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Ein kurzer Gang durch die Geschichte Kroatiens | Kroatien | bpb.de

Kroatien Editorial Im Schneesturm - Kurzgeschichte Kroatiens Weg in die EU Ein kurzer Gang durch die Geschichte Kroatien und seine Nachbarn Erinnerungskultur und -politik Der schwierige Umgang mit der Geschichte Homophobie im zeitgenössischen Kroatien

Ein kurzer Gang durch die Geschichte Kroatiens

Ludwig Steindorff

/ 17 Minuten zu lesen

Schon in Geschichtskarten für das 9. Jahrhundert finden wir den Volksnamen "Kroaten" und den Gebietsnamen "Kroatien", doch der Staat in seinen heutigen Grenzen erscheint erst auf Karten, die das sozialistische Jugoslawien und seine innere föderale Gliederung ab 1945 abbilden.

Die historischen Territorien Kroatiens sind im 1990 neu gestalteten Wappen der Republik Kroatien dargestellt: Das große Schachbrettmuster, aus alter Tradition auch im Wappen der sozialistischen Republik Kroatien enthalten, steht sowohl für den Staat als Gesamtheit als auch für Kroatien im engeren Sinne, also den Gürtel entlang der Westgrenze von der Drau bis an die Adria. Der kleine Schild mit den rot-blauen Streifen ist das Wappen der einstigen Republik Dubrovnik, der mit den drei Löwenköpfen das von Dalmatien. Der Schild mit der Ziege steht für Istrien, der mit dem Marder (kuna) für Slawonien im Nordosten des heutigen Kroatiens. Das Wappen Illyriens mit Mond und Morgenstern verweist auf das einstige Symbol des Illyrismus in den Anfängen der kroatischen Nationalbewegung vor der Revolution 1848/1849.

Jeder Reisende bemerkt große Unterschiede in den Landschafts- und Stadtbildern des sich über drei geografische und zugleich ethnografische Zonen erstreckenden Landes: den mediterranen Küstenbereich, den Gürtel des dinarischen Gebirges und die mitteleuropäisch geprägten Ebenen und Mittelgebirge des Nordens. Je nach Fragestellung können wir Kroatien zu Südosteuropa, zu Ostmitteleuropa oder auch den Mittelmeeranrainern rechnen.

Die Gesamtbevölkerung betrug 2011 4,285 Millionen Einwohner, darunter 90,42% Kroaten. Die größte Gruppe unter den Minderheiten bilden die Serben mit etwa 4,36%. Es folgen, jeweils regional konzentriert, Italiener, Roma, Ungarn und Tschechen mit Anteilen unter 0,5%.

Spuren der Antike und des Mittelalters

Die östliche Adriaküste wurde im vierten Jahrhundert vor Christus in die griechische Stadtkolonisation einbezogen, und seit dem ersten Jahrhundert befand sich der gesamte Raum des heutigen Kroatiens innerhalb der Grenzen des Römischen Reiches. Die Küstenregion ist bis heute vorgeprägt durch die Antike. Das Christentum fasste an der Küste im 3. Jahrhundert Fuß. Die antike Welt endete hier mit den Feldzügen der Avaren und der Ansiedlung der Slawen im 7. Jahrhundert. Das byzantinische Dalmatien reduzierte sich auf eine Reihe von Inseln und Küstenstädten mit Kontinuität auch des kirchlichen Lebens in lateinischer Sprache. Istrien, dessen Binnenland seit dem 7. Jahrhundert ebenso slawisch besiedelt war, gelangte um 788 an das Reich Karls des Großen. Im Hinterland Dalmatiens entstanden seit dem 8. Jahrhundert slawische Reiche, darunter im Norden Kroatien, das sich in einem breiten Streifen entlang der Küste von Ostistrien bis östlich von Split erstreckte. Die Christianisierung erfolgte vom Fränkischen Reich und von den dalmatinischen Städten aus.

Nach dem Tod des kroatischen Königs Zvonimir 1089 erhob der ungarische König Ladislaus Erbansprüche auf die kroatische Krone. Jetzt begann die Erschließung des mittelalterlichen Slawoniens, des "Slawenlandes" südlich der Drau. 1094 gründete Ladislaus in Zagreb ein Bistum und eine Gespanschaft nach ungarischem Muster. Sein Nachfolger Koloman wurde dann 1102 in Biograd bei Zadar zum kroatischen König gekrönt.

