Hermann L. Gremliza, Herausgeber der Zeitschrift "Konkret", greift in seiner Kolumne "Gremlizas Express" regelmäßig Phrasen aus der Presse auf, um sie in der Tradition des Sprachkritikers Karl Kraus polemisch zu kommentieren. Bestimmte Formen der Kriegsberichterstattung sind für solche Analysen ein gefundenes Fressen. So auch im Mai 2013, als sich einige Regierungen der "westlichen Welt" bereits seit Längerem fragten, ob es nunmehr unvermeidlich geworden sei, den seit 2011 in Syrien tobenden Bürgerkrieg durch eine militärische Intervention zu "beenden". Gremliza rückte dazu einige Schlagzeilen deutscher Zeitungen in den Fokus, welche sich dazu eignen, die Entscheidung für einen heiklen Angriffskrieg durch die gezielte Erzeugung von Empörung bei den Adressaten leichter erscheinen zu lassen – etwa 2011 "Gaddafi bombardiert sein eigenes Volk" ("Westdeutsche Allgemeine Zeitung") oder nunmehr "Assad führt Krieg gegen sein Volk" ("Süddeutsche Zeitung").
Die stetige Wiederholung dieser Formeln, die wir so oft in den Zeitungen lesen oder in audiovisuellen Medien zu hören bekommen, fordert dazu heraus, einmal nicht bloß unhinterfragt hingenommen, sondern genauer analysiert zu werden. Was impliziert also jene rhetorische Figur des Krieges "gegen das eigene Volk"? Gremliza beantwortet die Frage damit, dass die "Methode der deutschen Medien" darauf abziele, "das Ansehen des Kriegs, der nicht gegen das eigene Volk geführt wird, bei diesem zu heben, damit es wieder eine Frage der Ehre wird, auf dem Feld der Ehre fremde Völker abzuschlachten".
Gremliza weist damit pointiert auf eine Widersprüchlichkeit der medialen Bewertung von Kriegen hin: Wenn also ein Krieg "gegen das eigene Volk" besonders schlimm ist, ließe sich der Umkehrschluss ziehen, dass ein "ganz normaler" Krieg gegen ein anderes offenbar weniger schlimm sei (ganz abgesehen davon, dass "Volk" eine durchaus problematische Konstruktion ist, neigen doch völkisch denkende Menschen dazu, Mitmenschen aus irgendwelchen Gründen als Fremde auszugrenzen, selbst wenn sie den gleichen Pass haben). Während Assads Krieg also eindeutig als illegitim und verwerflich dargestellt werden kann, fällt die Bewertung des Einsatzes deutscher Truppen im war on terror – bei dem bekanntermaßen auch durch Deutsche schon Zivilisten zu Tode gekommen sind – sehr viel milder aus.
Ähnlich verhält es sich mit der oftmals kaum weiter beachteten, aber erstaunlich häufig verbreiteten Äußerung, in kriegerischen Konflikten seien "unschuldige Opfer" zu beklagen. Auch diese rhetorische Formel, die auf die besondere Empörung der Adressaten über die erwähnten Verluste zielt, bedeutet in der Konsequenz ihrer Logik, dass es also sehr wohl auch "schuldige Opfer" in Kriegen gebe, deren Tod weniger bedauerlich wäre, ja vielleicht sogar Anlass zur Genugtuung bieten könnte. Wie auch immer man dazu im Einzelnen stehen mag: Letztlich kommt es in solchen Formulierungen und Szenarien stets darauf an, wer Empathie verdient, mit wem man Mitleid haben soll – und wem solche Gefühle angeblich nicht zustehen. Es geht um emotionalisierende Freund- oder Feindkonstrukte, die reale Folgen haben, weil sie das Zusammenleben der Menschen strukturieren oder den Ausschluss bestimmter Gruppen vorschreiben.
Wer verdient Trauer?
