Neid wird immer wieder zum Gegenstand des öffentlichen Diskurses um Gerechtigkeit und wohlfahrtsstaatliche Politik. In parlamentarischen Debatten, parteipolitischen Auseinandersetzungen, im Wahlkampf sowie in der entsprechenden Medienberichterstattung landet Neid als sozial unerwünschtes und vermeintlich auf Ungerechtigkeiten hinweisendes Gefühl regelmäßig auf der Agenda. Besonders in Deutschland, so kann man den Eindruck gewinnen, spielt Neid stets eine prominente Rolle, wenn es darum geht, soziale Gerechtigkeit einzufordern. Die Ankündigung bestimmter fiskalpolitischer Maßnahmen wird dann als Durchsetzung einer "Neidsteuer" gebrandmarkt, Deutschland zur "Neidgesellschaft" erklärt, der "Sozialneid" als etwas "typisch Deutsches" etikettiert
In diesem Beitrag möchten wir erörtern, welcher Status Begriffen wie "Neidkultur" und "Neidgesellschaft" im Kontext sozialpolitischer Auseinandersetzungen und vor dem Hintergrund einer kulturellen beziehungsweise kulturvergleichenden Emotionsforschung zugeschrieben werden kann. Dabei gehen wir auf die individuellen und gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen von Neid ein und diskutieren die Konsequenzen der Verwendung des Neidbegriffs in diesen Debatten.
Was ist Neid, und wie entsteht er?
Initialzünder des Neid-Erlebens ist stets der soziale Vergleich, genauer: der unvorteilhafte Aufwärtsvergleich. Neid entsteht, wenn jemand anderes über Eigenschaften, Fähigkeiten oder Besitztümer verfügt, die man selbst gerne hätte, aber nicht erlangen kann. Obgleich nicht unumstritten, geht das Erleben von Neid oft einher mit Gefühlen von Unterlegenheit, Ärger und Frustration. Ein weiteres und vielfach diskutiertes Element des Neides ist die Missgunst, also der Wunsch, der andere möge das Begehrte verlieren oder anderweitig leiden. Dieser Wunsch resultiert zumeist – aber keineswegs immer – aus der Überzeugung, das Begehrte sei deshalb unerreichbar, weil eben der andere es besitzt. Vielfach wird die These vertreten, dass Neid ohne die Komponente der Missgunst kein Neid im eigentlichen Sinne sei: Lediglich das zu begehren, was andere haben, ohne aber gleichzeitig den Wunsch zu verspüren, der andere möge das Begehrte verlieren oder habe es nicht verdient, entspräche vielmehr dem Charakter des Wetteifers als dem des Neides. Etymologische Untersuchungen weisen dagegen auf einen bis ins ältere Neuhochdeutsche hinein durchaus positiv konnotierten Neidbegriff im Sinne des "Eifers" hin.
Die beiden Facetten des Neides zeigen sich nicht nur in Berichten des subjektiven Gefühlserlebens und sprachlichen Benennungen, sondern auch in zwei konträren Handlungstendenzen, die mit Neid einhergehen: Zum einen wettbewerbsorientiertes Handeln, das auf der Motivation beruht, das Begehrte durch eigene Anstrengungen ebenfalls zu erreichen, ohne es dem anderen abspenstig zu machen; zum anderen ein destruktives und konflikthaftes Handeln, das ganz im Sinne der Missgunst vor allem darauf abzielt, Güter oder Besitz des anderen zu zerstören, auch wenn man dadurch das Begehrte selbst nicht erlangt.
Für ein weit verbreitetes Verständnis von Neid als ein Gefühl, das immer auch destruktive Elemente und Motive der Missgunst enthält, spricht schlicht die soziale Normierung und moralische Konnotierung dieses Gefühls. Nicht umsonst gilt Neid in christlich-katholischen Lehren als eine der sieben Todsünden. Der Neid ist in den meisten westlichen Gesellschaften eine zutiefst tabuisierte und stigmatisierte Emotion, und kaum jemand würde sich öffentlich dazu bekennen, neidisch auf jemand anderes zu sein. Es ist kaum denkbar, auf der Grundlage von Neid für eigene Ansprüche oder gar subjektiv empfundene Rechte zu argumentieren – nimmt das Neidempfinden solchen Forderungen doch von Vornherein den Legitimationsanspruch. Neid ist wie kaum eine andere Emotion so weitgehend sozial normiert und kulturell reguliert, dass er nicht nur in der sozialen Interaktion zurückgehalten wird, sondern auch sich selbst gegenüber in aller Regel uneingestanden bleibt.
