Am 28. Juli 1962, um 17:45 Uhr war es endlich soweit: Im Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle votieren die Delegierten des außerordentlichen Bundestags des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit deutlicher Mehrheit für die Einführung einer "zentralen Spielklasse mit Lizenzspielern unter Leitung des DFB", genannt "Bundesliga". Im "Hammelsprung" stimmten 103 Delegierte mit "Ja", 26 mit "Nein".
Deutschland war ein Nachzügler. Im "Fußball-Mutterland" England wurde bereits seit 1885 offiziell professionell und seit 1888 in einer zentralen Liga gespielt. Auf dem Kontinent war 1924 Österreich das erste Land gewesen, das eine Profiliga einrichtete – gefolgt von der Tschechoslowakei (1925), Ungarn (1926), Italien (1926), Spanien (1928), Frankreich (1932) und Portugal (1934). Die DFB-Führung hatte sich jahrzehntelang gegen eine Nationalliga gewehrt, auch weil diese ohne eine Legalisierung des Profifußballs nicht zu realisieren war. Nationalliga und Profifußball waren so zwei Seiten derselben Medaille. Außerdem bedeute eine Nationalliga eine Kräfteverschiebung zugunsten der großen Vereine.
Vom Vertragsspieler zum Lizenzspieler
Die Entscheidung von Dortmund besaß Kompromisscharakter. Denn gestimmt wurde für die Einführung des Lizenzspielers, der noch kein Vollprofi war. "Ein Mittelding, wenn ich so sagen darf, zwischen dem Vertragsspieler und dem Lizenzspieler", wie der neue DFB-Präsident Hermann Gösmann erläuterte.
Der Vollprofi ließ in Deutschland noch immer auf sich warten. Lizenzspieler mussten zwar nicht mehr wie vorher die Vertragsspieler in den alten Oberligen neben dem Fußball einen "ordentlichen" Beruf ausüben, konnten dies aber, "soweit dadurch ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihrem Verein nicht beeinträchtigt werden".
Das Lizenzspielerstatut und die Disziplinarordnung von 1963 kamen noch nicht ohne Fußball-Pädagogik aus; so wurde unter anderem festgelegt, dass Spieler "einen guten Leumund haben" müssten und "insbesondere sportlich einwandfreier Lebenswandel, volle Einsatzbereitschaft und Ritterlichkeit gegenüber dem Gegner" zu ihren Pflichten gehörten.
Der Journalist Helmut Sohre resümierte drei Jahre später: "Die Bundesliga ist weder eine Zufallsschöpfung noch eine willkürliche Maßnahme. Sie ist ein Kind ihrer Zeit, logisch gewachsen. Doch das damit verbundene Lizenzspielertum ist in unserer Epoche der Halbheiten – auch eine Halbheit. Weder Fisch noch Fleisch! Es entstand, weil man aus vielerlei Gründen – nicht zuletzt auch aus steuerlichen – das offene Bekenntnis zum Professionalismus scheute."
16 aus 46
Die Bewerber für die neue Liga mussten eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Ihre Stadien mussten mindestens 30.000 Zuschauern Platz bieten und über eine Flutlichtanlage verfügen. Außerdem waren wirtschaftlich solide Verhältnisse vorzuzeigen. Laut Experten mussten die Clubs mindestens 700.000 DM einnehmen, um zu überleben.
Zum Streitfall wurden die Auswahlkriterien. Dies begann mit der Zahl der Bundesligisten. Der DFB entschied sich für 16, aber viele Vereine und das Fußball-Magazin "Kicker" wollten eine Liga mit 18 oder sogar 20 Vereinen sehen. Brisant war vor allem die Verteilung der begehrten Plätze. Der DFB reservierte für West- und Süddeutschland jeweils fünf, Norddeutschland drei, den Südwesten zwei und Berlin einen. Bis zum Meldeschluss am 31. Dezember 1962 bewarben sich 46 der 74 Oberligisten für die neue Liga. Die ersten neun Auserwählten waren der Hamburger SV, Werder Bremen, 1. FC Köln, Borussia Dortmund, Schalke 04, Eintracht Frankfurt, 1. FC Nürnberg, Hertha BSC Berlin und 1. FC Saarbrücken. Die restlichen Sieben wurden erst im Mai 1963 benannt. Karlsruher SC, VfB Stuttgart und 1. FC Kaiserslautern waren keine Überraschung, die Berücksichtigung von 1860 München, Preußen Münster, Meidericher SV und Eintracht Braunschweig indes höchst umstritten, zumal Düsseldorf und Hannover, Großstädte und Landeshauptstädte mit großen Stadien, unberücksichtigt blieben.
