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Transnationale Organisierte Kriminalität | Organisierte Kriminalität | bpb.de

Organisierte Kriminalität Editorial Was ist "Organisierte Kriminalität"? Strategien zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität Transnationale Organisierte Kriminalität Finanzindustrie oder Organisierte Kriminalität? Cybercrime: Lukratives Geschäft für die Organisierte Kriminalität Frauen in den italienischen Mafias Living in the Moral Never Never Land – Organisiertes Verbrechen in Film und Serie

Transnationale Organisierte Kriminalität

Thomas Jäger

/ 15 Minuten zu lesen

Organisierte Kriminalität ist so alt wie die Menschheit. Dass sich mehrere Personen verabreden, mittels Gewalt oder durch anderes brutales oder illegales Vorgehen, wirtschaftliche Werte oder politischen Einfluss zu erlangen, lässt sich weit in die Geschichte zurückverfolgen. Das Phänomen wurde aber durch die gesellschaftlichen Entwicklungen einerseits, seine zunehmend differenzierte juristische, soziologische, politikwissenschaftliche und ökonomische Betrachtung andererseits unter immer neuen und detaillierten Gesichtspunkten untersucht, sodass sich die Definition dessen, was unter Organisierter Kriminalität zu verstehen ist, im Laufe der Geschichte stark verändert hat. Dies hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass entsprechend regionaler und kultureller Unterschiede verschiedene Formen von Organisierter Kriminalität entstanden sind. Einer immer detaillierteren und konkreteren legalen Definition korrespondiert somit eine zunehmend allgemeine, die unterschiedlichen kulturellen Erscheinungen umschließende Benennung der Vorgänge, die als Organisierte Kriminalität bezeichnet werden. Im ersten Abschnitt ist deshalb zu definieren, was unter Organisierter Kriminalität zu verstehen ist.

Jedes Vorgehen, also auch das kriminelle Tun, ist territorial und lokal. Selbst die scheinbar im Nichts stattfindenden Cyberhandlungen – hier vor allem die Cyberkriminalität, aber auch andere Formen von Cyberaktionen – finden territorial und lokal statt, weil irgendwo Kabel in der Erde verlaufen, auf der nationale Grenzen gezogen sind. So sind auch Handlungen der Organisierten Kriminalität immer territorial und lokal – seien es Menschenhandel, Drogenverkauf oder Erpressungen.

Im Zuge der zunehmenden Transnationalisierung der Welt, also insbesondere seit den 1960er Jahren, wurden viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens von diesem Prozess erfasst. Die Organisierte Kriminalität bildet hier keine Ausnahme. Transnationalisierung bezeichnet den Prozess, in dem Gruppen über eine gewisse Zeit stabile Beziehungen eingehen, die in mehreren staatlich organisierten Gesellschaften stattfinden, aber staatliche Akteure nicht direkt beteiligen. Diese Entwicklung bezeichnet die Emanzipation der Gesellschaften aus der umfassenden staatlichen Kontrolle, wenn multinationale Konzerne ebenso wie Nichtregierungsorganisationen eigene, den internationalen Beziehungen der Staaten korrespondierende Beziehungen eingehen. Begleitet wird dieser Prozess vom fortwährenden Versuch der Behörden, die verlorene Kontrolle – beispielsweise über engmaschige Grenzkontrollen – auf anderem Weg wiederzuerlangen. Die Organisation, Arbeit und Bedeutung von Gruppen wie Amnesty International (ein Beispiel für eine transnationale Organisation) wird durch die Transnationalisierung grundlegend verändert. Das gilt auch für die Organisierte Kriminalität, die unter den Bedingungen der Transnationalisierung anders aufgestellt ist als in den Jahren zuvor – und vielleicht anders als es in einer Welt der umfassenden Digitalisierung der Fall sein wird. Im zweiten Schritt ist deshalb genauer zu erfassen, was das Transnationale der Transnationalen Organisierten Kriminalität ausmacht.