Ungeachtet dieser Fragen zum Neid-Erleben ist weiterhin bemerkenswert, dass nicht jeder unvorteilhafte Vergleich mit anderen im Erleben von Neid mündet. In der Literatur finden sich mindestens zwei "Randbedingungen", die weithin als Voraussetzung für das Neid-Erleben gelten. Die erste ist die soziale Nähe: Wir beneiden jemanden, der uns sozial oder persönlich nahesteht, etwa die Nachbarin um ihr neues Auto oder die Schwester um das Weihnachtsgeschenk, das man selbst schon immer haben wollte. Wir "Normalsterblichen" beneiden hingegen kaum den spanischen Startenor Placido Domingo um seine Stimme oder den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch um seine Luxusyachten. Als zweite Bedingung gilt die subjektive Relevanz, das heißt die persönliche Bedeutung, die Eigenschaften, Fähigkeiten oder Besitztümer anderer für mich haben. Fährt die Nachbarin eine neue Luxuskarosse, ich aber gestalte mein Leben ökologiebewusst und bin überzeugte Fahrradfahrerin, so lässt mich dieser Vergleich vermutlich kalt. Gönnt ein Freund sich jedoch mehrmals im Jahr eine Fernreise und auch ich bin reiselustig, kann mir solche Reisen aber nicht leisten, dann ist zumindest der Grundstein für Neid gelegt.
Eine weitere Randbedingung sind aber ohne Zweifel auch die kulturellen Deutungsmuster, die jeden sozialen Vergleich rahmen und Auskunft darüber geben, welche Güter, Leistungen und Eigenschaften überhaupt als erstrebenswert erachtet werden. Nicht zuletzt schlagen sich solche Deutungsmuster auch in der Bewertung des Neides selbst und in entsprechenden sozialen Normen nieder, die das Erleben und den Ausdruck von Neid – wie auch von anderen Emotionen – regulieren.
Neid und soziale Ungleichheit
Wenn wir Neid in erster Linie als Resultat eines sozialen Vergleichs verstehen, so können wir ihn in einem größeren und allgemeineren Zusammenhang "sozialkomparativer Orientierungen" verorten, wie es der Politikwissenschaftler Frank Nullmeier
Um mit Jean-Jacques Rousseau
Dass materielle Unterschiede zwischen den Menschen aber nicht per se Auslöser des Empfindens von Neid sind, hat Alexis de Tocqueville bereits im 19. Jahrhundert in seinen Schriften "Über die Demokratie in Amerika"
Tocquevilles Analysen führen uns also zwei gesellschaftliche Seiten des Neides vor Augen: zum einen eine kulturelle Seite, die sich aus solchen Wünschen, Vorstellungen, Ideen und Begriffen speist, die sich auf das Verhältnis der Menschen zueinander – auf ihre relative soziale Position – beziehen; zum anderen eine sozialstrukturelle und institutionelle Seite, die sich auf die ungleiche Verteilung von begehrten Ressourcen und auf die rechtlichen Rahmenbedingungen des Miteinanders bezieht. Dort wo Rousseau den gesellschaftlichen Ursprung der Kriterien des sozialen Vergleichs und der kulturellen Praktiken des Ein- und Wertschätzens näherbringt, gibt Tocqueville Einblicke in die Frage, mit wem wir uns in einer Gesellschaft vergleichen. Welche Güter oder Eigenschaften man begehrt, die, sofern sie jemand anderes besitzt und sie für einen selbst unerreichbar bleiben, Neid auslösen, ist somit immer eine Frage der gesellschaftlichen Umstände und der Praktiken des Wertschätzens. Gleiches gilt für die Frage, gegenüber welchen Personen in welchen sozialen Positionen man diese Vergleiche überhaupt anstellt. Somit verwundert es auch nicht, dass die Rolle von Gerechtigkeitsvorstellungen im Neidempfinden in der Forschung vielfach diskutiert wird. Uneinigkeit herrscht vor allem darüber, ob Gerechtigkeitserwägungen überhaupt ein notwendiges Element des Neid-Erlebens sind.