So leuchtet die von der Gender-Theoretikerin Judith Butler aufgestellte These ein, dass die gesellschaftliche Kanalisierung von Emotionen angesichts von massiver Gewalt der konstruierten Dichotomie von betrauerbaren und nicht betrauerbaren Opfern folge. Butler liefert damit ein typisches Beispiel für einen emotionalen Code, wie er insbesondere unter der "kulturellen" beziehungsweise "sozialen" Bedingung des Krieges entsteht, die eine Umkehrung aller humanen Werte nahelegt: "Krieg lässt sich als ein Geschehen verstehen, das Bevölkerungen aufteilt in einerseits diejenigen, um die getrauert werden kann, und andererseits diejenigen, um die nicht getrauert werden kann. ‚Unbetrauerbar‘ in diesem von der Logik des Kriegs etablierten Sinn sind Leben, die nicht betrauert werden, weil ihnen zuvor ihre Existenz abgesprochen worden ist, weil sie nie als Leben zählten."
In diesem Sinne werden menschliche Gefühle durch die Medien immer wieder neu manipuliert. Emotionen folgen bestimmten Codes, deren soziale Annahme oder Ablehnung nicht zuletzt mit der medialen Vielfalt ihrer Vermittlung beziehungsweise der Frequenz ihrer öffentlichen Wiederholung steht und fällt. Die Zirkulationsintensität gewisser sprachlicher Formeln oder auch von Bildern, die mit bestimmten Botschaften oder Geschichten assoziiert werden können, welche wiederum keinesfalls mit der "Wahrheit" des Dargestellten übereinstimmen müssen, regelt, inwiefern wir dazu neigen, das durch solche Inhalte evozierte "Wissen" für eine unanfechtbare Tatsache zu halten. Kognitive Prozesse im Alltag und emotionale Erfahrungen jener Welt, wie wir sie um uns herum wahrnehmen, sind dabei keinesfalls strikt voneinander getrennt.
Die Literaturwissenschaftlerin Simone Winko referierte in ihrer Habilitation über "Kodierte Gefühle" den wissenspsychologischen Forschungsstand zur Formung propositionalen, prozeduralen und episodischen Wissens: Alle drei Wissensformen seien eng mit emotionalen Erfahrungen und dem menschlichen Denken vernetzt. Das prozedurale Wissen beziehe sich auf nichtsprachliche Abläufe, die etwa auf sozialen Konventionen beruhen, während das episodische Wissen stark auf emotionale Erlebnisse rekurriere: "Bestimmte gefühlsbesetzte Situationen rufen beim Wiedererleben bzw. Erinnern dieselben Gefühle hervor." Winko betont, dass solche sozial "geteilten" Gefühle in der Alltagskommunikation insbesondere narrativ vermittelt würden, wobei vor allem die mehrmalige Reproduktion bestimmter Erzählungen Wirkung zeige: "Ist die Rate der Wiederholungen hoch, dann prägen diese ‚Erzählungen‘ das kulturelle Wissen über Emotionen."
Auch die Sprachwissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel hat auf die Untrennbarkeit kognitiver und emotionaler Prozesse in der massenmedial moderierten Alltagskommunikation hingewiesen: Mit sprachlichen Äußerungen würden "Gefühle und emotionale Einstellungen ausgedrückt und benannt, geweckt, intensiviert sowie konstituiert".
Spielfilme als Emotionsmultiplikatoren
Kriegsdarstellungen sind in ihrer emotionalisierenden Wirkung nicht nur auf nationale Rezipientenkreise beschränkt. Im Zeitalter der Globalisierung haben vielmehr solche Kriegsnarrative eine umso größere Bedeutung erlangt, die das Massenpublikum in der ganzen Welt zu erreichen und nachhaltig zu berühren vermögen.