In München hatte der TSV 1860 den Vorzug gegenüber dem FC Bayern erhalten, weil die Auswahlkommission kurzfristig und klammheimlich ihre Kriterien verändert hatte. So wurde das Abschneiden in der letzten Oberligasaison 1962/63 zum entscheidenden Faktor erhoben. Die "Löwen" waren Südmeister geworden, der Lokalrivale nur Dritter. Der DFB monierte außerdem, dass dem FC Bayern die "sportliche Vergangenheit" fehlte, wobei der Verband "vergaß", dass die "Roten" der einzige Münchener Club waren, der schon Mal Deutscher Meister geworden war (1932). Im Nachhinein erwies sich die Nichtberücksichtigung als Glücksfall: Wäre der FC Bayern zur neuen Eliteklasse zugelassen worden, hätte er sich angesichts leerer Kassen tief verschulden müssen und wäre anschließend möglicherweise nicht zum erfolgreichsten deutschen Fußballverein geworden.
Erste Skandale
Wie Paul Flierl prognostiziert hatte, wurde das erste Bundesligastatut schon bald von der Realität überholt. In der Saison 1964/65 erzählte der Vizepräsident des Hamburger SV, Horst Barrelet, dem "Spiegel", dass ein Nationalspieler unter 70.000 Mark nicht zu haben sei. Und HSV-Schatzmeister Karl Mechlen ergänzte: "Man verspricht sich in die Hand, keine Spieler abzuwerben und nicht mehr als die erlaubten Handgelder zu zahlen. Doch kaum sind sie aus dem Haus, da rotieren sie, um Spieler schwarz zu angeln."
Schalke 04 unterlief die Ablöse-Obergrenze, indem der Club dem Karlsruher SC zusätzlich zum Nationalspieler Günter Hermann, den der KSC für 50.000 Mark nicht freigeben wollte, noch einen kaum bekannten Ersatzspieler abkaufte und für beide Spieler zusammen 100.000 Mark überwies. Hertha BSC Berlin ließ für seine Lizenzspieler zwei Verträge anfertigen: einen "offiziellen" für den DFB, in dem die Gehaltsobergrenze nicht überschritten wurde, und einen weiteren, der das tatsächliche Gehalt festschrieb. Beim Transfer des ehemaligen Nationaltorwarts Wolfgang Fahrian an die Spree konnte den Berlinern ein Verstoß gegen das Zahlungslimit nachgewiesen werden: Der Frankfurter Spielervermittler Karl Alt hatte eine Provision von 12.000 Mark für die Vermittlung an Hertha in Rechnung gestellt. Da als Managergebühren zehn Prozent üblich waren, mutmaßte "Der Spiegel", Fahrian habe die Berliner 120.000 Mark gekostet. Damit hatte die Bundesliga ihren ersten Skandal, und am Ende der Saison 1964/65 wurde Hertha BSC zum Zwangsabstieg in die Regionalliga verurteilt.
Berlin war nun nicht mehr in der höchsten Spielklasse vertreten und im Fußball von der Bundesrepublik abgekoppelt. Tennis Borussia Berlin war als Meister der Berliner Regionalliga in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga gescheitert. In dieser Situation drängte unter anderem der Axel Springer Verlag darauf, einen Berliner Verein zu kooptieren, um so die Einbindung Berlins in die Bundesrepublik auch im Fußball zu unterstreichen. Da Vizemeister Spandauer SV verzichtete, fiel die Wahl auf den drittplatzierten SC Tasmania 1900 Berlin. Die Neuköllner waren auf das Abenteuer Bundesliga nicht vorbereitet und erwarben in der Saison 1965/66 die traurige Berühmtheit des bis heute schlechtesten Absteigers aller Zeiten. Als Spätfolge des Abstiegs musste Tasmania 1973 den Konkurs anmelden und sich auflösen. Der Club wurde wenig später als SV Tasmania Neukölln 1973 neu gegründet.