Als problematisch wird in diesem Zusammenhang besonders die Unterscheidung des Ressentiments vom Neid angesehen. Vor allem der Soziologe Max Scheler verwies mit seiner Interpretation von Friedrich Nietzsche auf Neid als einen Bestandteil des Ressentiments, das im Gegensatz zum Neid jedoch dauerhafter, ungerichteter und mit einem allgemeinen Empfinden von Unterlegenheit und Benachteiligung verbunden sei.
Wie man auch immer die Rolle von Gerechtigkeitsvorstellungen im Neid interpretieren mag, als subjektive Anmaßung des "Verdientseins" oder normativ abgesicherten Anspruch auf das Begehrte, so verdeutlicht diese Diskussion in jedem Fall eine weitere Dimension der gesellschaftlichen beziehungsweise kulturellen Konstitution des Neidens. Ob wir meinen, das Begehrte zu verdienen, ob wir der Ansicht sind, es stünde uns aus moralischen Gründen zu, oder ob wir die ungleiche Verteilung begehrenswerter Güter oder Eigenschaften schlicht als durch Gott oder andere unhinterfragbare Instanzen gegeben betrachten, hängt maßgeblich von der symbolischen Ordnung einer Gesellschaft, von ihrem Glaubens- und Wertegerüst ab. Dieses Gerüst bestimmt zudem die Bedeutung und den Wert des Neides an sich.
"Neidkulturen" im Vergleich
Kulturvergleichende Forschung, insbesondere in einer kulturanthropologisch-ethnologischen Tradition, verfolgt oftmals zwei grundlegende Ziele. Zum einen möchte sie der eigenen Gesellschaft durch die Beschreibung anderer kultureller Kontexte den Spiegel vorhalten. Die Relativität und somit Veränderbarkeit der eigenen subjektiven Erfahrung und – im Kontext der Emotionsforschung – emotionalen Deutungen und Bewertungen von gesellschaftlicher Ordnung kann häufig erst durch das Nachvollziehen und Verstehen anderer, zunächst fremder symbolischer Ordnungen, Glaubens- und Wertegerüste besser verstanden werden. Zum anderen hilft eine kulturvergleichende Perspektive auch dabei, Erkenntnisse über fundamentale soziale Prozesse und Mechanismen zu erlangen. Zudem trägt der Kulturvergleich auch dazu bei, die eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse pragmatisch und mit Blick auf politische Entscheidungen in einem anderen Licht zu betrachten.
Was die Erforschung des Neides angeht, kann die kulturvergleichende Betrachtung einen Beitrag dazu leisten, das Gerüst von Deutungsmustern, die sowohl die von Rousseau fokussierte soziale Ungleichheit als auch Tocquevilles Gleichheits-Paradox flankieren, zu rekonstruieren und somit auch das Erleben von Neid in diesen Kontexten besser zu verstehen. Insofern stellt die kulturvergleichende Analyse der emotionalen Bewertung eines subjektiv als nachteilig empfundenen Aufwärtsvergleichs unter anderem folgende Fragen voran: Was macht begehrte Güter oder Eigenschaften überhaupt so begehrenswert? Warum werden sie von bestimmten Personen begehrt und von anderen nicht? Welche Glaubens- und Wertesysteme einer Gesellschaft – auch jenseits staatlicher Organisationsprinzipien – rahmen den sozialen Vergleich? Die Zusammenhänge zwischen Neid-Erleben, Sozialstruktur, herrschenden Machtverhältnissen und kulturspezifischen Norm- und Wertesystemen möchten wir kurz an einem Beispiel aus Java, dem politisch-ökonomischen Zentrum des indonesischen Archipels, verdeutlichen, um sie dann theoretisch zu untermauern und mit hiesigen Debatten um eine "typisch deutsche" Neidkultur zu verknüpfen.