Die Politikwissenschaftlerin Maja Bächler hat zum Beispiel mit Blick auf die "Folter im US-amerikanischen Kriegsfilm 1979–2009" untersucht, inwiefern Hollywood an der Plausibilisierung bestimmter, in der "westlichen Welt" verbreiteter Feindbilder beteiligt sein könnte. Ihre Hauptthese lautet: Hollywood propagiere insbesondere seit dem 11. September 2001 mehr denn je den Ausnahmezustand, um Freund-Feind-Paradigmen zu schaffen, welche die kriegerische Konfrontation mit dem weltweiten islamistischen Terror plausibilisieren helfen sollen. Hollywood halte die "Bevölkerung – bewusst oder unbewusst – in einer Erwartungshaltung potentieller Kriege, indem es kontinuierlich Kriegs- und Terrorismusfilme produziert", um eine "Permanenz des Ausnahmezustands" zu inszenieren. Bächler betrachtet dabei die audiences, also ein aufgrund seiner globalen Heterogenität im Plural analysiertes Publikum, keineswegs nur als beherrschte und manipulierte Masse. Vielmehr begreift sie die Zuschauer in aller Welt als aktive Beteiligte dieses sich netzwerkartig ausbreitenden Machtdiskurses.
Bächler zufolge geht es also nicht nur um das Publikum in den USA, sondern in der globalen Wirkung der US-Filmindustrie eben auch um audiences in der ganzen Welt: Die "westlich" orientierten Adressaten würden zu ubiquitären Teilhabern an einem großangelegten "Mythenbildungsprozess", der "zugleich als Machtdiskurs funktioniert". Die audiences selbst befänden sich demnach mitten im Ausnahmezustand und hätten gleichzeitig wesentlichen Anteil an seiner Permanenz: "Über die emotionale Anbindung werden sie zum Teil eines Kommunikationsprozesses mit dem im Film Gezeigten", die audiences würden zu "Zeugen, zu Mitwissenden und damit zu Verantwortlichen" gemacht.
Doch nicht nur Hollywood-Produzenten versuchen, mit millionenschweren Kriegsfilmprojekten ein weltweites Publikum zu erreichen. Auch deutsche Filme wie die von Nico Hofmann produzierte Trilogie "Unsere Mütter, unsere Väter" (2013) werden heute bereits gezielt auf internationale Publikumsresonanz hin produziert. Abgesehen davon, dass in diesem Fall aufgrund der Darstellung des polnischen Widerstands gegen die NS-Besatzer, der in dem Film antisemitischer erscheint als die vergleichsweise "anständig bleibenden" Protagonisten der Wehrmacht, massive Proteste aus Polen und Russland durch die Weltpresse gingen – Hofmanns Produktionen orientieren sich an Emotionalisierungsstrategien und dramaturgischen Formen filmischer Gewaltdarstellungen, wie sie in Hollywood bereits Welterfolge erzielt haben: So werden in "Unsere Mütter, unsere Väter" Szenen aus Filmen wie "Saving Private Ryan" (1998) von Steven Spielberg nachgestellt, wobei allerdings die Freund-Feind-Stereotype aus deutscher Sicht soweit uminszeniert werden, dass sie den audiences in aller Welt nunmehr Empathie für das Schicksal deutscher Täter nahelegen. Der deutsche Film – oder auch von der deutschen Filmförderung mitproduzierte internationale Filme, die deutsche Themen verhandeln – haben längst mit Erfolg begonnen, das globale Bild der Deutschen mit Hilfe fiktionaler Umerzählungen der NS-Geschichte im "positiven" Sinne zu verändern.
Infotainment und Voyeurismus in den Nachrichten
Ähnlich verhält es sich mit der Beeinflussung der audiences durch Emotionalisierungsstrategien im Journalismus. So etwa im Sommer 2011, als täglich Meldungen wie die folgende zu lesen waren: "Der Diktator in Tripolis gerät immer mehr unter Druck: Die Nato hat nach eigenen Angaben ihre Luftangriffe auf den von Muammar al-Gaddafi kontrollierten Westen Libyens ausgeweitet. Mehr als 50 militärische Ziele seien in dieser Woche in der Region zerstört worden."
