Ist Wiedergutmachung das falsche Wort? Die Auflösung des Rechts in Angst und Schrecken, die bis zum millionenfachen Mord gesteigerte Verfolgung lassen sich nicht ungeschehen oder rückgängig und in diesem Sinne niemals "wieder gut" machen. Außerdem bringt dieses Wort eher die Perspektive der Haftenden als die der Verfolgten zum Ausdruck – mit der Folge, dass damit eine aufdringliche Versöhnungserwartung verbunden sein kann. Im Gegenzug hat der Staat Israel für die im deutsch-israelischen Abkommen von 1952 vereinbarte Globalzahlung mit Bedacht das Wort Shilumim gewählt, das nichts anderes als "Zahlungen" bedeutet und Konnotationen wie Versöhnung oder Vergebung dezidiert abweist.
Blättert man im Grimm’schen Wörterbuch, so erfährt man jedoch auch, dass "gutmachen" im Deutschen von alters her "ersetzen, bezahlen, sühnen" bedeutet.
Umstrittener Begriff
In den Gründerjahren der Bundesrepublik haben gerade solche Politiker den Wiedergutmachungsbegriff hoch geschätzt, die klarer als andere erkannten, dass die Deutschen sehr viel zu ersetzen, zu bezahlen und zu sühnen hatten. Adolf Arndt oder Carlo Schmid, Franz Böhm oder Theodor Heuss sahen in diesem Sprachgebrauch ein Zeichen der Anerkennung von Schuld und Verbrechen und einen moralischen Appell, um die Selbstbezogenheit und Teilnahmslosigkeit des überwiegenden Teils der deutschen Bevölkerung zu überwinden.
Ein Streiter für die Sache der Verfolgten, der Unionsabgeordnete Franz Böhm, erläuterte 1954 die zeitgenössische Semantik so: "Wen die Grausamkeiten der Hitlerzeit damals, als sie verübt wurden, entsetzten, wer mit den Opfern fühlte, wer, wenn er konnte, zu helfen suchte, dem ist heute die Wiedergutmachung Herzenssache. Wer aber damals mit Hitler sympathisierte, wer jeden, den die Gestapo abholte, für einen Feind, Übeltäter oder Schädling hielt oder wer sich auch nur beim Anblick all der Herzlosigkeit und Brutalität mit dem Satz tröstete: wo gehobelt wird, da fallen Späne, für den ist heute die Wiedergutmachung ein Ärgernis."
In unserer Gegenwart verhält es sich gerade umgekehrt: Je stärker der Zivilisationsbruch von Auschwitz in das Zentrum deutscher Erinnerungskultur getreten ist, um so mehr ist der Wiedergutmachungsbegriff zum Ärgernis geworden. Vielen gilt er als "unerträglich verharmlosend".
Wenn heute an diesem Begriff festgehalten wird, dann primär aus pragmatischen Gründen. Wie keine andere Sammelbezeichnung rückt er einen Gesamtkomplex in den Blick, der sich in fünf Felder unterteilen lässt. Es handelt sich, erstens, um die Rückerstattung von Vermögenswerten, die den NS-Verfolgten entzogen worden sind, und, zweitens, die Entschädigung für Eingriffe in die Lebenschancen wie den Verlust an Freiheit, Gesundheit, beruflichem Fortkommen. Zu den einschlägigen Gesetzen traten, drittens, Sonderregelungen auf verschiedenen Rechtsgebieten, insbesondere in der Sozialversicherung. Die juristische Rehabilitierung, viertens, stand vor der Aufgabe, Unrechtsurteile zu beseitigen – vor allem in der Strafjustiz, aber auch Unrechtsakte wie die Ausbürgerung oder die Aberkennung akademischer Grade sind zu bedenken. Diese vier Bereiche betrafen das innerdeutsche Recht. Aber die Verfolger haben Staatsgrenzen niedergerissen, Terror nach außen getragen und Millionen von Ausländern in das Deutsche Reich deportiert. Das Thema hat somit auch, fünftens, weite internationale Dimensionen, die den Hintergrund für eine Reihe von zwischenstaatlichen Abkommen bilden. Der folgende Überblick konzentriert sich auf das erste, zweite und fünfte Feld.