Transnationale Organisierte Kriminalität (TOK) entwickelt ihre jeweilige konkrete Gestalt unter den unterschiedlichen Umständen, die das jeweilige gesellschaftliche und staatliche Leben prägen. Deshalb ist ein Blick darauf sinnvoll, welche Entwicklungen und Umweltbedingungen Transnationale Organisierte Kriminalität eher fördern als andere. Die spezifischen Bereiche, in denen TOK-Gruppen agieren, werden anschließend beschrieben, um ein umfassendes Bild ihrer unterschiedlichen Handlungsfeldern zu zeichnen. Diese Tätigkeiten spiegeln einerseits generelle Tendenzen krimineller Handlungen, fokussieren andererseits jedoch die besonderen Ressourcen und Mittel der TOK-Gruppen. Die Verzahnung sehr unterschiedlicher Handlungsfelder kann der Transnationale Organisierte Kriminalität spezifische Formen des Vorgehens eröffnen. Dass sie dabei immer häufiger in einem Atemzug mit Terrorismus genannt wird, wird am Ende thematisiert.

Was ist Transnationale Organisierte Kriminalität?

Die unterschiedlichen regionalen und kulturellen Herkünfte sowie verschiedene Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität spiegeln sich in der Geschichte dieses Begriffes wider. Dabei werden voneinander abweichende, mit der Benennung verbundene, politische Interessen ebenso deutlich wie die Verschiebung von der lokalen, insbesondere städtischen Gefahr hin zu einem von außen kommenden, schließlich transnationalen Phänomen. Diese Sichtweise setzte sich in den 1990er Jahren durch.

Neben der Bewertung, dass das Organisierte Verbrechen eine Projektion ist und durch die Zusammenschau verschiedener Handlungen erst entsteht, gibt es auch andere, nämlich politische Argumente dagegen, sich auf eine detaillierte Definition einzulassen. Denn diese schränkt selbstverständlich die unter Organisierter Kriminalität und Transnationaler Organisierter Kriminalität zu erfassenden Sachverhalte ein und einmal gefundene Festlegungen lassen sich aus politischen, aber auch aus organisationspraktischen Gründen nur schwer ändern. Die Beschäftigung mit Transnationaler Organisierter Kriminalität erfordert deshalb, die unterschiedlichen Verständnisse und Schwerpunkte des Phänomens in zumindest einigen relevanten Staaten und internationalen Organisationen zu berücksichtigen, weil ein gemeinsames Verständnis von Transnationaler Organisierter Kriminalität nicht nur für die Kommunikation von Bedeutung ist, sondern das Handeln der entsprechenden Behörden konkret anleitet.

Das Bundeskriminalamt verwendet für die Lagebilder "Organisierte Kriminalität" die Arbeitsdefinition, die 1990 von der AG Justiz/Polizei verabschiedet wurde. Darin heißt es: "Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere und unbestimmte Dauer arbeitsteilig

  1. unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,

  2. unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder

  3. unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken."

Die Europäische Union hat sich im Zuge des "Kampfes gegen den Terrorismus" seit 2001 auch verstärkt mit der Organisierten Kriminalität befasst, die mit dem Terrorismus verbunden, jedoch auch als eigenständige Gefahr betrachtet wird. Dabei stellte die EU-Kommission 2005 fest, dass es schwer sei, sich auf eine gemeinsame Definition von Organisierter Kriminalität zu einigen.Die Europäische Union geht in ihrer strategischen Analyse Organisierter Kriminalität davon aus, dass die Transnationale Organisierte Kriminalität ein polykriminelles und schwer zu fassenden Phänomen sei, das zunehmend unterschiedlich in Methoden, Gruppenstrukturen und Wirkung auf die Gesellschaften auftrete.

Die USA betrachten Transnationale Organisierte Kriminalität als ein Phänomen, das aufgrund der Offenheit internationaler Strukturen kriminelle Gruppen aus anderen Regionen der Welt in die Lage versetzt, in den USA selbst kriminelle Handlungen vorzunehmen. Da diese sehr unterschiedliche Formen annehmen können, beschränkt sich das FBI auf eine Zusammenstellung der Herausforderungen einerseits und arbeitet dabei mit einer sehr engen Definition Organisierter Kriminalität, die nur das Ziel, durch illegale Aktivitäten Geld zu erlangen, berücksichtigt. Dazu müssen die Gruppen irgendwie organisiert sein, Gewalt oder korrumpierenden Einfluss nehmen und lokal von Bedeutung sein.