Was die Leser anhand solcher Nachrichten vermittelt bekommen, ist lediglich eine abstrakt wirkende Perspektive auf die Ereignisse, sind wenige allgemeine Informationen über militärische Entscheidungen, Marschbewegungen und eventuelle Geländegewinne oder -verluste – in diesem Fall der libyschen Rebellen, da die eingreifenden Nato-Mächte selbst keine Bodentruppen entsandt hatten. Wie auch schon in früheren Fällen solcher Interventionen wurde von der Presse der Eindruck vermittelt, dass es nach der Entscheidung der beteiligten Nato-Staaten zum Eintritt in den Luftkrieg im Grunde nur noch kurze Zeit werde dauern können, bis eine militärische Entscheidung herbeigeführt sei: Shock and Awe – also "Schrecken und Ehrfurcht" – wird die militärische Taktik, die derartige mediale Darstellungen ins Kalkül zieht, seit dem Irak-Krieg von 2003 genannt. Durch gezielte Propaganda-Inszenierungen soll der Eindruck einer unmittelbaren Evidenz militärischer Macht entstehen, wo doch tatsächlich kaum etwas zu sehen ist und niemand mehr unabhängig Bericht erstatten kann: Der Bilderkrieg mündet nach den Worten des Kunsttheoretikers Bazon Brock in eine "theatralische, spektakelhafte Verblendung".
Judith Butler hat das Propaganda-Phänomen einer solchen abstrakten, auf rein "technische" Vorgänge konzentrierten Nachrichtenpolitik zu Kriegszeiten so interpretiert: "Die ganze Strategie, der man den perfiden Titel ‚Schrecken und Ehrfurcht‘ gegeben hat, scheint mir sehr gut zu der spezifischen Ästhetik zu passen, mit der die Medien die Bombardierungen zeigen. Die Bombenabwürfe sehen wir nur aus der Luft oder aus anderweitiger Distanz. Sie werden die Bombe niemals von unten fallen sehen, sondern nur von oben. Und Sie sehen nie Bilder von Menschen, wie sie rennen und Deckung suchen, wenn die Bomben fallen. Sie sehen niemals die verstümmelten Körper. Sie sehen nie die Nahaufnahme. Die zeigt der Mainstream nicht. Stattdessen präsentiert er uns eine Panorama-Ästhetik, die einer ruchlosen Erhabenheit stattgibt, die tatsächlich etwas wie ‚Schrecken und Ehrfurcht‘ erzeugt – indes ist dies eine Wirkung, die nur möglich ist aus der Distanz, unserer Distanz."
Parallel dazu entstehen eingängige "Schlagbilder", also das, was man ganz selbstverständlich für "Schlüsselbilder" des modernen Krieges hält, obwohl sie diesen gar nicht abzubilden vermögen und in ihrer emotionalisierenden Wirkung irreführende Sachverhalte suggerieren. Als Schlagbilder bleiben solche Fotos allerdings nur dann im Gedächtnis, wenn sie vom Publikum mit mehr Informationen verknüpft werden können als nur mit einer bloßen Rauchwolke, wie sie das erwähnte AFP-Bild bei "Spiegel Online" zeigt. Sie avancieren immer dann zu besonders affektiven Motiven, wenn sie im Kopf "ganze Geschichten auslösen", die durch sie erinnert werden können: "In diesem Prozess wird das Abbild eines vergangenen Sachverhalts (Denotat) mit Bedeutung aufgeladen und aus seinen historischen Bezügen gelöst. Diese Bedeutungszuschreibung produziert einen Bedeutungsüberschuss (Konnotat). Schlüsselbilder liefern dem Rezipienten auf diese Weise ein Sinnbildungsangebot", erläutert der Medienhistoriker Gerhard Paul.