Im Laufe der folgenden zwei Jahrhunderte gelangte fast die gesamte istrische und dalmatinische Küste unter venezianische Herrschaft. Nach zeitweiligem Verlust Dalmatiens 1358 an Ungarn-Kroatien konnte Venedig ab dem 15. Jahrhundert die Herrschaft bis 1797 dauerhaft sichern. Dubrovnik, Handelszentrum zwischen Adriaraum und Binnenland, entwickelte sich zu einer eigenen Stadtrepublik, die erst 1808 von Napoleon aufgehoben wurde.

Slawonien hatte seit dem Ende des 12. Jahrhunderts ebenso wie Ungarn Anteil an der hochmittelalterlichen Kolonisation nach deutschem Recht. Einige Städte wurden zu königlichen Freistädten, unter ihnen Gradec, die heutige Zagreber Oberstadt. Wie in ganz West- und Mitteleuropa erfolgte eine strukturelle Angleichung der Stadtlandschaften im Binnenland und an der Küste: Überall gab es nun die Bürgergemeinde mit Ratsversammlung und Rathaus, ebenso gehörten Franziskaner- und Dominikanerklöster zum Stadtbild.

Umbrüche der Frühen Neuzeit

Schon im Laufe des 15. Jahrhunderts expandierte das Osmanische Reich immer weiter nach Westen. Nach der Schlacht von Mohács in Westungarn 1526 blieb vom mittelalterlichen Kroatien und Slawonien nur noch ein schmaler Streifen im Westen. Einem Erbvertrag entsprechend, der 1527 durch Wahl durch den Landtag bestätigt wurde, übernahmen die Habsburger die Herrschaft über die Gebiete, die nun zum "engeren Kroatien" zusammenwuchsen. Zagreb wurde dessen Zentrum. Der Landesname Slawonien bezieht sich seitdem auf die Gebiete im Norden des heutigen Kroatiens, die im 16. und 17. Jahrhundert zum Osmanischen Reich gehörten. Auf Habsburger-Seite entstand zwischen den Burgen in Grenznähe allmählich das Territorium der Militärgrenze, in der freie Bauern zum Wehrdienst verpflichtet waren. Siedler kamen nicht nur aus habsburgischen, sondern auch aus den osmanischen Territorien. Unter ihnen waren viele Orthodoxe, die sich später national als Serben bekannten.

Seit dem erneuten Scheitern der Belagerung von Wien 1683 befand sich das Osmanische Reich in der Defensive. Slawonien wurde unter den Habsburgern rekolonisiert und teilweise in die Militärgrenze einbezogen. Konzentriert in Osijek und Umgebung, siedelten sich auch Deutsche an.

Auf dem Weg in die Moderne

Die Ära der französischen Herrschaft 1805 bis 1813 in Istrien und Dalmatien gilt wegen der damaligen Reformen in Justiz, Schul- und Gesundheitswesen bis heute als Aufbruchszeit. Gemäß den Entscheidungen des Wiener Kongresses 1815 fielen alle einstigen venezianischen Besitzungen wie auch Dubrovnik an Österreich.

Parallel zum Vormärz in Deutschland sind die Jahre vor der Revolution 1848/1849 mit den Anfängen der kroatischen Nationalbewegung verbunden. Der Illyrismus mit seinen Texten und Liedern einschließlich der späteren kroatischen Hymne griff durch seinen Namen geschichtliche Momente auf und blieb offen: Er konnte neben Kroaten auch die Serben in der Habsburger-Monarchie ansprechen. Als Beginn des Illyrismus gilt die Begründung der "Horvatske novine", der "Kroatischen Zeitung", durch Ljudevit Gaj 1835. Hier führte er einige Neuerungen ein, auf denen die kroatische Rechtschreibung in ihren Grundzügen bis heute beruht. In den folgenden Jahrzehnten wurde zugleich das Verhältnis zum Serbischen standardisiert. Über die vielen Gemeinsamkeiten und das gegenseitige Verstehen hinweg betreffen die Unterschiede alle Sprachebenen.

Unter dem Eindruck der in die Habsburger-Länder ausgreifenden Revolution 1848 formierte sich am 25. März in Zagreb eine Landesversammlung, wählte den Illyrier Graf Josip Jelačić zum Ban (Statthalter) und erhob einen Forderungskatalog. Erstmals wurde ein Landtag gewählt, und der Ban verkündete die Aufhebung aller Feudallasten.

