unter den Konfessionslosen mit 32% (plus 8) stärkste Partei und löst die Linke ab, die mit 27% (minus 7) zweitstärkste Partei wird.
Fazit und Ausblick
Auch bei dieser Bundestagswahl sind beim Wahlverhalten Alters- und vor allem Bildungsunterschiede erkennbar ausgeprägt, während der Einfluss der beruflichen Stellung auf das Wahlverhalten nur noch in geringem Maße auszumachen ist. Die Intensität und das Ausmaß langfristiger Bindungen sozialer Gruppen und Berufsgruppen an Parteien haben schon seit Jahren stetig an Relevanz verloren. Lediglich die Katholiken mit Kirchenbindung weisen konstant eine starke Affinität zur Union auf. Das Abschneiden der Parteien wird daher zunehmend von einer Mehrheit von hoch volatilen Wählern bestimmt, die über keine langfristige Bindung an eine bestimmte Partei verfügen. Ein großer Teil der Wählerschaft weist ein hohes Maß an instrumentell-pragmatischen Einstellungen gegenüber politischen Prozessen auf und entscheidet sich von Wahl zu Wahl aufs Neue, bei welcher Partei das Kreuz gemacht wird. Die Wahlentscheidung erscheint daher seit den 1980er Jahren in abnehmendem Maße von der sozialen Lage der Wählerinnen und Wähler beeinflusst.
Zusammenfassend hat es die Union bei der Bundestagswahl 2013 geschafft, ihre Wählerbasis auf alle sozialstrukturellen Wählergruppen auszuweiten. Sie wurde alters-, geschlechts- und schichtübergreifend gewählt und verhilft damit dem bereits überholt geglaubten analytischen Begriff der "Volkspartei" zu einer Art Renaissance. Die SPD schafft es zwar in einigen Gruppen, in denen sie 2009 sehr viel Ansehen einbüßte, wieder etwas aufzuholen, dennoch gelingt es der Union, selbst bei traditionellen SPD-Wählergruppen mehr zuzulegen als die Sozialdemokraten.
Nach 2005 kommt es jetzt wahrscheinlich wieder zu einer Großen Koalition. Dies ist die Folge der antiquierten Struktur unseres Parteiensystems, das nach wie vor durch die ideologischen Denkmuster des 19. Jahrhunderts geprägt ist und die politische Landschaft in ein linkes und ein bürgerliches Lager, die ungefähr gleich stark sind, unterteilt. Inzwischen hat sich unsere Gesellschaft aber nachhaltig entideologisiert und ist extrem mittig ausgerichtet. So finden sich inzwischen gut 60% der Wahlberechtigten auf den drei mittleren Ausprägungen einer elfstufigen Links-Rechts-Skala wieder. Dazu ist die Grundorientierung der Parteien nicht mehr kompatibel, weil diese durch Koalitionsbildung immer wieder versuchen, die Mitte zu teilen und die klassischen Lager zu erhalten, die Wähler also entweder ins linke oder ins bürgerliche Lager zu ziehen.
Dagegen wehren sich die Wähler der Mitte. Sie sind für ein entschiedenes Sowohl-als-auch, plädieren für ökonomischen Wohlstand auf der Basis von marktwirtschaftlich ausgerichteter Leistungsbelohnung und gleichzeitig für ausgeprägte soziale Sicherheit. Ersteres bietet ihnen eher das bürgerliche Lager an, Letzteres eher das linke. Zusammen bekommen das die Wähler aber nur, wenn die randständigen Protagonisten der beiden Lager, die Linke und die FDP, vor der Tür bleiben, und die gemäßigteren Vertreter, Union und SPD, gegebenenfalls auch die Grünen, durch Wählervotum in eine Regierungszusammenarbeit gezwungen werden.
Sollte eine Vereinbarung zur Bildung einer Großen Koalition zustande kommen und diese nicht an der SPD-Basis scheitern, ist damit allerdings noch lange nicht ausgemacht, dass das Regierungsbündnis bis zum nächsten regulären Wahltermin Bestand haben wird. Im Parlament gibt es eine knappe rot-rot-grüne Mehrheit. Das selbstverordnete SPD-Koalitionsverbot mit der Linken galt vor allem für die unmittelbare Nachwahlphase. Zu verlockend kann es für die SPD werden, im Laufe der Legislaturperiode eine inhaltliche Differenz mit der Union zu einer grundsätzlichen Infragestellung der Zusammenarbeit eskalieren zu lassen, um dann einen wirklichen Politikwechsel mit der Linken herbeizuführen, den die große Mehrheit der Wähler so aber ganz sicher am 22. September nicht gewollt hat.
Die Daten des Beitrags beruhen auf Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen im unmittelbaren Umfeld der Bundestagswahl.