Die javanische Gesellschaft gilt hinsichtlich ihrer sozialen Schichtung als ausgeprägt hierarchisch organisiert. In der ethnologischen Forschung wird die soziale Organisation Javas hinsichtlich der sozialen Mobilität zwar als deutlich offener als etwa das hinduistische Kastensystem Indiens beschrieben, im Vergleich zu den meisten europäischen Gesellschaften gilt es jedoch als geschlossener und undurchlässiger. Auch wenn die javanische Gesellschaft den globalen Dynamiken von ausgeprägter Arbeitsmigration und veränderten Strategien des Lohnerwerbs sowie weiteren Modernisierungstendenzen ausgesetzt ist, basiert der soziale Status einer Person nach wie vor primär auf den Kriterien der sozialen Herkunft und dem Beherrschen der daran eng gekoppelten javanischen Etikette (budi pekerti, "gutes Benehmen"). Diese gilt als kulturelles Ideal und gesellschaftliche wie zwischenmenschliche Manifestierung des lokalen Glaubens- und Wertegerüstes (cara Jawa), das nicht nur die soziale Interaktion regelt, sondern letztlich der Bewahrung des gesellschaftlich-strukturellen Status quo dient.
Neben der Aufrichtigkeit, der Folgsamkeit, der Vermeidung von Scham hervorrufendem Verhalten, dem Erhalt der sozialen Harmonie, dem Vermeiden von Konflikten, der aufrichtigen Akzeptanz von Widrigkeiten, der Bedeutung kollektiver Anstrengungen und der Ächtung von Egoismus wird im Rahmen dieser Etikette besonders betont, dass der Erfolg anderer nicht beneidet werden darf, da ein erfolgreiches Leben letztendlich nur durch harte Arbeit und göttlichen Beistand erreicht werden könne. Die Existenz und Allgegenwärtigkeit dieses Ideals lässt jedoch nur bedingt Rückschlüsse auf das tatsächliche subjektive Erleben von Emotionen zu. Die Empfindung von Neid, der in Java als iri, sirik (Neid), gelegentlich auch als dengki (hasserfüllter Neid) bezeichnet wird, ist auch Javanerinnen und Javanern nicht fremd. Er wird jedoch – ähnlich wie in der deutschen Gesellschaft – in den meisten Fällen weder zum Ausdruck gebracht noch sich selbst gegenüber eingestanden.
Im Vergleich mit der Bedeutung des Neides in der deutschen Gesellschaft und den ungleichheits- und demokratietheoretischen Diagnosen Rousseaus und Tocquevilles fällt zweierlei auf. Erstens ist es ein integraler Bestandteil des Werte- und Normengerüsts des javanischen budi pekerti, das Wohl der Gemeinschaft über den Erfolg des Einzelnen zu stellen. Neben der Vermeidung des Neides spielt dies sowohl in der frühen Sozialisation als auch in der formalen schulischen Bildung von Jugendlichen eine zentrale Rolle. Dieser ausgeprägte Fokus auf die Gemeinschaft deutete der Anthropologe George M. Foster als Strategie, die eigene Furcht zu bewältigen, dem Neid anderer ausgesetzt zu sein.
Zweitens zeigt sich an der javanischen Gesellschaft deutlich, auf welche Weise kulturelle Deutungsmuster und Wertungen des Neides selbst das Erleben dieses Gefühls jenseits von politischer Organisationsform und sozialer Ungleichheit bedingen. Trotz Demokratisierung und Modernisierung ist eine weithin als legitim erachtete, starre Schichtung der javanischen Gesellschaft zu beobachten, die dazu führt, dass vermutlich weite Teile der Bevölkerung das Kriterium der "sozialen Nähe" als Vergleichsmoment nicht erfüllen. Bestimmte soziale Positionen bleiben auch unter demokratischen Verhältnissen für viele unerreichbar, ohne dass dieser Umstand grundsätzlich und notwendigerweise als illegitim oder inkompatibel mit der politischen Ordnung betrachtet würde.