Nach dem weitgehenden Scheitern der Revolution 1848/1849 und verschiedenen Zwischenlösungen brachte erst der symmetrisch aufgebaute österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 eine bis 1918 stabile Staatsordnung: Beide Reichshälften mit Kaiser und König Franz Joseph als gemeinsamen Herrscher genossen weitgehende Eigenständigkeit. Gemeinsame Angelegenheiten blieben nur noch Außenpolitik, Verteidigung und die damit verbundenen Finanzen. Im asymmetrischen Ausgleich von 1868 zwischen Ungarn und Kroatien erhielt letzteres Autonomie in Kultus, Schulwesen und Justiz. Die Militärgrenze wurde 1881 aufgelöst und ihre Gebiete in die kroatisch-slawonische Zivilverwaltung integriert.

In der kroatischen Nationalbewegung ab 1860 lassen sich zwei Strömungen erkennen. Die eine hob auf die Verbundenheit aller Südslawen ab und suchte innerhalb Kroatiens und Dalmatiens die enge Zusammenarbeit mit den Serben und ihren Parteien. Profiliertester Vertreter dieser Richtung war Juraj Strossmayer, Bischof von Đakovo. Die andere Richtung, repräsentiert zuerst durch Ante Starčević, stellte die kroatische Nation in die staatsrechtliche Tradition und in Abgrenzung von den Serben. Die kroatische Nationalbewegung erfasste auch Istrien, hier in Konkurrenz zur italienischen Bewegung. In Bosnien-Herzegowina, seit 1878 unter österreich-ungarischer Verwaltung, trat an die Stelle der Identitätsbildung über die Religion – Katholizismus, Orthodoxie oder Islam – die nationale Identifikation als Kroaten, Serben oder Bosniaken. Die religiöse Tradition wurde zum Unterscheidungsmerkmal der modernen Nationen.

Jugoslawische Staatsbildung und Zwischenkriegszeit

Bald nach Beginn des Ersten Weltkrieges konstituierte sich in London der "Jugoslawische Ausschuss" aus Emigranten aus Österreich-Ungarn. Zusammen mit der serbischen Regierung, damals im Exil auf Korfu, erklärte er im Juli 1917 die Schaffung eines gemeinsamen Staates als Ziel. Als 1918 das Kriegsende absehbar war, proklamierte ein in Zagreb tagender Nationalrat von südslawischen Politikern am 29. Oktober den "Staat der Slowenen, Kroaten und Serben", der alle südslawisch besiedelten Gebiete der alten Doppelmonarchie umfassen sollte, und am 24. November beschloss er, dem serbischen Prinzregenten Aleksandar Karađorđević die Herrschaft anzutragen. Dieser proklamierte am 1. Dezember 1918 das "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen". Die erst 1924 abgeschlossene Grenzziehung des neuen Staates gegenüber Italien enttäuschte Slowenen und Kroaten: Ganz Istrien einschließlich Rijeka und das dalmatinische Zadar fielen an Italien.

Gegen eine starke föderal gesonnene Opposition erhielt Jugoslawien 1920 eine zentralistische parlamentarische Verfassung. Die Parteienlandschaft des jungen Staates war weniger weltanschaulich als national gegliedert. Die stärkste politische Kraft bei den Kroaten, die Kroatische Bauernpartei unter Stjepan Radić, blieb bis 1925 in Verweigerungshaltung gegenüber Monarchie und Zentralismus – nicht allerdings gegenüber der Staatsidee an sich. Nach kurzer Regierungszugehörigkeit ging Radić 1927 erneut in die Opposition und gründete mit dem Serben Svetozar Pribićević die "Bäuerlich-demokratische Koalition", die sich gegen die wirtschaftliche Bevorteilung der Territorien des ehemaligen Königreiches Serbien wehrte.