Rückerstattung
Den Anfang machten die Militärregierungen der drei westlichen Besatzungszonen, wobei die amerikanische voranging. Sie erließen zwischen 1947 und 1949 Rückerstattungsgesetze, die später in deutsches Recht inkorporiert wurden. Diese Gesetze regelten die Rückgabe wiederauffindbaren Eigentums, vor allem solcher Werte, die in die Hände privater Nutznießer gelangt waren. Ergänzend trat 1957 das Bundesrückerstattungsgesetz hinzu. Damit verpflichtete die Bundesrepublik sich zum Schadensersatz für Raubaktionen seitens staatlicher Instanzen oder NS-Parteiorganisationen. Diese Rückerstattungsgesetze betrafen ganz überwiegend das Vermögen von Juden,
Auf der Basis der alliierten Militärregierungsgesetze haben schätzungsweise rund Hunderttausend Privatpersonen ein Wertvolumen von etwa 3,5 Milliarden DM zurückgegeben. Dieser Vorgang war bis zum Ende der 1950er Jahre größtenteils abgeschlossen. Die Schadensersatzleistungen der Bundesrepublik beliefen sich auf etwa 5,2 Milliarden DM.
Die quantitative Bilanz besagt außerdem nichts über die gesellschaftlichen Konflikte, die mit der Rückerstattung verbunden waren, und nichts über die Qualität der administrativen und gerichtlichen Umsetzung der rechtlichen Regelungen. Qualitative Analysen haben in dieser Hinsicht eine Reihe sehr kritischer Akzente gesetzt.
Wegmarken der Entschädigung
Auch in der Entschädigungsfrage wurden die Weichen schon in den Besatzungszonen gestellt. Darauf baute das erste bundeseinheitliche Entschädigungsgesetz (1953) auf, das allerdings unzulänglich ausgearbeitet war und in der praktischen Umsetzung eklatante Mängel aufwies. Daher folgte 1956 mit dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) eine große Novelle, die dann 1965 mit dem Bundesentschädigungs-Schlussgesetz (BEG-SG) noch einmal verbessert und im Leistungsumfang ausgeweitet wurde. An den beiden Novellen waren Experten der Jewish Claims Conference beteiligt, denn die Bundesregierung hatte diesem 1951 gegründeten Dachverband von 23 jüdischen Organisationen aus der ganzen (westlichen) Welt einen vertraglich geregelten Einfluss auf die Entschädigungsgesetzgebung eingeräumt. Das BEG definierte als NS-Verfolgte diejenigen, die "aus Gründen der politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden" waren. Es legte die Anerkennungskriterien für Schäden an Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit, Ausbildung und beruflichem Fortkommen fest, bezog auch einige Kategorien von Vermögensschäden ein und bestimmte die Art und Höhe des jeweiligen Entschädigungsanspruchs. Die Schlussfrist, nach der grundsätzlich keine neuen Anträge mehr gestellt werden konnten, legte das BEG-SG auf das Jahresende 1969. Nach dem "Schlussgesetz" von 1965 wurde das BEG kein weiteres Mal novelliert, allerdings durch einige Härtefonds ergänzt.
Mit dem BEG haben wir das Kernstück der westdeutschen Wiedergutmachung vor Augen. Von den rund 104 Milliarden DM, die die öffentliche Hand bis 1998 insgesamt für Wiedergutmachung geleistet hat,
Wiederum besagen so hoch aggregierte Zahlen kaum etwas über die Qualität der Ausführung der Gesetze. Diese hing vom Tun und Lassen zahlreicher Verwaltungsbeamter, medizinischer Gutachter, Richter, Anwälte und anderer Akteure ab. Eine Zeit lang waren polemische Thesen im Schwang, die die Praxis der Wiedergutmachung als einen "Kleinkrieg gegen die Opfer", wenn nicht sogar als eine Art "zweiter Verfolgung" darstellten. Eindringliche Studien haben solche Pauschalurteile nicht bestätigt, sondern ein vielfach gemischtes Bild geliefert – mit dem Fazit, dass es sich um eine Geschichte "voller trial and error" handele, "voller ernstgemeinter Bemühungen vieler Beteiligter, den Opfern der NS-Verfolgung zu ihrem Recht zu verhelfen und Genugtuung zu verschaffen, aber auch gespickt mit Blindheit und Engstirnigkeit".