Im Juli 1965 widmete "Der Spiegel" dem Finanzgebaren der jungen Liga sogar eine Titelstory ("Notstand im Fußball"), in dem die Realitätsferne der DFB-Führung angeprangert wurde: "Eigentliche Ursache für das deutsche Bundesliga-Chaos sind die unrealistischen Zahlungsgrenzen des Bundesliga-Statuts. Sie wurden von Alt-Funktionären festgelegt, die sich der Entwicklung nicht angepasst haben. Während sie Idealismus predigten, sahen sich die Vereine geradezu gezwungen, das Zahlungslimit zu durchbrechen. Zu den vorgeschriebenen Höchstpreisen mag sich schon seit Jahren kein namhafter Spieler mehr verpflichten."
Nach dem Skandal um den Zwangsabstieg von Hertha BSC erhöhte der DFB das im Bundesligastatut fixierte Hand- und Treuegeld von 10.000 auf 15.000 Mark. Das Mindestgehalt eines Lizenzspielers wurde von 250 auf 400 Mark angehoben, die Ablösesummen für Lizenzspieler auf 100.000 und für Vertragsspieler (Regionalliga) auf 75.000 Mark. Der DFB-Kontrollausschuss konnte sogar noch höhere Summen genehmigen. Außerdem wurde bei Vertragsabschlüssen und -verlängerungen eine einmalige Zahlung von bis zu 20.000 Mark gestattet. Verglichen mit den finanziellen Möglichkeiten, die sich deutschen Spitzenfußballern im Ausland boten, war das immer noch nicht viel.
Vom Lizenzspieler zum Vollprofi
Es bedurfte eines weiteren Skandals, um auch die letzten Schranken im Berufsfußball zu beseitigen. In der Saison 1970/71 wurden im Kampf gegen den Abstieg eine Reihe von Spielen "verkauft". 52 Spieler, zwei Trainer und sechs Vereinsfunktionäre wurden bestraft, Arminia Bielefeld wurde in die Zweitklassigkeit (Regionalliga) verbannt.
1972 fielen alle Obergrenzen für Gehaltszahlungen. Zwei Jahre später wurden Bundesliga- und Lizenzspielerstatut miteinander vereinigt und auch die Begrenzung bei den Ablösesummen abgeschafft. Ende 1973 wurde auch die Trikotwerbung legalisiert. In der Saison 1974/75 spielten bereits sechs Vereine mit Werbung auf der Brust, in der Saison 1979/80 dann alle Erstligisten. Eine Professionalisierung erfuhr auch der Unterbau. Die fünf Regionalligen wurden zugunsten von zwei 2. Bundesligen aufgelöst, wodurch sich die Zahl der Zweitligisten deutlich verringerte.
Die vom Journalisten Schröder geforderte Eigenständigkeit der Profi-Vereine ließ allerdings noch auf sich warten. Erst im Herbst 2000 entließ der DFB die Vereine der 1. und 2. Bundesliga aus seiner Kontrolle. Damit fand eine Auseinandersetzung ein Ende, die bereits Mitte der 1920er begonnen hatte, als sich die führenden deutschen Clubs gegen die Gängelung durch die DFB-Führung verwahrten. Damals war es um Fragen wie die Entlohnung von Spielern, Begegnungen mit ausländischen Profivereinen sowie die Spielberechtigung für ausländische Akteure gegangen.
Kräfteverschiebungen
Der Übergang zum Vollprofitum blieb nicht ohne Auswirkungen in Europa. Aber auch innerhalb Deutschlands verschoben sich die Kräfte. Die Jahre 1933 bis 1963 waren für die großen Clubs aus dem Ruhrgebiet die erfolgreichsten gewesen. 15 der 27 Finals um die Deutsche Meisterschaft fanden mit Beteiligung eines Revierclubs statt, elfmal verließen diese als Sieger den Platz. So auch im letzten Finale vor der Einführung der Bundesliga. Die Revierclubs profitierten nicht nur vom großen Reservoir an "Straßenfußballern", sondern auch von der Unterstützung durch die regionale Industrie (Kohle, Stahl, Bier), die ihnen einen "informellen Professionalismus" gestattete.