Nachdem Radić 1928 den schweren Verletzungen durch ein Attentat auf ihn im Parlament erlag und Parlaments- und Regierungsarbeit stockten, verkündete König Aleksandar 1929 die Königsdiktatur. Zur äußeren Überwindung der Partikularismen erhielt der Staat nun den Namen "Jugoslawien". 1931 oktroyierte der König dem Land eine autoritäre Verfassung. Bei seinem Staatsbesuch in Frankreich 1934 fiel er in Marseille einem Attentat zu Opfer, das eine makedonische Widerstandsbewegung in Verbindung mit der kroatischen Exilgruppe der Ustascha, des "Aufständischen", unter Ante Pavelić organisiert hatte. Regent wurde nun Prinz Pavle, Onkel von Aleksandar. Er leitete ab 1935 einen Dialog zur Lösung der serbisch-kroatischen Spannungen ein. Schließlich unterzeichneten der aus Serbien stammende Ministerpräsident Dragiša Cvetković und der Nachfolger von Stjepan Radić, Vlatko Maček, 1939 ein Abkommen über die Bildung einer banovina (Banschaft) Kroatien mit Teilautonomie und eigenem Parlament. Sie umfasste auch die kroatischen Mehrheitsgebiete von Bosnien-Herzegowina.

Ein zerrissenes Land: Kroatien im Zweiten Weltkrieg

Im Anschluss an den von Prinz Pavle akzeptierten Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt am 25. März 1941 kam es in Belgrad zu einem Putsch. Die Weigerung der neuen Regierung, den Beitrittsvertrag in Kraft zu setzen, war für Hitler der Anlass, im Bündnis mit Italien den Angriff auf Jugoslawien am 6. April zu befehlen. Schon nach elf Tagen wurde der Waffenstillstand geschlossen, der junge König Petar II. und die Regierung waren bereits auf dem Weg ins Exil.

In Zagreb proklamierte Slavko Kvaternik, ein Vertrauter von Ante Pavelić, am 10. April den "Unabhängigen Staat Kroatien" (USK). Pavelić selbst traf erst am 15. April aus seinem italienischen Exil ein. Der neue Staat, der auch Bosnien-Herzegowina umfasste, musste Norddalmatien an Italien abtreten und war in eine deutsche und italienische Besatzungszone aufgeteilt. Kroaten stellten neben Serben, Bosniaken und anderen nur gut die Hälfte der Bevölkerung. Der USK wies viele Gemeinsamkeiten mit dem nationalsozialistischen Deutschland auf und ignorierte Rechtsstaatlichkeit. Die meisten jüdischen Einwohner wurden Opfer des Holocaust. Zur Politik gegenüber den Serben gehörten nebeneinander Vernichtung und Vertreibung wie auch die "Integrationsangebote", sich als Katholiken oder als orthodoxe Kroaten zu bekennen. Im Konzentrationslager Jasenovac kamen nach aktuellen Forschungsergebnissen etwa 85.000 Menschen ums Leben.

Der bewaffnete Widerstand gegen den USK entwickelte sich von zwei Seiten: den serbischen Tschetniks – aus četa, "Schar" – und der Partisanenbewegung. Die kommunistische Führung der Partisanenbewegung strebte danach, möglichst weite Bevölkerungsschichten für sich zu gewinnen. Ihre Stärke lag darin, dass sie anders als Ustascha oder Tschetniks keine nationale Intoleranz predigte und dadurch allen offenstand. Die überragende Persönlichkeit war Josip Broz Tito, um ihn entstand bald ein Personenkult. Am 29. November 1943 verkündete der "Antifaschistische Rat der Nationalen Befreiung Jugoslawiens" (AVNOJ) in Jajce in Bosnien die Wiedererrichtung Jugoslawiens als Föderation. Im AVNOJ arbeiteten auch einige Politiker der Bauernpartei mit; Maček selbst hielt sich im Abseits und emigrierte nach Kriegsende. Ab 1944 standen immer größere Gebiete Kroatiens unter Kontrolle der Partisanen, die aber erst am 8. Mai 1945 in Zagreb einzogen. Vielen Größen des USK gelang die Flucht.

Mit dem Sieg der Partisanen ist zugleich das düsterste Kapitel der kommunistischen Herrschaft in Kroatien und ganz Jugoslawien verbunden, nämlich die massenhafte Gewalt bei Kriegsende und in den Folgemonaten. Ein Strom von Ustascha-Mitgliedern, Soldaten und Zivilisten, nicht nur Kroaten, war nach Westen geflohen, um in die britische Zone Österreichs zu gelangen. Von den schubweise an die Partisanen Ausgelieferten wurden viele gleich im Grenzgebiet, bei Bleiburg, getötet, andere kamen auf dem "Kreuzweg" weiter ins Land zu Tode. Willkürjustiz war an der Tagesordnung. Schon 1944 hatte der AVNOJ die Enteignung und Aussiedlung fast aller 500.000 Deutschen in Jugoslawien beschlossen, unter ihnen etwa 100.000 auf dem Gebiet des heutigen Kroatiens. Soweit nicht vor Kriegsende geflohen, wurden sie in Lagern festgehalten und später großteils abgeschoben.

