Ob es Gott gibt (oder Götter), welches Geschlecht Gott hat, wie Gott heißt, sind Glaubensfragen, über die es unerbittliche Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen, aber auch zwischen Gläubigen und Atheisten gibt. Religion bietet vielen Menschen einen normativen Orientierungsrahmen, den Nichtgläubige beispielsweise im atheistischen Humanismus finden.
Kern einer nicht-theologischen öffentlichen Religionsdebatte können nur Fragen sein, die einen gesamtgesellschaftlichen Erkenntnisgewinn versprechen: Warum und in welchen Lebenssituationen haben Menschen das Bedürfnis nach Transzendenz? Handelt es sich gar um eine anthropologische Konstante? Ab wann wirkt die stabilisierende Funktion (Religion als moralischer Kompass) paralysierend ("Opium des Volkes")? Inwiefern bedürfen Moral und Ethik einer religiösen Fundierung? Welchen Einfluss hat das jeweilige soziale Umfeld? Wie soll im öffentlichen Raum darauf Rücksicht genommen werden? Welche Chancen und Risiken bergen Einflussmöglichkeiten religiöser Akteure auf Gesellschaft und Politik? Diese Fragen sind nicht weniger konfliktiv. Sie stehen jedoch nicht unter dem Absolutheitsanspruch der Religionen, da hier weniger der Wahrheitsgehalt religiöser Offenbarungen verhandelt wird, sondern vielmehr ihre öffentliche Rolle.
An dieser Stelle greifen Religionsdebatten in den Deutungskampf über die normativen Grundlagen einer Gesellschaft ein. Das Grundgesetz setzt den Rahmen dafür, wie diese interpretiert und ausgestaltet werden können. Immer wieder neu zu klären bleibt, wie sich individuelle Religiosität durch die sozialen Rahmenbedingungen verändert, welche Rolle kollektive Religiosität spielt und wie zeitgemäß das Staatskirchenrecht angesichts der Pluralisierung und Individualisierung von Religionsformen ist. Umstritten ist auch, ob Religionen einen besonderen Schutz vor Schmähungen genießen: Wie viel Religionskritik kann – und muss – eine säkulare und demokratische Gesellschaft aushalten?