Nach der Einführung der Bundesliga sollte es 32 Spielzeiten beziehungsweise bis zur Saison 1994/95 dauern, ehe mit Borussia Dortmund wieder ein Revierclub die Meisterschale in Empfang nehmen durfte. Der erste Bundesligameister 1. FC Köln stammte zwar auch aus dem Einzugsbereich der Oberliga West, aber die Domstädter waren ein bürgerlicher Club aus einer Dienstleistungsmetropole. Die von Franz Kremer, einem der Väter der Bundesliga, geführten Domstädter waren in diesen Jahren der modernste Club Deutschlands, der auch Bayerns Münchens Boss Wilhelm Neudecker als Vorbild diente. Vizemeister wurde überraschend der Meidericher SV, dessen Berücksichtigung umstritten gewesen war.
In den folgenden Jahren entwickelte sich München zur Fußballhauptstadt der Bundesrepublik. In der Saison 1964/65 wurde der TSV 1860 Pokalsieger. Zeitgleich stieg auch der Lokalrivale FC Bayern in die Bundesliga auf, womit München als erste Stadt mit zwei Clubs in der Eliteklasse vertreten war. In der folgenden Spielzeit 1965/66 gewann der TSV die Deutsche Meisterschaft. Aufsteiger FC Bayern wurde in der Liga gleich Dritter und gewann den DFB-Pokal. In den folgenden Spielzeiten waren Eintracht Braunschweig (1967) und der 1. FC Nürnberg (1968) die Überraschungsmeister, ehe von 1969 bis 1978 der Deutsche Meister ununterbrochen entweder Bayern oder Mönchengladbach hieß.
Avantgarde aus dem Süden
1966 erhielt München den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Sommerspiele 1972. Die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees sollte auch die weitere Entwicklung der Bundesliga beeinflussen. Die bayerische Landeshauptstadt war zwar seit 1957 Millionenstadt, besaß aber ein kleineres Stadion als etwa Nürnberg, Hannover oder Ludwigshafen. Dies änderte sich mit der neuen olympischen Arena, die über 77.000 Zuschauern Platz bot und dem FC Bayern am letzten Spieltag der Saison 1971/72 erstmals eine Millioneneinnahme bescherte (im zuvor gemeinsam mit dem TSV 1860 genutzten Stadion an der Grünwalder Straße waren maximal 350.000 DM zu erzielen). Und die Zuschauer waren in diesen Jahren noch die wichtigste Einnahmequelle. Es darf als gesichert gelten, dass die legendäre Bayern-Mannschaft um Franz Beckenbauer ohne den Umzug ins Olympiastadion auseinandergefallen wäre und es den Rekordmeister Bayern München nicht gegeben hätte.
Der Wert des Stadions lag aber nicht nur im enormen Fassungsvermögen. Das Olympiastadion war auch das erste in Deutschland, das moderne VIP-Kapazitäten besaß, was dem Verein ermöglichte, auch ein betuchteres Publikum und Prominenz aus Wirtschaft, Politik und Kultur anzusprechen. Bei Begegnungen in Italien und in Spanien war nicht nur den Bayern-Funktionären, sondern auch den Spielern aufgefallen, "dass es dort neben den üblichen Fans noch eine andere Gruppe gab, die zum Spiel ging wie zu einem gesellschaftlichen Ereignis: elegant gekleidete Männer, meist mit Blazer und dunklem Anzug, weißem Hemd, Krawatte. Die Herren saßen in Logen und ließen sich ihre Anwesenheit etwas kosten."
Diesen sozialen Wandel verkörperte aber auch die Mannschaft selbst: Mit Paul Breitner, Uli Hoeneß, Karl-Heinz Mrosko, Edgar Schneider und Rainer Zobel zogen die Abiturienten und Studenten in die Bundesliga ein. Dem "Kicker" war dies zum Start der Saison 1970/71 eine Story wert ("Studium durch Stimulans"), in der Hoeneß mit den Worten zitiert wurde: "Die heutige Art Fußball zu spielen, setzt eine gewisse Intelligenz voraus."