Das US-amerikanische Justizministerium geht darüber hinaus und sieht für die Transnationale Organisierte Kriminalität folgende Ziele als relevant an: Macht zu erlangen, Einfluss auszubauen, finanzielle und wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Hierfür werden von Gruppen illegale und nach außen verdeckte Mittel angewandt.

Die Vereinten Nationen gehen in der "United Nations Convention Against Transnational Organized Crime" (2000) immer dann davon aus, dass Transnationale Organisierte Kriminalität vorliegt,

  1. wenn das Verbrechen in mehr als einem Staat begangen wurde,

  2. wenn es in einem Staat begangen wurde, ein großer Teil der Vorbereitung, Planung und Kontrolle aber in einem anderen Staat durchgeführt wurde,

  3. wenn das Verbrechen in einem Staat ausgeübt wurde, aber in Verbindung mit einer anderen kriminellen Gruppe, die kriminelle Aktivitäten in mehr als einem Staat ausübt, steht,

  4. wenn das Verbrechen in einem Staat begangen wurde, aber erhebliche Folgen auch auf andere Staaten aufweist.

Es gibt international also eine Reihe von identischen Definitionskriterien, ohne dass sich die Regierungen auf eine gemeinsame und einheitliche Definition von Transnationaler Organisierter Kriminalität haben einigen können.

Transnationalisierung

Schon immer haben Händler grenzüberschreitende, auch über die Zeit stabile Beziehungen aufgebaut, sodass es transnationale Beziehungen schon länger gibt. Dies reicht weiter zurück als die weltweite Durchsetzung des europäischen Staatenmodells, mit dessen globaler Etablierung internationale Beziehungen eigentlich erst entstanden. Den stabilen, längere Zeit andauernden Beziehungen zwischen Staaten – den internationalen Beziehungen –, werden heute die transnationalen Beziehungen als die Beziehungen nicht-staatlicher Akteure gegenübergestellt. Sie stehen also erst einmal für die Emanzipation und Selbstorganisation gesellschaftlicher Gruppen und bezeichnen eine Entwicklung, in der nicht die Staaten, als Herren über und Auslöser von Kriegen, sondern die Gesellschaften als Träger unterschiedlicher, aber miteinander vereinbarer Interessen, die weltweiten Entwicklungen prägen.

Transnationalisierung ist also ein Prozess, in dem Regeln auf friedlicher Basis die kriegerische Auseinandersetzung zwischen Staaten ablösen sollen und in dem Gewalt aus den internationalen Beziehungen verdrängt wird, weil sie nicht im Interesse derjenigen liegt, die letztlich dafür aufkommen müssen: der Bürgerinnen und Bürger. So wie demokratische Strukturen im Innern der Staaten für ein friedlicheres Außenverhalten sorgen sollen, erwächst nach dieser Argumentation aus der transnationalen Gesellschaft eine gewaltfreiere Welt.

Der Prozess der Transnationalisierung veränderte aber auch die Bedingungen für die Handlungsweise Organisierter Kriminalität. Kommunikation und Mobilität wurden erleichtert. Festere Beziehungsgeflechte konnten ausgebildet werden. Schließlich eröffnete die transnationale Migration neue Räume für Tätergruppen. Transnationale Organisierte Kriminalität entsteht also dort, wo kriminelle Gruppen über Dauer stabile und tragfähige Handlungsstrukturen über Staatengrenzen hinweg aufgebaut haben. Dazu werden auch Strukturen genutzt, die zwischen den Zivilgesellschaften entstanden sind.

Welche Faktoren fördern Transnationale Organisierte Kriminalität?