Dies schließt keinesfalls aus, dass "schuldige Opfer" in den Fokus gerückt werden können: Das Ende des Diktators Gaddafi, das schließlich am 20. Oktober 2011 gemeldet wurde,
Das schemenhafte Foto vom blutenden Kopf des sterbenden Diktators avancierte trotz seiner Grausamkeit zum Schlüsselbild des Kriegsendes in Libyen: Seine bedenkenlose Verwendung durch die genannten Zeitungen demonstrierte, dass der Krieg der Bilder, mit dem die "asymmetrischen" Konflikte unserer Tage ausgetragen werden, häufig auch mit extremen Affekten arbeitet – selbst wenn die "euphorische" Affirmation dieser Schlüsselbilder der "westlichen" Selbstwahrnehmung als einer rechtsstaatlich und demokratisch organisierten Zivilisation in eklatanter Weise widerspricht: "That’s for Lockerbie, Gaddafi", triumphierte etwa die "Sun" in Anspielung auf das libysche Flugzeugattentat von 1988, bei dem 270 Menschen umkamen.
Bei diesen drastisch illustrierten Meldungen handelte es sich um revanchistisch motivierte Ausstellungen von Gräueln, die offensichtlich nach wie vor ein Massenpublikum finden, dass derlei Darstellungen zu goutieren weiß.
Bilderkriege als "reale" Tragödien unserer Tage?
Die Gefühle vieler "westlicher" Leser und Betrachter, die über solche drastisch illustrierten Meldungen wie die zum Tod Gaddafis nicht weiter nachdenken, bleiben in der Regel eher kühl. Exzessive Emotionen wie das "Jammern" und das "Schaudern", von denen sich Aristoteles in seiner "Poetik" noch kathartische Wirkungen auf den Tragödien-Rezipienten versprach, und zwar im Sinne einer Erzeugung von Furcht und Mitleid (eleos und phobos),
Auf welcher seltsamen Sehnsucht aber beruht nun diese Faszinationskraft, die Re-Inszenierungen der kriegerischen Gewalt auf große Teile des Publikums ausüben? Worin liegt der geheime Reiz vielfältiger nachträglicher Verrätselungen und machtpolitischer Euphemisierungen von grausamen Geschehnissen? Zu konstatieren ist hier eine Mixtur aus Angstlust, Voyeurismus sowie der schieren Neugier auf "drastische" Ereignisse aller Art. Sie erklärt möglicherweise auch die Vielzahl der durch das Netz flottierenden Fotos realen Grauens, deren extreme affektive Wirkung auf ein Massenpublikum diejenige von Texten in unserer Kultur längst weit überholt zu haben scheint. Hier sind emotionale Ambivalenzen im Spiel, die für den modernen, durch die digitalen Medien noch erheblich begünstigten Vorgang typisch sind, das "Leiden anderer" zu betrachten, wie ihn die Schriftstellerin Susan Sontag 2003 in ihrem Essay "Regarding the Pain of Others" reflektiert hat.
Bei der Darstellung des Krieges in den Nachrichten, die vielleicht tatsächlich so etwas wie die spezifischen "Tragödieninszenierungen" unserer Tage sind, weil sie und ihre Lesart sich auch in der Kunst, im Film und der Literatur weiter fortsetzen und dort performativ oder deskriptiv multiplizieren beziehungsweise differenzieren können, ginge es also weniger um die Erzeugung gewisser Gefühle, wie sie bei Aristoteles noch im Zentrum standen. Vielmehr geht es in den meisten Fällen um deren Kanalisierung und Disziplinierung, um nicht zu sagen: ihre Verhinderung. Das Erstaunliche daran ist, dass diese zielgerichtete Betäubung von Mitgefühl und Mitleid auch von den entmündigten Rezipienten als Selbstermächtigung erfahren und somit individuell als angenehm empfunden werden kann. Das mangelnde Mitgefühl für die "Anderen" beziehungsweise die als "Feinde" deklarierten Gruppen impliziert nämlich ein höheres Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Individuen der "eigenen" Gesellschaft.