Ein betrübliches Beispiel solcher Blindheit bietet ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), der 1956 entschied, dass die "Zigeuner" erst seit März 1943 aus rassischen Gründen verfolgt worden seien; vorher habe es sich um sicherheitspolizeilich oder militärisch motivierte Ordnungsmaßnahmen gehandelt. Dieses Urteil wirft ein Schlaglicht darauf, dass die Geschichte der Entschädigung stets auch eine Geschichte des Unterscheidens ist – zwischen dem, was als spezifisches NS-Unrecht angesehen wurde, und dem, was als "normale" staatliche Ordnungsmaßnahme oder "gewöhnliche" Kriegsfolge gelten sollte. Das Urteil zeigt die Fortdauer einer mentalen Prägung, in der bestimmte Phasen und Formen der Unterdrückung von Sinti und Roma als normal und nicht als NS-Verfolgung erschienen. 1963 änderte der BGH seine Linie und urteilte, dass die rassische Verfolgung der "Zigeuner" 1938 begonnen habe. Das BEG-Schlussgesetz machte es daraufhin möglich, dass Sinti und Roma, deren Entschädigung für die zwischen 1938 und 1943 erlittene Verfolgung rechtskräftig abgelehnt worden war, eine neue Entscheidung beantragen konnten. Gleichwohl blieben sie in der Wiedergutmachung "strukturell benachteiligt".
"Vergessene Opfer"?
Auf den ersten Blick erscheint der Verfolgungsbegriff des BEG sehr weit gefasst: Einen Entschädigungsanspruch hatten Personen, die "aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen" verfolgt worden waren. Tatsächlich aber schloss das Gesetz eine Reihe von Opfergruppen im Grundsatz aus, insbesondere Homosexuelle, Opfer der Zwangssterilisierung nach dem "Erbgesundheitsgesetz", "Asoziale" sowie Deserteure oder wegen "Wehrkraftzersetzung" verurteilte Personen. Auch die "Zigeuner" wurden, wie gezeigt, nicht per se einbezogen. Diese später als "vergessen" titulierten Gruppen waren jedoch durchaus nicht vergessen worden, der Gesetzgeber hatte es vielmehr bewusst abgelehnt, sie als Opfer "typisch" nationalsozialistischer Verfolgung anzusehen. Das (im zuständigen Bundestagsausschuss nicht unumstrittene) Hauptargument lautete: Auch unter rechtsstaatlichen Bedingungen sei Zwangssterilisierung beziehungsweise die Strafverfolgung der anderen genannten Gruppen möglich gewesen. Soweit die Verfolgung das rechtsstaatlich erträgliche Maß überstiegen habe, handele es sich um "sonstiges Staatsunrecht", für das unter Umständen eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz in Betracht komme.
Der Ausschluss dieser Gruppen aus dem BEG war lange kein Thema, das die deutsche Öffentlichkeit bewegte. Erst in den 1980er Jahren schlug die Kritik hohe Wellen. Die berühmt gewordene Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 ist auch in diesem Kontext zu sehen, denn er bezog diese Opfergruppen (außer den Deserteuren) in das Gedenken ein und verstärkte damit die öffentliche Debatte über einen erweiterten Verfolgungsbegriff. Mehrere Faktoren hatten diesen Wandel herbeigeführt. Die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit war in weiten Teilen der Gesellschaft resonanzfähig geworden und in eine Phase der "kommemorativen Vergegenwärtigung"
Im Deutschen Bundestag machten vor allem Die Grünen aus den versäumten Entschädigungszahlungen ein Thema zahlreicher Initiativen. Auch die SPD engagierte sich – seit 1982 in der Opposition – nun mehr als zuvor auf diesem Gebiet. Die Parlamentarier veranlassten die Bundesregierung 1986 zu einer großen Bestandsaufnahme, die sie kritisch diskutierten, und widmeten den bisher im Schatten stehenden Opfergruppen 1987 eine öffentliche Anhörung.