Wie menschliches Handeln überhaupt, kann auch die konkrete Gestalt und können die zukünftigen Potenziale der Transnationalen Organisierten Kriminalität nicht ohne eine Betrachtung der Umweltbedingungen verstanden werden. Internationale Krisen fördern die Möglichkeiten für TOK-Gruppen, Handlungsfelder zu identifizieren und zu besetzen. Das gilt für sektorale Krisen, wie es die Finanzkrise nach 2008 oder diverse Energiekrisen bisher verdeutlicht haben, aber auch für regionale Krisen, die vom Bürgerkrieg bis zum Staatszerfall reichen können. Wo das legitime Gewaltmonopol der Staaten funktional oder territorial beschränkt ist, und Regierungen wichtige Aufgaben für das Funktionieren von Gesellschaften nicht mehr erfüllen können, eröffnen sich für kriminelle Organisationen Möglichkeiten, wirtschaftliche Profite und politische Macht zu erlangen. Über die Transnationalisierung, die fast alle Gesellschaften miteinander verbindet, indem Menschen, Handel und Investitionen zwischen ihnen Beziehungen konstituieren, reichen die Folgen kriminellen Handelns dann auch in andere, stabile Gesellschaften hinein. Die großen internationalen Umschlagplätze spielen für die transnationalen Beziehungen eine besondere Rolle. New York, Peking, Frankfurt am Main, Rotterdam und andere Städte sind die Knotenpunkte der zwischengesellschaftlichen Beziehungen. Wenn dort auch noch Gruppen in der Diaspora leben, also TOK-Gruppen aus anderen Regionen lokal auf eine Gemeinschaft von Landsleuten treffen, unterstützen kulturelle Beziehungen möglicherweise noch die Ausbreitung von kriminellem Handeln.

Die jeweilige politisch-soziale Kultur stellt eine weitere wichtige Bedingung dar, insofern ein höheres Maß an Korruption in der Politik Transnationale Organisierte Kriminalität ebenso fördert wie eine größere Akzeptanz für illegales oder gewalttätiges Verhalten in der Gesellschaft.

Schließlich tragen die zunehmende Digitalisierung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens und die verstärkte Digitalisierung zwischen Gesellschaften dazu bei, neue Handlungsfelder für TOK-Gruppen zu eröffnen. Virtuelle Identitäten können als Maske dienen; der Gebrauch von Bankdaten im Internet und die Nutzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs eröffnen weitreichende und innovative Betrugsformen.

Tätigkeitsfelder

Die Transnationale Organisierte Kriminalität ist auf verschiedenen Feldern mit unterschiedlichen Zielen, einer großen Breite von Mitteln und verschiedenartigen Folgen tätig. Angesichts der Komplexität entwickelter Gesellschaften und der noch höheren Komplexität der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen existiert keine feststehende Skala von drastischen bis leichten Gefahren, von schwerwiegenden bis zu verkraftbaren Wirkungen des Handelns von TOK-Gruppen. Vielmehr ändern sich stets die Gewichte, die einzelnen Handlungen zukommen, weil sie auch unterschiedliche, dynamische Vernetzungen aufweisen können. Transnationale Organisierte Kriminalität-Handlungen greifen nicht nur jeweils ineinander, wie sich Menschenhandel und Geldwäsche beispielsweise vernetzen. Sie verbinden sich auch mit politischen Entwicklungen, etwa Formen der Staatsschwäche, wirtschaftlichen Bedingungen, der Offenheit oder Geschlossenheit von Märkten oder Sanktionen, sozial-kulturellen Entwicklungen wie der Bedeutung von Familien, Clans und anderen Gruppen oder ökologischen Bestimmungen, etwa der Verbringung von giftigem Müll. So kann die Bedeutung einzelner Tätigkeiten raschem Wandel unterliegen.