Im sozialistischen Jugoslawien

Die jugoslawischen Kommunisten gelangten weitestgehend ohne fremde Hilfe an die Macht. Nur widerwillig hatten sie im Juni 1944 ein Abkommen mit Vertretern der Exilregierung geschlossen. Doch bereits Ende 1945 waren die bürgerlichen Parteien als politische Faktoren ausgeschaltet. Das aus manipulierten Wahlen hervorgegangene Parlament proklamierte die Republik, und Jugoslawien erhielt Anfang 1946 eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild. Die Gliederung in sechs gleichberechtigte Teilrepubliken, darunter Kroatien, folgte zugleich Konzepten der bürgerlichen Opposition aus den 1930er Jahren.

Auch in Istrien war eine Partisanenbewegung entstanden, eine Versammlung in Pazin beschloss im September 1943 den Anschluss an Kroatien als Ziel. Die Pariser Friedenskonferenz 1946/1947 sprach Istrien zu großen Teilen Jugoslawien zu, nur aus dem Nordwesten wurde der Freistaat Triest gebildet. Er wurde 1954 aufgelöst, Triest selbst kam an Italien, die anderen Gebiete an Jugoslawien. Die heutige slowenisch-kroatische Grenze in Istrien geht auf die Festlegungen 1945 bzw. 1954 zurück.

Zum Aufbau des neuen Staats- und Gesellschaftssystems durch die Kommunisten gehörten die Nationalisierung von Großgrundbesitz, Industrie und Handel und die Schikane der Religionsgemeinschaften, in Kroatien war vor allem die katholischen Kirche betroffen.

Die sowjetisch-jugoslawischen Beziehungen kühlten sich trotz der Ähnlichkeiten der politischen Systeme bald ab. Die Sowjetunion warf Jugoslawien Eigenmächtigkeit vor, dieses sah sich bevormundet und benachteiligt. Als die jugoslawischen Kommunisten ablehnten, sich auf einem Treffen des Kominform, des "Kommunistischen Informationsbüros", in Bukarest dem Urteil der anderen Parteien zu stellen, wurden sie im Juni 1948 ausgeschlossen. Der Bruch mit der Sowjetunion führte zu Säuberungen innerhalb der Kommunistischen Partei Jugoslawiens. Unter dem Vorwurf, Kominform-Anhänger zu sein, kamen Hunderte in Straflager, darunter auf die Gefängnisinsel Goli otok. Ein prominentes Opfer der Säuberungen war der kroatische Kommunist Andrija Hebrang, dessen Entmachtung schon 1946 begonnen hatte. Er wurde 1949 im Gefängnis getötet. Nach 1990 wurden viele Plätze und Straßen in Kroatien nach ihm benannt.

In den Jahren nach 1948 näherte sich Jugoslawien außenpolitisch dem Westen an. Erst nach dem Tod Stalins 1953 verbesserte sich das Verhältnis zur UdSSR wieder. Jugoslawien gewann eine führende Rolle in der 1961 etablierten Blockfreienbewegung. In Anknüpfung an diese Tradition hat Kroatien dort noch heute einen Beobachterstatus.

Mit der Einrichtung der Arbeiterselbstverwaltung 1950 begann die Abgrenzung vom sowjetischen Modell des "demokratischen Zentralismus". Die Kollektivierung der Landwirtschaft, die man nach 1948 forciert hatte, wurde 1953 gestoppt. Die bestehenden Kollektivwirtschaften konnten sich wieder auflösen. Die Begrenzung der Hofgröße erwies sich jedoch in den folgenden Jahrzehnten als Bremse der Agrarmodernisierung. Das Modell des Selbstverwaltungssozialismus, das sich bis Ende der 1960er Jahre ausformte, zielte auf Zurückdrängung des Staates. Betriebe in "gesellschaftlichem Eigentum" verfügten über weite Entscheidungsfreiheit. Die Preisbildung erfolgte teils über Marktmechanismen. Es gab zudem einen großen Sektor an Privatbetrieben in Handwerk und Dienstleistungen. Offene Grenzen seit Ende der sechziger Jahre ermöglichten die Arbeitsemigration und die Entfaltung des Tourismus.