In den 1980er Jahren entbrannte auch eine Debatte über die ausländischen Zwangsarbeiter in der deutschen Kriegsgesellschaft. Bislang war dies weder in der politisch-publizistischen Öffentlichkeit, noch in der Geschichtswissenschaft ein Thema von Gewicht gewesen. Das änderte sich nun binnen weniger Jahre. Mit der gesteigerten Aufmerksamkeit ging ein Deutungswandel einher. Die seit Jahrzehnten in der deutschen Gesellschaft vorherrschende Meinung, dass die Verschleppung und der Einsatz von Millionen ausländischer Arbeitskräfte eine Kriegsfolge, aber keine NS-Verfolgung gewesen sei, geriet nun in die Kritik. Dagegen gewann die Einsicht an Boden, dass gerade auch die Zwangsarbeiter zu den "vergessenen Opfern" zählten. Die oppositionellen Gesetzentwürfe, die Ende der 1980er Jahre im Bundestag eingebracht wurden, sahen daher auch eine Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiter vor – einstweilen ohne Erfolg. Das Thema "Zwangsarbeit" berührte einen wichtigen Teil, aber nicht die ganze Spannweite einer Grundsatzfrage der deutschen Entschädigungspolitik, nämlich den Umgang mit den Ansprüchen ausländischer NS-Verfolgter.
Ausländische NS-Verfolgte
Das BEG bezog sich im Prinzip auf die deutschen NS-Verfolgten, nicht auf die ausländischen. Es knüpfte die Ansprüche zwar nicht an die deutsche Staatsangehörigkeit, aber an ein "Territorialitätsprinzip". Demzufolge waren – vereinfacht gesagt – die in der Bundesrepublik lebenden Verfolgten einbezogen sowie jene Emigranten, die zur Zeit der Verfolgung ihren "Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt" auf dem Gebiet des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 gehabt hatten und nun irgendwo in der westlichen Welt lebten. Einige Ausnahmen durchbrachen dieses Prinzip. So wurden auf Wunsch der Claims Conference auch Verfolgte aufgenommen, die aus dem osteuropäischen Raum in Richtung Westen kamen – laut BEG bis zum Stichtag des 1. Oktober 1953, seit dem Schlussgesetz von 1965 auch die "Post-53-Fälle".
Warum bezog das westdeutsche Entschädigungsrecht die ausländischen NS-Opfer grundsätzlich nicht ein? Der Grund war ebenso einfach wie folgenreich: Deren Ansprüche sollten im völkerrechtlichen Rahmen der Reparationen geregelt werden. Diese Sichtweise konnte sich auf den Reparationsbegriff des Potsdamer Abkommens stützen, mehr noch auf eine Beschlusslage des Pariser Reparationsabkommens, auf das sich 18 Staaten, darunter die drei westlichen Besatzungsmächte, 1946 geeinigt hatten. An sich hätte es unerheblich sein können, unter welchem Rechtstitel die Entschädigung der Ausländer geregelt wurde. Aber ein gravierender Unterschied ergab sich, als das Londoner Schuldenabkommen von 1953 – eine Art Konkursabwicklung des Deutschen Reichs – die Regelung aller noch ausstehenden Reparationsfragen bis zum Abschluss eines Friedensvertrags mit Deutschland aufschob. Damit waren die Reparationsansprüche auf unabsehbare Zeit blockiert, während im selben Jahr der Aufstieg der innerdeutschen Entschädigungsgesetzgebung einsetzte.