Unter dieser Voraussetzung lässt sich weder eine abschließende noch eine hierarchisch angeordnete Darstellung der Tätigkeitsfelder auflisten. Vielmehr scheint es sinnvoll, die folgenden Ausführungen vor dem Hintergrund eines Zahnradmodells zu lesen: Die unterschiedlichen Tätigkeiten, die man sich im Modell als die einzelnen Zahnräder vorstellen muss, greifen ineinander und bewegen sich dadurch gegenseitig. Manchmal verlaufen die Bewegungen der Zahnräder gleichgerichtet, manchmal gegenläufig, aber immer in Spannung zueinander. Das Modell bietet noch eine weitere Einsicht: Entwicklungen auf einem Gebiet können Wirkungen auf mehreren anderen Feldern entfalten, die mitunter auf den ersten Blick nicht zu sehen sind.

Im Folgenden konzentriere ich mich vorwiegend auf die Tätigkeitsfelder der Transnationalen Organisierten Kriminalität in Europa. Hierbei spielt der Drogenhandel eine besondere Rolle. Dieser ist weiterhin hoch profitabel, die hier tätigen Gruppierungen sind jedoch zunehmend gefordert, in mehreren Teilmärkten, in denen Heroin, Kokain und synthetische Drogen gehandelt werden, gleichzeitig involviert zu sein. Der Drogenhandel weist gleichzeitig über Europa hinaus, einerseits nach Asien, insbesondere nach Afghanistan und die entsprechende Logistikroute, andererseits nach Lateinamerika, insbesondere nach Kolumbien, und die von hier genommene Logistikroute. Synthetische Drogen hingegen werden insbesondere in den Niederlanden und Belgien produziert und vertrieben.

Als weiteres profitables Feld gelten Fälschungen auf unterschiedlichen Gebieten, die nicht nur einen Diebstahl geistigen Eigentums darstellen, sondern über unsachgemäße Produktionsmethoden auch Gesundheitsgefährdungen bedeuten. Die Zahl der gefälschten und über Online-"Apotheken" vertriebenen Medikamente beispielsweise nahm in den letzten Jahren erheblich zu. Ebenso werden andere Artikelgruppen hier erfasst: Lebensmittel, Körperpflege, elektronische Geräte und Spielzeug. Während der wirtschaftliche Schaden und die gesellschaftlichen Folgen offensichtlich sind, ist derzeit eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz zum Erwerb von Fälschungen auffällig. Ein Sonderfall auf diesem Gebiet stellt die Fälschung von Bargeld dar.

Irreguläre Immigration und Menschenhandel sind zwei weitere Handlungsfelder der Transnationalen Organisierten Kriminalität. Dabei werden Menschen einerseits nach Europa geschleust, um ihnen die Möglichkeit auf einen Asylantrag zu eröffnen. Andererseits werden Menschen gehandelt, um sie in Europa in der Prostitution oder als Arbeitssklaven auszubeuten. Ein neueres Gebiet für kriminelles Vorgehen eröffnet sich im Bereich des Organhandels, der ebenso wie andere Geschäftsfelder, legalisierte Verfahren kennt, jedoch eben auch aufgrund von Asymmetrien im Markt kriminellem Vorgehen Möglichkeiten zur Profitgenerierung eröffnet. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass bis zu 10.000 illegale Operationen pro Jahr vollzogen werden.

Scheinfirmen werden von TOK-Gruppierungen genutzt, um über fingierte Rechnungen Mehrwertsteuerbetrug zu begehen. Geldwäsche ist ein internationales Geschäft, das unterschiedliche Standorte und Verfahren, insbesondere auch über das Internet, integriert. Die gewaschene Summe wird vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen und Verbrechensbekämpfung auf 615 bis 1540 Milliarden pro Jahr geschätzt.

Eigentumsdelikte stellen weiterhin eine lukrative und weit verbreitete Tätigkeit von TOK-Gruppen dar. Autodiebstähle, Einbrüche und bewaffnete Überfälle werden insbesondere von Gruppen aus Südosteuropa und Südwestasien begangen. Gezielte Diebstähle von Rohstoffen ergänzen dieses Feld. TOK-Gruppen sind engagiert im Müllhandel, im Energiesektor und beim Schmuggel geschützter Spezies.

