Mit Beginn der Nachkriegszeit entstand nach 1945 eine bestimmte normative und institutionelle Ordnung, die als Quelle von und Referenz für Legalität und Legitimität internationalen Verhaltens dient. Diese Ordnung stützt sich auf eine Reihe von Werten, die als neutral, gerecht und universell gelten. Der Anspruch auf Universalität und Neutralität ergibt sich hauptsächlich aus der Überzeugung, dass sich das Völkerrecht im Wesentlichen um das Streben nach internationaler Sicherheit – Friede, Gerechtigkeit und Ordnung – herum konstruiert. Das Ethos, das dieser internationalen Ordnung zugrunde liegt, scheint so bedeutend, dass noch heute oft die Auffassung vertreten wird, es gebe keine wirklich sinnvolle Alternative zum Status quo. Francis Fukuyama ging sogar so weit, den scheinbaren intellektuellen Triumph und die Universalität des liberalen Internationalismus dem Ende der Geschichte und der Universalisierung der westlichen liberalen Demokratie als der endgültigen Regierungsform gleichzusetzen.
Zugleich wird diese Auffassung heute stark infrage gestellt. Kritische Stimmen legen die Ungerechtigkeiten, Unstimmigkeiten und Zerstörungen offen, die sich aus den Strukturen des internationalen Rechtssystems ergeben. Eine solche Kritik geht von der Vorstellung aus, dass diese "Universalität" oft kein idealer Ausgangspunkt ist, um einen akzeptablen Rahmen für die internationale Sicherheit auszuhandeln und das Ziel globaler Kooperation zu verfolgen. Anregungen zur Abfederung gegenwärtiger Schwachstellen im internationalen System gibt es zur Genüge, zumeist reduziert auf reine Ideenvorschläge. Dringend notwendig ist aber ein "alternatives Denken von Alternativen", wie es der portugiesische Soziologe Boaventura de Sousa Santos formulierte. Es ist gut möglich, dass eine solche reflexive Auseinandersetzung mit anderen Sensibilitäten letztendlich dazu beiträgt, einige der uneinheitlichen Entwürfe der internationalen Ordnung ausgeglichener und menschlicher zu gestalten.
Während die Grundlage der Universalität der Nachkriegsordnung in der Charta der Vereinten Nationen (VN) verwurzelt ist, werden die Prinzipien und die Praxis, die darin verankert sind, weitestgehend durch die Politik der dominanten Mächte und deren Interessen bestimmt. Nirgends ist diese Machtpolitik so sichtbar wie im Bereich der internationalen Interventionen. Viel wurde dazu gesagt und geschrieben. Wie bei ähnlichen Konzepten ist die Debatte jedoch überfrachtet mit konkurrierenden Behauptungen in Bezug auf deren Nutzen, Legitimität und Legalität. Bruno Simma warnte in einer Debatte mit dem verstorbenen Völkerrechtler Antonio Cassese davor, die Sprache der Legalität durch diejenige der Legitimität zu ersetzen, denn dies laufe auf einen gefährlichen und unnötigen Angriff auf die internationale Gesellschaft hinaus und erschwere dementsprechend die globale Kooperation. Die Warnungen Simmas wurden von afrikanischen Regionalorganisationen aufgegriffen, die sich historisch mit einer peripheren Rolle in der Politik globaler Entscheidungsfindung abgefunden hatten.
Nebenwirkungen globaler Politik sind vor allem in Afrika sichtbar. Dort, wo diese Auswirkungen eine Frage von Leben und Tod darstellen, können die Folgen verheerend sein. Im Jahr 1994 beispielsweise wurden Hunderttausende Menschen während des Völkermordes in Ruanda in wenigen Metern Entfernung von der VN-Militärstation in Kigali umgebracht. Die schreckliche Ironie dabei ist, dass das Morden zu einem Zeitpunkt stattfand, als im VN-Sicherheitsrat über die Vorteile der staatlichen Souveränität vor dem Hintergrund der teleologischen Interpretationen der VN-Charta debattiert wurde. Die Empörung in Afrika war groß. Der Kontinent ist nun bestrebt, sich das Thema Intervention zu seinen Bedingungen und mit seinen Zielen zu eigen zu machen, als Gegennarrativ zur mangelnden Sensibilität des hegemonialen liberalen Internationalismus. So wurde die Afrikanische Union (AU) laut Gründungsakte zur ersten internationalen Organisation, die sich selbst das Recht gibt, sich – mit militärischen wie mit nicht-militärischen Mitteln – in die Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einzumischen, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermorde zu verhindern und die legitime öffentliche Ordnung wiederherzustellen. In der Folge gründete die AU die Afrikanische Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker.
Bisher polarisierte und verhinderte die Dynamik der internationalen Politik die Suche nach einer gerechten Weltordnung. Doch das Bestreben der AU, im Sinne des Widerstandes das regionale Völkerrecht neu zu beleben, wird alleine kaum ausreichen, um die Schwachstellen der internationalen Ordnung zu beheben. Denn erstens ist die AU Teil der internationalen Gemeinschaft und wird von ihr getragen, und zweitens sind ihre Institutionen nach wie vor schwach, instabil und asymmetrisch. Trotzdem werden die internationale Sicherheit und die globale Kooperation langfristig von einer starken und effektiven AU profitieren. Die Frage, wann und wie eine auf gegenseitiger Stärkung beruhende internationale Ordnung in Reichweite sein wird, sollte uns alle in nächster Zukunft beschäftigen. Was auch immer dabei herauskommt: Die vom deutschen Philosophen Immanuel Kant formulierte Projektion der inneren Freiheit und des internationalen Friedens muss im Mittelpunkt der internationalen Legalität stehen.