Diese beiden Regelungsbereiche drifteten so früh, so weit und in einer für die Ausländer so nachteiligen Weise auseinander, dass ein internationales Spannungs- und Konfliktfeld eigener Art entstand. Dabei ging es im Kern um die Herauslösung der Ansprüche von NS-Verfolgten aus dem allgemeinen Zusammenhang der (blockierten) Reparationen. Hier entstand eine Streitlinie, die immer wieder Wellen der Aktualisierung von Entschädigungsfragen auslöste und bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nicht zur Ruhe kam.
Für die in Osteuropa lebenden NS-Verfolgten kam noch eine weitere Benachteiligung hinzu: die sogenannte diplomatische Klausel im BEG. Sie besagte, dass Entschädigungsgelder nur in solche Staaten fließen durften, mit denen die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen unterhielt.
In der Geschichte der Bonner Republik hielten alle Bundesregierungen an diesem Rechtsstandpunkt fest: Die ausländischen Entschädigungsansprüche zu regeln, sei Sache zwischenstaatlicher Reparationsverhandlungen; darüber könne jedoch nur im Zusammenhang mit einem Friedensvertrag verhandelt werden. Gleichwohl führte eine Mischung aus außenpolitischem Druck und moralischen Momenten dazu, dass die Bundesrepublik eine Reihe von Zahlungsabkommen abschloss, wobei sie stets betonte, sie tue dies nicht aufgrund einer völkerrechtlichen Verpflichtung, sondern auf freiwilliger Basis.
Globalabkommen
Das früheste, wichtigste und bekannteste Vertragswerk dieser Art ist das Luxemburger Abkommen mit Israel und der Claims Conference, das 1953 in Kraft trat. Damit verpflichtete sich die Bundesrepublik zu Leistungen an den israelischen Staat im Wert von drei Milliarden DM. Bei der zutiefst verstörenden Frage nach der Bemessungsgrundlage hatten die Eingliederungskosten für etwa eine halbe Million Holocaust-Überlebender aus Europa als Ausgangspunkt gedient. Hinzu kamen Zahlungen von 450 Millionen DM an die Claims Conference, die diese Mittel vorwiegend für karitative und kulturelle Gemeinschaftseinrichtungen außerhalb Israels verwandte.
Bonn sah in dem Luxemburger Abkommen kein Präjudiz für die Bereitschaft, ausländische Entschädigungsansprüche auch jenseits der Reparationen zu leisten. Im Gegenteil: Bonn betrachtete das Israel-Abkommen als absoluten Sonderfall, auch völkerrechtlich, weil Israel – als ein erst nach dem Krieg gegründeter Staat – in die Reparationsverhandlungen der am Krieg beteiligten Staaten nicht einbezogen war. Da die Westintegration das Lebenselixier der Bonner Republik war, war es jedoch schlechterdings unmöglich, die aus dem westintegrierten Ausland kommenden Forderungen einfach abzublocken. Daher hat die Bundesrepublik zwischen 1959 und 1964 Globalabkommen mit elf westeuropäischen Staaten geschlossen, um Verfolgte, die "typisches NS-Unrecht" erlitten hatten, in einem gewissen Maß zu entschädigen. Dafür stellte Bonn insgesamt 876 Millionen DM bereit, eine relativ geringe Größenordnung, sodass mehrere Vertragspartner sich vorbehielten, zu gegebener Zeit weitere Ansprüche zu stellen.
In der Großwetterlage des Ost-West-Konflikts kam es nicht zu solchen Globalabkommen mit osteuropäischen Staaten, sieht man vom Sonderfall der Beihilfen für Opfer medizinischer Experimente ab.