Die politische Dezentralisierung schwächte die Föderation gegenüber den Teilrepubliken. Nach der Verfassung von 1974 funktionierte Jugoslawien als Konföderation, die vom Konsens der Republiken abhing. Klammern für den Gesamtstaat waren die Person Titos, die Ideologie, die Armee und der relative Wohlstand.

In den Jahren 1967 bis 1971 entfaltete sich die soziale Bewegung des "Kroatischen Frühlings". Themen waren die Benachteiligung der kroatischen Sprache, die Stellung der Kroaten in anderen Republiken und Wirtschaftsreformen. Der liberale Flügel innerhalb des Bundes der Kommunisten Kroatiens stand auf der Seite der Bewegung. Von einzelnen radikalen Positionen abgesehen, stellte die Bewegung das Staatsmodell Jugoslawiens nicht infrage, berief sich bei ihren Anliegen auf Tito selbst. Das "Triumvirat" der Reformpolitiker Savka Dabčević-Kučar, Pero Pirker und Mirko Tripalo geriet dabei allmählich von zwei Seiten unter Druck: den Gruppen, denen die Reformen nicht weit genug gingen, und den Kritikern in der Partei. Ein Studentenstreik im November 1971 gab schließlich den Anlass zu einem Machtwort von Tito: Am 30. November verurteilte er die Entwicklungen in Kroatien als Chauvinismus und Nationalismus. Die Reformpolitiker traten zurück. Gegen zahlreiche Akteure wurden Haftstrafen verhängt und es begann die Zeit des "Kroatischen Schweigens" bis in die späten 1980er Jahre.

Mit dem Tod Titos am 4. Mai 1980, den Unruhen bei den Kosovo-Albanern 1981 und der wirtschaftlichen Stagnation seit ungefähr 1980 begann die Staatskrise Jugoslawiens. Der neue serbische Parteichef Slobodan Milošević griff 1987 die Stimmung nationaler Mobilisierung in Serbien auf und wurde so zum Sympathieträger großer Teile der serbischen Öffentlichkeit. Mit der von ihm betriebenen Aufhebung der Autonomie des Kosovo im März 1989 zerbrach der Verfassungskonsens für den Gesamtstaat, und das Misstrauen der anderen Republiken gegenüber Serbien wuchs. Die Parteiorganisation für den Gesamtstaat zerfiel im Januar 1990, als die Delegationen Sloweniens und Kroatiens unter Protest den Parteitag in Belgrad verließen.

Freie Wahlen, Unabhängigkeit und jugoslawische Nachfolgekriege

Im Laufe des Jahres 1989 entstanden, vom System geduldet, in Slowenien und Kroatien bereits neue Parteien. Am Tag nach der "Kerzenrevolution", einer gemeinsamen Demonstration der neuen Parteien auf dem Zagreber Hauptplatz am 10. Dezember, beschloss ein Parteitag der kroatischen Kommunisten freie Wahlen. Neuer Parteichef wurde Ivica Račan als Vertreter der Reformergeneration.

Wahlsieger im April 1990 wurde die HDZ, die "Kroatische demokratische Gemeinschaft" unter Franjo Tuđman, einem einstigen General der Jugoslawischen Volksarmee, der in Ungnade gefallen und zum Dissidenten geworden war. Die Verfassung vom 22. Dezember 1990 stellte Kroatien in die Tradition kroatischer Staatlichkeit seit dem Mittelalter und ging noch vom möglichen Verbleib innerhalb eines reformierten jugoslawischen Staatsverbandes aus. Der direkt vom Volk gewählte Präsident erhielt eine – bis zur Verfassungsreform im Jahr 2000 – starke Stellung.

Gewiss verstörte die nationale Euphorie bei den Kroaten viele Serben in der Republik. Doch wichtiger für deren Radikalisierung war die Verbindung mit der Bewegung in Serbien. Schon seit der "Baumstamm-Revolution" im August 1990 blockierten serbische Kräfte den direkten Weg zwischen Zagreb und Dalmatien.

Die Gespräche zwischen den Teilrepubliken bis Mitte 1991 verliefen ergebnislos: Während Slowenien und Kroatien die Umwandlung Jugoslawiens in eine "Konföderation unabhängiger Staaten" vorschlugen, zielte Milošević auf die Dominanz Serbiens. Die Weigerung des serbischen Vertreters im Staatspräsidium, turnusgemäß den Vorsitz an den kroatischen Vertreter abzugeben, gab dann den Anlass zur Unabhängigkeitserklärung von Slowenien und Kroatien am 25. Juni 1991.