Für die in dieser Zeit einsetzende Dominanz des FC Bayern spielte auch Europa eine Rolle. Mit Ausnahme einer Saison (1968/69) war der FC Bayern in den Spielzeiten 1966/67 bis 1977/78 permanent in einem europäischen Wettbewerb vertreten, was mit einer für die damalige Zeit hohen TV-Präsenz verbunden war. Der FC Bayern avancierte in diesen Jahren zu dem deutschen Repräsentanten auf der Bühne des europäischen Clubfußballs und schuf sich eine bundesweite Anhängerschaft.
Bundesliga ohne Osten
Nach der Wiedervereinigung wurde die Bundesliga für eine Saison (1991/92) auf 20 Vereine aufgestockt. Im Vorfeld hatten sich der DFB und der Fußball-Verband der DDR (DFV), der Ende 1990 aufgelöst wurde, auf die Formel "2 plus 6" geeinigt. Dies bedeutete, dass zwei Clubs der DDR-Oberliga in die 1. Bundesliga aufgenommen wurden (Dynamo Dresden, Hansa Rostock), sechs in die 2. Bundesliga (VfB Leipzig, Rot-Weiß Erfurt, Carl Zeiss Jena, Stahl Brandenburg, Chemnitzer FC und Hallescher FC). Die übrigen DDR-Erst- und Zweitligisten wurden im August 1991 in den Amateurfußball verbannt, darunter auch der 1. FC Magdeburg, der einzige Europapokalsieger in der Geschichte des DDR-Fußballs (1974).
Für die Etablierung dauerhafter "Erstklassigkeit" mangelte es dem "Ost-Fußball" nach der Wiedervereinigung an Geld und qualifizierten Fachleuten für den Profifußball. Ein Vakuum, das durch zwielichtige "Helfer" aus dem Westen gefüllt wurde, die aber lediglich zur Verschlechterung der Verhältnisse beitrugen. Und die besten Spieler zog es rasch zu den etablierten westdeutschen Proficlubs.
Hansa Rostock musste sich bereits nach einer Saison wieder aus der 1. Bundesliga verabschieden. Zur Saison 1993/94 stieg zwar der VfB Leipzig auf, aber die Heimatstadt des ersten deutschen Fußballmeisters durfte bis heute nur ein Jahr Bundesliga genießen. Im Sommer 1995 war auch Dresdens Bundesligapräsenz beendet. Dafür stieg Hansa Rostock wieder auf und blieb für zehn Spielzeiten ununterbrochen erstklassig. 1995/96 und 1997/98 wurde Hansa jeweils Sechster – die bislang beste Platzierung eines "Ostvereins" in der 1. Bundesliga. Auch Energie Cottbus spielte immerhin sechs Spielzeiten lang erstklassig (2000/01–2002/03, 2006/07–2008/09). Seit dem Sommer 2009 ist der Osten nicht mehr in der 1. Bundesliga vertreten. Betrachtet man den gesamten Zeitraum von 1991/92 bis 2012/13 (22 Jahre) und addiert die verbrachten Saisons in der höchsten Spielklasse, so kommen die Clubs aus den fünf "neuen" Bundesländern auf gerade mal 23 Bundesligajahre – weniger, als etwa der Stadtstaat Hamburg zählt.
Interessant ist aber, dass die Regionalliga Nordost mit einem Schnitt von 1808 Zuschauern pro Spiel (Saison 2012/13) den höchsten Publikumszuspruch aller fünf Regionalligen aufweist (West: 1198, Südwest: 939, Nord: 816, Bayern: 587).