Identitätsdiebstahl und Online-Betrug sind Erscheinungsformen der Cyberkriminalität, die TOK-Gruppen ausüben. Aus Kreditkartenbetrug allein erzielen TOK-Gruppen jährlich 1,5 Milliarden Euro in der Europäischen Union.

Der Waffenhandel stellt für die Europäische Union nur eine beschränkte Gefährdung dar. International aber ist der Waffenhandel ein wesentlich lukrativeres und bedeutenderes Geschäftsfeld für TOK-Gruppierungen. Insbesondere in Krisengebieten oder in Fällen von Sanktionen lassen sich mit dem Handel von Waffen und Dual-Use-Gütern nicht nur große wirtschaftliche Gewinne, sondern auch politischer Einfluss erzielen. Dasselbe gilt für die als besonders gefährlich angesehene nukleare Proliferation, in die auch TOK-Gruppen eingebunden sind.

Transnationale Organisierte Kriminalität und Terrorismus

Seit 2001 gilt internationaler Terrorismus als zentrale Gefahr. Häufig wird er in einem Atemzug mit Transnationaler Organisierter Kriminalität genannt. In der National Security Strategy der USA vom Mai 2010 steht: "Global criminal networks foment insecurity abroad and bring people and goods across our own borders that threaten our people." Die Verbindung zwischen der terroristischen und der kriminellen Bedrohung wird in dieser Argumentation zu einem Netzwerk: "The crime-terror nexus is a serious concern as terrorists use criminal networks for logistical support and funding." Verbindungen zwischen Transnationaler Organisierter Kriminalität und terroristischen Organisationen können nachgewiesen werden, und manche Tätigkeitsfelder überlappen sich. Man kann aber trefflich darüber streiten, ob dies wirklich zu einem kriminellen-terroristischen Netzwerk führt, sind die Bestrebungen von Terroristen und kriminellen Organisationen doch sehr unterschiedliche. Jedenfalls gibt es gute Gründe, die Zuschreibung eines terroristisch-kriminellen Netzwerkes zur Beschreibung der Sicherheitsbedrohungen kritisch zu hinterfragen, auch wenn erhebliche Geldmittel von der einen zur anderen Seite fließen.

Das alles muss nach den Enthüllungen über Prism, Tempora und andere Datenerfassungsprogramme der Nachrichtendienste westlicher Staaten zudem in einem anderen Licht betrachtet werden. Es war schon länger zu beobachten, dass der "Kampf gegen den Terrorismus" als Grund für viel weiterreichende Kontrollgesetze genutzt wurde. Mit den Enthüllungen über die Datenerfassung wurde nun dokumentiert, dass neben Terrorismus auch Organisierte Kriminalität, Drogenhandel, Betrug und Wirtschaftsinteressen zur Auswertung des Materials herangezogen wurden.

Das Verhältnis von Terrorismus und Organisierter Kriminalität ist komplex und die Urteile empirischer Untersuchungen fallen sehr unterschiedlich aus. TOK-Gruppen und Terroristen verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele: Geld und Einfluss die einen, politische Herrschaft die anderen. Terroristen wollen die politische Ordnung stürzen und neu gestalten. TOK-Gruppen wollen Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen und ihren Geschäften nachgehen. Terroristen sind politische Akteure; TOK-Gruppen sind dies nicht. Sie sind Kriminelle, die auch ihnen genehme politische Interessen verfolgen. Die häufige Gleichsetzung im politischen Sprachgebrauch könnte sich für eine eindeutige öffentliche Charakterisierung als Bumerang erweisen.

Kurzum: Transnationale Organisierte Kriminalität tritt in vielen Formen und auf vielen Gebieten auf. Sie zielt auf Profite und politischen Einfluss. Welche Gestalt sie in der nun anbrechenden digitalisierten Wert annehmen wird, ist für die Lebensfähigkeit der entwickelten Gesellschaften und für die politische Legitimität ihrer Ordnungssysteme eine wichtige und komplexe Frage.

Dr. phil., geb. 1960; Professor am Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln; Herausgeber der "Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik"; Gottfried-Keller-Straße 6, 50931 Köln. E-Mail Link: thomas.jaeger@uni-koeln.de