Hierauf griff die Jugoslawische Volksarmee in Slowenien ein, doch traf sie auf unerwartet harten Widerstand der slowenischen Territorialverteidigung. Im von der Europäischen Gemeinschaft vermittelten Waffenstillstand war ein Moratorium von drei Monaten für eine Verhandlungslösung vorgesehen. Stattdessen eskalierte nun die Gewalt in Kroatien, bald stellte sich die Armee offen auf die Seite der serbischen Freischärler. Bekannteste Kriegsschauplätze wurden Vukovar an der Donau und Dubrovnik.

Ungefähr ein Drittel des Territoriums gelangte unter serbische Kontrolle und wurde zur "Republik Serbische Krajina" proklamiert. An die 200.000 Kroaten flohen oder wurden vertrieben. Doch Kroatien konnte sich militärisch so weit behaupten, dass schließlich am 2. Januar 1992 ein stabiler Waffenstillstand geschlossen und die Stationierung von UN-Truppen beschlossen wurde. Dies war auch die Folge einer veränderten außenpolitischen Konstellation: Nach langem Zögern hatte die Europäische Gemeinschaft für den 15. Januar die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens in Aussicht gestellt, Deutschland und andere Staaten hatten sie bereits Ende Dezember 1991 vollzogen.

Die folgenden Jahre waren weit von Normalität entfernt: Flüchtlinge waren zu versorgen; das Land war durch die Waffenstillstandslinie zerrissen. Gegenüber dem Krieg in Bosnien-Herzegowina ab Mai 1992 schwankte die kroatische Politik, 1993 begannen sogar Kämpfe zwischen Kroaten und Bosniaken. Erst das Washingtoner Abkommen zwischen den Regierungen in Zagreb und Sarajevo von März 1994 beendete diesen Konflikt. Vorgesehen war nun die Gliederung des Staates in zwei Entitäten: die Serbische Republik und die Föderation Bosnien-Herzegowina. Doch die Entitätsgrenzen ergaben sich erst aus den Kämpfen im Herbst 1995.

Da sich die "Republik Serbische Krajina" kompromisslos zeigte, ergriff Kroatien schließlich am 1. Mai 1995 die militärische Initiative und gewann in der Aktion Blijesak (Blitz) die serbisch kontrollierten Gebiete in Westslawonien zurück. Es folgte die viel größere Operation Oluja (Sturm) vom 4. bis zum 6. August, als alle Gebiete der Krajina entlang der bosnisch-kroatischen Grenze im Westen wieder unter kroatische Kontrolle gelangten. Der größte Teil der serbischen Bevölkerung floh vor den heranrückenden kroatischen Truppen, wie schon vorher aus Westslawonien – insgesamt etwa 130.000 Menschen.

Ein "Nebenergebnis" der Verhandlungen in Dayton, die 1995 den Krieg in Bosnien-Herzegowina beendeten, war der Vertrag von Erdut an der Donau vom 12. November, als sich Kroatien und Serbien auf die friedliche Reintegration des noch immer serbisch kontrollierten Ostslawoniens in das kroatische Staatsgebiet einigten. Sie war 1998 abgeschlossen, seitdem leben hier wieder Kroaten und Serben nebeneinander.

Die jüngste Zeit

Die 1990 eingeleitete politische und wirtschaftliche Transition in Kroatien wurde bis 1995 durch den Kriegsverlauf überlagert. Von Juli 1991 bis August 1992 bestand eine Allparteienregierung. Bei den Wahlen im August 1992 und im Oktober 1995, kurz nach Oluja, konnte die HDZ ihre Vormachtstellung weiter ausbauen. Doch danach wuchs die Unzufriedenheit mit dem autoritären Amtsstil von Präsident Tuđman und dem Klientelismus in seinem Umfeld.