Ostdeutscher Weg
Im deutsch-deutschen Vergleich fällt zunächst eine gespaltene Sprache auf. Anders als in der Bundesrepublik verstand man in der DDR unter "Wiedergutmachung" so gut wie ausschließlich die Reparationsleistungen an die Sowjetunion. Daher betrachtete die DDR ihre internationale Wiedergutmachungspflicht als abgegolten, als Moskau im Herbst 1953 das Ende der Reparationen verkündete. Seither weigerte sich der ostdeutsche Staat beharrlich, über Entschädigungen zu verhandeln – sowohl im Blick auf die "Bruderstaaten" des Warschauer Pakts als auch und vor allem gegenüber Israel und der Claims Conference. Bei der Abwehr jüdischer Forderungen kam hinzu, dass die DDR in die antiisraelische und proarabische Politik des Sowjetimperiums eingebunden war. Außerdem präsentierte sich der SED-Staat als "antifaschistische Jungfrauengeburt", der keine internationale Verantwortung für "die belastenden Elemente der deutschen Geschichte zufalle".
Demnach beschränkte die DDR ihre Leistungen strikt auf solche NS-Verfolgte, die ihren Wohnsitz auf dem ostdeutschen Staatsgebiet hatten. Die Zahl der anerkannten Verfolgten belief sich 1953 auf etwa 40.600 und sank bis 1989 auf rund 10.000. Bemerkenswert ist eine "Ehrenpensions-Verordnung", die 1965 eine Unterscheidung zwischen "Kämpfern gegen den Faschismus" und bloßen "Opfern des Faschismus" einführte. Die "Kämpfer", weitgehend identisch mit früher verfolgten Kommunisten, waren seither materiell und symbolisch besser gestellt als die "Nur-Opfer". Kaum zehn Prozent der Anspruchsberechtigten waren Opfer antijüdischer, rassistischer Verfolgung gewesen. Denn nicht viele Juden kehrten nach 1945 in die Sowjetische Besatzungszone zurück, und sie wanderten überwiegend wieder aus, als Anfang der 1950er Jahre eine antisemitische Welle durch Osteuropa ging.
Im Zuge der Sozialisierungspolitik verlief auch die Rückerstattung anders als im westlichen Teil Deutschlands, wo sie im Einklang mit dem Recht der bürgerlichen Eigentumsordnung erfolgte.
Epochenzäsur 1989/1990
Das Ende des Ost-West-Konflikts und die Vereinigung Deutschlands bezeichnen auch in der Geschichte der Wiedergutmachung eine Epochenzäsur. Die Folge waren zwei große Wellen der Wiederbelebung von Fragen der Rückerstattung, der Entschädigung und der Globalabkommen. Den ersten Schub löste die deutsche Vereinigung aus. Deutschland übernahm in der Ära Kohl die von der DDR abgewiesene historische Erblast gegenüber der Claims Conference ("Artikel-2-Abkommen"), setzte die "Rückerstattung Ost" in Gang, also die Rückgabe jüdischen Eigentums in der ehemaligen DDR, und schloss nun auch mit osteuropäischen Staaten globale Abkommen – ähnlich denen, die um 1960 mit westeuropäischen Staaten geschlossen worden waren: 1991 mit Polen, 1993 mit drei Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Russische Föderation, Ukraine und Belarus); von 1995 bis 1998 kamen noch Vereinbarungen mit den drei baltischen Staaten sowie der deutsch-tschechische Zukunftsfonds hinzu. Mit diesen Abkommen (und kräftiger amerikanischer Unterstützung) erreichte die Regierung Kohl, dass die mit dem Londoner Schuldenabkommen 1952 auf die lange Bank geschobene Reparationsfrage nicht nochmals völkerrechtlich neu aufgerollt wurde.
Der zweite Schub gewann seine Dynamik in einem internationalen Kontext, der ab Mitte der 1990er Jahre in ganz Europa eine Art "Schlussabrechnung mit dem Zweiten Weltkrieg" eröffnete.
In dieser Zeit setzte zugleich ein Aufmerksamkeitsschub ein, der das Interesse an der deutschen Wiedergutmachung in einer neuen, paradigmatischen Weise belebte: Sie fand nun Eingang in globale Diskurse über eine "neue internationale Moral", in deren Mittelpunkt die in unterschiedlichen Zusammenhängen brisante Frage nach angemessenen Formen des Umgangs mit historischem Unrecht steht.