Mit den Thesen des Germanisten Fritz Breithaupt zu den "Kulturen der Empathie" gesprochen, artikuliert sich hier ein "evolutionär" entstandenes "Interesse daran, den Dritten als schlechtere Wahl darzustellen. Und insofern das beobachtende Individuum sich mit dem einen assoziiert und dessen Perspektive übernimmt, adaptiert es wohl auch regelmäßig die (zumindest teilweise) negativen Gefühle des einen dem Dritten gegenüber. Die emotionale Nähe zu dem einen zieht insofern sekundär die Ausgrenzung des Dritten nach sich. Die auf Empathie gegründete Gemeinschaft generiert mithin notwendig stets auch (…) Feindbilder."
Die Analyse der "Rahmungen" des Krieges ist für die Einstufung des Emotionalisierungsfaktors von Kriegsdarstellungen wichtig – ändern sich doch die Bewertungsmodi solcher Gewaltdarstellungen fern von Kriegszonen oder auch außerhalb im Kriegszustand lebender und durch Propaganda massiv beeinflusster Gesellschaften rasch. Ihre Bewertung ist nicht zuletzt eine Frage der zeitlichen Distanz zu den Ereignissen. "Die äußeren Bilder, zumal die des Krieges, sind nicht (…) eo ipso eine ‚Anklage‘, kein eigenständiges Subjekt", so Gerhard Paul, "sondern immer abhängig von ihrem je spezifischen historischen politisch-kulturellen Deutungs- und Handlungskontext sowie von den Menschen, die sie produzieren und rezipieren. Zu unterschiedlichen Zeiten können sie daher auch ganz unterschiedlich wahrgenommen werden und zu völlig verschiedenen Reaktionen führen."
Wichtig ist es dabei laut Judith Butler, zu begreifen, dass die jeweiligen "Raster des Krieges", jene "Rahmungen" also, die diese Wahrnehmungen ordnen, beim Betrachter abermals zu partiellen Blindheiten führen können – akuten Wahrnehmungsstörungen im Sinne der in den Bilder-Inszenierungen vertretenen Propaganda: "Es ist nicht leicht, den Rahmen sehen zu lernen, der uns blind macht gegenüber dem, was wir sehen. Und wenn der visuellen Kultur in Zeiten des Krieges eine kritische Rolle zukommt, dann besteht sie eben darin, den aufgezwungenen Rahmen zu thematisieren, jenen Rahmen, der die entmenschlichte Norm umsetzt, der das Wahrnehmbare begrenzt, ja der beschränkt, was überhaupt sein kann."
Das Bild des zu Tode gefolterten Diktators Gaddafi zeigte schließlich, dass es durchaus möglich ist, Gräuel-Fotos so zu präsentieren, dass einem Massenpublikum nahegelegt wird, dass dem Opfer gerecht geschehen sei – und zwar auch in "westlichen" Medien. Aufgrund dieser Manipulierbarkeit der öffentlichen Wahrnehmung werden Kriege heute mehr denn je durch Medien definiert, sie werden mit ihnen geführt, und diese Medien sind es auch, welche die darauf folgenden Memorialkulturen und Sinngebungsmodelle immer wieder neu kanalisieren.
Letztlich gibt es nur einen Weg, dieser fast schon banalen Realität aufklärerisch zu begegnen. Jan Philipp Reemtsma hat 2008 in seiner Studie "Vertrauen und Gewalt" darauf hingewiesen, dass es heute insbesondere darauf ankäme, "in welcher Weise aggressive Äußerungen als Gewalt angesehen und als erlaubte, verbotene oder gebotene Gewalt akzeptiert oder nicht akzeptiert werden".