Kulturen des Neides statt "Neidkultur"
Für die vielfältigen sozialpolitischen Neiddebatten im deutschen Kontext und die immer wieder artikulierte "typisch deutsche Neidkultur" lassen sich aus diesen Betrachtungen einige weiterführende Überlegungen anstellen. Vor allem lohnt es sich, die Verhältnisse zwischen den sozialstrukturellen, auf sozialen Ungleichheiten basierenden Komponenten des Neides einerseits und seiner kulturellen Bedeutung und Normierung andererseits näher zu beleuchten. Legt man die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Ungleichheitsforschung als Maßstab an und konstatiert zunehmende soziale Ungleichheiten etwa in den Bereichen Bildung, Einkommen und Vermögen, so ist zu fragen, in welchem Umfang eine Gesellschaft Möglichkeiten für den Einzelnen bereitstellt, bestimmte Güter und Auszeichnungen überhaupt erreichen zu können. Der Soziologe Sighard Neckel hat diese Frage mit Blick auf den Neid unter dem Stichwort der "Leistungsgerechtigkeit" ausführlich diskutiert.
Darüber hinaus ist zu fragen, welche Konsequenzen der weithin akzeptierte Imperativ der Vergleichbarkeit und der vermeintlich objektiven Messbarkeit – etwa von schulischen oder universitären Leistungen, von beruflichem Können, oder auch von sozialen und emotionalen Fähigkeiten – für das Erleben von Neid mit sich bringt. Wo beispielsweise Bildung und Erziehung in weiten Teilen auf eine Individualisierung und Kommodifizierung von Kompetenzen in Form von Zusatzausbildungen und Zertifikaten abzielen, was den Jugendlichen in einer durch Wettbewerb geprägten Gesellschaft Vorteile sichern soll, eröffnen sich stetig neue Möglichkeiten des sozialen Vergleichs. Aufgrund der kulturellen und normativen Legitimierung – ja gerade Erwünschtheit – solcher Differenzen entfällt zumeist die Deutung von unvorteilhaften Vergleichen unter Bezugnahme auf allgemein gültige Gerechtigkeitsnormen. Stattdessen wird der Deutung von persönlicher Unzulänglichkeit und damit dem Neid-Erleben Vorschub geleistet.
Diese Inflation der Kriterien des Vergleichs wird in der Gegenwartsgesellschaft flankiert von den zunehmenden Möglichkeiten des Vergleichs, und zwar nicht nur im Sinne Tocquevilles, sondern vor allem auch mit Blick auf mediale Darstellungen vermeintlich realer und alltäglicher Erfolge und Misserfolge im Panoptikum einer scripted reality (zum Beispiel TV-Sendungen, die vorgeben, die Realität zu zeigen, aber inszeniert sind). Darüber hinaus liegt ein Wesensmerkmal der immer stärker verbreiteten sozialen Medien darin, das Selbst auf allen denkbaren Ebenen vergleichbar zu machen, mit der Konsequenz, dass Nutzerinnen und Nutzer den Neid als eine der dominanten Emotionen während ihrer Social-media-Aktivitäten schildern.
Ganz abgesehen von den vielfach debattierten sozialpolitischen Maßnahmen stehen solchen Entwicklungen erstaunlich wenige Bestrebungen gegenüber, die Konsequenzen der Gleichzeitigkeit von zunehmender Ungleichheit und Vergleichbarkeit auch kulturell zu rahmen. Weder existieren, wie im Beispiel der javanischen Kultur, Verhaltensnormen und Korrektive, die das Wohl und den Erfolg der Gemeinschaft über den des Einzelnen stellen, noch Erwartungen und Anforderungen an Beneidete, auch nur symbolische Kompensationsangebote an die Masse der Übrigen und Übriggebliebenen zu machen. Stattdessen stehen die Debatten um die deutsche "Neidgesellschaft" und den "Sozialneid" unter umgekehrten Vorzeichen, indem das Erleben von Neid grundsätzlich pathologisiert und als auf niederen Motiven beruhend diskreditiert wird. Solange jedoch weithin geltende Gerechtigkeitsnormen und -vorstellungen bestehende Ungleichheiten legitimieren, wird darauf kaum mit Ressentiments, sondern mit Neid und dem Gefühl persönlicher Unzulänglichkeit reagiert.