Den Fußballvereinen im Osten fehlen auch heute noch generell die großen Investoren, sieht man vom Getränkehersteller Red Bull ab. Dieser engagiert sich nicht zufällig in Leipzig, dem Gründungsort des DFB und Heimat des ersten deutschen Fußballmeisters, wo sich aber der heimische Fußball in einem sportlich miserablen und organisatorisch zersplitterten, von Insolvenzen und Neugründungen und auch Fanausschreitungen geprägten Zustand befand. Gleichzeitig existiert mit dem zur Weltmeisterschaft 2006 umgebauten Zentralstadion mit einem Fassungsvermögen von über 44.000 Zuschauern eine erstklassige Spielstätte. Nachdem die Leipziger Clubs Lokomotive und FC Sachsen eine Kooperation mit Red Bull abgelehnt hatten, wurde 2009 der eigenständige Verein RasenBallsport Leipzig (abgekürzt "RB" wie "Red Bull") gegründet, der vom SSV Markranstädt das Startrecht für die Beteiligung am Spielbetrieb in der Oberliga übernahm. Außerdem erwarb der Brausehersteller die Namensrechte für das Stadion, das seither seinen Namen trägt. RB Leipzig ist kein normaler Club, sondern wird vom Konzern wie eine Unternehmensfiliale gesteuert. Der "Verein" hat keine Mitglieder, der dreiköpfige Vorstand besteht komplett aus Red-Bull-Kräften, die von einem ebenfalls dreiköpfigen Ehrenrat gewählt werden, die auch aus dem Unternehmen kommen.
In der Saison 2012/13 schließlich gelang RB Leipzig der Aufstieg in die 3. Liga, und angesichts der enormen Investitionen, die der Getränkekonzern in den Fußballstandort Leipzig tätigt, ist zu erwarten, dass der Red-Bull-Club in wenigen Jahren in der 1. Bundesliga ankommen wird. Auch Dynamo Dresden, das in der Saison 2012/13 nur um Haaresbreite dem Abstieg in die Drittklassigkeit entging, wird den Marsch des "Retortenclubs" an die Spitze des Ost-Fußballs nicht stoppen können – das könnte nur die DFL. Ob RB bei einem Aufstieg in die 2. Liga die Lizenz bekommen würde, ist unklar, da Satzung und Struktur mit der "50+1-Regel" kollidieren: Während sich im englischen Profifußball die Vereine im Privatbesitz befinden, müssen in der Bundesliga 50 Prozent plus eine Stimme dem Verein gehören. Genehmigte Ausnahmen sind bislang nur Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg.
Quo vadis?
Im Sommer 2013 kehrte Eintracht Braunschweig, Gründungsmitglied der Bundesliga und "Überraschungsmeister" der Saison 1966/67, in die 1. Liga zurück. Die Eintracht war 1985 abgestiegen und bewegte sich seither zwischen 2. Liga und 3. Liga. Der Aufstieg signalisiert aber keine Renaissance der "Traditionsvereine", denn zur gleichen Zeit wurde dem MSV Duisburg die Lizenz für die 2. Liga verweigert und mussten die Drittligisten Alemannia Aachen und Kickers Offenbach Insolvenz anmelden.
Im deutschen Fußball sind die Kräfteverhältnisse mittlerweile weitgehend zementiert. Im Zeitraum 1992/93 bis 2012/13 gewannen sechs unterschiedliche Clubs die Meisterschaft, wobei 17 der 20 Titel auf drei Clubs entfielen: Bayern München (11), Borussia Dortmund (5) und Werder Bremen (2). Die einmaligen Titelgewinne Kaiserslauterns, Stuttgarts und Wolfsburgs führten nicht dazu, dass diese Clubs auch fortan in der Spitzengruppe der Liga mitmischten. Es blieben Momentaufnahmen – wie auch die Teilnahme dieser Clubs an der "Geldmaschine" Champions League.
Ein realistisches Bild für die Zukunft bieten vielleicht die fünf Spielzeiten von 2008/09 bis 2012/13: Bayern München und Borussia Dortmund wurden jeweils zweimal Meister, der VfL Wolfsburg durfte einmal feiern. Bayer Leverkusen wurde in diesem Zeitraum immerhin einmal Vizemeister, einmal Dritter und einmal Vierter. Zu diesen vier Clubs könnte sich in Zukunft dann auch noch RB Leipzig gesellen. Drei dieser fünf Clubs würden die "50+1-Regel" unterlaufen. Und bei Bayern München sind externe Investoren immerhin mit 20 Prozent beteiligt. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass die vom Hannover-96-Präsidenten Martin Kind vorgeschlagene Abschaffung der "50+1-Regel" mittelfristig doch noch breitere Zustimmung erlangt.