Die Wahlen im Januar 2000, kurz nach dem Tod von Franjo Tuđman am 11. Dezember 1999, brachten einen klaren Sieg der bisherigen Oppositionsparteien. Die Sozialdemokratische Partei, Nachfolgepartei der Reformkommunisten, und die Liberalen, unter ihnen Akteure des "Kroatischen Frühlings", bildeten eine Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Ivica Račan. Seitdem hat Kroatien weitere zwei Regierungswechsel erlebt. Aus den Wahlen 2003 und 2007 ging erneut die HDZ als stärkste Partei hervor. Regierungschef der von der HDZ dominierten Koalitionsregierung war Ivo Sanader bis zu seinem überraschenden Rücktritt am 1. Juli 2009. Noch unter seiner Nachfolgerin Jadranka Kosor wurde Sanader erst wegen parteischädigenden Verhaltens aus der HDZ ausgeschlossen und schließlich im Dezember 2010 verhaftet. Inzwischen steht er wegen Korruptionsverdacht vor Gericht. Seit den Wahlen im Dezember 2011 hat Kroatien wieder eine sozialdemokratisch geführte Regierung, nun unter Ministerpräsident Zoran Milanović. Auch bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 setzte sich mit Stjepan Mesić ein Vertreter der früheren Opposition durch, er blieb zwei Legislaturperioden im Amt. 2009 löste ihn Ivo Josipović, Kandidat der Sozialdemokraten, ab.

Schon die Unabhängigkeitserklärung 1991 sprach vom Ziel des Eintrittes in die Europäische Gemeinschaft. Doch der lange Weg in die Europäische Union begann erst nach dem Ende der Ära Tuđman: von der Einladung, den Antrag auf Verhandlungsbeginn zu stellen im Jahr 2002 bis zur Annahme des Beitrittsvertrages durch das Europäische Parlament im Dezember 2011 und zum noch laufenden Ratifizierungsprozess. Die Aufnahme in die NATO ist schon 2008 erfolgt. Fortschritt und Stillstand in den EU-Beitrittsverhandlungen waren häufig eng verflochten mit der Frage, ob Kroatien angemessen mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zusammenarbeite; denn gerade in den Wochen nach Oluja war es zu Gewaltakten und Plünderungen gekommen. Der Prozess gegen die Generäle Gotovina und Markač bezog sich jedoch auf die unmittelbare Vorgeschichte und den Verlauf der Offensive selbst. Das Urteil vom April 2012 ließ sich als Kriminalisierung der Operation selbst lesen. Da die Legitimität der Kriegshandlungen in Kroatien parteiübergreifender Konsens ist, wurde der Freispruch der Generäle im November 2012 nach dem Revisionsverfahren einhellig begrüßt. Unberührt hiervon bleibt die Berechtigung strafrechtlicher Verfolgung individueller Verletzungen von Kriegsrecht.

Ähnlich wie in anderen postsozialistischen Ländern ist die gegenwärtige Gesellschaft in Kroatien geradezu gespalten in der Frage, wie die Ära des Sozialismus in der eigenen Geschichte zu verorten ist. Für die einen war das Regime wegen seiner Gewalttaten bei Kriegsende und wegen seiner ideologischen Intoleranz von Anfang an ein historischer Irrweg trotz aller späteren Milderung. Die anderen verbinden mit der Zeit den Sieg über den Faschismus, die Schaffung Kroatiens in seinen gegenwärtigen Grenzen, Aufbauleistungen und den sozialen Aufstieg der eigenen Familie.

Über alle inneren Differenzen und unbefriedigenden Wirtschaftsdaten hinweg bleibt für die meisten Bürgerinnen und Bürger Kroatiens die Erfahrung wachsenden Wohlstandes und größerer Freiräume der Lebensgestaltung. Alle Zweifel an der Existenzfähigkeit und -berechtigung des Staates sind längst gewichen. Am wichtigsten aber: Kroatien ist zu einem Land der offenen Grenzen und weitgehend problemlosen Beziehungen zu allen seinen Nachbarn geworden, der EU-Beitritt kann dies nur fördern.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Abbildung auf S. 25.

  2. Die Darstellung folgt der Konzeption des Buches von Ludwig Steindorff, Kroatien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Regensburg 20072. Für die Zeitgeschichte vgl. auch Dunja Melčić (Hrsg.), Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen, Wiesbaden 20072; Sabrina P. Ramet/Konrad Clewing/Renéo Lukić (eds.), Croatia since Independence. War, Politics, Society, Foreign Relations, München 2008; Sabrina Ramet, Die drei Jugoslawien. Eine Geschichte der Staatsbildungen und ihrer Probleme, München 2011; Holm Sundhaussen, Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten. Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen, Wien 2012.

  3. Siehe auch den Beitrag von Sinisa Kusic in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.).

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Dr. phil, geb. 1952; Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Olshausenstraße 40, 24098 Kiel. E-Mail Link: lsteindorff@oeg.uni-kiel.de